Samstag, 3. August 2024

Creative Minority Report Nr. 40

So, Freunde: Nachdem es vorige Woche nur ein vergleichsweise kurzes Zwischen-Update gab, ist der Creative Minority Report diese Woche wieder da, und er ist sogar ein bisschen umfangreicher geraten als sonst meist. Daher will ich mich mit der Vorrede nicht lange aufhalten... 


Was bisher geschah 

Nun ja: Wie vorige Woche bereits ausgeführt, besteht ein wesentlicher Grund dafür, dass diese Creative Minority Report-Ausgabe erst zwei Wochen nach Nr. 39 erscheint, ja gerade darin, dass zur Zeit nicht so richtig viel passiert. Meine Liebste war fast jeden Tag mit den Kindern unterwegs, ich kümmerte mich derweil vorrangig um meine diversen Buchprojekte. Der relative Mangel an aktuellen Ereignissen mag mitverantwortlich dafür sein, dass dieses Wochenbriefing ziemlich "theorielastig" geraten ist: Ich sehe darin Stoff für mindestens drei eigenständige Artikel. Das bedingt andererseits natürlich, dass auf dem begrenzten Raum des Wochenbriefings viele Überlegungen lediglich angedeutet bzw. angerissen werden konnten, aber da bist du, Leser, natürlich herzlich zum eigenständigen Weiterdenken eingeladen. Oder du wartest ab, bis ich die "mindestens drei eigenständigen Artikel", die in diesem Wochenbriefing versteckt sind wie der Olympia-Schlumpf in jedem siebten Ei, tatsächlich geschrieben habe... 


Was ansteht 

Okay, darüber gibt es nun aber deutlich mehr zu sagen. Wenn alles so läuft wie geplant, bin ich, während dieser Artikel online geht, mit meiner Familie bei einer Grillparty im Ernst-Thälmann-Park. Ein alter Freund aus vergangenen Zeiten, den ich zuletzt bei "Suppe & Mucke" getroffen und in diesem Zusammenhang erwähnt hatte, feiert traditionell in dieser Form seinen Geburtstag (nach), und das letzte Mal, dass wir dabei waren, ist schon drei Jahre her. Wo und um welche Uhrzeit wir morgen zur Messe gehen, ist noch nicht ganz klar – theoretisch gäb's, da es der erste Sonntag im Monat ist, wohl wieder die Möglichkeit eines "Gottesdienst-Double-Features in Haselhorst", aber vielleicht wird uns das auch zu stressig, zumal wir eigentlich gerade mitten in Reisevorbereitungen stecken. Am Mittwoch in aller Früh' soll's nämlich losgehen – erst mal nach Nordenham und von da aus dann weiter nach Burhave an den Strand. Updates dazu folgen im nächsten Wochenbriefing... 


Kumbayah in Borsigwalde 

Eins vorweg: Ich hatte durchaus Bedenken, dem Abschnitt über das Weihejubiläum eines aus Afrika stammenden Priesters diese Überschrift zu geben. Weil, es könnt' ja einer was in den falschen Hals kriegen und die Assoziationen, die sich ihm bei dieser Überschrift aufdrängen, mir als Intention unterstellen. Man kennt das. Letztlich ist man vor diesem Mechanismus aber nie sicher, und wer den Abschnitt im Ganzen liest, wird schon mitkriegen, warum die Überschrift so lautet, wie sie lautet. 

Also mal von vorne: Den Priester aus Nigeria, der seit 2017 als Pfarrvikar in Berlin-Reinickendorf tätig ist, habe ich schon öfter erwähnt; solange meine Liebste und ich in der damaligen Pfarrei Herz Jesu Tegel aktiv waren, hatten wir ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu ihm, was sich u.a. darin äußerte, dass wir ein paarmal bei der Gestaltung von Andachten mit ihm zusammenarbeiteten, aber auch darin, dass er uns, als meine Liebste während ihrer Schwangerschaft mit unserem Jüngsten zu Bettruhe verdonnert war, die Hauskommunion brachte und unseren Jüngsten schließlich auch taufte. Alles gute Gründe, uns bei seiner Jubiläumsfeier sehen zu lassen. 

Dass es, obwohl der Jubiläumsgottesdienst in der Allerheiligenkirche in Borsigwalde stattfand, mehr als wahrscheinlich war, dass wir dort auch Leute aus der Gemeinde von Herz Jesu Tegel treffen würden, hatte ich im Vorfeld sonderbarerweise überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt; es zeigte sich aber schon, als wir in den Bus nach Borsigwalde einstiegen. Auch wenn, wie man sich vielleicht vorstellen kann, nicht alle diese Begegnungen für uns ein Grund zur Freude waren, muss man doch sagen, dass sich unsere "alten Bekannten" uns gegenüber durchweg freundlich verhielten. 

Die Kirche war gut besucht, wenn auch nicht direkt rappelvoll; es gab einen Großen Einzug mit sechs Messdienern und dem Diakon, zudem wirkte ein ca. 15köpfiger Chor an der Gestaltung der Messe mit. Dem Diakon kam die Aufgabe zu, das Evangelium vorzutragen, und einen Moment lang fürchtete ich, er werde auch predigen, aber das blieb uns dann doch erspart. Reden wir also mal über den Chor. Ich möchte gleich vorausschicken, dass meine Liebste und ich die Mitwirkung des Chors an der Gestaltung der Messe graduell unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt haben; konkret heißt das, sie fand die Performance des Chores erheblich besser als ich. – Mal der Reihe nach: Der Chor platzierte sich auf der rechten (bzw. vom Altar aus gesehen linken) Hälfte der Altarstufen, in der Nähe stand ein kleines, etwas altmodisch aussehendes E-Piano, auf dem die Chorleiterin spielte; zum Einzug sang der Chor zwei Gospelsongs, "I Want Jesus to Walk With Me" und "Let My Light Shine Bright", und damit war bereits die Grundrichtung der musikalischen Gestaltung dieses Gottesdienstes vorgegeben, auch wenn Kyrie und Gloria, der Halleluja-Ruf vor dem Evangelium und das Sanctus "ganz normal" dem Gotteslob entnommen waren und von Chor und Gemeinde gemeinsam gesungen wurden. Als Zwischengesang nach der 1. Lesung, also anstelle des Antwortpsalms, folgte ein weiterer Gospelsong, "Lord, I Want to Be a Christian", zur Gabenbereitung dann allen Ernstes "Kumbayah, My Lord". Zum Friedensgruß folgte "Hevenu Shalom Aleichem" – anderer Kulturkreis, aber auch eine fröhliche Mitklatschnummer –, nach der Kommumion gab's "Here I Am, Lord", auch bekannt unter dem Titel "Lord of Sea and Sky"; das ist, anders als man denken könnte, kein Gospelsong, sondern ein modernes katholisches Kirchenlied aus den 70er Jahren. Gospel gab's dann wieder zum Auszug, und zwar, wie sollte es anders sein, "Oh Happy Day". --- 

Die Qualität der Darbietung war insgesamt recht durchwachsen – einige der Chormitglieder, die gelegentlich auch Soloparts hatten, machten ihre Sache wirklich gut, andere "so mittel", während es mindestens eine der älteren Damen nicht einmal schaffte, im Takt mitzuklatschen – ihr Klatschen kam immer ein bisschen zu spät. Dass mich dieser Chorauftritt insgesamt eher unangenehm berührte, hatte jedoch andere Gründe. – Ich muss gleich vorausschicken, dass das ein sehr vielschichtiges Thema ist und dass ich somit vielleicht besser daran getan hätte, es außerhalb des Wochenbriefing-Formats zu behandeln; aber nun habe ich einmal davon angefangen und will wenigstens ein paar Grundgedanken skizzieren. Ausführlicher darauf zurückkommen kann ich ein andermal immer noch. Also: Zunächst halte ich es für wichtig, bei der Erörterung der Frage, was davon zu halten sei, wenn alte (und ein paar nicht ganz so alte) weiße Frauen (und ein paar Männer) Gospelsongs singen, nicht in die Falle der "cultural approptiation"-Debatte zu tappen. Die Vorstellung, in Musik, bildender Kunst, Kleidung, Kochkunst oder was auch immer Einflüsse fremder Kulturen aufzugreifen, bedeute, die Menschen, aus deren Kulturkreis die betreffenden Elemente ursprünglich hervorgegangen sind, um ihr rechtmäßiges Eigentum zu bringen, finde ich gerade aus katholischer Sicht ausgesprochen abwegig. Darum geht's mir hier also nicht; worum aber dann? – Um Authentizität. Und da dräut natürlich gleich die nächste argumentative Tretmine. Bin ich der Meinung, ein Chor aus lauter Weißen könne Gospelsongs nicht authentisch 'rüberbringen, weil es eben lauter Weiße sind? Nee. Das wäre doch eine irgendwo rassistisch grundierte Annahme. Ich kann nur sagen, in diesem konkreten Fall wirkte die Darbietung auf mich nicht authentisch. Und das ist ein Problem, und zwar besonders im Gottesdienst. Ehe ich versuche, die letztere Präzisierung näher zu erläutern, möchte ich den Eindruck mangelnder Authentizität, den ich empfunden habe, noch ein wenig illustrieren. Vor einigen Jahren gab es mal so einen Trend, dass Boygroups oder aus Boygroups hervorgegange Sänger Pop-Klassiker coverten und dabei den Originalinterpreten als Gast ein paar Verse singen ließen. Konkret erinnere ich mich an "Sorry Seems to be the Hardest Word" von Blue feat. Elton John und "Father and Son" von Ronan Keating feat. Yusuf Islam, es gab aber noch mehr von der Sorte. Und ich fand damals, dass die Boygroup-Sänger sich damit einen ausgesprochen schlechten Dienst erwiesen, weil die alten Meister ihren kurzen Gastauftritt unweigerlich dazu nutzten, den Jungspunden mal so richtig zu zeigen, wo der Hammer hängt. So ähnlich ging's mir, als der Priester aus Nigeria schon bei seinen Begrüßungsworten und dann noch einmal in der Predigt spontan in Gesang ausbrach. Der Vergleich hinkt ein wenig, weil – das darf man wohl sagen, ohne jemandem zu nahe zu treten – dieser Priester eigentlich keine schöne Gesangsstimme hat; wobei man das von Yusuf Islam alias Cat Stevens vielleicht auch behaupten könnte. Aber darauf kam's nicht an – sondern vielmehr darauf, dass man beim Pfarrvikar den Eindruck hatte, der Gesang komme unmittelbar von Herzen und das sei für ihn eine natürliche Form, sich auszudrücken, und dieses Gefühl hatte man beim Chor eben nicht

Um meine obige Aussage zu erläutern, unauthentisch wirkende Darbietungen seien besonders im Gottesdienst problematisch, müsste ich vielleicht ziemlich weit ausholen; vielleicht geht's aber auch ganz kurz: Im Gottesdienst sollen wir vor Gott stehen, wie wir sind. Wenn da nun Leute eine Darbietung abliefern, in der sie etwas darzustellen versuchen, was sie nicht sind, dann ist es recht offensichtlich, dass der eigentliche Adressat dieser Vorführung nicht Gott ist. Dass der Gottesdienst also umfunktioniert wird zu einer Show für ein Publikum. Dass das nicht dem Wesen und der Bedeutung der Heiligen Messe gerecht wird, "kann man deutschen Gewohnheits-Kirchgängern aber generell nicht begreiflich machen", meinte meine Liebste. Da mag was dran sein; den Eindruck kann man z.B. haben, wenn in einer "normalen" Sonntsgsmesse die Leut' nach dem Orgelnachspiel applaudieren. Und in "besonders gestalteten" Gottesdiensten frage ich mich oft, warum diese Gestaltung partout von Leuten vorgenommen werden muss, die a) nichts von Liturgie verstehen und b) auch kein Gefühl für Angemessenheit zu haben scheinen. Dass im vorliegenden Fall der Pfarrvikar den Chor nach dem Sanctus recht nachdrücklich auffordern musste, während der Wandlung in der Bank Platz zu nehmen, erscheint mir da als ein recht bezeichnendes Beispiel. 

Man könnte sogar argwöhnen, in der Überlegung "Unser Pfarrvikar ist schwarz, also singen wir für ihn Gospels" offenbare sich ein unterschwellig rassistisches Denkmuster; aber das würde wohl doch etwas zu weit gehen. Der Pfarrvikar hat sich offensichtlich über die Musikauswahl gefreut, und diese Freude wollen wir ihm gern gönnen. 

Was den geselligen Teil der Veranstaltung anging, war in den Vermeldungen der Pfarrei lediglich ein "Stehempfang" angekündigt gewesen; tatsächlich waren im Gemeindesaal dann aber doch Tische und Stühle aufgebaut worden, und zwar, sehr zu meiner Befriedigung, in Form einer langen Tafel und nicht in Form einzelner Vierer- oder Sechsertische. Und ein recht üppiges Büffet gab es auch. 

Für dieses Problem gibt es eine bewährte Lösung, man muss die Waschbären nur taufen und firmen, dann kommen sie nicht wieder.

Aus der Gemeinde Herz Jesu Tegel waren die Leute, die dort schon vor fünf Jahren den harten Kern der engagierten Gemeindemitglieder gebildet haben, vollzählig erschienen; auch die anderen Geistlichen der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd (bis auf Pater Mephisto, der im Urlaub ist) ließen sich sehen, der Pfarrer allerdings erst etwas später, vermutlich weil er noch woanders die Messe hatte halten müssen. Ein erfreuliches Wiedersehen gab es mit einem jungen Mann, der vor Jahren ein recht regelmäßiger Teilnehmer bei unserem "Dinner mit Gott" gewesen war und auch sonst an einigen unserer Aktionen, so z.B. dem improvisierten Info-Tisch anlässlich des Tegeler Hafenfests 2018, mitgewirkt hatte: Inzwischen ist er Priesteramtskandidat und studiert an der Theologisch-Philosophischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main. Wie er mir erzählte, geht er davon aus, dass er sein Studium im nächsten Jahr abschließen und dann nach Berlin – "oder jedenfalls ins Erzbistum Berlin" – zurückkehren wird. Das kann ja spannend werden. 

Der Jubilar selbst versicherte meiner Liebsten und mir übrigens wiederholt und eindringlich, wie sehr er sich freue, dass wir gekommen seien; besonders freute er sich augenscheinlich über das Wiedersehen mit unseren Kindern. 

Und dann muss ich in diesem Zusammenhang noch etwas festhalten, was mir aus der Gemeinde von Herz Jesu Tegel heraus zugetragen worden ist. Exakt heute vor einem Jahr hatte ich mich in meinen Ansichten aus Wolkenkuckucksheim darüber gewundert, dass im der Tegeler Pfarrkirche "neuerdings ein Bild des Barmherzigen Jesus" stehe, und spekuliert, "ob das eine Guerilla-Aktion polnischer Gläubiger war" – da ich "kaum vorstellen", konnte, "dass der Pfarrer von der Idee, ein solches Bild in 'seiner' Kirche aufzustellen, sonderlich begeistert gewesen ist": 

"Möglicherweise deutet der Umstand, dass das Bild so unauffällig in einer dunklen Ecke steht, aber auch auf einen Kompromiss hin (nach dem Motto 'Wenn's denn sein muss, stellt es auf, aber dann an einer Stelle, wo's nicht so auffällt')." 

Und siehe da, von Gemeindemitgliedern, die ich bei dem Empfang in Allerheiligen traf, wurde mir bestätigt, dass ich in dieser Sache so ziemlich den richtigen Riecher gehabt hatte. Tatsächlich war es wohl so, dass das Bild eines Tages plötzlich da war, ohne dass jemand wusste, wo es hergekommen war ("Das pflegen Gnadenbilder so an sich zu haben!", könnte man einwerfen), und tatsächlich wollte der Pfarrer wohl zunächst, dass es wieder verschwindet, aber mehrere Gemeindemitglieder machten sich für seinen Erhalt stark, und zuletzt sollen zwei polnischstämmige Ehrenamtliche gedroht haben, die Mitarbeit in der Gemeinde aufzukündigen, wenn das Bild entfernt wird. Und schließlich hatte ich wohl auch damit Recht, dass es sich bei dem vergleichsweise unauffälligen Standort des Bildes um einen Kompromiss gehandelt hat. – Mir scheint, an diese Episode ließen sich allerlei Reflexionen zur Auswirkung des "Schmutzigen Schismas" auf Gemeindeebene knüpfen; wozu nicht zuletzt die Frage zählt, wie man es eigentlich hinkriegt, dass die diversen innerkirchlichen Grüppchen und Fraktionen, die aus Synofanten-Sicht allesamt in den Topf des vermeintlichen "konservativen Lagers" geworfen zu werden pflegen, tatsächlich an einem Strang ziehen. Denn wenn man das nicht hinkriegt, besetzen die Synofanten die Schlüsselpositionen, sogar in eigentlich überwiegend konservativen Gemeinden. 

Währenddessen in der Wesermarsch 

Es gibt Neuigkeiten aus der Pfarrei St. Marien in Brake/Unterweser: Nachdem die dortige Pfarrstelle seit mehr als einem halben Jahr faktisch unbesetzt gewesen war, ist sie nun auch offiziell vakant. Was insofern eine gute Nachricht ist, als die Stelle somit wieder neu besetzt werden kann. – Und was heißt das jetzt konkret? Dass der bisherige Pfarrer Wolfgang Schmitz auf sein Amt verzichtet hat. Formulieren wir's ruhig ein wenig schärfer: Nach monatelangem Tauziehen hat der wegen Erbschleichereivorwürfen suspendierte Geistliche sich dazu bequemt, der Aufforderung (bzw. dem "Wunsch") seines Bischofs zu entsprechen und die Pfarrstelle in Brake freizugeben. Wozu man sagen muss: Einen Pfarrer gegen seinen Willen aus seinem Amt zu entfernen, ist kirchenrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen möglich, aber nicht ganz einfach und wird nach Möglichkeit eher vermieden. Im vorliegenden Fall hatte Pfarrer Schmitz schon vor Monaten deutlich zu verstehen gegeben, dass er die Stelle in Brake nach den Auseinandersetzungen um das Erbe der Fastje-Schwestern zwar eigentlich nicht behalten wollte, aber auch nicht bereit war, sie aufzugeben, solange nicht über seine Weiterbeschäftigung innerhalb des Bistums Münster entschieden wäre. 

Aus der Münsteraner Bistumszeitung Kirche + Leben war nun zu erfahren, dass diesbezüglich offenbar eine Einigung erzielt worden ist: "Schmitz bleibe Diözesanpräses für die Gehörlosenseelsorge im Bistum Münster und werde zudem künftig „eine Aufgabe im nordrhein-westfälischen Teil des Bistums“ übernehmen. Welche, dazu laufen noch Gespräche, teilt die Bischöfliche Pressestelle Münster auf Kirche+Leben-Nachfrage mit." Weiter heißt es in dem Bericht, aus "persönlichen Gründen" werde Pfarrer Schmitz "bis voraussichtlich Anfang 2025 weiter in Elsfleth in der südlichen Wesermarsch wohnen". Ich muss sagen, mir ist die ganze Angelegenheit nach wie vor von vorne bis hinten suspekt, und so langsam frage ich mich, was der Pfarrer Schmitz wohl für ein Ass im Ärmel haben mag, dass er dem Bistum in dieser Weise seine Bedingungen diktieren kann – wo er doch schließlich mal seinem Bischof Gehorsam geschworen hat und nicht etwa umgekehrt. 

Wie dem auch sei: Mit dem Amtsverzicht des Pfarrers Schmitz endet auch das Amt des Nordenhamer Pfarrers Karl Jasbinschek als Vicarius substitutus für die Braker Pfarrei; stattdessen wurde nun der Pfarrer von Varel im Kreis Friesland, Ludger Becker, zum Pfarrverwalter ernannt. Becker ist seinerseits erst seit einem knappen Jahr in der Diaspora am Jadebusen tätig, zuvor war er Pfarrer in Barßel im traditionell erzkatholischen Landkreis Cloppenburg. Man darf gespannt sein, wie lange es dauert, bis die Pfarrstelle in Brake neu besetzt wird. 

In der Pfarrei St. Willehad Nordenham/Butjadingen/Stadland hat derweil die Urlauberseelsorge-Saison begonnen – wenn auch mit Verspätung: Wie mit Datum vom 6. Juli auf der Facebook-Seite der Pfarrei gemeldet wurde, musste der Saisonstart infolge "erheblicher Sturmschäden am Inventar der Urlauberkirche am Standort Tossens" verschoben werden. Tja. Ich stelle mir gern vor, dass das die Strafe des Himmels für die "Nacht der Acht" etc. war, aber ich erwarte nicht, dass dadurch irgend jemand zur Besinnung kommt. Ansonsten werde ich ja demnächst direkt vor Ort begutachten können, was in meiner alten Heimatpfarrei so abgeht... Ich werde berichten! 

Der Apostel Philippus als Prototyp des normalen Kirchenfunktionärs: Predigtnotizen zum 17. Sonntag im Jahreskreis

Am vergangenen Sonntag waren wir endlich mal wieder "ganz normal" in St. Joseph Siemensstadt in der Messe, und zur Belohnung bekamen wir eine sehr bemerkenswerte Predigt vom örtlichen Pfarrvikar zu hören. Das Evangelium vom Tag war Johannes 6,1-15: die Wunderbare Brotvermehrung. Ein Aspekt der Predigt, der mich besonders ansprach, betraf die Antwort des Apostels Philippus auf die Frage Jesu "Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?" (mit der dieser ihn "aber nur auf die Probe stellen" wollte): "Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll." Mit dieser Antwort, so meinte der Pfarrvikar, erweise sich der Apostel Philippus als "klassischer Kirchenvertreter: Er bietet eine funktionale Lösung, die aber nie reicht. Wir neigen zu diesen funktionalen Lösungen, in der Familie, auch in der Kirche – aber wir rechnen nicht mit der Fülle Gottes. Gott hat eine ganz andere Kategorie."

Im Zusammenhang mit diesen Sätzen über eine Kirche, die auf funktionale Lösungen fixiert ist und "nicht mit der Fülle Gottes rechnet", musste ich an den offiziellen Dokumentationsband zum 82. Deutschen Katholikentag denken, der 1968 in Essen stattfand und unter dem bezeichnenden Motto "Mitten in dieser Welt" stand. An diesem enormen Wälzer – 650 Seiten, sehr kleine Schrift – arbeite ich mich schon seit einiger Zeit ab, und die darin dokumentierten Debatten sind nicht selten auf eigentümliche Weise zugleich ermüdend und aufschlussreich. Zum Beispiel, weil darin selten (außer in rein floskelhafter Form) von Gott die Rede ist, umso mehr aber von der gesellschaftlichen Relevanz der Kirche. – Nun ist ja 1968 ohnehin ein emblematisches Jahr in der Geschichte der Bundesrepublik (und darüber hinaus), aber mir scheint, kirchengeschichtlich gilt das noch einmal auf spezifische Weise: Die Kirche als Institution steht hier auf einem Höhepunkt ihres gesellschaftlichen Einflusses; und zwar auf einem solchen Höhepunkt, dass es selbst (und gerade) für die Zeitgenossen erkennbar ist, dass es von dort aus eigentlich nur bergab gegen kann. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es mit der gesellschaftlichen Relevanz des christlichen Glaubens schon länger deutlich bergab geht. Aus letzterem Umstand schließen diejenigen, denen es vor allem um den Erhalt der Institution Kirche zu tun ist, dass der Glaube keine ausreichende Basis für die gesellschaftliche Relevanz der Kirche mehr darstellen könne und dass sie deshalb eine andere Basis brauche. Und die sucht man nun darin, die säkulare Gesellschaft davon zu überzeugen, wie nützlich die Kirche für sie sei. 

Wohin diese Denkrichtung letzten Endes führt, kann man exemplarisch an einem hier schon mehrfach zitierten Text des Theologen Daniel Bogner ablesen, der anno 2021 die Kritik Papst Benedikts XVI. an den institutionellen Strukturen der Kirche in Deutschland mit dem Einwand abzuschmettern versuchte, es gebe "auch so etwas wie ein institutionelles, amtliches Zeugnis der Kirche", das darin bestehe, "dass in ihrem Namen gute Bildungsarbeit, bestmögliche medizinische Versorgung, sensible Beratungsarbeit oder nachhaltige Entwicklungshilfe angeboten werden", und dafür brauche es eben "Manpower, große Stäbe und Management". --- Eine institutionelle Gestalt "von Kirche", die das alles zu brauchen glaubt, hat offensichtlich das Wichtigste vergessen, nämlich auf Gott zu vertrauen, dass Er ihr das tägliche Brot gibt, und zwar heute und nicht auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus im Sinne einer langfristigen Haushaltsplanung. (Das Wort vom täglichen Brot kann und soll man übrigens gern auch – als eine, nicht als die alleinige Bedeutungsebene – auf das Sakrament der Eucharistie beziehen. Auch das könnte man aus dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums lernen.) 

Übrigens betonte der Pfarrvikar in seiner Predigt auch ausdrücklich, dass sich bei der Speisung der 5000 um "eine reale Vermehrung" gehandelt habe – und widersprach damit einem recht verbreiteten Deutungsmuster des Brotvermehrungswunders, das Wilhelm Willms prägnant im die Liedzeilen "Wenn jeder gibt, was er hat / dann werden alle satt" gekleidet hat: dass das Beispiel des kleinen Jungen, der seine fünf Brote und zwei Fische hergegeben habe, die anderen Anwesenden motiviert habe, auch ihr mitgebrachtes Essen miteinander zu teilen, und dadurch habe es für alle gereicht. Abt Nikodemus Schnabel OSB, zu dessen Jurisdiktion auch die Brotvermehrungskirche in Tabgha gehört, hatte in seiner Fronleichnamspredigt auf dem Bebelplatz davon gesprochen, dass diese Deutungstradition sich bis zu den Kirchenvätern zurückverfolgen lasse. Der Pfarrvikar von St. Joseph Siemensstadt betonte demgegenüber, das Brotvermehrungswunder habe eine "andere Qualität": "Christus vermehrt die Freude." – Es gäbe, wie immer, eigentlich noch mehr über diese Predigt zu sagen, aber dies waren die Punkte, die sich mir besonders eingeprägt haben. 


Aus dem Schaukasten von Herz Jesu Tegel 

Neulich habe ich mal wieder einen Blick in den Schaukasten der Tegeler Pfarrkirche geworden, um dessen inhaltliche Gestaltung der Pfarrer sich notorischerweise persönlich kümmert; und da fiel mein Blick auf einen Text mit der Überschrift "Gedanken zum Danken"

Ähnlich aufgebaute Texte mit dem Grundgedanken, viele Dinge, die einen im Alltag stressen und ärgern, seien bloß die Nebenwirkungen von etwas eigentlich Gutem, worüber man sich freuen sollte, habe ich schon öfter gesehen, vor allem in den Sozialen Netzwerken. Und auch wenn diese Texte manchmal etwas dick aufgetragen sind, finde ich die Grundidee doch gut und richtig. Manchmal übe ich mich darin, mir diesen Gedanken bewusst zu machen, z.B. wenn ich keine Lust habe, den Müll rauszubringen oder "schon wieder" die Küche aufzuräumen oder wenn ich im Flur über ein Spielzeug gestolpert bin, das die Kinder nicht weggeräumt haben. Manchmal muss ich dann ein bisschen weinen vor Glück über meine Familie. Womit ich sagen will: Dieser Perspektivwechsel funktioniert. An der im Schaukasten von Herz Jesu ausgehängten Variante fiel mir jedoch auf, dass gleich in der ersten Zeile vom Steuernzahlen die Rede ist. Und da dachte ich: Das ist ja mal wieder typisch. Man erinnere sich daran, dass in den Weihnachtsgrüßen dieser Pfarrei alljährlich den distanzierten Kirchenmitgliedern explizit dafür gedankt wird, dass sie Kirchensteuer zahlen; dass dieser Pfarrer vor Jahren mal in einer Predigt über 1. Korinther 12,4-11 – also über die Gaben des Heiligen Geistes! – ein "ABC der Unentbehrlichen" vortrug, in dem unter dem Buchstaben A "Ausschussmitglieder", unter B "Beter", unter K jedoch die "Kirchensteuerzahler" gewürdigt wurden; und dass er sich noch unlängst im Rahmen eines Predigtimpulses zu Apostelgeschichte 20,28-38 explizit dankbar dafür zeigte, dass er, anders als der Apostel Paulus, nicht seinen Unterhalt mit seiner eigenen Hände Arbeit verdienen müsse, sondern von der Kirchensteuer lebe. – Gewiss gibt es zwischen der Dankbarkeit dafür, aus Steuermitteln bezahlt zu werden, und der Dankbarkeit dafür, selbst Steuern zu zahlen, noch einen gewissen Unterschied, aber, so möchte ich behaupten, doch auch einen gewissen Zusammenhang. Ich will hier durchaus nicht auf libertär-kapitalistische Parolen à la "Steuern sind Diebstahl" hinaus, aber die Staatsgläubigkeit, ja Obrigkeitshörigkeit, die aus der Auffassung spricht, man solle Vater Staat dankbar dafür sein, dass er einem Steuern abknöpft, scheint mir dann doch bedenklich. Ein paar Zeilen weiter wird da direkt noch eins draufgesetzt: Da soll man dann auch noch "für die laut geäußerten Beschwerden über die Regierung" dankbar sein, "weil das bedeutet, wir leben in einem freien Land und haben das Recht auf freie Meinungsäußerung". – Sinngemäß hört man dieses "Argument" ja heutzutage öfter: Alles, was gegen die Regierung gesagt wird, spricht in Wirklichkeit für sie, denn die Tatsache, dass sie uns erlaubt, über sie zu meckern, beweist, dass sie so schlimm gar nicht sein kann. Ich bin geneigt, das als ein postdemokratisches Verständnis von Meinungsfreiheit zu bezeichnen: Man hat das Recht, mit der Regierung unzufrieden zu sein, solange diese Unzufriedenheit nicht dazu führt, dass sich etwas ändert

Nun hat der Pfarrer von St. Klara Reinickendorf-Süd diesen Text ja nicht selbst verfasst, aber einerseits hat er entschieden, ihn auszuhängen, und andererseits geht es mir hier wieder einmal gar nicht so sehr, oder jedenfalls nicht nur, um ihn persönlich. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass der Untertanengeist, den dieser Pfarrer lediglich besonders idealtypisch verkörpert, in der Kirche in unserem Land auch sonst zunehmend um sich greift. Spätestens seit Corona finde ich das sehr auffällig. Ja, man kann geradezu den Eindruck haben, die Kirche biedere sich desto mehr beim Staat an, je weniger Wert dieser seinerseits auf ein gutes Verhältnis zur Kirche legt. Hat vielleicht eine gewisse Logik. Setzen wir's mit auf die Liste der Themen, die mal an anderer Stelle vertieft werden sollten... 

Geistlicher Impuls der Woche 

Alle Heiligkeit und Vollkommenheit beruht auf der Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus, unserem Gott, unserem höchsten Gut und Erlöser. Die Aufgabe der Liebe besteht darin, alle Tugenden zu vereinigen und zu bewahren, die den Menschen vollkommen machen. Verdient etwa Gott nicht unsere ganze Liebe? Er hat uns von Ewigkeit her geliebt. "Bedenke, o Mensch", so spricht er, "dass ich der erste war, der dich liebte. Du hattest das Licht der Welt noch nicht erblickt, die Welt war noch nicht da, und ich liebte dich bereits. Seit ich bin, liebe ich dich!" 

Als er ihm eine Seele verleiht nach seinem Bild, begabt mit Gedächtnis, Verstand und Willen; als er ihm einen mit Sinnen ausgestatteten Leib gab; als er für ihn Himmel und Erde erschuf mit einer Fülle von Einzeldingen, schuf er das alles aus Liebe zum Menschen. Alle Geschöpfe sollten dem Menschen dienen, der Mensch aber sollte Gott selbst wegen so zahlreicher Wohltaten lieben. 

(Alfons Maria von Liguori, Über die tätige Liebe in Christus) 


Ohrwurm der Woche 

Billy Bragg: A New England 

Auch ein Ergebnis der ersten Ferienwoche war, dass ein ehemaliger Mitschüler von mir – der zufällig denselben Vornamen trägt wie ich – sich bei mir meldete und mich daran erinnerte, dass wir im nächsten Jahr 30-jähriges Abi-Jubiläum haben. Ob man da nicht versuchen sollte, ein Jahrgangstreffen zu organisieren. Ich erwiderte nur, ich fände die Idee gut, worauf "der andere Tobias" in Aussicht stellte, er werde die Sache mal in die Hand nehmen. Wenige Tage später wurde ich in eine WhatsApp-Gruppe "Abi Treffen 2025" eingeladen, in der inzwischen gut drei Viertel des gesamten damaligen Abi-Jahrgangs des Gymnasiums Nordenham vertreten sind. Die Resonanz ist also beachtlich, und wie man sich vorstellen kann, hat das Ganze bei mir so einige Erinnerungen aufgerührt. Zum Beispiel an die wilden Jahrgangspartys, die wir im "Tenne" genannten Saal einer rustikalen Landgaststätte feierten (ich glaube, diese ländlichen Festsäle sind ein ziemlich typisches regionales Phänomen, aber dazu vielleicht bei anderer Gelegenheit mehr). In meiner Erinnerung sind diese Partys fest mit einem ganz bestimmten Sound verknüpft, der für mich folgerichtig der Sound meines Abi-Jahrgangs ist; dabei ist es nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit defitiv nicht anzunehmen, dass tatsächlich der gesamte Jahrgang diese Art von Musik gern oder gar bevorzugt gehört hat, und auch wenn ein bestimmter Teil meiner damaligen Mitschüler sowieso kaum je auf diese Partys ging, muss man davon ausgehen, dass die Musik, die bei den Tennenfeten gespielt wurde, eine größere Bandbreite von Geschmacksrichtungen abdeckte, als ich es in Erinnerung habe. Rückblickend nehme ich daher an, dass der charakteristische Tennenfeten-Sound im Wesentlichen das Werk des DJs war. – Ich möchte behaupten, jeder DJ, der was auf sich hält, versucht in seinem Programm einen Kompromiss zu finden zwischen dem, was das Publikum hören will, und dem, wovon er mit seiner überlegenen Musikkenntnis und seinem geschulten Geschmack findet, dass das Publikum es hören wollen sollte. Der DJ, um den es hier geht – es war, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, bei fast allen diesen Partys derselbe, er war bis zur 12. Klasse mit uns zusammen zur Schule gegangen, hatte dann aber doch nicht mit uns Abi gemacht – hatte ein sehr ausgeprägtes Faible für Post-Punk und Indie-Pop, und folgerichtig war der Tennenfeten-Sound ein Kompromiss zwischen dieser Vorliebe und dem, was Mitte der 90er Mainstream war. Und ich muss sagen, davor, wie er es geschafft hat, aus diesen Bestandteilen eine Atmosphäre zu kreieren, die das Publikum mitnahm und einen solchen Eindruck hinterließ, dass ich noch fast 30 Jahre später Gänsehaut bekomme, wenn ich "die Songs von damals" mal wieder höre, ziehe ich heute noch den Hut. 

Bis zum angepeilten Termin des Abi-Nachtreffens sind's noch 40 Wochen, es ist also mehr als wahrscheinlich, dass ich bis dahin noch mehrere "Ohrwürmer der Woche" präsentieren werde, die ich mit dem Sound der Tennenfeten assoziiere. "A New England" von Billy Bragg ist jedenfalls ein besonders schönes Beispiel, weil es auf eigentümliche Weise untypisch und doch zugleich charakteristisch ist. 


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