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Dienstag, 12. August 2025

Zu Gast in Deinem Zelt: Musik-Special

In all den Jahren, seit ich mit meiner Familie Urlaub in Butjadingen mache, sind die aktuellen Sommerferien tatsächlich die ersten, in denen wir in nennenswertem Ausmaß etwas vom Programm der ökumenischen Urlauberkirche im Kirchenzelt auf dem Burhaver Campingplatz mitbekommen. Schade ist, dass dieses Programm, das in früheren Jahren deutlich umfang– und abwechslungsreicher war, nur noch aus einem jeweils zweistündigen Spiel- und Bastelangebot an fünf Tagen in der Woche besteht; aber dieses Angebot haben wir immerhin recht ausgiebig genutzt: Bis einschließlich gestern waren wir siebenmal da und werden heute wohl auch nochmal hingehen. 

Begonnen hatte das Programm im Burhaver Kirchenzelt bereits am 13. Juli, in Tossens sogar schon eine Woche früher; die Teams, die das Urlauberkirchen-Programm eigenverantwortlich gestalteten, wechselten wöchentlich, was bedeutet, dass die ersten beiden Teams ihren Einsatz bereits beendet hatten, ehe wir zum ersten Mal im Kirchenzelt auftauchten. Wie im jüngsten Wochenbriefing schon erwähnt, gehörte zur vom Träger der Urlauberkirche zur Verfügung gestellten Grundausstattung des Kirchenzelts auf dem Burhaver Campingplatz eine Bluetooth-Lautsprecherbox, und wie ich ebenfalls schon angesprochen habe, wurde diese von den verschiedenen Teams, die das Programm im Kirchenzelt gestalteten, durchaus unterschiedlich genutzt. Dass dies ein Aspekt meiner Beobachtungen zum Thema Urlauberkirche ist, zu dem ich besonders viel anzumerken habe, dürfte auf der Hand liegen, da sich hier mein Interesse an Kinderkatechese mit meinem Interesse an Musik berührt. 

Vorweg gesagt: Volle zwei Wochen lang habe ich es nicht ein einziges Mal erlebt, dass die Lautsprecherbox für etwas anderes verwendet worden wäre als für Hintergrundmusik in sehr gedämpfter Lautstärke. Das scheint mir in keinem besonders sinnvollen Verhältnis zur theoretischen Leistungsfähigkeit des Geräts zu stehen, aber macht ja nichts, zahlt ja die Kirchensteuer. – Im Ernst, ich find's schade. Die Box hätte sich prima dazu geeignet, ein bisschen Kinderlobpreisdisco mit Bewegungsliedern zu machen, bei gutem Wetter gern auch vor dem Zelt, das hätte dann womöglich auch noch mehr Interessenten angelockt. Aber okay, solche Überlegungen sprengen im Grunde schon den Rahmen dessen, was die Urlauberkirche ihrem derzeitigen konzeptionellen Zuschnitt ist und sein will; bleiben wir also lieber erst mal beim Ist-Zustand, bevor wir uns Gedanken um das "Könnte" und das "Sollte" machen. 

Wie ich ebenfalls bereits erwähnt habe, lief bei unseren ersten drei Besuchen im Kirchenzelt – in der Woche vom 28. Juli bis zum 1. August – stets eine Spotify-Playlist mit "Kinderwortgottesdienst-Liedern" auf dieser Box; dazu gehörten klassische NGL wie "Danke", "Kleines Senfkorn Hoffnung", das (wie ich inzwischen gelernt habe) ursprünglich gar nicht zum NGL-Genre gehörende, aber gewissermaßen von ihm annektierte "Ins Wasser fällt ein Stein" und mein persönlicher Favorit "Einer hat uns angeleckt mit der Zunge der Liebe", Spiritual-Melodien mit deutschen Texten, die wohl der "Jazzmessen-Phase" des NGL zuzurechnen sind ("Komm, sag es allen weiter" auf die Melodie von "Go, Tell it on the Mountain", "Gottes Liebe ist so wunderbar" auf die Melodie von "Rock My Soul in the Bosom of Abraham"), aber auch Lieder, die unsere Kinder vom JAM kennen, wie "Einfach spitze", "Sei ein lebend'ger Fisch" oder das unter political correctness-Gesichtspunkten recht problematische "Ja, Gott hat alle Kinder lieb". Durchweg eher älteres Material also, kein Mike Müllerbauer, kein Peter Menger, keine Adonia-Bibelvers-Songs. Offenbar gibt diese Mischung aber ein repräsentatives Bild davon ab, was man für Ergebnisse bekommt, wenn man bei Spotify nach Liedern für Kindergottesdienste sucht; weiter will ich das gar nicht kommentieren. 

Erwähnenswert erscheint mir hingegen, dass der Spotify-Algorithmus dem Nutzer offenbar gelegentlich mal einen Streich spielt und einen Song in eine Playlist hineinschmuggelt, der da thematisch gar nichts drin zu suchen hat. Im vorliegenden Fall handelte es sich um den Partyhit "Gästeliste +1" von HBz, das die Melodie von "For He's a Jolly Good Fellow" verwendet. Ziemlich bizarr. 

Auf den neuapostolischen Gemeindevorsteher aus Nordenham und seine Familie folgte als Kirchenzelt-Team eine katholische Familie aus Nordrhein-Westfalen; als wir zum ersten Mal zu einem von diesem Team gestalteten Programm gingen, liefen dort – wie ich ebenfalls schon erwähnt habe – als Hintergrundmusik zunächst nicht-religiöse Kinderlieder, etwa von Simone Sommerland und den KiTa-Fröschen (von denen es, nebenbei bemerkt, sehr wohl auch Kindergottesdienst-Lieder gibt) oder Volker Rosin, dem König der Kinderdisco, dazu Lieder aus Disney-Filmen; als nach einer Weile dann "Atemlos" von Helene Fischer aus der Box erklang, dachte ich zunächst, es handle sich wieder um so einen Spotify-Fail wie bei "Gästeliste +1", aber das war offenbar doch nicht der Fall. (Es gibt übrigens, nur mal am Rande erwähnt, durchaus auch Kinderdisco-Versionen von "Atemlos", etwa von den Chart Kids und, jawohl, auch von Simone Sommerland und den KiTa-Fröschen, aber meine Shazam-App versicherte mir, dass hier tatsächlich das Original lief.) – Der nächste Song auf der Playlist hatte für mein Empfinden vom Sound her durchaus Ähnlichkeit mit Lobpreis-Pop aus dem Umfeld des Gebetshauses Augsburg (Veronika Lohmer, Anton Svoboda etc.), aber Shazam klärte mich darüber auf, dass es sich tatsächlich um den Song "Wie schön du bist" von Sarah Connor handelte. Das brachte mich auf die Idee zu einem Musikquiz: "Lobpreis oder Neue deutsche Larmoyanz" – so ähnlich wie das vor Jahren in den Sozialen Netzwerken kursieren Quiz "IKEA or Death", wo man vage skandinavisch bzw. "nordisch" anmutende Wörter gezeigt bekam und raten musste, ob es die Namen von IKEA-Produkten oder Death-Metal-Bands sind. Bloß dass man bei dem "Lobpreis oder Neue deutsche Larmoyanz"-Quiz ein paar Takte aus einem Song, eventuell mit einem kleinen Fetzen Text, vorgespielt bekommen müsste. Im Grunde hat diese Idee wohl schon in mir geschlummert, seit ich anno 2016 im Flixbus nach Leipzig – auf der Fahrt zum Katholikentag – "Seite an Seite" von Christina Stürmer hörte und dachte, das wäre womöglich die offizielle Katholikentagshymne. Hätte ich ehrlich gesagt besser gefunden als "Da berühren sich Himmel und Erde", und zwar auch vom Text her

Das nächste Lied auf der Kirchenzelt-Playlist hätte man auch ganz gut für das Quiz "Lobpreis oder Neue deutsche Larmoyanz" verwenden können: "Feuerwerk" von Wincent Weiß. Wobei, noch mehr Ähnlichkeit als mit Lobpreis hat dieser Song mit "Hollywood Hills" von der finnischen Band Sunrise Avenue; so große Ähnlichkeit, dass es schon einen Plagiatsverdacht rechtfertigen könnte. – Eine Weile ging die Playlist noch in diesem Stil weiter, unter anderem waren auch die Toten Hosen mit "Tage wie diese" zu hören, einem Song, mit dem die Düsseldorfer Ex-Punks nun auch im Genre der Neuen deutschen Larmoyanz angelangt sind; irgendwann kamen dann wieder Kinderlieder, und dann war die Playlist zu Ende

Was dann passierte, habe ich bereits skizziert, dabei aber auch angemerkt, dass ich darauf noch ausführlicher zurückkommen wollte: In die entstehende Musikpause hinein merkte die weibliche Hälfte des "Teamer"-Ehepaars an, dann könne man ja jetzt "mal was Anderes" anmachen; sie verriet bei dieser Gelegenheit, sie habe verschiedene Playlists angelegt, die eben zu Ende gegangene habe unter dem Motto "Sommer" gestanden. Die neue Playlist, die nun folgte, hatte offenbar ein stärker kirchlich orientiertes Thema, denn sie begann mit meinem persönlichen Hass-Lied "Da berühren sich Himmel und Erde", gefolgt von "Gott, dein guter Segen" von Detlev Jöcker, das ich ehrlich gesagt gar nicht mal so schlecht finde. Dies war dann der Moment, wo ein Kind feststellte "Das ist ja ein Kirchenlied!" und die Teamerin erwiderte "Na ja, ist ja auch Urlauberkirche". Nicht ganz sicher bin ich, ob es dasselbe Mädchen war oder ein anderes, das kurz darauf einwarf: "Wenn wir hier schon Kirchenlieder hören, dann können wir auch 'Lichterkinder' hören." Diesem forsch vorgetragenen Musikwunsch wurde – nicht sofort, aber doch relativ bald – entsprochen, und das gab mir Gelegenheit, darüber zu sinnieren, warum dem Mädchen dieses Lied im Zusammenhang mit der Kategorie "Kirchenlieder" eingefallen ist. Kennt sie es aus einem kirchlichen Kontext, aus Kindergottesdienst oder Religionsunterricht? – Schauen wir mal in den Text rein: 

"Lichterkinder auf dieser Erde 
Leuchten wie Sterne am Himmelszelt 
So wie Sankt Martin schenken sie Freude 
In alle Herzen auf dieser Welt" 

– Ach so, das ist ein St.-Martins-Lied! Allerdings ein gründlich säkularisiertes: In den gerappten Strophen kommen zwar Sätze vor wie "Nächstenliebe ist alles was zählt", aber von Gott oder Jesus ist keine Rede. Ich kann mir nur allzu gut vorstellen, dass es gerade deshalb für St.-Martins-Feiern in KiTas und Schulen in kirchlicher Trägerschaft gern genommen wird. Aber das ist wohl eher ein Thema für den nächsten Herbst. – Ein anderes Mädchen wünschte sich ein "Handball-Lied", womit sie offenbar ein Lied meinte, das sie aus ihrem Handballverein kennt; auch diesem Liedwunsch wurde entsprochen, und wie sich herausstellte, handelte es sich um die "Meisterschaftsversion" des Partyhits "Das geht ab!" von den Atzen – die sich von der Originalversion im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass die Zeile "Wir feiern die ganze Nacht" durch "Wir holen die Meisterschaft" ersetzt wird. Bald darauf wurde wieder zu Simone Sommerland & Co. gewechselt, außer den bereits genannten lief nur noch ein Lied mit religiösem Gehalt – wieder einmal eine deutsche Textfassung eines Spirituals, ich glaube, es war "He's Got the Whole World"

Am Donnerstag gab es dann zunächst überhaupt keine Musik im Kirchenzelt, da die Leiterin die Box im Wohnwagen vergessen hatte; der stand zwar buchstäblich nur 50 Meter entfernt, aber noch einmal zurückzugehen und sie zu holen, hatte offenbar keine besonders hohe Priorität. Als meine Tochter sich bei mir über die Abwesenheit von Musik beklagte – nachdem sie, das wiederhole ich gern nochmal, tags zuvor kritisiert hatte, am Dienstag sei im Kirchenzelt "kein einziges Mal der Name Jesus erwähnt worden" und es seien "nur so Quatschlieder wie 'Der Gorilla mit der Sonnenbrille' gelaufen" –, merkte ich an, ich könnte ja Musik von meinem Handy anmachen; eine für Hintergrundmusik ausreichende Lautstärke würde mein Handy auch ohne die Lautsprecherbox hinkriegen. Das Tochterkind unterbreitete diesen Vorschlag prompt der Teamerin, und die hatte nichts dagegen, also machte ich meine Kinder-Lobpreis-Playlist an. Da wir aber – nachdem unser Jüngster mit all seinen Bastelprojekten fertig war und die Große auf die zeitaufwändigste dieser Bastelarbeiten, nämlich einen Engel aus Eierpappe zu basteln, keine Lust hatte – rund eine halbe Stunde vor dem Ende der Veranstaltung gingen, gab es wieder nicht mehr als drei Lieder mit religiösem Gehalt: "Deine Hand in meiner" von den "Feiert Jesus! Kids", "Königskind" von Peter Menger und "Gottes unsichtbare Engel", ebenfalls von Peter Menger. 

Als wir am Sonntag zum ersten Einsatz des aus unserer Sicht dritten Urlauberkirchen-Teams gingen (insgesamt war es schon das fünfte in dieser Saison), gab's zu Beginn erst mal eine Überraschung: Anders als beim Team der vorherigen Woche wurde nicht einfach so losgebastelt, sondern es gab eine richtige Begrüßung und eine Einführung ins Thema bzw. Motto des Tagesprogramms – und zu dieser Einführung gehörte, man höre und staune, ein Bewegungslied mit religiösem Inhalt ("Gott ist wie die Sonne" von Stephanie Kager, kannte ich bisher gar nicht). Da fühlte man sich schon fast wie beim JAM. Im weiteren Verlauf übertrug die Teamleiterin einer ihrer Töchter die Verantwortung für die Musikauswahl – mit dem Ergebnis, dass es wieder Lieder von Volker Rosin, Simone Sommerland und anderen Kinderliedermachern gab. Zwischendurch gab's dann auch wieder ein Lied, bei dem ich im ersten Moment dachte, das könnte Lobpreis sein, etwa im Stil des Bethel Music-Albums "We Will Not Be Shaken" (2015); die Shazam-App belehrte mich jedoch, dass es sich tatsächlich um... Imagine Dragons handelte, mit einem Song namens "Demons". Ähem. 

Musikwünsche von teilnehmenden Kindern gab's auch wieder, unter anderem wünschte sich ein Junge "Helikopter 117" von Tobee – ein Lied, das ich bisher nicht kannte, das mir aber in einem bedenklichen Graubereich zwischen Kinderdisco und Sauflied für Heranwachsende angesiedelt zu sein scheint (merke: Auch von "Mama Lauda" gibt es eine Kinderdisco-Version!). Unser Tochterkind wollte sich daraufhin auch nicht lumpen lassen und wünschte sich "APT" von Rosé & Bruno Mars – das kennt sie aus der Toberaum-Disco in ihrer Schule, und sie führte sogar im Alleingang die Choreographie zu diesem Song vor, die sie von ihren Mitschülerinnen gelernt hatte. Fand ich cool. Bei der nächsten Talentshow ihrer Schule will ich sie auf der Bühne sehen. 

Am Montag wurde der lobenswerte Ansatz mit dem Bewegungslied zur Eröffnung leider nicht erneut aufgegriffen – was man vielleicht darauf zurückführen könnte, dass die Leiterin kein zum Tagesmotto "Gott hört dir immer zu" passendes Lied gefunden hat; ich hätte zwar gedacht, da müsse es doch eins geben, habe aber ebenfalls keins gefunden. Auch als Hintergrundmusik lief während des Montags-Programms keine religiöse Musik, sondern ein Mix aus Kinderliedern und typischen "Sommerhits"

Im Ganzen hinterlässt also auch das letzte der drei von uns miterlebten Urlauberkirchen-Teams einen durchwachsenen, man könnte auch sagen: zwiespältigen Eindruck – nicht nur was die musikalische Gestaltung angeht, aber alles andere ist hier und jetzt nicht mein Thema. Wobei, ganz zu trennen ist die Frage der Musikauswahl natürlich nicht von "allem anderen": Je weniger Wert das Team insgesamt darauf legt, dass das Programmangebot der Urlauberkirche auch einen katechetischen Aspekt hat, desto weniger ist zu erwarten, dass es auch die Musikauswahl an diesem Anliegen orientiert. Zunächst mal ist es also eine Frage des Wollens – und dann, in zweiter Linie, eine Frage davon, ob man geeignete Musik kennt oder auch nur ahnt, dass es solche geben könnte. Ich habe da immer wieder vor Augen, was für irritierte Reaktionen ich mal mit der Aussage geerntet habe, man solle bei der musikalischen Gestaltung von Kinder- bzw. Familiengottesdiensten nicht immer automatisch auf NGL zurückgreifen, als ob es nichts anderes gäbe – denn die Leute, zu denen ich da sprach, waren tatsächlich der Auffassung, dass es nichts anderes gäbe. Ich kann mich da nur wiederholen: In der (groß-)kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit, auf haupt- wie auf ehrenamtlicher Ebene, gibt es allzu viele Leute, die christliche Kinderliedermacher wie Mike Müllerbauer oder Peter Menger, geschweige denn Projekte wie "Feiert Jesus! Kids", "Family Worship" oder "Adonia-Bibelvers-Songs", nicht nur nicht kennen, sondern auch gar nicht erst auf die Idee kommen, sich dafür zu interessieren, was es in diesem Bereich so alles gibt. Auch nicht auszuschließen ist, dass es Mitarbeiter geben könnte, denen solche Lieder – sofern sie von ihnen wüssten – "zu religiös" wären und die deshalb dem eher vagen religiösen Gehalt von NGL wie "Kleines Senfkorn Hoffnung" den Vorzug geben würden. Oder eben dem "Lichterkinder"-Lied. 

Eine ganz andere Frage, die hier freilich den Rahmen sprengen würde, ist, was eigentlich aus dem "Selber-Musizieren" geworden ist. Vor Jahren dachte ich noch, um Urlauberkirche zu machen, müsste man Gitarre spielen können. So ändern sich die Zeiten...! 


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