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Donnerstag, 9. November 2017

Wie sehr liebt Gott Weihbischof Theising?

Neulich fand in Essen - nein, nicht in Essen im Ruhrpott, sondern in Essen in Oldenburg, einem 4000-Seelen-Nest am südlichsten Zipfel des Landkreises Cloppenburg - der 7. Münsterlandtag des Heimatbundes für das Oldenburgische Münsterland statt, und bei dieser Veranstaltung durften auch die regionalen Spitzenvertreter der großen Kirchen nicht fehlen: Jan Janssen, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, und Weihbischof Wilfried Theising, Bischöflich Münsterscher Offizial in Vechta, trafen sich zu einem Podiumsgespräch über Ökumene -- und hatten, wie es dem harmonieorientierten Anlass entspricht, nur freundliche Worte füreinander bzw. für die jeweils andere Konfession. So wirkt es jedenfalls in der Pressemitteilung des Bischöflich Münsterschen Offizialats, in der Weihbischof Theising mit der Aussage zitiert wird: 
"Wir sind alle Kinder Gottes. Hier im Saal ist keiner, der mehr ist als ich oder weniger ist als ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott einen Katholiken mehr liebt als einen Protestanten. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Gott einen, der nicht getauft ist, weniger liebt als einen, der getauft ist." 
Fragen wir uns mit dem Apostel Paulus: "Was sollen wir nun dazu sagen?" (Röm 8,31). Na klar, der Herr Offizial hat etwas Nettes sagen wollen. Und genau genommen ist an der Aussage ja auch nichts direkt falsch. Problematisch ist jedoch, was die Aussage impliziert bzw. zu implizieren scheint: nämlich, dass es letztlich egal sei, was einer glaubt, weil Gott uns ja sowieso alle liebt. Womit wir wieder einmal beim Dauerbrennerthema "Halbgare Wohlfühlprosa ersetzt klare Verkündigung" wären. Denn die just skizzierte Auffassung ist zweifellos sehr modern, und auch wenn der Herr Weihbischof seine Worte so nicht gemeint hat (und dass er sie doch so gemeint haben könnte, wollen wir ihm keinesfalls unterstellen), könnte bzw. sollte ihm klar sein, dass sie bei zahlreichen Hörern oder Lesern exakt so ankommen wird. 

Zunächst einmal handelt es sich bei der Aussage "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott einen Katholiken mehr liebt als einen Protestanten" um eine klassische strawman fallacy: Da wird einer Behauptung widersprochen, die überhaupt niemand aufgestellt hat. Oder wer hätte ernsthaft behauptet, Gott liebe Protestanten weniger als Katholiken oder Ungetaufte weniger als Getaufte? Mir ist da niemand bekannt. Hinzu kommt - wie im Rahmen einer Facebook-Diskussion übrigens ein evangelikaler Freund besonders betonte -, dass Weihbischof Theisings persönliche Vorstellungen von Gottes Wesen und Eigenschaften einigermaßen irrelevant sind gegenüber dem, was Gott über sich selbst offenbart hat, zunächst gegenüber Mose und den Propheten und dann natürlich vor allem in Jesus Christus. Das weiß Weihbischof Theising zweifellos selber auch. Dennoch: Jedwede Aussage, die mit "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott..." anfängt, spielt, unabhängig davon, wie richtig oder falsch die Aussage weitergeht, einem erkenntnistheoretischen und ethischen Subjektivismus in die Hände, der nur allzu charakteristisch für jene postmoderne Pseudoreligion ist, für die der Soziologe Christian Smith die (als Begriff durchaus anfechtbare) Bezeichnung "Moralistisch-Therapeutischer Deismus" geprägt hat. 

Was könnte man nun aber auf die zitierte Aussage erwidern, ohne sich dabei dem Verdacht auszusetzen, man sei so ein krasser Hardliner, der insgeheim eben doch glaubt, Gott habe nur die Katholiken (und auch unter diesen nur die ganz ganz strenggläubigen) lieb? Da ich - wie meine regelmäßigen Leser wohl schon an der in letzter Zeit etwas schwächelnden Publikationsfrequenz auf meinem Blog haben ablesen können - aus familiären Gründen derzeit nur begrenzte Kapazitäten dafür frei habe, solche komplexen Sachverhalte in aller Ruhe und Ausführlichkeit zu erwägen, habe ich diese Frage gestern an die unschlagbare Facebook-Gruppe Ein ungenanntes Bistum delegiert. Und da kam einiges Schöne zusammen, woraus ich hier mal nur die Highlights zitieren möchte.

Zum Beispiel:
"Es geht in diesem Fall wohl weniger darum, wen Gott liebt und wie sehr (denn Gott liebt alle und alles unendlich, da er die Liebe IST), sondern darum, wie sehr umgekehrt der Mensch Gott liebt, zur Wahrheit strebt, sie ehrlich sucht, sie anerkennt usw ... Auch da muss der Katholik nicht 'besser' sein als der Atheist, aber Gott bewusst abzulehnen, die Kirche willentlich trotz ihrer Kenntnis abzulehnen, ist sicherlich eine Haltung, die (soweit wir das überhaupt beurteilen können) Gott nicht gefällt, trotzdem liebt er den betreffenden Menschen nicht weniger." 
Oder kürzer:
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mama mich weniger lieb hat, wenn ich die Ausbildung abbreche, den ganzen Tag Videospiele spiele, und zum Alkoholiker werde." 
Oder auch so: 
"Seine Exzellenz der hochwürdigste Herr Weihbischof belieben uns etwas vorzumachen. Er antwortet auf eine Frage, die niemand gestellt hat, und hofft darauf, dass die Leute darüber die Fragen vergessen, um die es im Zusammenhang geht. Menschlich ist das ja sicher auch verständlich - man muss leider über Ökumene reden und man will irgendwas Positives und an sich Richtiges sagen. Leider, bei aller Liebe, geht das aber in die Hose: denn darum, wen Gott wie viel liebt, geht es hier gar nicht. Das Alte Testament schildert bekanntlich in ergreifender Form die unerschütterliche Verliebtheit Gottes in sein auserwähltes Volk, welches zu gerade dem Zeitpunkt die eigenen Kinder im Feuer des Moloch röstete. Auch als Katholik kann man den Protestanten immerhin zugestehen: Das tun sie nun nicht. Aber um das zu sagen, müsste man über das tatsächliche Thema reden und nicht sentimental ausweichen." 
William Blake: Kain flieht vor dem Zorn Gottes (ca. 1805-09)

Letztlich tragen die wohlklingenden, aber hohlen[*] Worte des Offizials von Vechta zur ökumenischen Debatte überhaupt nichts bei. Ich bin - und das glaube ich auch über die anderen Teilnehmer der besagten Facebook-Diskussion sagen zu können - natürlich (!) absolut dafür, dass Christen verschiedener Konfessionen wertschätzend miteinander umgehen. Das schließt die Anerkennung von Gemeinsamkeiten ebenso ein wie das Ernstnehmen von Unterschieden. Schließen möchte ich mit einem Schmankerl aus einem Buch mit Pfarrerwitzen, das ich mal geschenkt bekommen habe:

Ein evangelischer und ein katholischer Pfarrer debattieren engagiert über theologische Streitfragen. Schließlich sagt der katholische Priester: "Ach, wissen Sie, lieber Kollege, eigentlich brauchen wir uns gar nicht zu streiten. Sie dienen Gott auf Ihre Weise - und ich auf die Seine."



[* Anm.: "hohl" meine ich nicht polemisch, sondern wortwörtlich.]


1 Kommentar:

  1. "Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Gott einen, der nicht getauft ist, weniger liebt als einen, der getauft ist."

    Wenn wir mal die Vorstellungskraft außen vor lassen stellt sich doch die Frage, warum der Stifter der Kirche, und nebenbei immer noch der Eigentümer er spricht ja von "seiner" Kirche, den Jüngern und keinesfalls den Jüngerinnen, seinerzeit aufgetragen hatte die Menschen zu taufen, die bereit waren die Botschaft und Lehre seiner Kirche anzunehmen. Die berechtigte Frage an den Bischof würde meinerseits lauten: Was hat Jesus damit bezweckt? Würde es nicht reichen, um den Bischof zu zitieren, den Menschen klar zu machen, dass es ausreicht zu wissen, Gott hat alle Menschen lieb?

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