Donnerstag, 28. September 2023

Zwischenbericht zum Rückstand beim Wochenbriefing

Vor gut einer Woche – am Mittwoch, dem 20. September – ging mir auf etwas tragikomische Weise mein Handy verloren: Ich schob gerade unseren Jüngsten im Kinderwagen durch die Gegend und versuchte gleichzeitig per Messenger mit meiner Liebsten zu klären, wer von uns die Große von der Schule abholt und wann (es hatte darüber zuvor ein – in seinen praktischen Auswirkungen glücklicherweise eher geringfügiges – Missverständnis gegeben); zwischendurch legte ich das Handy auf dem Verdeck des Kinderwagens ab, und als ich es dann wieder in die Hand nehmen wollte, war es nicht mehr da. 

Tatsächlich dauerte es dann nur knapp zwei Stunden, bis ich es zurückbekam: Ich durfte es mir im Büro einer sozialen Einrichtung für Jugendliche ganz in der Nähe unserer Wohnung abholen – einer Einrichtung, von deren Existenz ich bis dahin noch gar nichts gewusst hatte. 

(Symbolbild) 

Jedenfalls: Meine spontane Reaktion auf die Nachricht, dass mein Handy gefunden worden sei und ich es abholen könne, bestand in dem Gedanken, es lohne sich wohl doch, dass ich von Zeit zu Zeit dafür Sorge trage, dass vor der Statue des Hl. Antonius in der Pfarrkirche Herz Jesu Tegel immer eine Kerze brennt. Gleichzeitig amüsierte ich mich bei der Vorstellung, wie viele unterschiedliche Personengruppen – von Atheisten und Agnistikern über "moderne, aufgeklärte" Katholiken bis hin zu fundamentalistischen Evangelikalen – angesichts einer solchen Äußerung "Aberglaube!" rufen würden. Aber ohne Quatsch, Leser: Meine Familienangehörigen und ich haben, in jüngster Zeit und auch schon früher, rettungslos verloren geglaubte unersetzliche Dinge, vom Lieblingskuscheltier des Tochterkindes bis zu den Arbeitsschlüsseln meiner Liebsten, wider alle Wahrscheinlichkeit unversehrt zurückbekommen, dass man es nur entweder als unverschämtes Glück oder als besondere Gnade von oben betrachten kann. Und ich sehe nicht ein, warum es plausibler sein sollte, an Ersteres zu glauben als an Letzteres. 

Heiliger Antonius, bitte für uns! 

Da nun also der Verlust meines Handys, dessen Notizbuch-Funktion ich nicht zuletzt auch zur Vorbereitung meiner Blogartikel nutze, nur knapp zwei Stunden angedauert hat, stellt er wohl keine besonders überzeugende Entschuldigung dafür dar, dass ich mit meinen Wochenbriefings so sehr in Rückstand geraten bin, wie dies tatsächlich der Fall ist. Dafür gibt es andere Gründe, im Plural; zum Teil bin ich mir aber auch selbst nicht ganz im Klaren darüber, warum ich mich in letzter Zeit so schwer mit dem Bloggen getan habe und mich immer dann, wenn ich Zeit dafür gehabt hätte, lieber mit anderen Dingen beschäftigt habe. 

Wie dem auch sei, jedenfalls schulde ich meinen Lesern noch die "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" Nr. 48 und 49, oder jedenfalls die Inhalte, die in diese beiden Wochenbriefing-Ausgaben hineingehört hätten. Wie hole ich das auf, ehe die Nr. 50 fällig wird? 

Oder stellen wir die Frage mal anders: Welche Inhalte sind es denn, die in die "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" Nr. 48 und 49 hineingehört hätten und die man im Interesse einer chronologischen Erzählweise nicht gut auf "später" verschieben kann? – Da wäre zunächst mal der "Marsch für das Leben" zu nennen, der nun schon fast zwei Wochen zurückliegt. Den könnte man, denke ich, ganz gut in einem separaten Artikel unterbringen; den könnte ich durchaus innerhalb der nächsten zwei bis drei Tage fertig kriegen und 'raushauen, auch wenn er dann wohl etwas weniger umfangreich wird, als meine Leser es normalerweise von mir gewohnt sind. 

Davon abgesehen gibt es derzeit drei aktuelle "Handlungsstränge", die meiner Auffassung nach wesentlich für den Erzählverlauf der Reihe "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" sind und bei denen ich daher die chronologische Erzählreihenfolge einhalten möchte. Und zwar sind das die folgenden: 

Dagegen denke ich, die Rubriken "Neues aus Synodalien" und "Was ich gerade lese" können getrost mal pausieren, bis ich meinen Rückstand aufgeholt habe; die für diese Rubrik relevanten Themen laufen ja so schnell nicht weg. Für die Zukunft wird man vielleicht mal erwägen müssen, die Wochenbriefings konzeptionell insgesamt ein bisschen abzuspecken; denn wenn diese wöchentliche Beiträge so viel Arbeit machen, dass ich die ganze Woche damit beschäftigt bin, ist es ja kein Wunder, dass ich nicht dazu komme, mal was anderes zu bloggen (z.B. die Fortsetzung der "eingekerkerten Nonne"!). Vielleicht wäre es eine Lösung, einzelne Rubriken aus dem Wochenbriefing auszulagern und dafür eine nur ein- oder zweimal im Monat erscheinende Reihe aufzumachen... Schauen wir mal. 

Und die Rubrik "Ohrwurm der Woche"? Für die habe ich jetzt schon was, nämlich: 

Gruppe Schicht: Lied für Bandarbeiterin Regine 


Wieder mal ein Lied, über das ich bei Recherchen für mein vorerst noch geheimes Buchprojekt gestolpert bin; und wenn ich das sage, kalkuliere ich natürlich ein, dass sich die Leser jetzt fragen "Was mag das wohl für ein Buchprojekt sein, wo man bei der Recherche auf sowas stößt?". Immerhin, als radio eins anlässlich "30 Jahre Mauerfall" eine Hitliste der "100 besten Ost-Songs" erstellte, kam dieses Lied auf Platz 78. Und ich muss sagen, je öfter ich es höre, desto geiler finde ich es. 

Samstag, 16. September 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #47

Servus, Freunde! Eigentlich wäre dieses Wochenbriefing ja schon am Donnerstagabend "dran" gewesen, und es sah auch lange Zeit danach aus, als würde ich diese Deadline einhalten können; aber von Donnerstag Mittag bis Freitag gegen Abend kam ich dann aus familiären Gründen zu absolut gar nichts, nicht einmal dazu, wie vor drei Wochen eine "Verspätungsnotiz" zu veröffentlichen. Ich sollte dazu erwähnen, warum ich den Veröffentlichungszeitpunkt für das Wochenbriefing bei der Wiederaufnahme dieses Artikelformats vor einem halben Jahr überhaupt ausgerechnet auf "Donnerstag 18 Uhr" gelegt hatte: Das hatte mit den Arbeitszeiten meiner Liebsten zu tun gehabt. Ihren Arbeitszeiten im vorigen Schuljahr, wohlgemerkt. Im neuen Schuljahr sehen diese Arbeitszeiten erheblich anders aus, und die Schulschlusszeiten des Tochterkindes bringen noch zusätzlich Bewegung in den Tagesablauf; vielleicht wäre ich unter diesen Umständen besser beraten, den festen Veröffentlichungszeitpunkt für das Wochenbriefing auf den Sonntag zu legen. Ich werde es erwägen! Nun aber erst mal dazu, was die zurückliegende Woche gebracht hat...


Spandau oder Portugal 


Ich hatte es schon angekündigt: Am Sonntag war in St. Stephanus Haselhorst Kirchweihfest. Im Garten. Auch die Messe wurde im Garten gefeiert, unter einem großen Zeltdach. Hauptzelebrant war der leitende Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie, der örtliche Pfarrvikar konzelebrierte und predigte. Als Lesungstexte wurden nicht die vom 23. Sonntag im Jahreskreis, sondern aus der Liturgie für Kirchweihfeste gewählt; dazu gehörte als 1. Lesung die Passage aus dem Propheten Ezechiel mit dem heilenden Wasser, das über die Schwelle des Tempels ins Land hinaus fließt (Ez 47,1-2.8-9.12) – eine Bibelstelle, die nicht ohne Grund auch im Epilog-Kapitel der #BenOp eine zentrale Rolle spielt. Ich wünschte, ich könnte die Predigt unseres Pfarrvikars über diesen Text genauer wiedergeben; im Kern ging es jedenfalls darum, dass die Kirche der Ort sei, an der der Christ durch Wort und Sakrament dazu befähigt, ja geradezu dazu ausgerüstet wird, vor der Welt Christus nachzufolgen und Zeugnis von der Liebe abzulegen, die er erfahren hat. Das ist sicherlich nichts, was man nicht schon mal gehört hätte, aber andererseits kann es einem eben auch nicht oft genug gesagt werden. – Ein Detail aus der Predigt, das bei mir hängen geblieben ist, möchte ich hier noch festhalten: Im Zusammenhang mit dem Thema "Die Kirche als Braut Christi erwähnte der Pfarrvikar, er habe "noch nie eine Hochzeit mit einer hässlichen Braut erlebt. Das gibt es nicht – denn eine Braut ist schön, weil sie geliebt wird." 

Musikalisch wurde die Messe übrigens von einer kleinen Gospelgruppe mitgestaltet, die mich – ohne das irgendwie bewerten zu wollen oder es gar despektierlich zu meinen – dazu anregte, über die typische Altersstruktur von Gospelchören in deutschen Pfarrgemeinden zu sinnieren. Es scheint mir, dass der harte Kern dieser Ensembles in der Regel aus Leuten besteht, die jung waren, als Gospels und Spirituals das neue große Ding in der katholischen Kirchenmusik hierzulande waren. Damals, so darf man unterstellen, haben sie sich für diese Musik begeistert, und diese Begeisterung trägt bis heute. Zu fragen wäre, warum sie sich nicht so recht auf jüngere Generationen überträgt – was ich, der ich anno 1996 bei einem fulminanten Gospelkonzert der (evangelischen) St.-Hippolyt-Kantorei in Nordenham-Blexen mitgesungen habe, durchaus schade finde. Mein Eindruck ist jedenfalls, dass Gospelchöre tendenziell noch größere Nachwuchsprobleme haben als "klassische" Kirchenchöre. Woran mag das liegen? 

– Aber das mal nur am Rande; kommen wir mal zum geselligen Teil des Gemeindefests: Für das leibliche Wohl sorgten der Sozialdienst katholischer Männer mit einem Grillstand, die Kolpingsfamilie mit einem Kuchen- und Getränkestand (hierzu steuerten wir einen Kuchen bei, den ich noch am Abend zuvor zusammen mit den Kindern gebacken hatte) und die Pfadfinder mit Erbsensuppe und Stockbrot; und es wurde auch eine ganze Menge Programm geboten, besonders für Kinder: Es gab eine Hüpfburg, Kistenklettern, einen Trommelworkshop (an dem unsere Kinder diesmal leider nicht teilnehmen konnten; na, ein andermal wieder), und die Wichtelgruppe stellte sich mit einer Schatzsuche vor. Da dies meine erste größere Bewährungsprobe als Wichtelgruppenleiter war, werde ich darauf weiter unten noch gesondert eingehen. 

Die Atmosphäre war insgesamt locker und freundlich und unterschied sich wohltuend von derjenigen bei manchen anderen Gemeindeveranstaltungen, die ich an anderen Orten erlebt habe. Am Rande führte ich einige gute Gespräche – über die Wichtelgruppe, über den Garten, über Emmaus-Wochenenden und über Glaubenskommunikation im Allgemeinen –; nur zu dem Projekt "Lobpreis mit dem Stundenbuch" gab es hier noch nichts Neues. 

Zum Abschluss des Fests wurde die Vesper gebetet – wiederum mit den Commune-Texten für Kirchweihfeste; die Psalmen wurden – was, wie ich glaube, eine charakteristische Eigenart des Neokatechumenalen Weges ist – zur Gitarre vorgetragen, in Vertonungen, die teils an spanische Folklore und teils an das Festival des politischen Liedes in der DDR erinnerten. Für mich ein klarer Fall von "nicht hundertprozentig mein Geschmack, aber hat was". 

Alles in allem, würde ich sagen, war es ein sehr schönes und gelungenes Gemeindefest, das mich in dem Gefühl bestärkt hat, dass wir in dieser Gemeinde "richtig sind". Demnächst steht dann wieder Arbeit in der Gemeinde und für die Gemeinde an: neue Termine der Wichtelgruppe, eine "Basisschulung Prävention", der Arbeitskreis Kinderwortgottesdienste... und beim Thema "Garten-AG" ist auch noch Handlungsbedarf. Aber à propos Wichtelgruppe: 


Aus meinem Wichtelbuch 

Den Beitrag der Wichtelgruppe zum Gemeindefest wollte ich ja, wie schon gesagt, noch etwas einlässlicher schildern. Der Gedanke, dass die noch im Aufbau befindliche Wichtelgruppe das Gemeindefest nutzen sollte, um sich vorzustellen und für sich zu werben, lag ja nahe; die Idee zu einer Schatzsucher kam vom  Gemeindereferenten, der zugleich auch der Leiter der Pfadfindergruppe ist; bei der konkreten Ausgestaltung ließ er mir jedoch freie Hand. Anfangs fiel mir nicht viel dazu ein bis auf die Tatsache, dass ich vor einigen Wochen in einer Comic-Zeitschrift meiner Tochter eine Bastelanleitung für Wichteltüren entdeckt hatte; dann sagte ich mir, ich hätte bei den Kinderbibelwochen der EFG The Rock Christuskirche doch einige brauchbare Grundregeln für die Gestaltung und Anleitung von Geländespielen aufgeschnappt; und innerhalb einiger Tage setzte sich so in meinem Hinterstübchen das Konzept für die Wichtel-Schatzsuche zusammen. 

Kurz und simpel erklärt, ist diese Schatzsuche so aufgebaut, dass die teilnehmenden Kinder – gemeinsam als Gruppe, wohlgemerkt – nacheinander mehrere im Garten versteckte Wichtelfiguren finden müssen; jedesmal, wenn sie einen Wichtel gefunden haben, müssen sie ihn zunächst zum Startpunkt der Suche bringen, wo er – mit meiner Stimme – einen Hinweis auf das Versteck des nächsten Wichtels gibt. Zuletzt finden sie den Wichtelkönig, und der gibt dann einen Hinweis auf das Versteck des Schatzes (eines Beutels voller Süßigkeiten). 

Das Basteln der Wichtelfiguren delegierte ich an meine Co-Leiterin und ihre Tochter: 

Derweil bastelte ich mit meiner Liebsten und unseren Kindern die Wichteltüren. 

Und so sahen dann einige der Verstecke aus: 


Empfehlenswert ist es, beim Auskundschaften von Versteckmöglichkeiten mit dem zu arbeiten, was man vorfindet. Hier zum Beispiel ein Insektenhotel.

Der Wichtelkönig residierte stilecht in einem Hünengrab. 

Unter dem Strich freue ich mich sagen zu können, dass die Wichtel-Schatzsuche prima klappte und alle Beteiligten Spaß daran hatten. Mehr noch, ich hätte Lust, so etwas mal wieder zu machen. Die Wichtelfiguren und die Türen haben wir ja jetzt schon mal... 


Währenddessen in Tegel 

Das Projekt "Religiöse Frühförderung für den Jüngsten" trägt bereits bemerkenswerte Früchte: Am Fest Mariä Geburt, vorletzten Freitag, fragte ich meinen Sohn – nachdem wir gemeinsam seine große Schwester zur Schule gebracht und dann wieder zurück nach Tegel gefahren waren –, was er jetzt machen wolle, und er erklärte prompt, er wolle "zur Kirche und eine Kerze anzünden". Wir steuerten also die Pfarrkirche Herz Jesu Tegel an, die ja tagsüber öffentlich zugänglich ist; aber dort eine Kerze anzuzünden, erwies sich als nicht ganz so einfach wie erwartet, denn als wir die Kirche betraten, brannte am Opferkerzenständer keine einzige Flamme, und Streichhölzer oder ein Feuerzeug lagen dort auch nicht aus (vermutlich aus Sicherheitsgründen). Nun war ich aber nicht gewillt, einfach aufzugeben. "Weißt du was?", sagte ich zu meinem Jüngsten. "Wir haben jetzt einen Auftrag. Eine Mission. Wir müssen erst mal Feuer besorgen." Er freute sich, und wir zockelten los. 

Vielleicht hätten wir die Suche nach einer Feuerquelle etwas abenteuerlicher gestalten können, als wir es dann tatsächlich taten – das ist eine Überlegung, die mich in meiner Eigenschaft als Wichtelgruppenleiter durchaus beschäftigt –, aber letzten Endes kauften wir an einem Kiosk in der Fußgängerzone ein Einwegfeuerzeug und gingen damit zur Kirche zurück, nur um feststellen, dass in der Zwischenzeit schon jemand anderes zwei Lichter auf dem Opferkerzenständer entzündet hatte. Das hielt uns indes nicht davon ab, noch ein bisschen "ehrenamtlichen Küsterdienst" zu leisten: Wir räumten ausgebrannte Opferlichthüllen weg, entzündeten je eine Kerze zu den Füßen der St.-Antonius- und der St.-Josefs-Statue neben dem Haupteingang, vor der Pietà und auch noch eine weitere auf dem allgemeinen Opferkerzenständer. "Und jetzt ein bisschen beten?", fragte ich meinen Sohn, als wir damit fertig waren, und er erwiderte: "Mit Musik!" – Na gut, "zufällig" hatte ich meine mobile Lautsprecherbox immer noch dabei; aus Rücksicht darauf, dass es in Herz Jesu erfahrungsgemäß erheblich mehr "Publikumsverkehr" gibt als etwa in St. Joseph Tegel, machte ich die Musik nicht so laut und wählte betont dezente Musikstücke aus: eine nur leicht "poppig" arrangierte Version von "Gott ist gegenwärtig" und den Lobpreis-Klassiker "Ich will dich anbeten" ("Here I am to Worship"). Zwei Lieder waren dem Junior dann auch genug, danach sprach ich noch das Tagesgebet zum Fest Mariä Geburt, und dann zogen wir unserer Wege. 

Am Dienstag (Mariä Namen) äußerte der Jüngste erneut den Wunsch, in der Kirche eine Kerze anzuzünden, was diesmal ohne Komplikationen möglich war; als er danach aber wieder wollte, dass ich Musik anmache, bekam ich doch Bedenken, da wir nicht allein in der Kirche waren. Schließlich hatte ich aber die rettende Idee: Ich kramte meine Bluetooth-Kopfhörer hervor, steckte ihm den linken, mir den rechten ins Ohr und ließ über mein Handy Musik laufen, die bei der MEHR in die Kategorie "ruhiger Lobpreis" eingeordnet worden wäre. Der Gesichtsausdruck meines Jüngsten, als er die Musik direkt ins Ohr bekam, war absolut unbezahlbar. 

Am Mittwoch war einerseits der Gedenktag des Hl. Johannes Chrysostomus (s.u. "Aus dem Stundenbuch"), andererseits aber auch mein Namenstag, und wie schon vorige Woche ging ich mit meinem Jüngsten in St. Marien Maternitas zur Messe – nicht etwa, weil ich eine besondere Vorliebe für diese Kirche hätte, sondern einfach deshalb, weil in den anderen mir bekannten Kirchen in unserer Ecke Berlins die Werktags-Vormittags-Messen schlichtweg zu früh anfangen, als dass wir da noch pünktlich hinkommen würden, nachdem wir die Große zur Schule gebracht haben. Wir hatten das Glück, wieder denselben Zelebranten zu "erwischen", dem wir das so ausgesprochen positive Gottesdiensterlebnis in der vorigen Woche verdankten; der Toleranztest für die Gemeinde erreichte dennoch ein neues Level, ohne dass wir das direkt so beabsichtigt hätten: Kurz nach Beginn der Lesung erklärte der Knabe nachdrücklich, er wolle raus; wie sich zeigte, war seine Windel voll, und da die Tür des Gemeindehauses offen stand, ging ich da kurz entschlossen hinein und fragte nach einer Möglichkeit zum Windelwechseln. Pünktlich zum Eucharistischen Hochgebet waren wir zurück in unserer Kirchenbank; da ich aber bei unserem Abstecher ins Gemeindehaus registriert hatte, dass da eine Frühstückstafel für die Gemeinde gedeckt wurde, beschlossen der Junior und ich kurzerhand, auch noch zum Gemeindefrühstück zu gehen. War nett. 

Am Donnerstag, dem Fest Kreuzerhöhung, verschlug es meinen Jüngsten und mich eher zufällig in die Nähe des Augustinerklosters St. Rita, das ebenfalls zur Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd gehört, also statteten wir der dortigen Kapelle einen Besuch ab – und da mein Jüngster auch hier wieder forderte "Musik anmachen!", dachte ich mir, och, man könnte ja mal wieder einen kleinen Probelauf für das Projekt "Lobpreis mit dem Stundenbuch" wagen. Ich betete also die Terz vom Tage vor, wobei ich den Hymnus durch ein Lobpreislied ("El Shaddai" von Johannes Hartl & Friends) ersetzte und den dritten Psalmabschnitt ebenfalls ("So groß ist der Herr"). Erst während des zweiten Liedes fiel mir auf, dass ein Fenster der Kapelle offen stand – ein Fenster zur Straße, wohlgemerkt –, sodass eventuelle Passanten die Andacht gehört haben könnten, auch wenn ich die Musik bewusst nicht allzu laut gemacht hatte. Nun ja, der Mensch denkt und Gott lenkt. 

Pietà in der Kapelle von St. Rita

Im Anschluss an unsere Andacht stellten wir übrigens fest, dass das das Augustinerkloster auch ein Büchertauschregal betreibt. Der vergleichsweise hohe Anteil theologischer Bücher (im weitesten Sinne) vermittelte mir den Eindruck, dass die Klosterbrüder dieses Regal vorrangig zur Reduzierung ihres eigenen Bücherbestands nutzen; zu dem Umstand, dass ziemlich viele dieser Bücher auf mich einen ziemlich, sagen wir mal, heterodoxen Eindruck machten, könnte man einwenden "Na ja, immerhin sind das die Bücher, die aussortiert wurden", aber ehrlich gesagt entspricht das Spektrum dieser Bücher ziemlich genau meinen Vorstellungen davon, "was alternde Geistliche im Deutschland so lesen". Die Zustände in der Kirche hierzulande sind ja nicht von ungefähr so, wie sie sind. – Als ich in diesem Regal jedoch ein Buch von Horst Evers entdeckte, das ich noch nicht kannte – "Der König von Berlin" –, dachte ich mir doch "Och, nehm' ich mit"; und wo ich schon mal dabei war, beschloss ich, auch einer schönen Fraktur-Ausgabe von Fritz Reuters "Ut mine Stromtid" ein neues Zuhause zu geben. Für meine Tochter, das frischgebackene Schulkind, nahm ich "Conni-Geschichten zum Lesenlernen" mit, der Kleene hingegen entschied sich für "Der neue Klassenkampf" von Slavoj Žižek. Daraus würde ich aber keine allzu weitreichenden Schlüsse ziehen: Offensichtlich gefiel ihm einfach der knallig gestaltete Einband. 


Neues aus Synodalien 

Nur ganz kurz diesmal, und nur damit diese Rubrik nicht wieder komplett ausfällt: Das Zentrum für angewandte Pastoralchemie, äh, -forschung, in Bochum (kurz ZAP – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Punk-Fanzine) hat eine "Aerothek" entwickelt, die "Duftkreationen zum bundesweiten Einsatz in Kirchenräumen anbietet". Äh. Aha. Stellen wir hierzu zunächst die klsssische Frage "Und was soll das?" ZAP-Mitarbeiter und Innovationsberater Björn Hirsch ist um eine Antwort nicht verlegen

"Der Geruchssinn, so sagt es die moderne Riechforschung, ist der einzige Sinn, der direkt und unmittelbar Erinnerungen und Emotionen weckt. Riecht es in einem Raum beispielsweise wie in der Küche der Großmutter, wird man sofort in 'die gute alte Zeit' zurückversetzt. Gleich entstehen Bilder im Kopf, wie es dort früher ausgesehen hat, wie liebevoll die Oma war und was wir im Laufe des Lebens mit ihr erlebt haben." 

Okay, die Assoziation "Kirche = Oma" kann ich noch irgendwie nachvollziehen; aber wenn es darum geht, über den Geruchssinn Erinnerungen zu evozieren, wieso erfindet man dazu dann neue Düfte? Wäre der gute alte Weihrauch da nicht zielführender? Hören wir abermals Björn Hirsch: "Immer mehr Menschen haben keinen Kontakt mehr zur Kirche. Sie sind bestimmte Kirchengerüche wie Weihrauch einfach nicht mehr gewohnt und lehnen sie daher tendenziell ab." Aha. Ach so. Verstehe. Nicht. – Jedenfalls haben (und ich betone, ich denke mir das NICHT aus!) "Riechforscher, Parfumeure und Theologen" mittels der "Methode des sogenannten Moodboarding" vier neue Düfte für das Kirchenjahr entwickelt, nämlich PHYSIS für die Weihnachtszeit ("Ein Duft mit frischer Kopfnote basierend auf Orange und Mandarine, einer klaren warmen blumigen Herznote und einem reichhaltigen Fond mit holzigen Noten und Vanille", KENOSIS für Fasten- und Osterzeit ("Die Interpretation junger sprießender Blätter in der Natur, frische leichte Blumennoten unterlegt mit holzigen Noten mit Ambra  Moschus und Myrrhe"), DYNAMIS für Pfingsten ("Die Darstellung eines starken kräftigen Windes mit frischer angenehmer Kopfnote. Die Frische wird unterstützt durch die Basisnoten wo Moschus und Iso E Super mit Spuren von Patchouli, Leder und Tonka Konplexität bekommen") und schließlich PHRONESIS für den "Alltag" ("Sehr dezenter unaufdringlicher Duft mit den Hauptkomponenten Hedion für die transparente leichte Blumigkeit, Iso E Super als weiche runde holzige Note und klare helle Moschusnoten"). Das erste, was mir dazu einfiel, war die "SpongeBob Schwammkopf"-Folge, in der SpongeBob und Patrick auf dem Schiff des Fliegenden Holländers gefangen sind und versuchen, durch die Parfümabteilung zu fliehen: 

Das zweite, was mir einfiel, war, dass ich über mehr oder weniger tragikomisch anmutende Versuche, dem Gottesdienst eben jene sinnliche Qualität, die man ihm zuvor jahrzehntelang nach Kräften ausgetrieben hat, durch unbeholfene eigene Erfindungen wiederzugeben, schon vor Jahren gebloggt habe. Ich persönlich bleibe ja lieber bei Weihrauch und Bienenwachs, muss aber gleichzeitig auch sagen, unter den Bedingungen des "Schmutzigen Schismas" hätte es durchaus einen gewissen Charme, wenn man die im jeweiligen Kirchengebäude vorherrschende Glaubensrichtung zukünftig schon am Geruch erkennen könnte... 


Was ich gerade lese 

Immer noch die Schatzinsel. Was mich daran erinnert, dass ich neulich auf einem Fernsehschirm im Einkaufszentrum Kandesbunzler Scholz mit Augenklappe gesehen habe – und dachte: "Whut?" – Ich schaue ja sonst kein Fernsehen und interessiere mich auch sonst nicht so für Klatschgeschichten aus dem Privatleben sogenannter Prominenter, daher kriege ich sowas sonst nicht mit; ich hatte wohl kurz zuvor schon mal ein Foto von Scholz mit Augenklappe auf Facebook gesehen, hatte aber angenommen, das wäre ein Meme. Vielleicht war's auch wirklich eins, aber das heißt ja nicht zwingend, dass das Foto nicht echt war. Und nun sah ich ihn also in bewegten Bildern, am Rednerpult, wie er versuchte auszusehen wie eine Mischung aus Moshe Dayan und Mad-Eye Moody. Kopfschüttel. Die Welt der Nachrichten, oder was man so nennt, kommt mir mehr und mehr so vor wie eine Fernsehserie, deren Drehbuchschreibern schon seit mehreren Staffeln nichts Vernünftiges mehr einfällt, weshalb sie zu immer absurderen Plottwists Zuflucht nehmen. Fast rechne ich damit, dass es so kommt wie damals in Dallas, als der totgeglaubte Bobby Ewing plötzlich quicklebendig unter der Dusche stand: Man wacht auf, alles war nur ein Traum, und Kohl ist immer noch Bundeskanzler. Oder wenigstens Gerd Schröder. 


Aus dem Stundenbuch 

Viele Wogen und schwere Brandung ringsum, doch wir fürchten nicht, dass wir untergehn; denn wir stehn auf dem Felsen. Mag das Meer toben, es kann den Felsen nicht zerstören. Mögen sich die Wogen türmen, sie können das Schiff Jesu nicht verschlingen. Sag mir: Was sollten wir fürchten? Den Tod? "Für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn" (Phil 1,21). Oder Verbannung? "Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt" (Ps 24,1). Einziehung des Vermögens? "Wir haben nichts in die Welt mitgebracht, und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen" (1 Tim 6,7). Die Schrecken der Welt verachte ich, und ihre Annehmlichkeiten verlache ich. Armut fürchte ich nicht, und Reichtum begehre ich nicht. Ich fürchte nicht zu sterben und wünsche nicht zu leben, es sei denn zu eurem Nutzen. 

(Johannes Chrysostomus, Homilie vor seiner Verbannung) 


Ohrwurm der Woche 

Eddie Money: Take Me Home Tonight 


Ein kleiner #ParentHack am Rande: Ein erheblicher Stressfaktor in meinem Alltag ist es, dass die Kinder dazu neigen, beim Frühstück miteinander herumzublödeln oder sich zu streiten (beides geht gern nahtlos ineinander über), statt zu essen; und unlängst habe ich die Entdeckung gemacht, dass ich dieses Problem stark reduzieren kann, indem ich beim Frühstück Musik anmache. Neulich präsentierte ich meinen Kindern daher den obigen Hit aus meiner eigenen Kindheit – mit dem Erfolg, dass mein Jüngster den Song gleich nochmal hören wollte. Tja, und fertig war der Ohrwurm. 

Übrigens denke ich praktisch jedesmal, wenn ich dieses Lied höre, über die Textstelle "Just like Ronnie said: Be my little baby" nach, die sich natürlich auf den R&B-Klassiker "Be My Baby" von den Ronettes bezieht. Was ich mich dabei frage: Wurde der Song von vornherein in der Absicht geschrieben, daraus ein Duett mit der früheren Ronettes-Leadsängerin Ronnie Spector zu machen, oder kam im Laufe des Produktionsprozesses irgend jemand mit der Idee an den Tisch "Wäre es nicht cool, wenn man Ronnie Spector dazu kriegen könnte, den Vers 'Be my little baby' selbst zu singen?" – Die letztere Variante gefiele mir irgendwie besser; so gut, dass ich es lieber gar nicht genau wissen will... 


Donnerstag, 7. September 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #46

Fangen wir mal anekdotisch an, Leser: In der Nacht von Samstag auf Sonntag habe ich geträumt, ich wäre unverhofft auf eine Rezension zu meinem Blog gestoßen – im Teletext des NDR-Fernsehens. Skurrile Vorstellung, schon allein, weil ich keinen Fernseher habe. Wie dem auch sei: Das größte Lob für meinen Blog, das diese Teletext-Kritik sich abringen konnte, war, dass es keiner von den Schlimmsten sei: zwar dunkelkatholisch-fundamentalistisch, aber nicht in einem solchen Ausmaß, dass man ihn "sofort verbieten müsste". Mit dieser Einstufung konnte ich – im Traum, wohlgemerkt – ganz gut leben; das einzige, was mich an dieser Rezension wirklich ärgerte, war, dass darin meine Sachkompetenz als Popmusikkritiker in Zweifel gezogen wurde. 

Wie dem auch sei: Ich bin optimistisch, auch mit dem vorliegenden Wochebriefing wieder den Erwartungen gerecht werden zu können, die meine Leser – die wohlwollenden wie auch die weniger wohlwollenden – an meinen Blog zu stellen gewohnt sind. Zwar fallen die Rubriken "Neues aus Synodalien" und "Was ich gerade lese" wieder einmal aus, aber dafür gibt es genug Anderes zu berichten... 

Wandbild in der Bernstorffstraße in Berlin-Tegel

Jetzt haben wir ein Schulkind! 

Ich kann es selbst kaum glauben, Freunde: Das Tochterkind geht jetzt zur Schule! Eigentlich wäre sie in diesem Schuljahr noch nicht schulpflichtig, da sie erst im Herbst sechs Jahre alt wird; aber sie ist ein so aufgewecktes und lernbegieriges Kind, dass wir es nicht sinnvoll gefunden hätten, sie erst nächstes Jahr einzuschulen. Daher haben wir einen Antrag auf vorzeitige Einschulung gestellt, bei der schulärztlichen Untersuchung wurde sie als schulreif eingestuft, und, tja, jetzt ist sie ein Schulkind. Am Samstag war die Einschulungsfeier, am Montag der erste reguläre Schultag; so schnell kann's gehen. 


Um ein Minimum an Privatsphäre zu wahren, verrate ich hier nicht, wie die Schule heißt und wo sie liegt, aber so viel glaube ich doch verraten zu müssen, dass es sich um eine Alternativschule handelt, deren Konzept sehr stark auf selbstbestimmtes Lernen ausgerichtet ist. Folglich gibt es keinen Klassenverband, keinen festen Stundenplan, keine Zensuren – okay, die gäbe es an anderen Schulen wohl in der ersten Klasse auch noch nicht – und keine Hausaufgaben; alles in allem gibt es überhaupt nur ziemlich wenig von dem, was man sich gewohnheitsmäßig unter "Schule" vorstellt, und nachdem ich – wie sich wohl schon in einigen meiner Blogartikel niedergeschlagen hat – in den letzten Jahren immer skeptischer gegenüber dem Regelschulsystem und der Schulpflicht geworden bin, finde ich das gerade gut. Es ist ein bisschen wie zur Schule gehen und nicht zur Schule gehen in einem, wenn man das so sagen kann. Natürlich wird sich noch zeigen müssen, ob unser Tochterkind von diesem Schulkonzept wirklich profitiert – u.a. deshalb gibt es auch eine Probezeit. Aber die ersten Eindrücke sind positiv, und ich habe auch schon Freunde und Bekannte sagen hören "Wenn dieses Schulkonzept für jemanden das Richtige ist, dann ja wohl für eure Tochter." Seien wir also gespannt, wie die Sache sich entwickelt... 


Spandau oder Portugal 

Am Sonntag hatten wir – da es der erste Sonntag im Monat war – eigentlich angedacht, wieder einmal zunächst in St. Stephanus zur Messe zu gehen und danach noch nach schräg gegenüber in die EFG The Rock Christuskirche; aber nachdem unsere Kinder nach dem aufregenden Einschulungstag erst ziemlich spät ins Bett gekommen waren, waren sie an diesem Morgen nicht so leicht wach zu kriegen, und als sie endlich doch aufgestanden waren, entschieden wir uns, dass wir, statt überstürzt zur Bushaltestelle aufzubrechen, doch lieber erst mal in Ruhe frühstücken wollten, und machten uns danach auf den Weg zur Messe in Siemensstadt. Wenn ich jetzt sagen wollte "So etwas rächt sich immer", klänge das wohl übertrieben negativ; immerhin versorgte mich diese spontane Planänderung mit reichlich Material zum Bloggen, denn in St. Joseph Siemensstadt fand an diesem Sonntag der Abschlussgottesdienst der diesjährigen "Religiösen Kinderwoche" (RKW) statt. 

Dazu eins vorweg: Beim Stichwort "RKW" muss ich immer an einen Text von Max Goldt denken, in dem er sich darüber mokiert, dass es in der Mitte Frankreichs ein Gebirge gibt, das Zentralmassiv heißt: Das klinge ja so, als sei in Frankreich Walter Ulbricht für die Benennung von Gebirgen zuständig gewesen, meint er. Genau so geht's mir mit der Bezeichnung "Religiöse Kinderwoche" – die, wenn ich mich nicht irre, tatsächlich aus der DDR stammt. 

Nun wäre es sicherlich voreilig, vom Namen dieses Veranstaltungsformats auf die Qualität der Sache selbst zu schließen. Soweit ich es bisher mitbekommen habe, ähnelt eine RKW vom Ablauf her einer Klassenfahrt, mit dem Unterschied, dass sie nicht von der Schule, sondern von der Kirche veranstaltet wird und dass sie einen gewissen katechetischen Programmanteil zu einem jährlich wechselnden Oberthema beinhaltet. Was dabei konkret rauskommt, hängt sicherlich nicht unwesentlich vom persönlichen Einsatz der jeweiligen Mitarbeiter ab. 

Die diesjährige RKW der Gemeinde St. Joseph/St. Stephanus hatte bereits Mitte Juli, zu Beginn der Sommerferien, stattgefunden, aber jetzt, nach dem Ende der Urlaubssaison, gab es noch einen Abschlussgottesdienst mit der Gemeinde, damit die auch etwas davon hatte. Ärgerlich waren daran eigentlich nur zwei Dinge. Erstens: die musikalische Gestaltung der Messe, die – mit einer Ausnahme, auf die noch einzugehen sein wird – zur Gänze auf Lieder aus einem schon etwas in die Jahre genommenen NGL-Liederheft bestritten wurde. Von "Danke" zum Einzug über "Meine engen Grenzen" zum Kyrie, "Wenn das Brot, das wir teilen" zur Gabenbereitung und "Ins Wasser fällt ein Stein" als Danklied nach der Kommunion bis hin zu "Möge die Straße" zum Auszug handelte es sich im Grunde um ein "Schlechtst Of" des NGL-Genres; anders ausgedrückt, die Liedauswahl war so klischeehaft, dass sie auch als Parodie eines Jugendgottesdienstes hätte durchgehen können. "Da begegnen sich Himmel und Erde" wurde glücklicherweise nur als Orgelbegleitung während der Kommunion, ohne Gesang, eingesetzt; gegen das Gloria-Lied, "Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt", ist wohl nicht viel mehr einzuwenden als eben seine Zugehörigkeit zum generell problematischen NGL-Genre. Ähnliches könnte man über das als Halleluja-Ruf eingesetzte "Lobt den Herrn auf Straßen und auf Plätzen" sagen, und "Hilf, Herr meines Lebens", das als Zwischengesang anstelle des Antwortpsalms gesungen wurde, finde ich ehrlich gesagt sogar ziemlich gut – besonders seit ich auf YouTube eine Aufnahme der Kurt Edelhagen Combo feat. Knut Kiesewetter von 1967 entdeckt habe, die sozusagen ein MashUp aus "Hilf, Herr meines Lebens" und dem erheblich weniger bekannten "Gestern ist heute" darstellt. Kann ich nur empfehlen. Am Sanctus hatte ich nichts auszusetzen, und ein neues Vaterunser-Lied, das nicht im Liederbuch stand und das die Kinder bei der RKW gelernt hatten, gefiel mir sogar ausgesprochen gut – wenn man davon absieht, dass durch das Singen dieses Liedes der Embolismus unter den Tisch fiel, und wie wir wissen, stirbt da jedesmal ein knopfäugiges Robbenbaby. – Was hingegen, jenseits bloßer Geschmacksfragen, gar nicht ging, war das Credo-Lied: "Ich glaub an einen Gott, der singt" von Winfried Pilz! – Ganz grundsätzlich muss ich sagen, dass ich es schon nicht ganz unproblematisch finde, das Credo in der Messe durch Lieder zu ersetzen, die den Inhalt des Glaubensbekenntnisses verkürzt wiedergeben; aber bei "Klassikern" wie "Wir glauben an den einen Gott" oder "Gott ist dreifaltig einer", deren Text wenigstens nichts Falsches enthält, denke ich mir achselzuckend: Kann man mal machen, solange es nicht jeden Sonntag ist. Dass dieses Zugeständnis für eindeutig häretische Texte nicht gilt, sollte sich eigentlich von selbst verstehen; zum Text von "Ich glaub an einen Gott, der singt" habe ich mich diesbezüglich schon einmal geäußert. Im Übrigen denke ich, die gegen den Verfasser erhobenen massiven Missbrauchs-, ja Vergewaltigungsvorwürfe sollten Grund genug sein, seine Lieder nicht mehr zu singen. Andere sind schon für weniger "gecancelt" worden. 

Und was war nun das zweite Ärgernis an diesem RKW-Abschlussgottesdienst? Nun, sagen wir so: Der Bericht über die RKW – in dem eine kindgerechte Nacherzählung des Buches Ruth breiten Raum einnahm, da dieses das diesjährige Oberthema war – war an und für sich gut und schön, und dass dieser Vortrag gewissermaßen an die Stelle der Predigt trat, ließ sich auch verschmerzen; das kennt man aus Kinder-, Jugend- und Familiengottesdiensten ja kaum anders. Tendenziell ärgerlicher fand ich es, dass aus Zeitgründen die 2. Lesung (Römer 12,1-2) entfiel – umso mehr, als ich finde, Sätze wie "Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist" können einer Gemeinde in Zeiten wie diesen nicht oft und eindringlich genug gesagt werden. – Aber auch das ist noch nicht der entscheidende Punkt; vielmehr fiel es mir praktisch mittendrin ein, mich zu fragen, warum diese Präsentation partout in die Heilige Messe eingebaut werden musste, wo sie im Grunde nicht hineinpasste. Die Antwort auf diese Frage fiel natürlich nicht schwer: weil die Sonntagsmesse so ziemlich die einzige Gelegenheit ist, bei der man davon ausgehen kann, einen signifikanten Teil der Gemeinde zu erreichen. Dass das ein Missstand ist – dass das religiöse Leben des Einzelnen, aber auch die integrative Kraft des Gemeindelebens weithin so verkümmert ist, dass man glaubt, alles Mögliche in die Messe hineinquetschen zu müssen, was da eigentlich nicht hingehört –, hat Lothar Zenetti schon 1966 formuliert: Das Problem sei, dass 

"nun jeder all das an 'Religion', was es sonst während der Woche in Andachten und Bibelkreisen der Pfarrei, im häuslichen religiösen Leben und schließlich im privaten Gebet nicht mehr vollzieht und findet, nun von dieser einen Sonntagsstunde, von der Messe, erwartet und in ihr nachholen will: Seine Andacht, Ruhe und Besinnung, Stille, Erbauung, Wegweisung, Glaubensinformation, Erleben Gottes und der kirchlichen Gemeinschaft und vieles andere – alles soll in dieser einen Stunde untergebracht werden. Das aber kann, das will die Sonntagsmesse nicht leisten". 

Dass wir es hier mit einem Dilemma zu tun haben, bei dem man zu dem Schluss kommen könnte, für die post-volkskirchlichen Strukturen in den Pfarrgemeinden gelte das Diktum Adornos "Es gibt kein richtiges Leben im falschen", wurde gleich in mehrfacher Hinsicht deutlich, als die Gemeinde im Anschluss an die Messe noch zu einer Veranstaltung im Pfarrsaal eingeladen wurde: Dort sollten Fotos von der RKW gezeigt werden und es sollte ein leckeres Büffet geben. Na wie schön, dachte ich: Hätte man da nicht die Präsentation der RKW-Ergebnisse ebenfalls dorthin verlegen können statt in die Messe selbst? Tja, das Problem war nur, dass da keiner hinging außer den RKW-Kindern selbst, ihren Eltern, den Betreuern – und uns. Nebenbei bemerkt zeigte sich, dass die RKW-Kinder durchweg nicht aus der örtlichen Gemeinde kamen, sondern aus anderen Spandauer Gemeinden. So richtig ideal finde ich das alles nicht, wüsste aber ehrlich gesagt auch nicht, wo man konkret ansetzen könnte oder müsste, um daran etwas zu verändern. 

Jedenfalls nutzten meine Liebste und ich die Gelegenheit, am Rande der Veranstaltung im Pfarrsaal endlich mal den mexikanischen Pfarrvikar (den man uns als zuständigen Ansprechpartner für "sowas" empfohlen hatte) auf unser Projekt "Lobpreis mit dem Stundenbuch" anzusprechen. Er wirkte grundsätzlich aufgeschlossen, einige organisatorische Fragen sind allerdings noch offen. Am kommenden Sonntag ist erst mal Gemeindefest in St. Stephanus, da soll auch die Wichtelgruppe etwas zum Programm beitragen, und das erfordert noch etwas  Vorbereitung... Ich werde berichten! 


Währenddessen in Tegel 

Der neue Pfarrbrief für die Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd für den Zeitraum von September bis November ist erschienen, mit dieser geschmackvollen Titelillustration: 

Also ich weiß ja nicht: Ich würde ja denken, eine Hand, die einen Apfel darreicht, stünde geradezu emblematisch für die Versuchung zur Sünde; indes mag diese Assoziation nicht ganz so allgemein verbreitet sein, wie ich annehme. Und dass sich in diesem Titelbild eine theologische Aussage im Sinne des Schismatischen Weges verbirgt – etwa: "Auch solche Dinge, die die Kirche früher als Sünde betrachtet hat, sind in Wirklichkeit Geschenke Gottes, für die wir dankbar sein dürfen/sollen/müssen" –, kann man wohl ausschließen: So weit denken die Leute, die diesen Pfarrbrief machen, gar nicht. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Pfarrbrief der Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Oberhavel, den ich vorige Woche am Wickel hatte: Da sitzen Leute in der Redaktion, die eine Agenda haben – wohingegen die Pfarrbriefredaktion von St. Klara von Leuten dominiert wird, die in jeder Hinsicht planlos sind. Folgerichtig steht auch in der aktuellen Pfarrbrief-Ausgabe nicht besonders viel Bemerkenswertes drin. Der Diakon der Pfarrei war beim Weltjugendtag in Portugal und berichtet darüber; das hätte interessant sein können, tatsächlich empfand ich seinen Bericht aber als oberflächlich und banal. Interessanter fand ich die Information, dass einer der drei Pfarrvikare zum 1. Oktober auf eigenen Wunsch in eine Pfarrei am anderen Ende Berlins versetzt wird. "Als Nachfolger", so liest man auf S. 6, "ist uns ein Ordenspriester zugesagt, dessen Anstellung allerdings bei Redaktionsschluss noch nicht dekretiert war. Wir werden es Anfang September hoffentlich vermelden können." Nun könnte man sagen, "Anfang" September ist eigentlich schon fast vorbei, und noch scheint es in dieser Angelegenheit nichts Spruchreifes zu geben. Aber warten wir's mal ab. 

Im Übrigen habe ich den luxuriösen Umstand, dass ich nun tagsüber nur noch ein Kind zu betreuen habe, zum Anlass genommen, meinem Jüngsten etwas mehr "religiöse Frühförderung" angedeihen zu lassen – wie ich es mit seiner Schwester auch gemacht habe, als sie in seinem Alter war. Es begann damit, dass ich am Dienstag, während er im Kinderwagen Mittagsschlaf hielt, mit ihm nach St. Joseph Tegel schob; als er aufwachte, fragte ich ihn: "Was wollen wir jetzt machen? Beten mit Musik?" (Meine mobile Lautsprecherbox hatte ich vorsorglich eingepackt.) – "Nee", erwiderte er. – "Was dann? Lieber ohne Musik?" – "Ja." Na gut; das überraschte mich zwar, aber okay. Wir hielten also eine kleine Mittagsandacht mit Texten aus dem Stundenbuch, dann verließen wir die Kirche wieder, ohne dass uns jemand begegnet wäre. Am Mittwoch fuhren wir, nachdem wir das Tochterkind zur Schule gebracht hatten, zur Kirche St. Marien Maternitas in Heiligensee, wo um 9:45 Uhr Messe gefeiert wurde; zu unserem Glück wurde sie von dem nigerianischen Pfarrvikar zelebriert, der unseren Jüngsten vor knapp zwei Jahren getauft hat und sich über dieses Wiedersehen mit seinem Taufkind sichtlich freute. Wir saßen in der ersten Reihe, da ich es dem Knaben überlassen hatte, einen Platz für uns auszusuchen; der Lütte sang alle Lieder laut und fröhlich mit, wenn auch etwas zeitversetzt und zumeist mit recht phantasievoll improvisiertem Text, und alle schienen sich darüber zu freuen. (Die Kirche war für eine Werktags-Vormittags-Messe einigermaßen gut besucht, es waren wohl an die zehn überwiegend recht betagte Gemeindemitglieder da, einige davon mit Migrationshintergrund.) Der Pfarrvikar hob sogar in seinen Schlussworten vor dem Entlassungssegen hervor, wie gut es sei, wenn Kinder sich in der Kirche zu Hause fühlen. – Das anschließende Urteil meines Sohnes zu diesem Kirchbesuch lautete: "Sooo schön!" – "Sollen wir nächste Woche wieder hingehen?", fragte ich ihn daraufhin, und er bestätigte: "Jaaa!" – Es besteht zwar das Risiko, dass wir beim nächsten Mal an einen weniger kinderfreundlichen Zelebranten geraten, aber ich denke, wir werden es drauf ankommen lassen... 

Ein Blick in den Altarraum von St. Marien Maternitas. 

Aus dem Stundenbuch 

Wenn wir keine Toren sind, müssen wir die gütige Absicht unseres Vaters begreifen. Er sagt uns, wie wir zu ihm kommen können; denn er möchte nicht, dass wir es auf Irrwegen versuchen. Darum, liebe Brüder, müssen wir sorgfältig auf unser Heil bedacht sein, damit nicht heimlich der Böse mit seiner Verführung bei uns eindringt und uns aus unserem Leben hinausdrängt. Wir wollen alle Eitelkeit fliehen und die Werke des bösen Weges gründlich hassen. Zieht euch nicht in eure Einsamkeit zurück, als wäret ihr schon gerechtfertigt, sondern versammelt euch und sucht gemeinsam, was euch allen frommt. Denn die Schrift sagt: "Weh denen, die in ihren eigenen Augen weise sind und sich selbst für klug halten" (Jes 5,23). Wir wollen Menschen des Geistes sein, ein vollkommenes Heiligtum für Gott; soweit es in unseren Kräften steht, wollen wir uns um die Furcht Gottes bemühen und ringen um die Erfüllung seiner Gebote, damit wir in seinen Satzungen froh werden.  

(Aus dem Barnabasbrief

 
Ohrwurm der Woche 

Gerhard Schöne: Erinnerung 


Es mag wohl Mitte der 90er gewesen sein, als ich irgendwo – vielleicht im Spiegel, ich weiß es nicht mehr mit Sicherheit – las, wie Wolf Biermann als "der Bob Dylan der DDR" bezeichnet wurde; und mein spontaner Gedanke dazu war: Wenn das stimmt, dann ist Gerhard Schöne aber der Paul Simon der DDR. Das Lied "Erinnerung" (von seinem Album "Menschenskind", 1985) ist, wie ich finde, ein exzellentes Fallbeispiel: Es würde sich recht problemlos etwa in Paul Simons Album "One-Trick Pony" (1980) einfügen, und zwar sowohl musikalisch als auch vom Text her, oder genauer: von der Stimmung her, die der Text evoziert. 

Nebenbei bemerkt verbinde ich mit diesem Lied eine spezielle Erinnerung an einen Freund, mit dem ich in unseren späten Teenagerjahren in einer Band spielte (er Gitarre, ich Schlagzeug) und der sich damals gern einen Spaß daraus machte, mitten in einem Gespräch (oder auch mitten in ein Schweigen hinein) das Wort "Caracas!" fallen zu lassen – was für uns stets das Signal war, unvermittelt loszusingen: "Babadabadap-badap-badap-badabadap-dapdap-daaa-daaa..." Tja, ich schätze, man muss das Lied kennen, um den Witz zu verstehen. 


Blogvorschau 

Meine jüngste Artikelthemen-Umfrage auf Facebook und The App Formerly Known As Twitter hat ein bemerkenswertes Ergebnis gezeitigt, nämlich in Form zahlreicher Stimmen für eine Option, die ich gar nicht zur Abstimmung gestellt hatte. Man hätte es ahnen können: Das Publikum fordert energisch die Fortsetzung der Saga um die eingekerkerte Nonne! Dem kann ich mich natürlich nicht verschließen; eigentlich müsste ich zwar erst mal "Shopping-Queens und Horsefluencerinnen" fertigstellen, aber wenn es damit weiter so schleppend voran geht, erwäge ich, die fällige 18. Folge der "eingekerkerten Nonne" vorzuziehen. Andernfalls kommt sie danach dran, und dann erst die Artikelthemen, um die es eigentlich in der Umfrage ging. Hier ist das Thema "'Zeitgemäße' oder 'überzeutliche' Liturgie?" unerwartet deutlich auf Platz 1 gelandet; es erscheint mir auch tatsächlich sinnvoll, das Liturgie-Thema vor dem Predigt-Thema ("Predigt als Information und 'call to action'") zu behandeln, das – mit zwei Stimmen Vorsprung vor "Die Rosenstolz-Verschwörung" – auf Platz 2 gelandet ist. Nochmals zwei Stimmen weniger hat "Der Pillenpapst und die B-Bombe" erhalten, schade eigentlich, aber früher oder später werden wir auch dazu kommen. Irgendwo zwischendrin müssen dann auch das Dossier "Warum eigentlich 'Punkpastoral'?" und die Rezension zu "Lola macht Schlagzeilen" an die Reihe kommen, und die Artikelserien "God Gave Rock'n'Roll To You" und "Die 100-Bücher-Challenge" warten ebenfalls noch auf Fortsetzung. Zeit müsste man haben...!