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Samstag, 5. September 2020

Das böse H-Wort

Freunde und aufmerksame Beobachter der im weitesten Sinne kirchlichen Medienlandschaft haben mich darauf hingewiesen, dass ich namentlich in einem aktuellen Beitrag der Eule, des Fachmagazins für postchristliche Zivilreligion, erwähnt werde; und zwar in der ersten Folge einer Reihe mit dem Titel "Die rechte Ecke", verfasst von Philipp Greifenstein. -- "Die rechte Ecke"? Nanu, wie komme ich denn da rein? Die Frage stellt sich umso mehr, als es in dem Beitrag primär um die von Klaus Kelle initiierte "5. Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz" geht; und wer mich ein bisschen kennt, wird wissen, dass mich von der nationalkonservativ-wirtschaftsliberalen Agenda des Kelle-Kreises Welten trennen (Näheres dazu z.B. hier und hier). Wie also kommt die Verbindung zustande? Schlichtweg dadurch, dass ich gelegentlich in der Tagespost publiziere und die Tagespost als einer von mehreren "Medienpartnern" der Schwarmintelligenz-Vollversammlung auftritt. Das ist auch schon alles. Dass der Greifenstein eine derart wacklige assoziative Brücke baut, nur um meinen Namen ins Spiel bringen zu können, kann man als Indiz dafür werten, dass ich - wie die Angloamerikaner sagen - mietfrei in seinem Kopf wohne, aber das passt insgesamt ganz gut zum verschwörungstheoretisierenden Duktus des Texts. Framing ist, wenn man aus den Brettern, die man vorm Kopf hat, einen Bilderrahmen baut; das ist ein Satz, der mir beim Lesen des Eule-Artikels in den Sinn kam, den man aber auch bei anderen Anlässen sicherlich noch wird gebrauchen können, und dafür sollte ich dem Greifenstein wahrscheinlich dankbar sein. 

Jetzt aber mal zur Sache: Was schreibt er denn nun über mich? Dies:
"Da passt es, dass Tagespost-Autor Tobias Klein das Internet-Magazin der Bischofskonferenz auf seinem Blog durchgängig als 'häretisch.de' diffamiert." 
Nun gut, dagegen ist nicht viel zu sagen, außer dass das Online-Portal, das hier gemeint ist, nicht "das Internet-Magazin der Bischofskonferenz" ist, auch wenn es gern so tut; zudem finde ich den Begriff diffamieren an dieser Stelle ein bisschen hart, aber jemandem, der selbst so gerne diffamiert, muss man es wohl durchgehen lassen, wenn er freigebig mit diesem Begriff umgeht. -- Übrigens ist es ein bemerkenswertes Phänomen des Internetzeitalters, dass man eine Formulierung nur oft und konsequent genug verwenden muss, um früher oder später als ihr Urheber zu gelten. So war es mit der Aussage "Jedesmal, wenn beim Vaterunser in der Messe der Embolismus weggelassen wird, stirbt irgendwo ein knopfäugiges Robbenbaby", und so ist es auch bei der Bezeichnung häretisch.de. In beiden Fällen glaube ich eigentlich nicht, dass ich das erfunden habe, aber alle Welt behauptet es; daher: Who am I to disagree. Wer mit "häretisch.de" gemeint ist, weiß inzwischen übrigens sogar schon Google

(Screenshot.) 

So. Jetzt haben wir alle mal kurz geschmunzelt, jetzt werden wir bitte wieder ernst. Ich weigere mich, "das umstrittene Portal der Firma APG" (P. Winnemöller) bei dem Namen zu nennen, den es sich anmaßt. Weil ich es empörend und in sträflichem Maße irreführend finde, dass eine Internetpräsenz, deren redaktionelle Linie darauf ausgerichtet ist, die Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche aktiv zu bekämpfen, sich "katholisch" nennt, ja sich sogar als das Sprachrohr der katholischen Kirche in Deutschland ausgibt.  

Wer sich auf Diskussionen über Glaubensfragen einlässt, sei es in den Sozialen Medien, bei Veranstaltungen kirchlicher Bildungsträger oder kirchennaher Verbände oder auch bei der von der Kolpingsfamilie ausgerichteten Kaffeetafel nach der Sonntagsmesse, der wird feststellen, dass es innerhalb der Kirche eine nicht geringe Zahl von Leuten gibt, die keinen Widerspruch darin sehen, sich selbst als gute Katholiken zu betrachten und gleichzeitig Ansichten über Gott, Jesus Christus, die Sakramente und allgemein über Gut und Böse zu vertreten, die der Lehre der Kirche dezidiert widersprechen. Im Allgemeinen wird man gut daran tun, diesen Leuten keine bösen Absichten zu unterstellen: Sie halten sich einfach nur an das, was sie in vermeintlich vertrauenswürdigen, weil amtskirchlich anerkannten Quellen lesen oder was sie in Veranstaltungen von Vereinen und Verbänden hören, die sich katholisch nennen; ja womöglich sogar an das, woran sie sich vom schulischen Religionsunterricht her erinnern; und es sagt ihnen schlichtweg keiner, was daran falsch ist. Wenn das doch mal einer wagt, werden seine Einwände mit Verweis auf das kleine Einmaleins des Relativismus abgeschmettert, demzufolge "wahr" und "falsch" subjektiv seien und jeder das Recht auf seine eigene Wahrheit habe; und wer dann immer noch darauf beharrt, das kirchliche Lehramt lege verbindlich fest, was Katholiken zu glauben haben, der wird ganz schnell als "ewiggestrig", als "vorkonziliar" oder "fundamentalistisch" abgestempelt, und in neuerer Zeit besonders gern als irgendwie "rechts". Kurz, im Kirchenvolk herrscht eine heillose Verwirrung darüber, was katholischer Glaube sei und was nicht; und häretisch.de ist ganz vorne mit dabei, diese Verwirrung zu fördern. Und dies dann eben doch mit voller Absicht, denn ohne diese Verwirrung wären solche fluchwürdigen Veranstaltungen wie der "Schismatische Weg", mit dem der aufgeblähte institutionelle Apparat der Kirche seine "gesellschaftliche Relevanz" zu retten versucht, gar nicht durchführbar. 

In diesem Sinne lässt sich auf häretisch.de das anwenden, was Max Goldt vor 20 Jahren über die BILD schrieb -- mit der Einschränkung, dass es sich bei diesem Online-Portal eben nicht um eine Zeitung handelt: 
"Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muß so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zuläßt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun."
Übrigens kann ich wirklich nicht verstehen, warum die Bezeichnung "häretisch.de" solche Empörung auslöst. Tatsächlich habe ich mich schon manches Mal gefragt, ob dieser Spitzname nicht eigentlich viel zu schmeichelhaft für diese Internetpräsenz ist. Richtige Häretiker glauben zwar an etwas Falsches, aber daran glauben sie immerhin wirklich, und das verdient einen gewissen Respekt. Dagegen ist häretisch.de ein Organ des Relativismus, und der ist kein Irrglaube, sondern die Negation von Glauben schlechthin

Nebenbei bemerkt hat sich irgendwer, ich weiß nicht wer, tatsächlich den Domainnamen häretisch.de gesichert, trotz des für den internationalen Gebrauch eher unpraktischen Umlauts. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn sich herausstellte, dass das die Betreiber eben jenes Portals waren, das sich offiziell nicht so nennt -- um zu verhindern, dass jemand anders mit der Domain Schabernack treibt... 

3 Kommentare:

  1. "Richtige Häretiker glauben zwar an etwas Falsches, aber daran glauben sie immerhin wirklich, und das verdient einen gewissen Respekt."

    Chapeau! Das rettet so gerade noch mein Wochenende, nach der Vorabend-Messe wo der Pfarrer im Hochgebet folgenden Satz abgelassen hat: "...mit der Mutter Jesu, mit Maria Magdalena und den ANDEREN Aposteln."

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  2. Man sollte sehr, sehr vorsichtig mit dem Vorwurf der "Häresie" sein. Unter dieser Anklage hat man gerade auch in der frühen Neuzeit Tausende auf den Scheiterhaufen geschickt. Beileibe kein christliches Ruhmesblatt! Wer nur ein bisschen (!) an der Kirchengeschichte geschnuppert hat, weiß doch dass "Tradition" der Ausdruck inhaltlicher Dauerkonflikte über Theorie und Praxis ist. Es sei denn, man friert die Debatte im Jahr 1870 ein. Man hat immer versucht, den Glauben vor dem Hintergrund des jeweiligen "Zeitgeistes" neu zu buchstabieren. Die Kath. Kirche hat es bisher immer ganz gut geschafft, wenn auch oft mit erheblicher Verspätung, an der Mehrheit der Gläubigen dranzubleiben. Und die verstehen eben nicht mehr, was das "unbefleckte Herz Mariens" sein soll oder (eine weitere Sumpfblüte augustinischer Erbsündenlehre) der Limbus, die Vorstellung, dass ungetaufte Kinder, bei denen man es nicht geschafft hat, sie lange genug am Leben zu halten, die Ewigkeit in einem freud- und leidlosen Vorhimmel zu verbringen (weshalb man sich ja heutzutage mit der armseligen wir-dürfen-begründet-hoffen-Formel herauszuschwurbelt, um nur ja nicht die Heilsnotwendigkeit der Taufe aufzugeben).
    Was euch Fundamentalisten von den glaubensgewissen traditionellen Katholiken trennt ist, dass eurer Glaube ein Glaube-gegen ist. Ihr braucht immer ein Feindbild, "häretisch.de", "ZK", "Relativismus" (übrigens ein rechter Schmarrn) an dem ihr euch abreagieren könnt. (Vor lauter Beißzwang können auch Königsbären auf die Dauer Maulsperre kriegen.) Damit fallt ihr als ernstzunehmende Gesprächspartner aus. Irgendwie schade.

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    1. Ich weiß nicht, mir sieht das alles sehr stark nach Projektion aus. Falls Du Deinerseits Wert darauf legen solltest, als Gesprächspartner ernst genommen zu werden, solltest Du vielleicht erst mal das eine oder andere Brett vom Kopf nehmen.

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