Samstag, 1. November 2025

Die 3 K der Woche (49): Kinder, Kirche, Kreuzfahrt

Saludos, geschätzte und verehrte Leser! Ich melde mich aus dem Hafen von Arrecife auf der Insel Lanzarote, wo es mobiles Internet gibt, nachdem ich den ganzen gestrigen Tag keines hatte. In diesem Wochenbriefing dürft ihr euch auf allerlei Urlaubseindrücke mit zahlreichen Fotos freuen, allerdings wäre ich wohl nicht der Tobi, wenn ich diese Urlaubseindrücke nicht mit solchen Themen und Reflexionen zu verknüpfen wüsste, für die man den Blog "Huhn meets Ei" kennt und liest. Überzeugt euch selbst, Freunde! 

Wenn das Rote Meer Grüne Welle hat. 

Auf Lolas Spuren 

Die Urlaubsplanung und –buchung fällt bei uns von jeher in das Ressort meiner Liebsten, und im Allgemeinen bin ich damit auch sehr zufrieden; im aktuellen Fall war ich jedoch anfangs nicht ganz überzeugt von ihrer Entscheidung, vor dem Antritt unserer Schiffsreise zwei Tage (und nicht nur einen) in Hamburg einzuplanen. Wie sich zeigte, war das aber doch gut so, denn die Zeit dort verging fast schneller als uns lieb war. Die Kinder kannten Hamburg bisher ja praktisch nur aus den "Lola"-Büchern von Isabel Abedi (und der Verfilmung des ersten Bandes), und da das Restaurant von Lolas Vater und Opa am Hamburger Hafen liegt und einige bedeutende Handlungsanteile sich in der Speicherstadt und der HafenCity abspielen, kamen wir an so allerlei Originalschauplätzen vorbei. 

Ob das Miniatur-Wunderland in den Lola-Büchern erwähnt wird, wüsste ich aus dem Gedächtnis nicht mit Sicherheit zu sagen, aber als wir uns so ziemlich direkt nach unserer Ankunft in Hamburg dorthin begaben, sahen wir unterwegs schon mal einiges von der Speicherstadt. 

In ziemlich unmittelbarer Nähe des Miniatur-Wunderlands schmückt eine Statue des Hl. Ansgar einen Brückenpfeiler. Die Möwe auf dem Kopf fand ich besonders kleidsam.

Beim Miniatur-Wunderland herrschte ein enormer Andrang, und an der Kasse erfuhren wir, dass man ein Zeitfenster für den Einlass reservieren musste, um hineinzukommen. Wir machten also eine Reservierung für den folgenden Tag und gingen erst mal wieder, um einen anderen geplanten Programmpunkt vorzuziehen: eine Besichtigung des Museumsschiffs "Rickmer Rickmers", das in mehreren Lola-Bänden eine markante Rolle spielt. Um dorthin zu gelangen, nahmen wir von der Elbphilharmonie zu den Landungsbrücken eine Fähre; das war an sich schon ein Highlight, vor allem (aber nicht nur) für die Kinder. 

Die "Rickmer Rickmers", von der Fähre aus gesehen. 

Die Besichtigung des Museumsschiffs war jedenfalls ein Programmpunkt, den ich Hamburg-Touristen – ob mit oder ohne Kinder, ob mit oder ohne den Hintergrund der Lola-Bücher – uneingeschränkt empfehlen möchte. Anschließend fuhren wir zurück zum Hauptbahnhof, wo wir unser Gepäck eingeschlossen hatten, aßen dort zu Mittag und machten uns dann mit unserem Gepäck auf den Weg zu unserer Unterkunft, einem Hostel im wenig idyllischen Stadtteil Hammerbrook. In diesem Hostel war meine Liebste vor Jahren schon mal mit einer Schulklasse untergebracht gewesen, bei ihrem ersten Einsatz als verantwortliche Lehrkraft bei einer Klassenfahrt. Aktuell präsentierte der Stadtteil Hammerbrook sich uns als eine krasse Baustellenwüste, aber auch wenn man sich die Baustellen wegzudenken versuchte, machte so ziemlich der gesamte Bereich zwischen Berliner Tor und Hauptbahnhof – gerade im Vergleich zu Berlin – den Eindruck, ausgesprochen fußgängerunfreundlich zu sein. Ich schätze mal, das hat damit zu tun, dass die Stadtplaner in der Nachkriegszeit die durch den Krieg zerstörten Stadtlandschaften als eine leere Leinwand auffassten, auf der sie ihre Vision einer Neuerfindung des Konzepts "Stadt" verwirklichen konnten; der Leitgedanke lautete damals, im Zeichen des rasanten Fortschritts der privaten Motorisierung, "autofreundliche Stadt", und "autofreundlich" heißt nun mal im Umkehrschluss "fußgängerunfreundlich".

Wie dem auch sei: Unser Familienzimmer im Hostel ließ keine wesentlichen Wünsche offen, außerdem gab es eine Dachterrasse, die einen recht eindrucksvollen Ausblick gewährte. Wir verbrachten also den Rest des Donnerstags in der Unterkunft, am Freitag frühstückten wir in einer Bäckerei und machten uns dann auf den Weg zu unserer reservierten Einlasszeit im Miniaturwunderland. 

Nein, in Rom waren wir nicht. 

Für den Besuch dort hatten wir rund drei Stunden eingeplant, und ich bezweifle auch nicht, dass man so viel Zeit oder noch mehr in der Ausstellung verbringen könnte, aber die Geduld der Kinder war nach knapp zwei Stunden erschöpft, obendrein herrschte trotz Einlassbeschränkung ein ziemliches Gedränge in den Ausstellungsräumen. Daher zogen wir uns noch für rund eine Stunde in den Kinderspielbereich zurück, und danach trafen wir uns mit meinem Bruder und meiner Schwägerin, die uns erst einmal in ein sehr hübsches bretonisches Lokal einluden. 


Dieser Werbeaufsteller sieht ein bisschen aus wie Rickmer Rickmers in bretonischer Tracht.

Und das Essen war auch lecker.

Danach gingen wir auf die Besucherterrasse der Elbphilharmonie, wo wir eine Aussicht hatten, die die von der Dachterrasse des Hostels doch noch um einiges in den Schatten stellte. 

Wer genau hinschaut, kann hier auch das Schiff entdecken, mit dem wir unterwegs sind.

Anschließend fuhren wir erneut mit einer Fähre von der Elbphilharmonie zu den Landungsbrücken – wobei ich noch erwähnen möchte, dass wir vom Fähranleger an der Elbphilharmonie einen weiteren Originalschauplatz der Lola-Bücher sehen konnten, nämlich den Marco-Polo-Tower. Im 9. Band, "Lola und die einzige Zeugin", findet darin die Geburtstagsparty eines Millionärs statt, und diese stellt einen Schlüsselmoment für einen der beiden Haupthandlungsstränge des Buches dar. – An den Landungsbrücken aßen wir noch Fischbrötchen mit meinem Bruder und meiner Schwägerin, dann verabschiedeten wir uns. Insgesamt war das ein sehr schöner Nachmittag und Abend, und wie schon beim Familientreffen im Sommer hat sich erneut gezeigt, wie gern unsere Kinder ihre Onkels und Tanten von meiner Seite der Familie mögen – und umgekehrt auch


Landei vs. Landratte 

Der Beginn unserer mit Spannung erwarteten Seereise wurde überschattet von Sturmtief "Joshua", oder, wie der Norddeutsche sagt: "Büschen windich, näch?". Im Kontrast zu dramatischen, mit Schockvokabeln wie "Bombenzyklon" gewürzten Unwetterwarnungen empfand ich einen Bericht des NDR, in dem ein Sprecher des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie mit der Einschätzung zitiert wurde, Sturm im Herbst sei ein ganz normaler Vorgang, recht erfrischend. Gleichwohl stand die Möglichkeit im Raum, dass die Elbe für den Schiffsverkehr gesperrt werden würde; daher war das Schiff, mit dem wir fahren wollten, von seiner vorherigen Reise einen Tag früher nach Hamburg zurückgekehrt und sollte nach Möglichkeit auch früher wieder ablegen, wenn auch nur zwei bis drei Stunden früher als geplant. Zu diesem Zweck wurde die zuvor festgelegte Check-In-Reihenfolge aufgehoben, und alle Passagiere sollten sich zwischen 10 und 14 Uhr am Terminal einfinden. Wir brachen also direkt nach unserem Checkout aus dem Hostel dorthin auf; die grundsätzlichen Abläufe im Kreuzfahrtterminal waren im Wesentlichen dieselben wie an einem Flughafen, aber infolge des vorgezogenen Boardings war alles etwas hektischer, als es wohl normalerweise gewesen wäre. Ich war während des gesamten Check-In-Vorgangs ziemlich nervös und dachte jedesmal, wenn eine Mitarbeiterin irgendwie streng guckte, es wäre etwas mit unseren Reiseunterlagen nicht in Ordnung und unsere Urlaubspläne würden in letzter Minute noch platzen. In Wirklichkeit lief aber alles recht reibungslos, sodass wir schon gegen halb Zwölf an Bord waren und, nachdem wir die digitale Version der Sicherheitseinweisung zur Kenntnis genommen hatten, erst mal in Ruhe zu Mittag essen konnten. Abgelegt wurde dann tatsächlich schon um 15 Uhr – unmittelbar nachdem ich mein voriges Wochenbriefing veröffentlicht hatte. 

An dieser Stelle muss ich erst mal das Geständnis einschieben, dass ich lange Zeit ganz grundsätzliche Bedenken gegen diese Art des Urlaubs hatte. Man erinnere sich etwa daran, was ich schon vor gut eineinhalb Jahren über den Urlaub in einem "Holiday-Resort" geschrieben habe (oder lese es nach): "Ist das nicht arg kommerziell und un-punkig für den 'Bonifatius der Benedikt-Option'?" Das gilt für eine Kreuzfahrt natürlich erst recht, und hinzu kommen ökologische Bedenken: 

Gesehen am Fähranleger an der Elbphilharmonie. – Was ist eigentlich aus der Gruppe "Extinction Rebellion" geworden? Mein Eindruck ist, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung ziemlich deutlich von der "Letzten Generation" in den Hintergrund gedrängt wurde. Das ist wohl so ähnlich, wie Bommi Baumann es einst über die Frankfurter Kaufhausbrandstifter um Andreas Baader sagte: "Wer die knallhärtesten Taten bringt, gibt den Ton an."

Andererseits bin ich aber eben an der See aufgewachsen und das steckt mir einfach im Blut; kaum habe ich eine Handbreit Wasser unter dem Kiel, macht sich bei mir eine Art gesteigertes Lebensgefühl bemerkbar. Folglich lösten sich meine Bedenken weitgehend in Luft auf, kaum dass wir an Bord waren. – Aber was war denn nun mit Sturmtief Joshua? Nun, solange wir die Elbe abwärts schipperten, verlief die Fahrt ruhig. 

Hier übrigens Övelgönne, der Schauplatz der Rahmenhandlung von "Der Leuchtturm auf den Hummerklippen" von James Krüss.

Anders wurde das, als wir am Abend bei Cuxhaven in die offene Nordsee vorstießen. Ich persönlich finde ja, ein bisschen Seegang muss sein, damit man merkt, dass man auf einem Schiff ist; aber das war schon nicht mehr nur ein bisschen Seegang. Wie der Kapitän am nächsten Morgen verriet, gab es in der Nacht bis zu sechs Meter hohe Wellen; wir wurden also ordentlich durchgeschaukelt, der Jüngste fiel im Schlaf aus dem Bett (schlief jedoch auf dem Fußboden weiter, bis ich ihn dort fand und ihn zurück ins Bett legte), und meine Liebste war am nächsten Morgen ernsthaft seekrank. Die Fahrt durch die Nordsee blieb weiter unruhig, bis wir am Nachmittag in den Ärmelkanal einfuhren. An der Rezeption holte meine Liebste sich Tabletten gegen Reiseübelkeit, und danach ging's – auch als die See am folgenden Tag, als wir aus dem Ärmelkanal in den offenen Atlantik fuhren, vorübergehend wieder unruhiger wurde. Irgendwie ironisch war es aber wohl doch, dass ich zumindest während der ersten 24 Stunden nach dem Auslaufen in Hamburg die Kreuzfahrt deutlich mehr genoss als meine Liebste. Als es ihr wieder besser ging, merkte sie an, immerhin habe diese Reise erwiesen, dass sich "die Geißeln des abenteuerlustigen Menschen" gleichmäßig auf uns beide verteilen: Ich neige zu Höhenangst – wie sich auf der Terrasse der Elbphilharmonie gezeigt hatte – und sie eben zu Seekrankheit


Kein geistlicher Beistand auf der AIDA 

Was die Frage nach der Erfüllbarkeit der Sonntagspflicht an Bord betrifft, wandte ich mich, nachdem ich im offiziellen Veranstaltungsprogramm der Reise keinerlei Hinweise darauf gefunden hatte, am Sonntag nach dem Frühstück an die Rezeption. Präzise gesagt fragte ich, ob möglicherweise ein katholischer Priester an Bord sei, der bereit wäre, mit interessierten Mitreisenden eine Messe zu feiern. Die junge Dame an der Rezeption erwiderte mit aufrichtig wirkendem Bedauern, so etwas hätten sie gar nicht im Angebot. Auf die Implikationen dieser Aussage komme ich noch zurück; vorerst sei gesagt, dass ich für den ja durchaus erwartbaren Fall, dass die Teilnahme an einer Heiligen Messe nicht zu realisieren sein würde, als Plan B im Hinterkopf hatte, auf der Kabine eine Wortgottesfeier im Familienkreis (mit Lobpreismusik) abzuhalten, aber diesem Vorhaben stand der Umstand im Wege, dass die Liebste, wie schon erwähnt, bis zum mittleren Nachmittag seekrank in den Seilen hing und ich, um ihr möglichst viel Ruhe zu gönnen, mit den Kindern die Decks durchstreifte und unsere Kabine möglichst mied. Letztendlich beschränkte ich mich darauf, die Tageslesungen vom 30. Sonntag im Jahreskreis – zuzüglich Eröffnungsvers und Tagesgebet – für mich allein zu lesen und, soweit der Tagesablauf mir Zeit und Muße dazu ließ, darüber nachzusinnen. 

Gleichwohl gab mir die Aussage der Dame an der Rezeption zu denken, so etwas gebe es an Bord gar nicht. Das betrifft ja nicht allein die Sonntagspflicht der Katholiken. Dass ein Kreuzfahrtunternehmen, das eine Flotte von elf schwimmenden Wellnesshotels über die Weltmeere schippern lässt, die spirituellen Bedürfnisse seiner Gäste so gar nicht im Blick hat, finde ich dann doch enttäuschend. Wenigstens einen Multi-Religious Prayer Room, wie man ihn an vielen internationalen Flughäfen findet, hätte man doch wohl irgendwo auf dem Schiff unterbringen können – auch wenn man diesen im Interesse der muslimischen Passagiere wohl mit einem Kompass ausstatten müsste, um feststellen zu können, in welcher Ecke des Raumes jeweils gerade Osten ist. 

Der Gedanke an muslimische Passagiere brachte mich um ein paar Ecken darauf, mich zu fragen: Was ist eigentlich mit der Crew? An einem Abend, an dem im Showprogramm eigentlich der Kapitän als Talkgast hätte auftreten sollen, aber aus dienstlichen Gründen kurzfristig verhindert war und von der Personalchefin des Schiffs vertreten wurde, erfuhr man beiläufig, dass große Teile der Crew aus Indonesien oder von den Philippinen kommen. Indonesier sind weit überwiegend Muslime; wo beten die? Gibt es wenigstens im Crewbereich einen Gebetsraum? Und die Crewmitglieder von den Philippinen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit katholisch. Wenn es keinen Priester an Bord gibt, dann heißt das wohl, dass sie nur zur Beichte und zur Kommunion gehen können, wenn sie Landurlaub haben. 

Nun wissen wir ja alle, dass sich da, wo der Heilige Geist nicht waltet, gern allerlei andere Geister und Ungeister tummeln. Wie mir erst am dritten Reisetag während einer Fahrstuhlfahrt von Deck 4 nach Deck 14 auffiel, dass es auf diesem Schiff kein Deck 13 gibt. Lohnt sich wahrscheinlich nicht. Will sagen: Man fürchtet, allzu viele potentielle Passagiere würden aus abergläubischen Gründen keine Kabine auf Deck 13 buchen wollen, und dann bekäme man die Kabinen dort nicht voll. In großen Hotels, so hört man, soll es auch so sein. – Zum Veranstaltungsangebot an Bord zählten z.B. Vorträge über Hypnose oder eine "Thalasso-Rasul-Zeremonie" im "Organic Spa"

Zu dieser Art "erlebnisorientierter Spiritualität" muss man es wohl auch rechnen, dass am 4. Reisetag Ausflüge von La Coruña (galicisch: A Coruña) ins gut 75 km entfernte Santiago de Compostela angeboten wurden, einschließlich eines Stückchens Wandern auf dem Jakobsweg; das machten wir aber nicht mit, das wäre ja nicht stilecht gewesen. Stattdessen erkundeten wir die Umgebung des Hafens von La Coruña sowie die Altstadt auf eigene Faust und zu Fuß – und hatten Glück: Die erste Kirche, an der wir vorbeikamen, war San Jorge (galicisch: San Xurxo), und als ich dort die Aushänge studierte, zeigte sich, dass in rund zehn Minuten eine Messe begann. Also blieben wir dort. Übrigens war es das Fest der Apostel Simon und Judas, ein Datum, das – wie sich treue Leser meines Blogs vielleicht erinnern – in der Geschichte unseres Familienapostolates (wenn mir der hochtrabende Ausdruck gestattet ist) eine besondere Bedeutung hat. – Vor Beginn der Messe machte ich aber erst mal einige Fotos: 







Zur Messe erschienen etwa dreißig bis vierzig Personen; der Priester, den ich auf etwa Mitte 70 schätzen würde, zelebrierte recht zügig, es gab keine Predigt und keinen Gesang, und so dauerte die Messe insgesamt nur knapp eine halbe Stunde. – Zur Kommunion nahmen wir die Kinder mit nach vorn, da wir es von zu Hause her gewohnt sind, dass sie bei dieser Gelegenheit einen Segen erhalten können; das war hier aber offenbar nicht ortsüblich, und der Priester schien etwas unsicher, ob er unserer achtjährigen Tochter die Kommunion spenden sollte oder nicht. Ich konnte dies gestisch klären, aber nach dem Ende der Messe kam der Priester zu uns, um sich noch einmal zu vergewissern, ob das Tochterkind denn schon zur Erstkommunion gegangen sei. Anschließend fragte er, woher wir denn kämen und wie wir hießen; er war ausgesprochen entzückt, als wir ihm verrieten, dass unsere Tochter Bernadette hieß, und machte uns darauf aufmerksam, dass es in seiner Kirche eine Statue Unserer Lieben Frau von Lourdes gab. Den gewünschten Segen erhielten die Kinder bei dieser Gelegenheit auch noch. 

Im weiteren Verlauf unseres Altstadtbummels in La Coruña sahen wir noch mehrere weitere Kirchen; zunächst Santa Maria del Campo



In dieser Seitenkapelle ist u.a. ein Stuhl zu sehen, auf dem der Hl. Johannes Paul II. bei einem Besuch in Santiago de Compostela gesessen hat. Eine Berührungsreliquie also.

Sodann die Igrexa Santiago, die, wie der Name schon vermuten lässt, am Jakobsweg liegt: 





Und schließlich San Francisco, die ich zwar versäumt habe von außen zu fotografieren, aber wie die meisten spanischen Kirchen, die ich bisher gesehen habe, ist sie von innen ohnehin eindrucksvoller: 




An einem kleinen Devotionalien-Verkaufsstand in dieser Kirche kauften wir den Kindern auf ihren eindringlich vorgetragenen Wunsch hin je einen Rosenkranz; dann kehrten wir zurück an Bord. 


Die alte Frage "Spandau oder Portugal"...

...hat wieder erheblich an Brisanz gewonnen, seit wir am Mittwoch zum ersten Mal in unserem Leben tatsächlich portugiesischen Boden betreten haben. Im Reiseplan der Kreuzfahrt stand eigentlich Porto auf dem Programm, aber das war ein bisschen eine Mogelpackung: Das Kreuzfahrtterminal lag rund 10 km von der Stadt entfernt, und wenn man nicht sowieso einen Ausflug gebucht hatte, konnte man 35 € für den Shuttle-Service berappen oder eine halbe Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Gegend gurken. Der Ort, der der Anlegestelle am nächsten lag – Matosinhos –, machte allerdings ebenfalls den Eindruck, einen Besuch wert zu sein, also entschieden wir uns dafür, uns dort ebenso auf eigene Faust umzusehen wie tags zuvor in La Coruña. Das erwies sich als eine glückliche Idee. Auch wenn die alten Häuser der Stadt teilweise etwas zu heruntergekommen aussahen, um als malerisch bezeichnet zu werden, hatte der verblasste Glanz besserer Tage doch etwas unbestreitbar Elegantes an sich. 



Gekachelte Außenfassaden scheinen eine regionale Besonderheit zu sein.


Aber nicht nur wegen der Architektur gefiel die Stadt mir – und übrigens auch meiner Liebsten – ausnehmend gut: Es gibt viele kleine Cafés, Bars und Kramläden, die Leute wirken sehr nett und die Stadt ist ausgesprochen fußgängerfreundlich, sogar eine Straßenbahn gibt es. Damit nicht genug, liegt Matosinhos nicht nur am Caminho Portugues, dem portugiesischen Jakobsweg, sondern ist auch selbst seit dem 16. Jahrhundert ein Wallfahrtsort, an dem das Gnadenbild des Bom Jesus de Matosinhos verehrt wird. Schon auf dem Weg vom Hafen in die eigentliche Stadt kamen wir an einem Denkmal vorbei, das die Stelle markieren soll, an der dieses Gnadenbild der Legende nach im Jahr 124 angeschwemmt wurde: 


Die vier Ecken des Gebäudes sind mit Statuen der Evangelisten geschmückt; hier Lukas und Johannes, zu einem Bild zusammengeschnitten.

Vor allem aber wollten wir die Wallfahrtskirche Igreja do Bom Jesus besuchen; als wir dort ankamen, war sie leider geschlossen, aber mit Hilfe von Google Maps fanden wir heraus, wann sie nach der Mittagspause wieder öffnete. 


Statuen der Apostel Petrus und Paulus an der Fassade, auch wieder zu einem Bild zusammengeschnitten. 

Bis dahin hielten wir uns im Garten der Kirche auf; dort gab es sechs kleine Kapellen, in denen durch lebensgroße Figuren Szenen aus der Passion Christi dargestellt wurden. Leider hinter Gittern, was das Fotografieren erschwerte, aber ich tat mein Möglichstes. 




Als die Kirche dann endlich geöffnet wurde, gingen wir natürlich hinein; und was wir da zu sehen bekamen, stellte die Kirchen in La Coruña, die wir tags zuvor besucht hatten, noch in den Schatten: 







In einem Nebengebäude, das den schönen Namen Casa dos Milagres ("Haus der Wunder") trug, wurde eine breite Auswahl an Rosenkränzen, Heiligenfiguren und ähnlichem feilgeboten, und die Kinder überredeten uns mit vereinten Kräften, eine kleine Figur des Erzengels Michael, der den Teufel besiegt, zu erwerben. 

Hier in trauter Eintracht mit den Spielfiguren, die unseren Jüngster in den Urlaub mitgenommen hat.

Am Donnerstag verzichteten wir auf einen Stadtbummel in Lissabon, um stattdessen an einem Tagesausflug zur Tropfsteinhöhle von Mira de Aire, einem der sieben Naturwunfer Portugals, teilzunehmen. Das war ein Erlebnis ganz eigener Art, allerdings wohl nicht so sehr blogrelevant. Immerhin liegt diese Höhle in der Nähe des Marienwallfahrtsortes Fátima, weshalb die Reiseleiterin auf der Busfahrt ein paar Sätze über die dortigen Marienerscheinungen von 1917 sagte. Meine Tochter meinte dazu, die Art, wie die Reiseleiterin darüber spreche, erwecke den Eindruck, sie sei nicht gläubig. Ich wandte ein, als Reiseleiterin drücke sie sich einfach neutral aus, da sie ja nicht wissen könne, ob ihre Zuhörer gläubig oder ungläubig seien; aber bemerkenswert fand ich diesen Kommentar meiner Achtjährigen doch. 

Auch erwähnenswert ist, dass die Reiseleiterin, als wir durch den Ort Moitas Venda fuhren – ein Gebirgsdorf mit einer hübschen kleinen Kirche und reizenden weißen Häuschen mit roten Ziegeldächern –, anmerkte, dies sei "ein typisch portugiesisches Dorf". Ich glaube, ich bin verliebt in dieses Land. – Jedenfalls gilt es festzuhalten, dass die Vorstellung, irgendwann (und sei es im Rentenalter) nach Portugal zu übersiedeln und eine Pilgerherberge oder so etwas in der Art zu eröffnen, eindeutig ihren Reiz hat. In der Zwischenzeit sollte auf jeden Fall mal wieder ein Urlaub in Portugal drin sein – es muss ja nicht gleich wieder eine Kreuzfahrt sein. Wie wär's zum Beispiel mal mit einer Woche Lissabon, den verpassten Altstadtbummel nachholen, ins Ozeanarium, Tagesausflug nach Fátima? Wär doch mal was. 


Neues aus Synodalien: I Fell Into a Burning Ring of Nothelle-Wildfeuer 

Derweil versorgt mich mein Google News-Algorithmus – soweit ich Internetzugang habe, natürlich – weiterhin zuverlässig mit Meldungen von häretisch.de. Als ich dort unlängst die Überschrift "Theologin: Lobpreis nicht für Evangelisierung instrumentalisieren" las, lautete meine spontane Reaktion: "Was hat die denn für ein Problem?" Dann las ich, dass es sich bei der betreffenden Theologin um Ursula Nothelle-Wildfeuer handelt, und dachte nur noch: Ach so, die ist das. – Zur Einordnung dieser Reaktion sei gesagt, dass mir diese Dame vorrangig dadurch ein Begriff ist, dass sie anno 2018 in einem Interview mit häretisch.de kein gutes Haar am damals frisch erschienen Mission Manifest ließ und vor einer "Versektung und Evangelikalisierung der katholischen Kirche" warnte. Auch am Gebetshaus Augsburg fand Frau Nothelle-Wildfeuer in diesem Zusammenhang "wenig Positives": "Es gibt in der katholischen Kirche scheinbar auch so etwas wie freikirchliche oder katholische Evangelikale, mit denen haben wir es hier zu tun." Und: "Das, was ich da höre und sehe, schreckt mich ab." – Offenkundig diente dieses Interview seinerzeit nicht zuletzt der Promotion für das von Frau Nothelle-Wildfeuer gemeinsam mit Magnus Striet herausgegebene Buch "Einfach nur Jesus?"; und da spricht ja schon der Titel Bände. Es muss wohl ziemlich frustrierend sein, wenn man im Studium gelernt hat, den christlichen Glauben zu dekonstruieren, und nun als wohlbestallte Professorin die nächste(n) Generation(en) von Theologen auf diesen postchristlichen Kurs einnordet, und dann kommen irgendwelche Leute daher, die so unbekümmert und ohne intellektuelle Distanz und Relativierung über oder sogar mit Jesus reden, als kennten sie Ihn persönlich. Kein Wunder, dass Frau Nothelle-Wildfeuer auf den Fotos, die von ihr im Internet kursieren, immer so sauer guckt. Auch ihre neuerliche Wortmeldung bringt gegenüber derjenigen von 2018 nichts wesentlich Neues, neu ist nur der Anlass dieser Äußerung: Die Freiburger Theologin hat eine eine Stellenausschreibung im Erzbistum Köln gelesen, in der eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter für "Gemeindegründung mit Schwerpunkt Lobpreis" gesucht wird, und das hat sie offenbar so ergrimmt, dass sie darüber einen Beitrag für die Herder Korrespondenz verfassen musste. Nun scheint es aber in der katholischen Medienlandschaft ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, demzufolge alles, was in der Herder Korrespondenz steht, automatisch relevant sei, und so berichteten diverse andere kirchliche oder kirchennahe Publikationen über diesen Beitrag – darunter eben häretisch.de, andererseits aber auch CNA deutsch, wo der redaktionelle Kommentar dankenswerterweise darauf aufmerksam machte, dass beim Stichwort "Gemeindegründung mit Schwerpunkt Lobpreis" offenbar Frau Nothelle-Wildfeuers von Vorurteilen und blinden Flecken geprägte Assoziationen mit ihr durchgehen – insofern, als sich die von ihr formulierten Vorwürfe durchweg "nicht aus der Stellenausschreibung belegen" lassen, auf die sich ihre Kritik bezieht. 

Und was für Vorwürfe sind das so? Die üblichen, möchte man sagen: "Indoktrination und Manipulation", mangelhafte Rezeption des II. Vatikanischen Konzils, "populistisch anmutende einfache Antworten". Und schließlich: "Evangelisierung durch Lobpreis" erwecke den Eindruck, "allein auf Kirchenwachstum, nicht aber auf ein verantwortetes Ja zum Glaubensbekenntnis" ausgerichtet zu sein. – Natürlich darf dabei auch die Warnung vor einer Orientierung an "evangelikalen und neucharismatischen Bewegungen" wieder nicht fehlen – und davor, "von deren Worship-Musik lernen" zu wollen. An dieser stört Frau Nothelle-Wildfeuer der vorrangig emotionale Zugang zum Glauben: Wo bleibt denn da die Auseinandersetzung "mit den vielfältigen Anfragen der Moderne an Religionen und die Kirche"? Schön, Evangelikale und Charismatiker haben vielleicht mehr Freude am Glauben, mehr Gottvertrauen und mehr Eifer für das Reich Gottes, aber dafür kann unsere akademische Theologenzunft viel schlauer über "komplexe Glaubenswahrheiten, existenzielle Spannungen und ethische Zumutungen" schwadronieren. – Der Fairness halber sei betont, dass es diese linkshirnig-miesepetrige Auffassung des Christentums ebenso wie in einer progressiven auch in einer konservativen Variante gibt. Gleichwohl fällt mir dazu vorrangig immer Gudrun Ensslin ein, die im Zuge von Sondierungsgesprächen zwischen RAF und "Bewegung 2. Juni" zu Bommi Baumann sagte, die Revolution dürfe keinen Spaß machen. Ich persönlich halte es da ja eher mit Bommi Baumann, der darauf schlicht erwiderte "Du spinnst doch". 

(Ich stelle gerade fest, dass ich in diesem Wochenbriefing zweimal in unterschiedlichen Zusammenhängen Bommi Baumann erwähnt habe. Schade, dass er das nicht mehr miterlebt.


Geistlicher Impuls der Woche 

Ihr seid jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlussstein ist Christus Jesus selbst. Durch Ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch Ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut. 

(Epheser 2,19-22) 


Ohrwurm der Woche 

Enya: Orinoco Flow 

Die Musik auf dem Kreuzfahrtschiff war durchweg sehr gut, sei es in den Fahrstühlen, in den Bars oder in den Showprogrammen; somit hätte es mehr als genug geeignete Kandidaten für den Titel des "Ohrwurms der Woche" gegeben, aber letzten Endes war der markanteste wiederkehrende musikalische Moment der Reise dann doch die Auslaufmusik, die sowohl beim Beginn der Reise in Hamburg als auch beim Ablegen in La Coruña, Porto und Lissabon über die Decks schallte. Zwar wurde da eine eigens für die Kreuzfahrtfirma eingespielte Coverversion verwendet, angeblich weil Enya nicht bereit war, dem Unternehmen die Verwendung der Originalaufnahme zu gestatten; aber hier gibt's trotzdem das Original von 1988. 


Vorschau/Ausblick 

Vom heutigen Tag auf Lanzarote wird wohl im nächsten Wochenbriefing noch die Rede sein müssen, und auch ein Gesamtfazit unserer Kreuzfahrt-Erfahrung wird nicht ausbleiben dürfen. Morgen früh machen wir uns dann von Las Palmas de Gran Canaria aus auf die Rückreise; es dürfen noch Wetten abgeschlossen werden, ob wir unsere Anschlüsse erreichen – noch besser wäre es aber, wenn ihr, o Leser, das Anliegen einer glücklichen Rückreise in eure Gebete einschließen wolltet. Und dann geht auch schon direkt die Schul- und Arbeitswoche los. Langweilig wird's sicherlich auch da nicht werden, denn gleich am Dienstag feiert unsere Tochter mit ihren Freundinnen ihren Geburtstag nach und am Donnerstag ist an ihrer Schule Halloween-Party. Gleichzeitig steht in St. Joseph Siemensstadt schon der nächste KiWoGo vor der Tür, für den es auch noch Manches vorzubereiten geben wird. – Im Übrigen rechne ich damit, dass es nach dieser Reise erst mal eine ziemliche Herausforderung sein wird, wieder im Alltag anzukommen... 


Samstag, 25. Oktober 2025

Die 3 K der Woche (48): Kinder, Kirche, Kuddelmuddel

Grüße aus Hamburg, Freunde! Ich hatte ja vorige Woche bereits angedeutet, es sei unsicher, ob wir heute zur üblichen Zeit der Wochenbriefing-Veröffentlichung an einem Ort sein werden, an dem wir Internetzugang haben; und um diesbezüglich ganz sicher zu gehen, erscheint dieses Wochenbriefing schon ein paar Stunden früher als gewohnt – solange wir noch in Hamburg sind. Es ist nämlich so, o Leser, dass wir von hier aus eine Schiffsreise antreten, und auf See ist das mobile Netz wohl eher nicht so zuverlässig. Aber dazu später! Vorrangig geht's in diesem Wochenbriefing erst mal darum, was wir erlebt haben, solange wir noch in Berlin waren; aber ein paar Blicke über den Tellerrand des Selbsterlebten hinaus dürfen auch nicht fehlen... 

Symbolbild, gesehen am S-Bahnhof Schulzendorf

Niemand hat gesagt, dass es einfach sein würde 

Schon vor längerer Zeit hatte ich mit der Tagespost-Redakteurin für das Ressort "Ehe und Familie" vereinbart, neben meiner regelmäßigen Kolumne "Klein.Kram" auch mal etwas für die Elternkolumne zu schreiben – deren Reihentitel auffallend ähnlich lautet wie der meiner laufenden Wochenbriefing-Reihe, nämlich "Kinder, Küche, Kirche". Das Thema für meinen ersten Beitrag zu dieser Rubrik fiel mir geradezu in den Schoß, in Gestalt eines außerordentlich chaotischen Einstiegs in die Herbstferien. Erschienen ist dieser Beitrag noch nicht, trotzdem bzw. gerade deswegen will ich dem, was ich dort geschrieben habe, hier und jetzt nicht vorgreifen; erwähnt sei hingegen, dass wir es in all dem Durcheinander doch noch schafften, wie beabsichtigt zum Infotag des Familienprogramms der Gemeinde auf dem Weg zu gehen, der bei Galeria in der Tegeler Fußgängerzone stattfand. 

Dort wurde – auf einer gar nicht mal so großen "Aktionsfläche" zwischen Schuhregalen und Schmuckauslagen – so allerlei geboten, von Gratis-Popcorn über Torwandschießen bis hin zu verschiedenen Spiel- und Bastelangeboten. Zudem kannte ich dort eine Menge Leute – hauptsächlich von der "Rumpelberggruppe", zu der ich mit meinem Jüngsten, solange er noch nicht in der KiTa war, ein- bis zweimal pro Woche gegangen war, aber auch von dem unlängst zu Ende gegangenen Eltern-Glaubenskurs; auch der Trainer der Fußballgruppe, bei der ich im September einmal mit dem Tochterkind und einer Schulfreundin gewesen war und zu der ich nach den Herbstferien gern mal wieder gehen würde, war da. Nicht vertreten waren hingegen die Royal Rangers – schade eigentlich, aber man kann nicht alles haben. Ausgiebig beworben, mit Flyern und Plakaten, wurde bei diesem Infotag ein Konzert des christlichen Kinderliedermachers Mike Müllerbauer, das Ende November in der Gemeinde auf dem Weg stattfinden soll: 

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass wir – allerdings ohne das Tochterkind, das zu dieser Zeit auf Schulfahrt war – schon vor rund eineinhalb Jahren bei einem Konzert von Mike Müllerbauer am selben Ort waren, und es war super. Folglich wollen wir da natürlich auch diesmal wieder hin. 

Als wir wieder zu Hause waren, nutzte ich einen vergleichsweise ruhigen Moment, um das Buch zur Hand zu nehmen, das ich zum Abschluss des Eltern-Glaubenskurses in der Gemeinde auf dem Weg geschenkt bekommen hatte: "Empower – Mit Glaube und Leichtigkeit durch das Abenteuer Erziehung" von Tobias Teichen. Ich las erst mal nur die erste Seite, oder genauer gesagt las ich sie meiner Liebsten und unserer alleinerziehenden Freundin, die mit ihrem Sohn zwecks gemeinsamen Kochens und Essens mit zu uns gekommen war, vor. Und ich möchte sagen, es war genau der richtige Impuls für diesen Moment im Auge des Sturms – eines Sturms, der von lauten, überdrehten, Chaos verbreitenden Kindern erzeugt wurde. Diesen Moment des Durchatmens, bevor das Doppelstockbett im Kinderzimmer zusammenkrachte. Ich habe inzwischen noch ein paar Seiten weitergelesen. Es ist ein gutes Buch. Ich komme sehr langsam damit voran, weil ich jede Seite, eigentlich sogar jeden Absatz, erst mal eine Weile "sacken lassen" muss. Irgendwann nach Weihnachten bin ich vielleicht so weit, eine Rezension für die Tagespost zu schreiben, wenn mir bis dahin nicht jemand anderes zuvorgekommen ist. 

Tea-Time in Tradistan

Ich hatte es schon angekündigt: Am vergangenen Sonntag waren wir nicht in unserer Wahlpfarrei in der Messe, sondern ausnahmsweise mal in St. Afra im wenig idyllischen Stadtteil Gesundbrunnen, wo das Institut St. Philipp Neri die außerordentliche Form des Römischen Ritus pflegt (mit dieser Formulierung zitiere ich mich schon zum wiederholten Male selbst, aber ich finde daran einfach nichts zu verbessern). Zuletzt waren wir zu Pfingsten 2023 dort gewesen, und ich muss sagen, ich war überrascht, dies festzustellen; in meiner Erinnerung war mir die Zeit seit unserem letzten Besuch dieser Kirche gar nicht so lang vorgekommen. Besonders bei meiner Liebsten war allerdings die Erinnerung daran noch sehr präsent, dass sie bei diesem letzten Besuch – nach Ende der Messe – heftig mit einer Frau aneinander geraten war, die unseren damals zwei Jahre alten Jüngsten recht grob daran gehindert hatte, den Gang entlang nach vorn in Richtung Altarraum zu laufen, und diese unerquickliche Erinnerung war wohl ein wesentlicher Grund für unser langes Fernbleiben gewesen. Derartige Erlebnisse blieben uns diesmal jedoch erspart. Leute, die auf Störungen durch kleine Kinder aggressiv reagieren, kann man, wenn man Pech hat, in so ziemlich jeder Kirchengemeinde antreffen, aber sie sind nicht unbedingt prägend für die Gesamtatmosphäre. In St. Afra waren an diesem Sonntag verhältnismäßig viele Familien mit Kindern, darunter einige Jungs im Alter unseres Sohnes, und obwohl ein paar von ihnen Trachtenjanker trugen, verhielten sie sich nicht unbedingt leiser und disziplinierter als er; wir fielen also nicht besonders auf. – Nach dem im alten Ritus verwendeten liturgischen Kalender war nicht der 29. Sonntag im Jahreskreis, sondern der 19. Sonntag nach Pfingsten, und so hörten wir im Evangelium nicht das Gleichnis von der Witwe und dem ungerechten Richter (Lukas 18,1-8), sondern das vom königlichen Hochzeitsmahl (Matthäus 22,1-14). Eine Auslegung zum Evangelium, die von keinem Geringeren als Papst Gregor dem Großen stammte, war in der Gottesdienstbroschüre abgedruckt, und so konnte sich der Zelebrant, Propst Martin Piranty, in seiner Predigt auf ein anderes Thema konzentrieren, nämlich auf die Vita des armenischen Märtyrers Ignatius Maloyan, der an diesem Sonntag in Rom heiliggesprochen wurde. Da hörte auch das Tochterkind einigermaßen aufmerksam zu. 

Die Liturgie war so feierlich und würdevoll, wie man es erwarten durfte; gleichwohl stellte ich wie schon bei früheren Gelegenheiten erneut fest, dass ich mich in der ordentlichen Form doch mehr zu Hause fühle – vorausgesetzt natürlich, sie wird auch ordentlich zelebriert und nicht unordentlich. Keinerlei Verständnis habe ich indessen für die Auffassung, es sei irgendwie illegitim, tadelnswert oder extremismusverdächtig, die Feier der Liturgie nach dem Messbuch von 1962 zu bevorzugen, und diese Form des Ritus solle wenn schon nicht verboten, so doch zumindest möglichst weit eingeschränkt werden. Ja, das darf durchaus (nicht-nur-aber-auch) als Kommentar zu Traditionis Custodes verstanden werden. Es ist sicher nicht gänzlich von der Hand zu weisen – ich jedenfalls bestreite es nicht –, dass eine besondere Vorliebe für die traditionelle Liturgie mit problematischen Anschauungen auf theologischem (Stichwort: Ablehnung des II. Vatikanischen Konzils) wie auch auf politischem Gebiet einhergehen kann – aber "kann" heißt nicht "muss", und "einhergehen" bedeutet ja auch nicht, dass das eine mit dem anderen schlichtweg identisch wäre. Auch dass die Anhänglichkeit an die Tradition zu einer rein rückwärtsgewandten, der Gegenwart und Zukunft gegenüber unfruchtbaren Haltung und/oder in musealem Ästhetizismus erstarren kann, ist ein Kann und kein Muss. Der eigentliche Twist an der Geschichte ist aber: Gerade weil es diese Tendenzen eingestandenermaßen gibt, täte die Kirche gut daran, auf die Anhänger der traditionellen Liturgie zuzugehen und sie einzubinden, statt sie an den Rand zu drängen; denn gerade letzteres führt geradezu zwangsläufig dazu, dass die unerwünschten Tendenzen verstärkt werden. Das war die Weisheit von Summorum Pontificum – eine Weisheit, an der es Traditionis Custodes, mit allem Respekt gesagt, auffallend mangelt. Wohl kaum etwas trägt so zuverlässig zur Radikalisierung bei, wie mit Leuten, die erheblich radikaler sind als man selbst, in eine Ecke gestellt zu werden. 

Übrigens möchte ich insbesondere den Fans von Verschwörungsnarrativen nach Art des Monitor-Beitrags "Gotteskrieger: AfD und radikale Christen" nicht die Information vorenthalten, dass ich Beatrix von Storch in der Kirche gesehen habe. Hedwig von Beverfoerde übrigens auch. Beide waren hinterher auch noch bei der Gemeinde-Kaffeetafel anzutreffen. Ich habe nicht mit ihnen gesprochen, muss aber sagen, sie wirkten auf mich wie ganz normale Frauen, die halt sonntags zur Kirche gehen und anschließend noch mit anderen Leuten aus der Gemeinde einen Kaffee trinken. Das mag banal klingen, aber ich glaube tatsächlich, für viele unentwegte Kämpfer gegen Rechts wäre es völlig unvorstellbar, sie so zu sehen – und damit fängt die Dämonisierung und Dehumanisierung politischer Gegner schon an, dass man nicht mehr in der Lage ist, sie sich in ganz normalen und alltäglichen Situationen vorzustellen. Und ehe man sich's versieht, ist man bei "Das ist ein Schwein und kein Mensch, und natürlich kann geschossen werden"

Nebenbei sei angemerkt, dass ich mich im Anschluss an die Messe in St. Afra auch ein bisschen in meiner "Nischenprominenz" sonnen durfte, insofern, als wir von mehreren Leuten angesprochen wurden, die mich kannten – von Lebensschutz-Veranstaltungen, von Vorträgen oder aus der Tagespost; ein paar von ihnen fragten hoffnungsvoll, ob wir in Zukunft öfter hier zur Messe gehen würden. Der erfreulichste Aspekt unseres Messebesuchs in St. Afra an diesem Sonntag – und ehrlich gesagt auch der Hauptgrund dafür, dass wir dort hingegangen waren – war es jedoch, dass wir dort meinen Küchenteam-Kollegen vom Wölflingslager und seine Tochter trafen, mit der unser Tochterkind sich ja so innig angefreundet hatte. Die beiden Mädchen waren ganz aus dem Häuschen über das Wiedersehen, und nachdem sie eine Weile – zeitweilig zusammen mit weiteren Kindern, die in der Messe gewesen waren – durch den Innenhof von St. Afra getollt waren und dann bei der schon erwähnten Gemeinde-Kaffeetafel Kekse gefuttert hatten, gingen wir noch gemeinsam essen in einem nahegelegenen vietnamesischen Restaurant und dann noch auf einen Spielplatz im Mauerpark. Mit meinem Küchenteam-Kollegen unterhielt ich mich dabei wieder sehr angeregt, und auch unsere Frauen verstanden sich gut miteinander. Kaum nennenswerte neue Erkenntnisse gab es dabei indes dazu, wie es mit unseren Mädchen und der Pfadfinderei weitergehen soll: Die Idee, eine neue KPE-Gruppe aufzubauen, die deutlich weiter im Norden Berlins beheimatet sein soll als die bisher bestehende, ist weiterhin nicht wesentlich mehr als eine Idee; dauerhaft und regelmäßig bei den KPE-Wölflingen im Süden Berlins mitzumachen, kommt für unsere neuen Freunde angesichts des Anfahrtswegs eher nicht in Frage – vorläufig und gelegentlich dort dabei zu sein, solange sich keine andere Lösung abzeichnet, hingegen vielleicht schon. Ein Anlass dafür könnte eine Grabpflegeaktion auf dem Waldfriedhof Zehlendorf sein, den die KPE-Pfadfinder für Mitte November geplant haben; das würde mich auch interessieren, aber in meinem Terminkalender steht, dass genau am selben Tag das neue Projekt "Religiöse Kindertage" in St. Stephanus Haselhorst starten soll. Wobei ich durchaus mit der Möglichkeit rechne, dass dieser Termin doch noch einmal verschoben wird, weil dafür noch mehr Vorbereitung vonnöten ist. Na, warten wir's mal ab... 


Kindermund der Woche 

Am Tag vor dem 8. Geburtstag unserer Großen kam mein Schwiegervater vorbei, den wir ansonsten eher selten sehen. Da er ein Auto hat, half er uns, die Bruchstücke des zusammengebrochenen Kinder-Doppelstockbettes zum Recyclinghof zu transportieren; außerdem hatte er ein Geburtstagsgeschenk für seine Enkelin mitgebracht, und auch eine Kleinigkeit für unseren Jüngsten. Diesen – er ist, wohlgemerkt, gerade mal viereinhalb Jahre alt – sprach er mit den Worten an: 

"Ich hab gehört, du kannst schon ein bisschen schreiben?!" 

Der Knabe erwiderte fröhlich: 

"Ja, aber nur Quatsch!" 


Die Rache der Hortnerin 

Der vergangene Mittwoch war in mehrfacher Hinsicht ein denkwürdiger Tag für uns: Es war der Gedenktag des Hl. Johannes Paul II., meine Liebste und ich hatten Hochzeitstag, und zugleich hatte unser Tochterkind Geburtstag. Wie neulich schon erwähnt, ist die "Mädchenparty" mit den Schulfreundinnen unserer Großen erst für nach den Ferien geplant, aber am Geburtstag selbst sollte es eine vergleichsweise kleinere Party mit ihren "Jungs-Freunden" geben. Die wurde dann, was die Gästezahl anging, infolge einiger Absagen nochmals deutlich kleiner als geplant: Am Ende kamen außer uns selber ein gemeinsamer Freund unserer Kinder und ein Junge aus der Schule, jeweils mit ihren Müttern. Die letzte Absage erreichte uns am Tag der Feier selbst: Ein weiterer langjähriger Spielplatzfreund unserer Tochter konnte nicht kommen, weil er während der Herbstferien tagsüber im Hort ist und seine alleinerziehende Mutter ihn nicht außerplanmäßig von dort abholen konnte, da sie arbeiten musste. Theoretisch hätten natürlich wir den Jungen abholen können, aber dazu hätten wir nicht nur eine schriftliche Vollmacht benötigt, sondern uns auch den Hortmitarbeitern schon im Vorfeld persönlich vorstellen müssen. Hätte sich theoretisch alles machen lassen, aber jetzt war es dafür natürlich zu spät. 

Was mir in diesem Zusammenhang einfiel, war, dass ich in einem meiner früheren Jobs eine ältere Kollegin hatte, die mal erzählte, sie habe zu DDR-Zeiten eine Ausbildung zur Hortnerin gemacht. Heutzutage lautet die Berufsbezeichnung wohl "Hortpädagog*in" oder mindestens "Horterzieher*in", aber mich faszinierte der archaische Klang der Bezeichnung "Hortnerin", umso mehr, als ich schon mit dem Begriff Hort eher einen verwunschenen Schatz (vgl. "Nibelungenhort") assoziierte als eine Tagespflegeeinrichtung für Schulkinder (und das im Grunde bis heute tue). Prompt hatte ich die Idee, "Die Hortnerin" könnte ein guter Titel für einen Historical-Fantasy-Schinken sein, gerne auch, nach Art der "Wanderhure", der "Henkerstochter" und ähnlicher Trivialfabrikate, als Auftakt einer ganzen Buchreihe: Die Rückkehr der Hortnerin. Die Rache der Hortnerin. Das Vermächtnis der Hortnerin. Ich weiß nicht, ob das irgendjemand außer mir lustig findet – falls ja, stelle ich es meinen Lesern frei, etwas aus der Idee zu machen, wobei, 10% Umsatzbeteiligung hätte ich dann schon gern –; aber ich muss sagen: Angesichts der Erfahrung, was für Hindernisse zu überwinden wären, um einen sechs- oder siebenjährigen Knaben, der beim Ferienhort angemeldet ist, von dort zu befreien, damit er auf eine Geburtstagsfeier gehen kann, fühlte ich mich dann schon ein wenig von der Rache der Hortnerin getroffen. – Spaß beiseite: Natürlich können die Hortner ein Kind, für das sie die Aufsichtspflicht übernommen haben, nicht einfach irgendjemandem mitgeben, den sie nicht kennen. Das ist das erste Problem: Man muss in der großstädtischen Zivilisation unserer Tage insgesamt zu viel mit Leuten interagieren, die man nicht kennt und von denen man folglich nicht weiß, ob man ihnen trauen kann. Aber das noch akutere Problem ist wohl doch die Situation, die erst dazu führt, dass Kinder überhaupt in den Ferien in den Hort gehen müssen. Um's mal auf den Punkt zu bringen: Alleinerziehend und berufstätig zu sein, ist eine gruselige Kombination. Damit möchte ich niemandem zu nahe treten, der in dieser Situation ist; im Gegenteil, ich meine das durchaus mitfühlend. Aber gruselig ist es eben doch, vor allem fürs Kind. Wobei ich es durchaus für diskutabel halte, ob eine Konstellation, in der beide Eltern sowohl miteinander als auch mit dem Kind zusammenleben, aber beide in Vollzeit berufstätig sind, viel weniger gruselig ist. Okay, mit einiger Wahrscheinlichkeit verfügt ein solcher Haushalt über mehr Geld, und die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei Bedarf wenigstens ein Elternteil mal dem Kind zuliebe auf der Arbeit frei nehmen kann, ist sicherlich auch tendenziell höher. Trotzdem: Wenn die Eltern in Vollzeit arbeiten, heißt das in der Praxis, dass das Kind mindestens so viel Zeit in KiTa, Ganztagsschule und Hort verbringen muss wie die Eltern bei der Arbeit. Da bleiben dann vielleicht noch eineinhalb Stunden gemeinsam verbrachte Zeit für Eltern und Kinder, ehe die Kinder ins Bett müssen; und das auch noch ausgerechnet dann, wenn alle Beteiligten müde und erschöpft von ihren jeweiligen Jobs sind. Aber darüber habe ich mich ja unlängst schon in der Tagespost ausgelassen. 


Ein bisschen Pfadfinderlatein – Folge 1 

Während es derzeit, wie oben bereits angedeutet, weiterhin unklar ist, wie es mit unseren Kindern und der Pfadfinderei praktisch und konkret weitergeht, und die für uns in Frage kommenden Gruppen in den Herbstferien ohnehin keine Treffen haben, scheint mir die Gelegenheit günstig, eine neue Rubrik aus der Taufe zu heben, in der es darum gehen soll, mich ein bisschen auf theoretischer Ebene in das Thema Pfadfinderwesen einzuarbeiten – wenn auch, wie es der Natur des Wochenbriefings entspricht, nicht systematisch, sondern eher anekdotisch-fragmentarisch

Beginnen möchte ich mit der Feststellung, dass mein gesteigertes Interesse am Pfadfinderwesen inzwischen auch dem Google News-Algorithmus aufgefallen ist, der mir daher unlängst einen Artikel der Rheinischen Post über den "Pfadfinder Stamm Wippera Leichlingen" empfahl; die für mein Empfinden etwas uninspiriert wirkende Überschrift lautete "Lagerfeuer. Gemeinschaft. Leben – Pfadfinder", und der Haupttext des Artikels beginnt mit den Sätzen: 

"Es muss ein unvergessliches Gemeinschaftsgefühl sein, mit anderen Kindern und Jugendlichen am knisternden Lagerfeuer zu sitzen, die Sterne am Himmel zu zählen, den Geruch des frisch gebratenen Stockbrots in der Nase. Das und noch mehr können Jungen und Mädchen zwischen sieben und 20 Jahren regelmäßig beim Pfadfinder Stamm Wippera Leichlingen erleben." 

Gleichwohl wird ein paar Absätze später skeptisch gefragt: "Doch wen interessieren diese Fähigkeiten im Wettbewerb mit Spielekonsole und Social Media eigentlich in der heutigen Zeit?" Eine der beiden Leiterinnen, die im Artikel vorgestellt werden, antwortet: "Es sind alle möglichen Kinder, meist sehr energetisch, die einfach Lust haben, in der Gemeinschaft in der Natur aktiv zu sein". Gleich darauf wird eingeräumt, dieses Interesse "schließe nicht aus, dass sie auch andere Hobbys hätten oder an der Playstation spielten". – Was mir an diesem Artikel besonders aufgefallen ist, ist der Umstand, dass man erst gegen Ende des vierten von sechs Absätzen eher beiläufig erfährt, dass der Stamm "Wippera" zur DPSG gehört; dass es auch noch andere Pfadfinderverbände gibt und dass zwischen diesen Verbänden zum Teil recht erhebliche Unterschiede gibt, kommt auf diese Weise gar nicht in den Blick. 

Derweil habe ich angefangen, zwei Bücher von Walter Scherf, Fahrtenname Tejo, parallel zu lesen; der war in seiner Jugend zunächst DPSG-Pfadfinder, später dann bei der Deutschen Jungenschaft, die sich programmatisch wohl doch einigermaßen von den Pfadfindern unterschied, aber sein "Großes Lagerbuch" (Erstausgabe 1954; mir liegt die 3., veränderte Auflage von 1966 vor) wurde seinerzeit vom Verlag als "unentbehrliche[r] Ratgeber für alle [!] Jugendgruppen" beworben, und mir scheint das nicht übertrieben. Sein eher romanhaft daherkommender Fahrtenbericht "Schwedenfahrt" (1955, 2. Auflage 1976) ist zwar ebenfalls ein Klassiker, der laut Tante Wikipedia "prägend für die Großfahrten der bündischen Gruppen der Nachkriegsjugendbewegung wirkte", aber ich finde das Buch recht anstrengend zu lesen und teilweise unverständlich; sowohl für die schwedischen Sprachproben als auch vor allem für den jungenschaftlichen Jargon hätte man sich wenigstens ein Glossar gewünscht (dass ein "Affe" ein Rucksack ist, wusste ich glücklicherweise schon – aus dem Komm-mit-Kalender natürlich. Dazu gleich mehr.). Auf beide Bücher werde ich sicherlich noch zurückkommen; vorerst sei aber noch erwähnt, dass Walter Scherf mir erstmals als Übersetzer von Tolkiens Hobbit vors lesende Auge gekommen ist. Kein Wunder also im Grunde, dass ich bei der Hobbit-Lektüre "ein gewisses Zucken von Wanderlust" verspürt habe, wie ich seinerzeit notierte

Zum Komm-mit-Kalender sei noch gesagt, dass ich mir vorgenommen habe, die mir vorliegenden Jahrgangsbände in chronologischer Reihenfolge auf pfadfinderrelevantes Material hin zu durchforsten, womit zunächst der Jahrgang 1953 an der Reihe wäre. Hier bin ich im alphabetischen Schlagwortregister erst einmal beim Punkt "Abzeichen der Jugendverbände" hängen geblieben, denn der Beitrag, auf den dieser Registereintrag verweist, illustriert recht eindrücklich meine unlängst festgehaltene Einschätzung, da der Komm-mit-Kalender seine Ursprünge in einer Zeit habe, "als noch alle möglichen Jugendverbände Fahrten und Lager veranstalteten", habe er sich "ursprünglich an ein durchaus breites Publikum" gerichtet: Unter den Jugendverbänden, die der Komm-mit-Kalender für das Jahr 1953 auf den Seiten 315ff. vorstellt, sind in trauter Eintracht mit dem Bund Neudeutschland, dem Quickborn, der Marianischen Kongregation der studierenden Jugend, der Christlichen Arbeiter-Jugend und der Kolpingjugend auch z.B. der Jugendverband der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft und sogar die Sozialistische Jugend Deutschlands "Die Falken" vertreten. Bei der Übersicht über die Logos ("Abzeichen") der diversen Jugendverbände fällt es auf, dass offenbar all jene Verbände, die sich als der Pfadfinderbewegung zugehörig betrachten bzw. sich deren Erbe verpflichtet fühlen, irgendeine Variante der heraldischen Lilie in ihrem Logo führen; das gilt für die (evangelische) Christliche Pfadfinderschaft, die (katholischen) St.-Georgs-Pfadfinder und den (überkonfessionellen) Bund Deutscher Pfadfinder, die im "Ring deutscher Pfadfinderverbände" zusammengeschlossen waren sowie für diesen Dachverband selbst, aber auch für die sogenannten "Ringpfadfinder", die offenbar nicht zu diesem Dachverband gehörten – hier ist die Nomenklatur wirklich verwirrend, aber immerhin bin ich dank des Wikipedia-Artikels über die "Ringpfadfinder" darauf gestoßen, dass es bei Tante Wikipedia auch einen Artikel "Pfadfindergeschichte im deutschsprachigen Raum" gibt; mit dem werde ich mich wohl in einer zukünftigen Folge dieser Rubrik näher befassen müssen. Eine stark abstrahierte Version der Pfadfinderlilie zeigt das Logo der Deutschen Freischar, und tatsächlich hat(te) auch diese Gruppierung einen pfadfinderischen Hintergrund. Näheres dazu, wie gesagt, bei Gelegenheit. Interessant sind auch die Angaben zu den Mitgliederzahlen der Verbände: So wird – mit Stand von 1952 – die Mitgliederzahl der katholischen St.-Georgs-Pfadfinder mit 35.000 angegeben, gefolgt vom Bund Deutscher Pfadfinder mit 20.000 und der Christlichen Pfadfinderschaft mit 17.000. Um mal ein Verhältnis für die Größenordnungen zu vermitteln, sei hinzugefügt, dass zur selben Zeit die "Falken" 120.000 Mitglieder hatten und die Kolpingjugend sogar 176.000. Heute hat laut Tante Wikipedia allein die DPSG 80.000 Mitglieder (und damit mehr als im Jahr 1952 alle drei Mitgliedsverbände des "Rings deutscher Pfadfinderverbände" zusammen hatten) und der aus der Christlichen Pfadfinderschaft hervorgegangene Verband Christlicher Pfadfinder*innen (VCP) 22.000, während der Bund Deutscher Pfadfinder_innen nach mehreren Spaltungen und programmatischen Umorientierungen heute nicht mehr Mitglied des Rings deutscher Pfadfinderverbände und der internationalen Pfadfinderbewegung ist; stattdessen gibt es seit 1976 den Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (seit 2025 "Bund der Pfadfinder*innen") mit aktuell knapp 15.000 Mitgliedern. Dass die konfessionellen Pfadfinderverbände – am stärksten die DPSG – in diesem Zeitraum gewachsen sind, mag man zum Teil dadurch erklären, dass die ehemals reinen Jungenverbände jetzt auch Mädchen aufnehmen (während es andererseits weiterhin reine Mädchenverbände gibt) und dass sie seit der Wende auch im Osten Deutschlands aktiv sind, nachdem die Pfadfinder in der DDR verboten waren (einzelne Elemente der Pfadfinder-Pädagogik kamen dafür bei den Thälmann-Pionieren zum Einsatz); zudem ist seit 1952 die Gesamtbevölkerung Deutschlands um rund 12 Millionen Menschen gewachsen. Bemerkenswert bleibt diese Mitgliederentwicklung dennoch, umso mehr, als im selben Zeitraum die Mitgliederzahl der Kolpingjugend auf ca. 34.000 geschrumpft ist; die "Falken" machen offiziell überhaupt keine Angaben mehr zu ihrer Mitgliederzahl. 

Das Stichwort "Ausrüstung" in der alphabetischen Inhaltsübersicht verweist übrigens unverhohlen auf die im Kalender verstreuten Werbeanzeigen des Universum-Jugendhauses in Münster, das, wenn mich nicht alles täuscht, vom Herausgeber des Kalenders betrieben wurde. Was da so alles an Zubehör für Fahrt und Lager angeboten wird, ist an sich durchaus interessant, aber da diese Werbeanzeigen zweifellos auch noch in den folgenden Jahrgangsbänden zu finden sein werden, denke ich, darauf kann man getrost bei späterer Gelegenheit zurückkommen. In der nächsten Folge dieser Rubrik werde ich mich wohl, auch wenn es der alphabetischen Reihenfolge etwas vorgreift, erst einmal mit den Stichworten "Lagereinrichtung" und "Lager-Programm" befassen. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Auf dem europäischen Kontinent fehlt es gewiss nicht an namhaften Symbolen für die Präsenz des Christentums, doch mit der Überhandnahme des Säkularismus laufen sie Gefahr, zu einem bloßen Relikt der Vergangenheit zu werden. Vielen gelingt es nicht mehr, die Botschaft des Evangeliums in die Alltagserfahrung einzubeziehen. In einem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld, wo dem christlichen Lebensentwurf ständig Trotz und Bedrohung begegnen, wird es immer schwieriger, seinen Glauben an Jesus zu leben. In vielen öffentlichen Bereichen ist es einfacher, sich als Agnostiker denn als Gläubigen zu bezeichnen; man hat den Eindruck, dass sich Nichtglauben von selbst versteht, während Glauben einer gesellschaftlichen Legitimation bedarf, die weder selbstverständlich ist, noch vorausgesetzt wird. 

(Hl. Johannes Paul II, Nachsynosales Schreiben "Ecclesia in Europa", 2003, Nr. 7. Wird fortgesetzt!) 


Ohrwurm der Woche 

Lassie Singers: Hamburg 

Von den Lassie Singers, der nach eigenem Bekunden (?) lautesten und schlechtesten Mädchenband der Welt, wollte ich in dieser Rubrik schon lange mal was bringen, aber angesichts unseres aktuellen Aufenthaltsortes drängt sich dieser Song ja nun wirklich auf. Im Text schildern die Musikerinnen das Gefühl, von einer Konzerttournee heimzukommen ("Kamener Kreuz links vorbei, im Radio läuft hr3"), und "heim" heißt für sie eben: nach Hamburg; über die Textzeile "Jesus liebt dich" im Refrain bin ich natürlich ebenfalls nicht unglücklich. – Kennen und lieben lernte ich diese Band (nicht persönlich, aber immerhin ihre Musik) übrigens in der Frühzeit meines Theaterwissenschaftstudiums: Eines Tages half ich im Keller des Instituts einigen Kommilitoninnen dabei half, das Bühnenbild für eine Aufführung auf der Studiobühne zu basteln, und da lief im Hintergrund die damals frisch herausgekommene Best-Of-CD "Time to Say Tschüss". Die gefiel mir so ausnehmend gut, dass die Kommilitonin, die die Scheibe aufgelegt hatte, amüsiert anmerkte: "Du bist der einzige Junge, den ich kenne, der die Lassie Singers mag." Nicht lange darauf kaufte ich mir die CD selber. Da sind noch andere Juwelen drauf, aber heute muss es eben mal Hamburg sein. 


Vorschau/Ausblick 

Lesern, die sich aus eingespielter Gewohnheit erst um 18 Uhr oder noch später zugeschaltet haben, sei gesagt, dass ich mich mitsamt Frau und Kindern derzeit und für die nächsten Tage auf See befinde und nur in sehr eingeschränktem Maße von den Geschehnissen an Land Kenntnis nehmen werde. Wenn wir das nächste Mal an Land gehen, wird es, sofern alles nach Plan läuft, in La Coruña sein. – Eine interessante Frage ist natürlich, wie es an Bord mit der Erfüllung der Sonntagspflicht aussieht; aber es könnte ja immerhin sein, dass ein Priester unter den Passagieren ist. Im nächsten Wochenbriefing werden wir die Antwort erfahren; davon abgesehen werde ich dort darüber berichten, was wir während der letzten zweieinhalb Tage in Hamburg so alles erlebt haben, und ein Beitrag für die Rubrik "Neues aus Synodalien", aus der es in letzter Zeit eher wenig Neues gegeben hat, ist ebenfalls in Vorbereitung. Im Übrigen steht zu erwarten, dass die nächste Ausgabe der "3 K der Woche" inhaltlich ziemlich aus dem gewohnten Rahmen fallen dürfte; und wann genau sie erscheinen wird, ist erneut nicht so ganz sicher...