"Der Schaden der Kirche kommt nicht von ihren Gegnern, sondern von den lauen Christen" - dieser Aufsehen erregende Satz Papst Benedikts XVI. aus seiner Ansprache im Rahmen der Gebetsvigil mit Jugendlichen in Freiburg am 24.09.2011 kam mir wieder einmal in den Sinn, als ich unlängst in der Online-Ausgabe des Berliner Tagesspiegels auf einen so genannten "Rant" mit der eigentlich hoffnungsvoll stimmenden Überschrift "Ich bin Christ - und das ist gut so!" stieß - verfasst von einem gewissen Friedhard Teuffel. Man möchte fast hoffen, dass das ein Pseudonym ist, obwohl, als solches wäre es eigentlich schon ein bisschen arg dick aufgetragen. -- Worum geht's? Zunächst einmal um die Beobachtung, dass ausgerechnet im vermeintlich so toleranten und weltoffenen Berlin Christen vielfach schief angesehen werden. Das ist eine Beobachtung, die ich aus eigener Erfahrung teilweise durchaus bestätigen kann, und vielen meiner christlichen Freunde in der Bundeshauptstadt mag's ähnlich gehen. Das erklärt wohl auch, dass dieser Tagesspiegel-Artikel in meinem Bekanntenkreis recht eifrig auf Facebook geteilt wurde. Liest man jedoch mehr als nur die Überschrift, wird der Text schnell enttäuschend - ja sogar ärgerlich.
(Bildquelle hier.) |
Dass man als Christ mit Anfeindungen rechnen muss, ist ja nichts Neues und erst recht nichts Berlin-Spezifisches; es steht gewissermaßen bereits in den AGBs des Christentums. "Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat", sagt Jesus Christus seinen Jüngern in Johannes 15,18; und in Matthäus 5,11f. heißt es sogar: "Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden vor euch schon die Propheten verfolgt."
Friedhard Teuffel freut sich nicht und jubelt nicht - sondern stellt fest: "Diese Stadt hat für den christlichen Glauben einen festen Platz vorgesehen: die Rechtfertigungsecke". Dass er sich in dieser nicht wohlfühlt, ist menschlich erst einmal verständlich. Aber mit der Rechtfertigung ist es so eine Sache: was genau soll eigentlich gerechtfertigt werden, und auf welche Weise? Die Rechtfertigung des Glaubens aus der Vernunft nennt man Apologetik, und das ist ein durchaus verdienstvolles Betätigungsfeld für einen Christen. Apologetik setzt allerdings allerlei voraus - zunächst einmal, dass man sich mit seinem Glauben einigermaßen auskennt, dann aber auch Kenntnisse in Geschichte, Philosophie und von Fall zu Fall wohl auch Naturwissenschaften. Nicht zuletzt erfordert sie eine hohe Frustrationstoleranz, denn man wird immer wieder auf Debattengegner stoßen, die sich weder durch Argumente noch durch Fakten von ihren Vorurteilen abbringen lassen. Ein unter Umständen noch wirkungsvolleres (aber auch nicht unbedingt einfacheres) Vorgehen wäre die Rechtfertigung des Glaubens durch persönliches Zeugnis: Der Christ könnte den Nichtchristen davon erzählen, was der Glaube ihm persönlich bedeutet, oder, pathetischer ausgedrückt: wie Gott in seinem Leben wirkt. Friedhard Teuffel tut nichts von beidem. Obwohl er in der Überschrift mit Wowereitschem Trotz ausruft "und das ist gut so!", erklärt er im Folgenden mit keinem Wort, was an seinem Glauben eigentlich gut sein soll. Er will, kurz gesagt, nicht den Glauben rechtfertigen, sondern sich dafür rechtfertigen, dass er gläubig ist - und tut dies ausnahmslos mittels der "Ich bin ja gar nicht so"-Methode. Alles, was man dem Christentum bzw. der Kirche vorwerfen könnte, räumt er zunächst einmal in vorauseilendem Gehorsam ein ("Ja, ich weiß: Die Kirche als Institution beging und begeht reihenweise Sünden." - "Ja ja, Jungfrauengeburt, wird dann gespottet, was für ein Schwachsinn"), und distanziert sich nach Kräften ("Dabei heißt es ja Glauben. Und nicht Wissen. Das Schöne ist doch: Ich kann etwas glauben. Und ich muss nicht alles glauben"), bis schließlich nur ein rein privater, selbstgestrickter Glaube übrig bleibt, von dem überhaupt nicht deutlich wird, worin dieser eigentlich besteht. Ihr sagt doch selbst immer, Glauben sei Privatsache, argumentiert er. Dann lasst mich doch in Ruhe mit meinem privaten Glauben. Schließlich vergleicht er sein Bekenntnis zum Christentum gar mit der Anhängerschaft von Fußballvereinen:
"Wer schafft es denn wirklich, einem Fußballklub abzuschwören, wenn ein Spieler den Gegner mit Blutgrätsche zum Sportinvaliden tritt, die Vereinsführung die Schleusen zum Kommerz öffnet oder aus der Fankurve rassistische Parolen gegrölt werden?"
Ach so. Er schafft es nicht. Na dann. -- Ein positives Glaubenszeugnis ist all das wohl kaum; eher im Gegenteil. Wie ich schon angedeutet habe (und regelmäßige Leser meines Blogs wissen es): Mit Feindschaft gegenüber dem christlichen Glauben werde auch ich in meinem alltäglichen Leben immer mal wieder konfrontiert. Und ja, das macht mich oft traurig und von Fall zu Fall auch wütend. Aber das eigentlich Schlimme daran ist doch nicht, dass es mich in unangenehme Situationen bringt, wenn ich mich zu meinem Glauben bekenne; das eigentlich Schlimme ist, dass die betreffenden Personen ihr eigenes Heil von sich stoßen.
Nun will ich mit Friedhard Teuffel persönlich nicht allzu hart ins Gericht gehen. Wenn er darunter leidet, wegen seines Glaubens belächelt oder angefeindet zu werden, dann kann ich durchaus Mitgefühl mit ihm haben. Aber wenn ihm das Thema so wichtig ist, dass er in einer Zeitung darüber schreibt, dann empfinde ich die völlige Abwesenheit eines positiven Bekenntnisses zum Glauben schon als einen empfindlichen Mangel. Wenn es ihm nur um seine persönliche Befindlichkeit geht, warum kann er das dann nicht seinem Friseur, seinem Lifecoach oder im günstigsten Fall seinem Beichtvater erzählen? -- Bei nochmaligem Nachdenken über den Text kommt mir übrigens die Frage in den Sinn, ob diese defensive "Lasst mich doch"-Argumentationsstrategie womöglich schon das Maximum dessen ist, was eine führende Berliner Tageszeitung ihren Lesern in Sachen "Plädoyer für das Christentum" zuzumuten bereit ist. Und das finde ich dann wirklich bedenklich.
>> Der Christ könnte den Nichtchristen davon erzählen, was der Glaube ihm persönlich bedeutet, oder, pathetischer ausgedrückt: wie Gott in seinem Leben wirkt.
AntwortenLöschenDas eine is ein bissel viel verlangt, zumal man (zumindest südlich der Donau) die Intensität von Gefühlen gerade daran erkennt, daß die Worte fehlen, und zumal die Tiefe der Sache hier dazu führt, daß man allzuschnell die üblichen Phrasen, garniert mit jeder Menge "wirklich wirklich"s und "einfach nur"s, herunterbetet oder ins Einseitige verrutscht oder gar noch dem Gegenüber, so es sich auskennt, die Gelegenheit zu einem "also so stimmt das doch auch nach der Meinung der katholischen Kirche nicht!" gibt.
Letzteres hingegen, das "wie Gott in jemandes Leben wirkt", läuft in der Praxis auf das Reklamieren von unverifizierten Wundern heraus und dann auch noch an einem selber heraus. Und selbst wenn: wie kommt denn das, wenn man sagt: "daß ich gläubig bin, heißt z. B., daß ich, wenn ich was verloren hab, nur den hl. Antonius anrufen muß, der hat bis jetzt noch immer geholfen" - da entsteht doch gleich ein völlig falsches Bild :-) (weswegen die Katholiken damit ja auch meistens allenfalls herausrücken, wenn man sich gut kennt...)
Das Eigentliche ist natürlich nicht irgendein Wunder, sondern eher z. B. so etwas wie Gebet und Sakramentsempfang und vielleicht noch das Bemühen um ein moralisches Leben, aber wie will man jemandem erklären, daß das dann tatsächlich das ganze Leben außer der Sünde zu einem Gottesdienst formt, wenn sich dadurch ja außer den *unmittelbaren natürlichen Folgen* (von Sittlichkeit, von dem Meditativen am Beten etc.) nichts Konkretes ändert (und, entgegen dem Tonfall manches Motivationspredigers, auch gar nicht ändern *soll*)?
Aus solchen Bedenken halte ich mich persönlich (und ich sage nicht gern "ich jetzt persönlich", aber in diesem Fall meine ich es auch) an den Ausspruch von Chesterton:
"The difficulty of explaining “why I am a Catholic” is that there are ten thousand reasons all amounting to one reason: that Catholicism is true."
Übrigens kann man anscheinend bei beeindruckbaren Zeitgenossen durchaus punkten (so jedenfalls mein Eindruck), wenn man das standardmäßige "ich habe meine Meinung und du hast deine" kontert mit "ja schon, nur ich hab halt recht".
Auf konkrete Angriffe, die dann im Zweifelsfall schon kommen, antworten nach dem Kempowskischen Muster "Das ist natürlich wieder alles falsch!" scheint mir eine gehörige Stufe einfacher.