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Dienstag, 3. November 2015

Wir wissen, wo du wohnst

"Kein Vergeben, kein Vergessen - Christen haben Namen und Adressen!" Das riefen am 19. September aufgeputschte Linksradikale den Teilnehmern am Marsch für das Leben in Berlin zu, nachdem die Sitzblockade, die den Marsch aufhalten sollte, von der Polizei geräumt worden war. Wie ein Echo dieser unverhohlenen Drohung mutete es an, dass am 1. November auf der linksradikalen Online-Plattform linksunten.indymedia.org in einem Beitrag mit dem Titel auto von rechter demoanmelderin abgefackelt der Satz zu lesen war: "hintermänner und -frauen reaktionärer aufläufe haben namen und adressen". -- In dem genannten Beitrag wurde ein in der vorangegangenen Nacht verübter Brandanschlag bejubelt, der sich gegen das Bündnis Demo für Alle richtete; gleichzeitig wurde zu Nachahmungstaten aufgerufen. In den "großen" Medien fand der Brandanschlag, bei dem ein VW-Bus und Teile eines als Geschäftsadresse der Demo für Alle fungierenden Firmengebäudes in Magdeburg zerstört wurden, kaum Aufmerksamkeit: Die Pressemitteilung des Bündnisses Demo für Alle wurde außer von den christlichen Nachrichtenportalen kath.net und idea.de zunächst nur von der Jungen Freiheit und der Freien Welt aufgegriffen (was, wie zu befürchten steht, in der Wahrnehmung mancher Beobachter dazu beitragen dürfte, die Opfer des Anschlags "in die rechte Ecke zu stellen"). Zudem äußerten sich einige Blogger zu der Attacke - darunter Josef Bordat, der am späten Vormittag des 3. November mit Blick auf den gegen die Demo für Alle-Organisatorin Hedwig von Beverfoerde gerichteten Magdeburger Anschlag sowie einen bereits in der Nacht zum 26. Oktober in Berlin auf das Auto der stellvertretenden AfD-Vorsitzenden und Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch verübten Brandanschlag feststellte
"Man muss nicht die Meinung der beiden Frauen in allen Einzelheiten teilen, um der Meinung zu sein, dass das Abbrennen ihrer PKW und ihrer Räumlichkeiten ein vorzivilisatorischer Gewaltakt ist, der durch nichts gerechtfertigt werden kann." 
Nur wenige Stunden später erhielt Josef Bordat die folgende anonyme Drohung: 
"Nerv nicht rum, Du katholischer konservativer Trottel... ansonsten brennt es demnächst bei Dir. Deine Adresse ist bekannt." 
Wie gesagt: Christen haben Namen und Adressen. Gehört haben wir diese Drohung alle, aber es macht zweifellos einen Unterschied, ob sie so allgemein in die Menge hinein gebrüllt wird oder ob man einzeln und persönlich damit angesprochen wird. Halten wir übrigens fest: Josef Bordat hat mit seinem Blogbeitrag ausdrücklich kein Bekenntnis zu irgendwelchen von Beatrix von Storch oder Hedwig von Beverfoerde vertretenen Positionen abgegeben, sondern lediglich konstatiert, was in einem Rechtsstaat selbstverständlich sein sollte: dass, unabhängig vom Grad der inhaltlichen Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit den betreffenden Personen, Brandstiftung kein legitimes Mittel der Auseinandersetzung sein kann und darf. Aber dieser ganz unpolemische Hinweis genügt schon, um den bekannten Blogger selbst zur Zielscheibe möglicher künftiger Anschläge zu machen. Warum? Weil er nervt. Und weil er ein "katholischer konservativer Trottel" ist. Und somit der Feind.

Nun habe ich, wie meine Leser wissen werden, mit der Streitkultur bzw. der Fähigkeit, andere Standpunkte als den eigenen auszuhalten (das heißt, im Wortsinne, Toleranz), in linksradikalen Kreisen auch schon so meine Erfahrungen gemacht, aber man muss doch sagen, dass hier eine neue Qualität erreicht ist. Morddrohungen habe ich bisher jedenfalls noch keine bekommen, und auch nichts annähernd so Schlimmes. Angesichts der Eskalation, die sich nunmehr abzeichnet, kann es daher nur lehrreich sein, sich einmal anzuschauen, wie die Täter und ihre Sympathisanten ihr Vorgehen eigentlich rechtfertigen. - Dem Brandanschlag auf das Auto von Beatrix von Storch ging auf der schon erwähnten Plattform linksunten.indymedia.org ein Beitrag mit dem Titel Rassistische Hetze bekämpfen - AfD-Demo in Berlin stoppen! voraus, in dem zu Aktionen gegen eine für den 7. November in Berlin geplante Demonstration aufgerufen wurde. Der Text des Beitrags war vergleichsweise harmlos, aber in einem Leserkommentar darunter wurden, ohne weitere Erläuterungen, die Adresse der Vize-Parteivorsitzenden v. Storch sowie Kennzeichen und Fahrzeugtyp ihres Autos genannt. Wenige Tage bzw. Nächte später brannte ebendieses Auto; in der Folge wurden auf linksunten.indymedia.org Links zu Presseberichten über diesen Anschlag sowie das von der Fahrzeughalterin selbst auf Facebook gepostete Foto des ausgebrannten Wagens veröffentlicht. Weitere eigene Stellungnahmen hielten die Seitenbetreiber offenbar für unnötig, zumal Beatrix von Storch, wie man mit Hilfe der Suchfunktion der Seite unschwer feststellen kann, ohnehin zu ihren Lieblingsfeinden zählt. Ursächlich dafür ist nicht allein ihre Position innerhalb der AfD - sondern u.a. auch ihre Unterstützung für die Demo für Alle, womit sich also eine Querverbindung zum Magdeburger Brandanschlag von Sonntagnacht herstellt. In einem vom "Antifa-Recherche-Team Baden-Württemberg" beigesteuerten Artikel vom 11.10.2015 mit der Überschrift Kostenlose Busse zur "Demo für alle": Hinter dem Fundamentalismus steht einiges Kapital heißt es über die Demo für Alle, dort würden sich "Neonazis, Rechtsklerikale und säkulare Reaktionäre zu einer unappetitlichen Suppe mischen". - "Im rechtsklerikalen und rechtskonservativen Milieu finden sich auffallend viele Adelige [sic]", heißt es weiter; das soll wohl heißen: Die sind ja nun schon aus historischen Gründen der Feind. Über die "Protestantin Beatrix von Storch" wird gesagt, sie begründe ihre "Aktivität bei der AfD [...] mit der besseren Möglichkeit ihre christlich-reaktionäre Agenda durchzusetzen"; "ihre Mitarbeiterin und Vertraute von Beverfoerde" sei hingegen "offensichtlich weiterhin CDU-Mitglied. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Partei-Mitgliedschaften gegenüber der eigenen Agenda (gegen Bildungsplan, gegen Gender, gegen Schwangerschaftsabbruch) relativ sekundär sind. Parteien fungieren eher als Instrumente." Erwähnung findet in diesem Artikel außerdem "die katholische Antifeministin Gabriele Kuby".

Bis hierher könnte man meinen, Rassistische Hetze bzw. populistische Stimmungsmache gegen Flüchtlinge bzw. Migranten einerseits und Antifeminismus (wozu das Engagement gegen den Baden-Württembergischen Bildungsplan zur sexuellen Vielfalt, gegen Gender-Ideologie und Abtreibung gezählt wird) andererseits seien erst einmal zwei verschiedene paar Schuhe, verklammert allenfalls durch Frau von Storchs Engagement in der AfD, das aber, wie der zuletzt zitierte Artikel selbst nahelegt, für sie lediglich Mittel zum Zweck sei. Aber in linksradikalen Kreisen denkt man nicht so. Erst kürzlich durfte ich mich im Rahmen einer Diskussion in einer einschlägigen Kneipe belehren lassen, es gebe da gewisse "emanzipatorische Zusammenhänge": Antifaschismus, Antirassismus, Antisexismus usw. gehören untrennbar zusammen, eins geht nicht ohne das Andere, und wer beispielsweise gegen Abtreibung oder gegen die Homo-Ehe ist, der kann noch so sehr gegen Ausländerfeindlichkeit sein, ja sich sogar aktiv für Flüchtlinge einsetzen, es nützt nichts: Er kommt trotzdem nicht aus der Nazi-Schublade raus. In dem oben bereits verlinkten Artikel zum Brandanschlag auf die Geschäftsstelle des Bündnisses Demo für Alle werden diese "emanzipatorischen Zusammenhänge" exemplarisch deutlich: Da wird die Demo für Alle kurzerhand mit PEGIDA auf eine Stufe gestellt.
"die 'demo für alle' ist neben PEGIDA aktuell das weniger bekannte sammelbecken für das reaktionäre Pack auf den strassen der bundesrepublik. […] nicht nur die berichte über konstant mehrere tausend teilnehmer lassen parallelen zu rassistischen bewegung in dresden und anderen deutschen städten ziehen. entstanden sind beide vor dem hintergrund der andauernden krise des kapitalistischen Systems." 
Noch Fragen? Ich glaube nicht. Höchstens noch, inwieweit es "emanzipatorisch" sein soll, Personen, deren politische bzw. weltanschauliche Standpunkte man noch so ablehnenswert finden mag, das Auto oder wahlweise das Haus anzuzünden. Aber keine Bange, auch darauf hat linksunten eine Antwort:
"mit dem anschlag auf die freifrau von beverfoerde soll eine geistige brandstifterin zur rechenschaft gezogen werden. der kaputte wagen zeigt deutlich dass die hetzer angreifbar sind und für ihr treiben die notwendige quittung bekommen. dass wir mit unserem engagement nicht alleine sind zeigen die verkokelten überreste des autos von beatrix von storch in berlin. die AFD-europaabgeordnete und stellvertretende bundesvorsitzende ist die politische partnerin von von beverfoerde und eine der treibenden figuren im hintergrund der 'demo für alle'. mehr davon!"
Die Zielgruppe derer, die von diesem "mehr davon!" betroffen werden könnten, erfährt durch die Logik der "emanzipatorischen Zusammenhänge" natürlich bedenkliche Ausweitungen. So kann, wie wir gesehen haben, selbst ein Josef Bordat - der mit rassistischer Hetze nun wirklich überhaupt nichts zu tun hat, der sich im Gegenteil in seinem Blog schon oft für die Belange von Flüchtlingen und Migranten eingesetzt und dafürauch Anfeindungen erlitten hat - ins Fadenkreuz geraten. Einfach deshalb, weil er es gewagt hat, Brandstiftung als Mittel der Auseinandersetzung abzulehnen. Und natürlich deshalb, weil er katholisch und konservativ ist. Und, zusammenfassend gesagt: weil er nervt. Wer meint, Letzteres sei kein Argument, der kennt die Linksradikalen schlecht. In der oben schon kurz erwähnten Kneipendiskussion wagte ich die (zweifellos naive) Frage, was denn so verwerflich daran sei, wenn ich in einem Flyerregal, in dem Flyer zur Mobilisierung gegen den Marsch für das Leben ausliegen, quasi als Gegendarstellung Flyer für den Marsch für das Leben platziere. Die Antwort lautete: Es nervt. Genauso, wie es nervt, wenn ich zu Diskussionsveranstaltungen gehe, deren Veranstalter meine Standpunkte als indiskutabel betrachten. Oder wenn ich auf die schlichte Tatsache hinweise, dass ein ungeborenes Kind ein Mensch ist und Abtreibung folglich die Tötung eines Menschen bedeutet. Es nervt. Und nerven lassen wollen sie sich nicht, die wackeren Kämpfer "für die befreite gesellschaft".

Natürlich tut es mir leid, wenn ich meinen Mitmenschen auf die Nerven gehe.



Auch jetzt nicht. Gerade jetzt nicht. 



3 Kommentare:

  1. Herzlichen Dank für diesen Artikel - schön genau dargestellt, leider wirds vermutlich von denen, die es am nötigsten hätten, am wenigsten verstanden.
    Na, vielleicht doch von ein oder zwei.
    Also, von einem. Vielleicht. In einem Jahr.

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  2. Interessanterweise ist es bei rassistischer Hetze (so wage ich die Sprüche und das Mobbing, das ich zeitlebens aufgrund meines Äußeren erfahre, zu bezeichnen) ziemlich egal aus welcher Ecke sie kommt. Links oder rechts, alles schon da gewesen. Also wo sollen da "emanzipatorische Zusammenhänge" sein?

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  3. Eine schreckliche Sache! Ich wünsche Josef viel Mut und Kraft!

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