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Montag, 3. Juli 2017

Wochenmarktprobleme in Nordenham und in East Lansing

Ich hatte ja bereits angekündigt, dass ich zu einem der Punkte von Rod Drehers Liste mit Anregungen, was jeder Einzelne zu einer "antipolitischen Politik" im Rahmen der Benedict Option beitragen könne, noch etwas anzumerken haben würde. Es handelt sich um den Punkt "Lege einen Garten an und beteilige dich an einem lokalen Wochenmarkt". Gute Sache grundsätzlich, besonders wenn man auf dem Land lebt; aber auch in der Stadt gibt es da ja durchaus Möglichkeiten. Jedenfalls was den ersten Teil der Aufforderung betrifft. Wie man es schafft, die eigenen landwirtschaftlichen Produkte auf einem lokalen Markt anzubieten - wenn man den nicht gleich selbst organisiert, was ich mir angesichts der bürokratischen Regelungswut in Deutschland allerdings auch nicht gerade einfach vorstelle -, damit kenne ich mich nicht so aus. Aufgefallen sind mir in letzter Zeit jedoch ein paar Fälle, in denen es genau damit - mit der Erlaubnis, an einem lokalen Wochenmarkt teilzunehmen - erhebliche Probleme gegeben hat. 

Symbolbild; Quelle hier
Der chronologisch jüngere Fall, den ich dennoch zuerst schildern möchte, betrifft mein Heimatstädtchen Nordenham. Dort werde ich ja erfahrungsgemäß recht viel gelesen, deshalb greife ich das Thema gern auf - zum Teil aber auch aus persönlichem Interesse. -- Um über das Geschehen in der Heimat auf dem Laufenden zu bleiben, bin ich in mehreren Facebook-Gruppen für Neuigkeiten aus Nordenham und Umgebung, und in einer davon wurde unlängst ein Beitrag der Seite "Pimpinella Kräuter und Feines" geteilt, in dem es um Ärger auf dem Nordenhamer Wochenmarkt ging. Auslöser für den Ärger war, dass einige alteingesessene Marktstände - darunter auch der von "Pimpinella" - von der Marktleitung neue Stellplätze zugewiesen bekommen hatten, um an den alten Plätzen Raum für neue Anbieter zu schaffen. Da könnte man nun natürlich sagen: Okay, natürlich ist es ärgerlich, wenn Stammkunden einen Marktstand nicht mehr an der gewohnten Stelle vorfinden und folglich länger nach ihm suchen müssen. Das kann auch schlecht fürs Geschäft sein, jedenfalls solange, bis alle Beteiligten sich an den neuen Stellplatz gewöhnt haben. Aber sooo eine große Sache ist es ja nun auch wieder nicht. Die Stände sind ja nach wie vor auf dem Wochenmarkt vertreten, nur an anderer (und somit erst mal ungewohnter) Stelle. -- Im weiteren Verlauf des besagten Facebook-Beitrags heißt es jedoch: 
"Besonders tragisch hat es mit Dagmar Diers von Moorfreude geendet. Sie wird ab jetzt den Wochenmarkt Nordenham nicht mehr mit ihren tollen regionalen Produkten von ihren Bentheimer Schweinen bereichern. Es ist schade und traurig, dass man Moorfreude nach 7 1/2 Jahren gehen lässt und stattdessen meint, dass neue Stände hinzukommen müssten, um deren Platz einzunehmen." 
Und das fand ich dann doch ganz schön arg. Das Ehepaar Diers, das den Bio-Bauernhof "Moorfreude" betreibt, habe ich vor über einem Jahrzehnt mal kennengelernt - damals inszenierte ich in den Semesterferien ein Theaterstück in meinem Heimatstädtchen, und Dagmar und Reiner Diers waren unter den insgesamt nicht sehr zahlreichen Besuchern der Premiere. Nach der Aufführung kamen wir ins Gespräch miteinander. Sehr nette Leute. Eine Folge unserer Unterhaltung war, dass ich mir mal die Website ihres Bauernhofs anschaute - und was ich da sah, gefiel mir ausgesprochen gut. Ein kleiner Resthof in Seefelderaußendeich (Wesermarsch-Kenner wissen: Je länger der Ortsname, desto kleiner und abgelegener der Ort) mit Werkstatt, Stallungen, Acker und Beeten - und eigener kleiner Windenergieanlage. Die Hauptspezialität des Hofes sind jedoch die Bentheimer Landschweine, die dort in Freilandhaltung [!] leben. Eine einstmals populäre, heute aber vom Aussterben bedrohte Nutztierrasse. Da wird also ganz praktisch Artenschutz betrieben.  

Und nun soll der Hof "Moorfreude" seine Produkte also nicht mehr auf dem Nordenhamer Wochenmarkt anbieten dürfen? Warum nicht? Gute Frage. Auf der erwähnten Website findet sich auch ein Blog, aber da wird nur die Tatsache bekanntgegeben, dass "Moorfreude" künftig nicht mehr auf dem Wochenmarkt vertreten sein wird, aber zu den Hintergründen erfährt man nichts.

In der besagten Facebook-Gruppe kündigte eine vielseitig engagierte Nordenhamerin (mit der ich mich aus anderen Anlässen schon mal in den Haaren hatte, aber so ist das nun mal, wenn man zu vielerlei Themen etwas zu sagen hat: Mal ist man sich einig und mal nicht) an, der Sache auf den Grund zu gehen: Sie wolle sowohl mit der Marktleitung als auch mit Frau Diers sprechen. Die Ergebnisse  dieser Gespräche fasste sie kurz darauf wie folgt zusammen:
"Wie ich nun im Gespräch erfahren habe, ist der Abschied des Moorfreude-Standes vom Nordenhamer Wochenmarkt das Ergebnis einer lang anhaltenden Reihe von Unstimmigkeiten. Die nach meinem Dafürhalten von der feinen englischen Art weit entfernt sind.
Absprachen wurden nicht eingehalten, in der einen Woche hieß es hü, in der anderen hott - da hat sich die Marktleitung nicht mit Ruhm bekleckert, fairer Umgang miteinander geht anders.
Schade ist das, wirft kein gutes Licht auf Nordenham und die Verantwortlichen für den Wochenmarkt, wenn ein langjähriger, bei Einwohnern und Stamm-Urlaubsgästen beliebter, regionaler Anbieter wie der 'Biohof Moorfreude' für sich die Reißleine zieht und sagt 'Schluss mit lustig'.
Ab jetzt also ein Anziehungspunkt weniger auf dem Markt - ich kann nur hoffen, die Verantwortlichen vergraulen nicht noch mehr Anbieter, dann ist der Markt bald so trist wie anderswo."  
Nun gut. Viel schlauer sind wir damit immer noch nicht, aber es sieht stark danach aus, dass es sich um eine ganze Kette von Misshelligkeiten - zum Teil evtl. bedingt durch persönliche Animositäten, mangelnde Flexibilität oder schlichte Inkompetenz der Marktleitung - gehandelt hat, die schließlich dazu geführt haben, dass Dagmar Diers - die von den Teilnehmern der FB-Diskussion übrigens durchweg als herzlich und kundenfreundlich geschildert wird - schlicht keine Lust mehr hat, sich mit der Marktleitung auseinanderzusetzen. Und stattdessen lieber verstärkt auf Online-Marketing setzt. Dann will ich mal hoffen, dass ich auf dem Wege dieses Blogartikels ein bisschen sinnvolle Werbung für sie machen kann.


Ganz andere Probleme hat derweil Steve Tennes, ein Äpfelfarmer aus dem US-Bundesstaat Michigan. Der ist vom Farmermarkt in der Kleinstadt East Lansing ausgeschlossen worden. Warum? Weil er auf seinem Hof keine gleichgeschlechtlichen Hochzeitsfeiern ausrichten will. 

Das müssen wir uns nun mal etwas genauer ansehen. Kann Tennes auf seinem privaten Grund und Boden nicht - im Rahmen der Gesetze, versteht sich - tun und lassen, was er will? Auch und gerade dann, wenn er diesen Grund und Boden geschäftlich nutzt? Gibt es nicht so etwas wie Vertragsfreiheit? Man sollte denken, der Farmer hätte das Recht, Personen, die in seinem Obstgarten eine private Feier ausrichten möchten, auch ohne Angabe von Gründen abzuweisen. Immerhin verzichtet er damit auf Einkünfte; das sollte doch wohl seine freie Entscheidung sein. Aber nein: Seinen Obstgarten für Hochzeitsfeiern zur Verfügung zu stellen, aber explizit nicht für solche von gleichgeschlechtlichen Paaren, das ist Diskriminierung. Und rechtfertigt daher Maßnahmen gegen ihn, die seine berufliche Existenz gefährden.

Steve Tennes ist übrigens alles Andere als ein homophober Wüterich. Er hat mehrfach öffentlich betont, dass er in seiner persönlichen Achtung und Wertschätzung für seine Kunden und Mitarbeiter keinerlei Unterschiede hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung oder anderweitigen Einstellung macht. Aber als gläubiger Katholik ist er fest überzeugt, dass der Begriff der Ehe der Verbindung von Mann und Frau vorbehalten sein sollte. Dass in den USA seit dem Urteil des Obersten Bundesgerichts im Fall Obergefell vs. Hodges gleichgeschlechtliche Paare das Recht haben, zu heiraten, erkennt er an, möchte aber - aus Gewissensgründen - nicht persönlich an gleichgeschlechtlichen Hochzeitsfeiern mitwirken, auch nicht dadurch, dass er diese auf seinem Grund und Boden stattfinden lässt. Fragen gleichgeschlechtliche Hochzeitspaare bei ihm wegen Vermietung seines Obstgartens für die Feier an, verweist er sie höflich an einen Nachbarn, der auch einen schönen Obstgarten hat und nichts dagegen hat, diesen für gleichgeschlechtliche Hochzeitsfeiern zur Verfügung zu stellen. Dann macht eben der das Geschäft. Man könnte denken, das wäre eine Lösung, mit der alle Beteiligten gut leben können.

Aber nicht der Wochenmarkt der Stadt East Lansing. Der ist der Meinung, Steve Tennes verstoße gegen die Antidiskriminierungsrichtlinien der Stadt, und deshalb darf er seine Äpfel dort nicht mehr verkaufen.

Es ist absehbar, dass diese Entscheidung einen langwierigen Rechtsstreit nach sich ziehen wird. Was mich allerdings wirklich schockiert hat, waren Stimmen - auch aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis -, die den Ausschluss des katholischen Farmers vom Markt ausdrücklich verteidigten. Wer seine homophoben Vorurteile zur "Gewissensentscheidung" hochstilisiere, der müsse eben auch die Konsequenzen tragen. Und vielleicht sei es letztlich ja auch in des Farmers eigenem Interesse - als erzieherische Maßnahme gewissermaßen, um seine üble Homophobie zu überwinden.

Mir bleibt angesichts dieser Argumentation der Mund offen stehen - aber vermutlich ist das eine Realität, auf die wir uns auch hierzulande zukünftig werden einstellen müssen. Vielleicht wäre es doch ratsam, sich mal eingehender mit der Frage zu befassen, was für Genehmigungen es erfordert, einen eigenen Wochenmarkt aufzuziehen...


7 Kommentare:

  1. Daß Toleranz und Akzeptanz verwechselt werden und ständig Akzeptanz unter dem Namen "Toleranz" gefordert wird, kennt man schon. Amerika ist weiter: Hier wird aktive Unterstützung gefordert und "Toleranz" genannt, und wer da nicht mitmacht, begeht ein "hate crime". Es ist zum Kotzen.

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  2. Das kommt sehr darauf an wie man die Begriffe definiert. Man könnte in diesem besonderen Fall zum Schluss kommen, dass "Toleranz" bedeuten würde den Apfelgarten für die Feier zu vermieten und "Akzeptanz" bedeuten würde, beim Fest einen mit zu trinken.

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  3. Die Argumente bzw. Fragen, die Sie im zweiten Absatz des zweiten Teils dieses Artikels aufwerfen, gehen vollkommen ins Leere. Es geht beim Thema Diskriminierung eben schon im Grunde nicht darum ob jemand das Recht hat sich seine Kunden frei auszusuchen. Genau weil es dieses Recht ja grundsätzlich gibt wird es durch Antidiskriminierungs-Richtlinien ja beschränkt. Und das ist im Grund auch gut so. Ich möchte das an einem Beispiel erläutern. Nehmen wir mal an wir befinden uns auf dem Marktplatz einer deutschen Kleinstadt. Und dort befinden sich zwei Eisdielen. In der Stadt sind nun vor kurzer Zeit Flüchtlinge aus Afrika eingetroffen. Der Besitzer einer der beiden Eisdielen mag keine Flüchtlinge und will deshalb an Flüchtlingskinder kein Eis verkaufen. Das sagt er auch "freundlich" einem der Flüchtlingsmädchen, das sich in die Schlange eingereiht hat und verweist auf sein Hausrecht und auf die Eisdiele daneben, die natürlich an Flüchtlinge auch Eis verkauft. Nun kann man natürlich argumentieren, dass der Mann auf seinem Grund in seinem Geschäft und auf sein Risiko machen kann was er will und das der Markt das schon regeln wird. Und trotzdem ist es richtig wenn der Staat in diesem Fall einschreitet. Genau aus dem Grund weil Diskriminierung nicht von selbst verschwindet - im Gegenteil sie wächst wie Unkraut wenn man sie gedeihen lässt.

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    1. Ich sehe es ganz plastisch vor mir, das niedliche schwarze Flüchtlingsmädchen, dem der böse Eisverkäufer das Eis verweigert. Voll gemein. Allerdings hinkt der Vergleich auf beiden Beinen:

      - Würde der Farmer sich weigern, seine Äpfel an Homosexuelle zu verkaufen, wäre das tatsächlich diskriminierend, und dann könnte ich seinen Ausschluss vom Markt vollkommen nachvollziehen. Das ist aber nicht der Fall.

      - Wenn der hypothetische Eisverkäufer einfach "keine Flüchtlinge mag" und ihnen deshalb kein Eis verkaufen will, wird man das kaum als eine "Gewissensentscheidung" bezeichnen können. Eine Gewissensentscheidung wäre es eher, ob man einem Alkoholiker Schnaps verkauft.

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    2. Nun ja - das war eigentlich gar nicht als Vergleich gedacht sondern nur als plastische Darstellung, aber einerlei. Trotzdem zwei Anmerkungen: zu Absatz 1. Im Endeffekt spielt es keine Rolle ob der Farmer eine Ware oder eine Dienstleistung (in diesem Fall die Vermietung einer Fläche) verweigert. Es kommt nur darauf an ob er aus welchen Gründen er es tut. Und in diesem Fall hat das offensichtlich mit der sexuellen Orientierung zu tun. Ob Sie jemanden aufgrund der Hautfarbe oder aufgrund der sexuellen Orientierung diskriminieren ist im Grunde egal - ändern kann derjenige an beidem nichts und darauf kommt es letztlich an. Zu Punkt "2" - es kommt im Diskriminierungsrecht wesentlich mehr auf die objektive als auf die subjektive Tatseite an. D.h. welche Gewissensgründe der Farmer vorbringt ist letztlich nebensächlich. Tatsache ist, dass er ein Grundstück offensichtlich gewerblich für Feste vermietet - eben auch für Hochzeiten. Wenn er das tut kann er eben homosexuelle Paare nicht ausschließen - sonst ist es eine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und die wäre auch in Deutschland unzulässig. Ich bin aber der Meinung dass man ihn deshalb nicht vom Markt ausschließen darf, da dies wieder eine unverhältnismässige Einschränkung seiner Erwerbsfreiheit wäre.

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    3. Zu 1):

      Es macht eben ganz einfach einen Unterschied, ob jemand einfach an Leute, die nun mal ein bestimmtes Merkmal besitzen, ohne etwas daran ändern zu können (Hautfarbe, Herkunft, sexuelle Neigung), nichts verkaufen will, oder ob er bei einer Aktion, die bestimmte Leute machen, nicht beteiligt sein will. Ein Wirt, der sich weigert, einen Saal für eine AfD-Versammlung zu vermieten, wäre ein besserer Vergleich zu jemandem, der auf seinem Grund keine Schwulenhochzeit haben will.

      - Crescentia.

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    4. Der Vergleich hinkt gewaltig. Der Eisdielenbesitzer verkauft sein Eis an alle, die da kommen, möchte aber keine Feier zur Beschneidung eines muslimischen Knaben ausrichten.
      Daraufhin wird er aus der Stadt gejagt.

      Das klingt doch schon anders als "verkauft kein Eis an Flüchtlingskinder"´.

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