Rund zwei Wochen vor dem diesjährigen Marschs für das Leben wurde die im denkmalgeschützten
Gebäude der Herz-Jesu-Kirche in
Berlin-Prenzlauer Berg untergebrachte
Geschäftsstelle des BundesverbandsLebensrecht e.V. mit Farbbeuteln
attackiert und mit Parolen beschmiert. Einen ähnlichen Angriff hatte es bereits vor zwei Jahren gegeben;
damals waren auch die Fensterscheiben der Geschäftsstelle eingeworfen, mit der
Folge, dass eine Beratungsstelle für Schwangere in Konfliktsituationen sowie
eine Kleiderkammer mit Säuglingsausstattung durch Glassplitter und Lackfarbe
zeitweilig unbrauchbar gemacht wurden. Zu dem Anschlag im September 2014 hatte sich auf der Online-Plattform antifa-berlin.info eine AG
Savita Halappanawar bekannt - benannt nach einer im Jahr 2012 nachSchwangerschaftskomplikationen in einer irischen Klinik verstorbenen Frau, die
seither in einschlägigen Kreisen zu einer Art Märtyrerin im Kampf um ein
"Recht auf Abtreibung" stilisiert wird. Im aktuellen Fall wurde auf entsprechenden Seiten zwar im Tonfall unverhohlener Zustimmung über den Anschlag berichtet, jedoch nicht in Form einer Selbstbezichtigung. Möglicherweise erschien die
Aktion den Tätern bzw. der hinter ihnen stehenden "Szene" dafür
einfach als zu unspektakulär; schließlich handelt es sich diesmal
"nur" um Farbe.
Scheiben sind diesmal nicht zu Bruch gegangen, und es wurde auch kein Feuer gelegt (wie das ja in Berlin ja nicht unbedingt unüblich wäre. Vertreter des Bundesverbands Lebensrecht erklärten, es sei in gewissem Sinne eine Themenverfehlung, wenn die Berichterstattung über den jährlichen Marsch für das Leben sich allzu sehr auf die aggressiven Gegenproteste konzentriere: "Davon, dass wir uns über die gegen uns gerichtete linksradikale Gewalt beklagen, sinken die Abtreibungszahlen nicht." Man wolle sich daher von Aktionen wie der Farbbeutelattacke auf
die Geschäftsstelle nicht großartig beeindrucken lassen, sondern sich lieber
auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren - etwa darauf, sich gegen die
Ausweitung von Pränataldiagnostik und speziell gegen die Einführung von Trisomie-Bluttests
als Kassenleistung zu
engagieren.
"Wenn wir wahlweise als 'Antifeministen', als
'christliche Fundamentalisten' oder neuerdings als 'Neue Rechte' tituliert
werden", ergänzt Gerhard Steier, Geschäftsführer des mit zwölf anderen
Lebensrechtsinitiativen im Bundesverband Lebensrecht zusammengeschlossenen Vereins KALEB ("Kooperative Arbeit Lebenehrfürchtig bewahren"), "dann dient das ja nicht zuletzt dazu, davon
abzulenken, wofür wir eigentlich stehen. Nämlich dafür, dass jedes
Menschenleben gleichermaßen wertvoll und schützenswert ist." Es sei daher
wichtig, sich auf dieses Spiel nicht einzulassen. "Wir sollten die
Personen oder Gruppen, die gegen den Marsch
für das Leben agitieren,
nicht als 'unsere Gegner' betrachten", so Steier. "Ja, wir bekommen
Widerstand zu spüren, und das ist zuweilen unangenehm und auch schmerzhaft -
aber die eigentlichen Leidtragenden sind nicht wir, sondern die ungeborenen
Kinder. Deren Leid hat im Mittelpunkt zu stehen, nicht unseres."
Derweil erklärt Stefan Friedrich, Berliner
Landesvorsitzender der ebenfalls im Bundesverband
Lebensrecht vertretenen "Christdemokraten für das
Leben" (CDL) und
zugleich Bürgerdeputierter für die CDU im Bezirk Pankow, der Anschlag auf die
BVL-Geschäftsstelle gelte "nicht nur den Lebensschützern und der
katholischen Herz-Jesu-Gemeinde, sondern allen Demokraten". Linksextreme
Gewalt, so Friedrich, dürfe "nicht länger verharmlost werden". Dies
betreffe auch "die zahllosen Gewaltaufrufe gegen die Pro-Life-Bewegung,
die über das Internet und die sozialen Medien verbreitet werden. Wenn Extremisten
in Internetportalen regelmäßig zu Straftaten aufrufen bzw. sie im Schutze der
Anonymität begehen, ist die Justiz aufgefordert einzuschreiten."
Gegebenenfalls müsse auch "die Politik hier handeln und entsprechende
hetzerische Gewaltportale endlich vom Netz nehmen".
Tatsächlich verweist der an die Fassade der
Herz-Jesu-Kirche gesprühte Slogan "Eure
Propaganda stinkt zum Himmel" auf
eine größer angelegte Kampagne gegen den diesjährigen Marsch für das
Leben - denn unter demselben Motto kursieren derzeit auf einschlägig bekannten
Online-Portalen wie linksunten.indymedia.org diverse Aufrufe zu Störaktionen gegen so
genannte "christliche FundamentalistInnen", von denen es heißt
wollten beim Marsch für das
Leben "bewaffnet [!] mit
Holzkreuzen durch Berlins Straßen ziehen" und "für ein Weltbild"
demonstrieren, "das wir schon lange fürs ausgestorben hielten".
Derartige Aufrufe hat es freilich auch in den vergangenen
Jahren stets gegeben, und tatsächlich kam es beim Marsch für das Leben immer wieder zu Störungen und Angriffen von
gewaltbereiten Gegendemonstranten. In Panik geraten sollte man angesichts
dieser neuerlichen Drohungen jedoch nicht. Wie die Pressestelle der Berliner
Polizei auf Anfrage versichert, bezieht die Polizei die geplanten Störaktionen
gegen den Marsch für das Leben in ihr Einsatzkonzept ein und wird
"sicherstellen, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit unbehelligt
ausgeübt werden kann".
Wenig überraschend ist es indes, dass auf den verschiedenen Mobilisierungsplattformen für die
Gegenproteste zum Marsch für
das Leben mit keinem Wort auf
die tatsächlichen Anliegen des Marsches eingegangen wird, wie sie etwa in der Berliner
Erklärung des Bundesverbands Lebensrecht nachgelesen werden können
und in deren Mittelpunkt "das unbedingte Recht auf Leben als oberstes
Menschenrecht und elementare Grundlage unserer rechtsstaatlichen Ordnung"
steht. Stattdessen wird behauptet, beim Marsch für das Leben gehe es
darum, "das Rad der Geschichte zurück zu drehen"
- um "einen grundsätzlichen, antifeministischen Rollback",
ein "christlich-fundamentalistisches Weltbild", basierend auf "der patriarchal-bürgerlichen
Kleinfamilie, Zweigeschlechtlichkeit, einer strengen Sexualmoral und der
Ablehnung von Trans*identitäten, Inter*geschlechtlichkeit und
Homosexualität", sowie darum, "Mädchen und Frauen jedes Recht
auf Selbstbestimmung nehmen". Es wird unterstellt, die Veranstalter bzw.
Teilnehmer des Marsches kämpften "gegen die heutige Vielfalt von
Lebensentwürfen, sexuellen Orientierungen oder geschlechtlichen Identitäten.
Sie hetzen gegen Gleichstellung und eine tolerante Gesellschaft und bedrohen
mit dieser Haltung Leben statt es zu schützen" - wobei nicht einmal ansatzweise
begründet oder erläutert wird, wie man zu dieser Einschätzung kommt bzw. was
man konkret mit diesen Begriffen meint.
Diese Rhetorik zielt offenkundig darauf ab, bei den Adressaten dieser Aufrufe
keinerlei Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass es sich bei den Teilnehmern
am Marsch um gefährliche Finsterlinge handle, gegen die der Einsatz von Gewalt
nicht nur legitim, sondern sogar geboten sei.
Wie schon in den letzten Jahren läuft die Organisation der
Proteste gegen den Marsch für das Leben zweigleisig: Ein "Bündnis für sexuelle
Selbstbestimmung", das von diversen Vertretern der SPD, der Linken und
der Grünen unterstützt wird, ruft unter dem Motto "Mein Körper, meine
Verantwortung, meine Entscheidung - weg mit § 218!" zu einer Gegenkundgebung auf, die am
Tag des Marsches um 13:30 Uhr am Brandenburger Tor beginnen soll; bereits um 12
Uhr trifft sich am Anhalter Bahnhof das "antifaschistische und
queerfeministische" Bündnis "Marsch
für das Leben? What the fuck!" mit
dem erklärten Ziel, den Marsch zu "blockieren".
Wenngleich beide Veranstaltungen offiziell nichts miteinander zu tun haben,
ergibt sich aus den jeweiligen Mobilisierungsaufrufen der Eindruck einer engen
programmatischen und auch personellen Verflechtung.
Nicht unerwähnt bleiben sollte es, dass auf den
Mobilisierungs-Websites der Lebensschutz-Gegner auch über mögliche strafrechtliche Konsequenzen der vorgeschlagenen Aktionen
diskutiert wird. Dass die Gegendemonstranten Anzeigen wegen Körperverletzung
riskieren könnten, wird als unwahrscheinlich eingeschätzt. Womöglich
interessanter ist allerdings, was in diesem Zusammenhang zu § 21 des
Versammlungsgesetzes angemerkt wird:
"Nach diesem macht sich strafbar, wer eine angemeldete Versammlung gröblich stört. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass dies auf uns als Protestierende nicht angewendet wird."
Aha?!
Nun, aller Voraussicht nach wird das die Gegendemonstranten
nicht davon abhalten, wie jedes Jahr im Nachhinein lautstark darüber zu klagen,
"deutsche Polizisten" - die ja, einem bekannten linksradikalen Bonmot
zufolge, sowieso "Gärtner und Floristen" (oder so etwas Ähnliches)
sind - hätten dem Marsch für das Leben "brutal den Weg
freigeknüppelt". -- Im Übrigen "warnt" eine der einschlägigen
Seiten ihre Zielgruppe:
"Falls Ihr dabei auffallt, [...], könntet Ihr angesprochen werden. Viele werden [...] für euch
beten."
In der
Tat wäre Letzteres eine Reaktion, die auch ich empfehlen würde.
Wenn die Gegenseite genug Humor hätte, könnte man sie ja ansprechen mit "Isch mach disch fertisch! Isch bete für disch! Sei gesegnet!"
AntwortenLöschenLeider haben sie nicht genug Humor.