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Donnerstag, 3. November 2016

Auf und unter dem Radar

Seit nunmehr gut zwei Monaten hat die deutschsprachige christliche Bloggerszene ein tolles neues Spiel- oder vielleicht auch Werkzeug: Theoradar - Themen der christlichen Blogosphäre ist eine Seite betitelt, die seit Anfang September des laufenden Jahres die Resonanz, die christliche Blogartikel in den Sozialen Netzwerken Facebook, Twitter und Google+ finden, statistisch auswertet und daraus Ranglisten bastelt. Ausgeheckt hat das Ganze der Journalist und evangelische Theologe Fabian Maysenhölder, Redakteur bei n-tv und Betreiber des Blogs TheoPop. Laut Selbstaussage will Theoradar "bewusst ein breites Spektrum an (theologischen) Positionen abbilden" - wenn auch nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtbereich christlichen Bloggens in deutscher Zunge: 120 Blogs werden derzeit in der statistischen Auswertung berücksichtigt, während die katholische Bloggerliste des Predigtgärtners allein über 300 Blogs aufführt; wie viele evangelische Blogs es gibt, kann ich nicht annähernd einschätzen. Angesichts der Tatsache, dass also längst nicht alle dafür theoretisch in Frage kommenden Blogs ausgewertet werden, empfinde ich es als umso schmeichelhafter, dass mein bescheidener kleiner Blog immer mal wieder in den jeweils aktuellen Wochen- und Monatsranglisten auftaucht. Wer selbst noch nicht dabei ist, es aber gern wäre (oder vielleicht auch andere Blogs für die Aufnahme in die Statistik empfehlen möchte), kann dem Theoradar-Betreiber eine Mail schicken (dazu lädt er auf seiner About-Seite ausdrücklich ein). Dem Anspruch, eine große Bandbreite an Positionen abzudecken, wird das Projekt jedenfalls für mein Empfinden schon jetzt ganz gut gerecht. Das ist einer der Gründe, warum ich den Theoradar als Bereicherung empfinde und gern und oft mal in die aktuellen Ranglisten 'reinschaue: Ich werde auf diese Weise auf Blogartikel aufmerksam, die ansonsten auf meinem persönlichen Radar eher nicht auftauchen würden. Beispiele hierzu später; zu den anderen Gründen ebenfalls. 

Bleiben wir zunächst noch beim Stichwort "breites Spektrum an Positionen". Wenn im Theoradar eine Reihe sehr unterschiedlicher Blogs berücksichtigt wird und diese rein statistisch ausgewertet werden, dann sieht das zunächst einmal nach größtmöglicher Neutralität aus. Aber natürlich hat der Macher von Theoradar auch eigene Positionen. Von diesen kann man sich beispielsweise anhand seines Blogs TheoPop ein Bild machen. zudem wird der aufmerksame Nutzer darauf hingewiesen, dass Theoradar "Teil des Ruach-Netzwerks" ist. Bei diesem handelt es sich laut Eigenbescheibung um eine "Initiative für innovative Verkündigung", und zu diesem Netzwerk gehört neben Theoradar und TheoPop u.a. auch das Projekt DreifachGlauben, das ich vor längerer Zeit schon mal am Wickel hatte. Zudem hostet die Theoradar-Seite auch einen eigenen "Metablog" (was mit "meta" gemeint ist, verrät die Kopfzeile des Menübereichs: "Reden wir mal über Blogs"), für den neben Fabian Maysenhölder auch andere Autoren schreiben  - die jeweils auch eigene Blogs betreiben und daneben noch auf weiteren Plattformen publizieren. Und wenngleich unter den Metablog-Beiträgern mindestens ein Katholik ist, ergibt sich der Eindruck, dass da insgesamt ein liberaler "Mainline Protestantism" vorherrscht, tendenziell wohl noch etwas liberaler (oder, wenn man diesen Begriff denn verwenden will, "linker") als die "offizielle Position" der Teilkirchen, denen die Autoren jeweils angehören. Das ist ja an sich auch überhaupt nicht schlimm; aber es bedeutet schon einen erheblichen Abstand von der (jedenfalls in der Außenwahrnehmung) in toto erz- und dunkelkatholischen"Blogoezese". Und gerade das macht die Sache so interessant - nicht zuletzt deshalb, weil letztere in den Theoradar-Ranglisten trotzdem stark vertreten ist. 



Wie der Theoradar-Initiator und sein Netzwerk letzteren Umstand finden, davon könnte man sich anhand des September-Monatsrückblicks im Metablog ein recht farbiges Bild machen. Der Artikel liest sich über weite Strecken wie eine quasi-pädagogische Handreichung für den Leser, dem erst einmal erklärt werden muss, wie er die an prominenter Stelle in den September-Monatscharts vertretenen Blogbeiträge denn finden soll. 

Als offensichtliches Problem für den Metablog-Autor - in diesem Fall none other than Fabian Maysenhölder himself - erweist es sich dabei, dass der katholische Lifestyle-Blog The Cathwalk auf dem September-Theoradar so richtig abgeräumt hat. Wie aus dem Monatsrückblick ersichtlich ist, hat The Cathwalk im September mindestens die Ranglistenplätze 2, 4, 5, 6, 7 und 9 belegt; wer auf Platz 1 gelandet ist, verrät der Artikel bemerkenswerterweise gar nicht. Jedenfalls sieht sich Fabian Maysenhölder durch diesen Erfolg des Cathwalk dazu veranlasst, diesen als "das Boulevardmedium der christlichen Blogosphäre" zu betiteln und auszuführen: 
"Clickbait, Listicles, reißerische Überschriften – man könnte meinen, man sei bei einer Art Retro-Focus-Online gelandet: Seriös anmutender Rahmen, doch am Ende geht es vor allem um Klicks.
Stellvertretend dafür sei die Reihe '7 Vorurteile gegen …' genannt. [...]  Es ist schon bezeichnend, dass diese Reihe offenbar von anonymen Autoren verfasst wird. Wenn man sich die Texte durchliest, findet man aber schnell heraus, warum." 
Bereits am 10. September warnte Metablog-Co-Autor Philipp Greifenstein auf seinem eigenen Blog vor The Cathwalk - und zwar mit dem Hinweis, dass dieser sich trotz seines hippen, coolen Erscheinungsbildes bei näherem Hinsehen als, Überraschung!, zutiefst erz- und dunkelkatholisch erweist. Fazit: "Ich werde meine neuentdeckte Männlichkeit bei der Beobachtung des Theoradars jedenfalls dadurch exekutieren, den Cathwalk zu meiden."

Geholfen haben diese Warnungen indes offenbar nicht viel. Ein Oktober-Monatsrückblick liegt auf dem Metablog (zumindest noch) nicht vor; aber als ich am Abend des 31.10. letztmals einen Blick auf die Oktober-Rangliste warf, belegten Cathwalk-Beiträge ganze vier der ersten zehn Plätze, darunter die Plätze 1 und 2; und drei weitere Top-Ten-Platzierungen entfielen auf Beiträge von Catholicism Wow

Solche Beobachtungen sind, was soll ich's leugnen, ein weiterer Grund, weshalb ich Spaß am Theoradar habe. Und natürlich ist es diesem Spaß auch durchaus förderlich, wenn ich zwischenzeitlich mal mit eigenen Beiträgen auf den vorderen Rängen auftauche. In der Oktober-Endabrechnung habe ich es immerhin - mit #EBERKACK! - auf Platz 20 geschafft (da die Theoradar-Wertung auch Kommentare auf Facebook zählt, "Likes" aber allem Anschein nach nicht, liegt es auf der Hand, dass kontroverse Beiträge die größten Chancen haben), und auf Platz 19 landete ein von mir verfasster Gastbeitrag auf... The Cathwalk.

Aber ich wollte ja noch etwas dazu schreiben, wie der Theoradar mich auf Blogbeiträge aufmerksam macht, die ich ansonsten eher nicht lesen würde. Das ist, wenn auch nicht immer ein reines Vergnügen, doch in jedem Fall eine interessante Horizonterweiterung. Einige ziemlich erfolgreiche Artikel kamen vom auf dem Portal evangelisch.de gehosteten Blog kreuz und queer; für diesen schreiben verschiedene Autor*innen, und sicher kann man die nicht alle über einen Kamm scheren. Aufgefallen sind mir hier vor allem ein paar Beiträge von Matthias Albrecht, der in Bielefeld Gender Studies studiert und in den von mir gelesenen Artikeln nicht so sehr für die Akzeptanz von LGBT-Rechten im kirchlichen Bereich wirbt, sondern sie vielmehr mitunter recht aggressiv einfordert. Nun ja. An prominenter Stelle in der Rangliste vertreten war weiterhin der Blog GekreuzSIEGT, der mir zwar dem Namen nach ein Begriff war, den ich aber zuvor nie gelesen hatte. Bloggerin Mandy hat eine bewegte und bewegende Biographie (kaputtes Elternhaus, Obdachlosigkeit, Drogen...), die ihren persönlichen Zugang zum Glauben zweifellos stark prägt, und vertritt - so mein Eindruck - eine Auffassung von Christentum, die man im angloamerikanischen Bereich wohl als non-denominational bezeichnen würde. Was sie schreibt, ist vom sprachlichen Stil wie zum Teil auch von der inhaltlichen Tendenz her nicht so unbedingt meins, aber das ist nur meine ganz subjektive Sicht und soll kein allgemeines Qualitätsurteil darstellen. Auf jeden Fall kommt Mandy sehr authentisch und somit auf einem emotionalen Level überzeugend rüber, und allein das macht ihren Blog lesenswert.

Und dann ist da noch der Satire-Blog TheoLeaks, dem auch die erste Folge der Reihe Schau mal, wer da bloggt auf dem Theoradar-Metablog gewidmet ist. Im Interview mit Theoradar erklären die TheoLeaks-Macher, grundlegend für die Idee zu ihrem Blog sei die Frage gewesen, "wieso es eigentlich keine christliche Satire gibt". Was mich erst einmal wundert - denn nicht nur bringen einige mir bekannte und von mir geschätzte christliche Blogs (z.B. JoBo72 oder totaliter aliter) unter anderem auch satirische Beiträge; es gibt auch etwa auf katholischer Seite bereits seit Oktober 2014 Die Tiberente und im evangelischen Bereich seit Juli 2016 die Messe in Moll (okay, zugegeben: TheoLeaks gibt es schon seit Juni 2016). Ein entscheidender Unterschied liegt für mein Empfinden allerdings darin, dass die von mir genannten Blogs Satire aus dem christlichen Glauben heraus betreiben, wohingegen TheoLeaks eher Satire über den christlichen Glauben betreibt. Und das kann man schließlich auch beim Postillon finden. Okay, zuweilen ist TheoLeaks tatsächlich witzig, aber hin und wieder beschleicht mich beim Lesen der dort erscheinenden Beiträge der Gedanke: Letztendlich arbeiten die doch dem Feind in die Hände. (Und wenn ich "Feind" sage, meine ich den, der in der Kunstgeschichte gern mit Hörnern und Hufen dargestellt wird...)

Aus evangelikaler und/oder pietistischer Richtung schaffen es hin und wieder auch mal Beiträge auf den Theoradar, aber über die habe ich mir bisher nur sehr oberflächliche Meinungen gebildet - was z.T. bedeutet, dass ich mir noch nicht einmal sicher bin, ob diese Einordnung überhaupt so stimmt. Hanniel bloggt z.B. finde ich eher gruselig, ohne genau sagen zu können, woran das liegt; und mit Ron von TheoBlog (bei diesen ganzen Blogs mit "Theo" im Namen muss man echt aufpassen, dass man sie nicht verwechselt!) geht's mir tendenziell, wenn auch in geringerem Maße, ähnlich.

Auf jeden Fall kann man aber feststellen, dass es auf dem Theoradar immer etwas Spannendes zu entdecken gibt. Freuen wir uns also auf den November!


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