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Mittwoch, 16. Juli 2025

Kirchenasyl für Anne Kaffeekanne?

Kann man das Kinderlied "Anne Kaffeekanne" von Fredrik Vahle, erstmals veröffentlicht 1984 auf dem linksgerichteten Plattenlabel "pläne", guten Gewissens in kirchlichen Kindergruppen spielen und singen? – Vielleicht sollte die Frage eher lauten: Wo sonst könnte man es heute noch spielen? Wie so viele Produkte der von der 68er-Generation geschaffenen antiautoritären Kinder- und Jugendkultur ist dieses Lied, unter dem Aspekt der political correctness betrachtet, ausgesprochen schlecht gealtert. Der emanzipatorische Grundton des Liedtexts ist zwar noch deutlich erkennbar: Überall, wo Anne in ihrer freien Entfaltung gehemmt wird oder wo man sie in eine Rolle drängen will, die ihr nicht passt, da fliegt sie, oh pardon, auf dem Besenstiel davon. Aber schon in der zweiten Strophe gehen die Probleme los, denn da kommt Anne "an den Nordpol, und was war denn da? Da riefen alle Eskimos..." – und das geht ja nun gar nicht, denn "Eskimo" ist eine diskriminierende, ja rassistische Bezeichnung; deswegen musste auch schon der Text des Grundschul-Klassikers "Alle Kinder lernen lesen" geändert werden. Was erst recht nicht geht, ist, dass den indigenen Arktisbewohnern rückständige Anschauungen in Sachen Frauenemanzipation unterstellt werden. Bei einem Schwarzwälder Oberförster "mit strohblondem Haar" mag das schon eher angehen, aber dass dieser in der vorletzten Strophe Anne auffordert, ihm "die Pantoffeln für die Tagesschau" zu bringen, birgt ein anderes Problem: Sich über Leute lustig zu machen, die ihre Sicht der Welt aus der "Tagesschau" beziehen, mag früher einmal "links" gewesen sein, heute jedoch ist es "rechts"

Übrigens ist Kinderliedermacher Fredrik Vahle in dieser Hinsicht durchaus Kummer gewohnt: So wurde an seinem "Katzentatzentanz" beanstandet, dass die Katze im Liedtext "andere Tiere aufgrund körperlicher Merkmale ausgrenze" und nicht mit ihnen, sondern nur mit dem Kater tanzen wolle. In einem ähnlichen Sinne dürfte es an "Anne Kaffeekanne" als besonders anstößig wahrgenommen werden, dass Annes Ritt auf dem Besenstiel letztlich doch im heterosexuellen Glück zu zweit endet: an der Seite von Hansi Heinemann aus Wanne-Eickel, "der einsam war". Selbst BDKJ-Funktionären wäre es heutzutage wohl lieber, wenn Anne in der vierten Strophe mit Heidi durchgebrannt wäre. Aber die war schon einmal weg von zu Hause und hat dort keine so schönen Erfahrungen gemacht, also möchte sie fortan lieber in den Bergen beim Alm-Öhi bleiben.

Wie reaktionär


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