Samstag, 16. September 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #47

Servus, Freunde! Eigentlich wäre dieses Wochenbriefing ja schon am Donnerstagabend "dran" gewesen, und es sah auch lange Zeit danach aus, als würde ich diese Deadline einhalten können; aber von Donnerstag Mittag bis Freitag gegen Abend kam ich dann aus familiären Gründen zu absolut gar nichts, nicht einmal dazu, wie vor drei Wochen eine "Verspätungsnotiz" zu veröffentlichen. Ich sollte dazu erwähnen, warum ich den Veröffentlichungszeitpunkt für das Wochenbriefing bei der Wiederaufnahme dieses Artikelformats vor einem halben Jahr überhaupt ausgerechnet auf "Donnerstag 18 Uhr" gelegt hatte: Das hatte mit den Arbeitszeiten meiner Liebsten zu tun gehabt. Ihren Arbeitszeiten im vorigen Schuljahr, wohlgemerkt. Im neuen Schuljahr sehen diese Arbeitszeiten erheblich anders aus, und die Schulschlusszeiten des Tochterkindes bringen noch zusätzlich Bewegung in den Tagesablauf; vielleicht wäre ich unter diesen Umständen besser beraten, den festen Veröffentlichungszeitpunkt für das Wochenbriefing auf den Sonntag zu legen. Ich werde es erwägen! Nun aber erst mal dazu, was die zurückliegende Woche gebracht hat...


Spandau oder Portugal 


Ich hatte es schon angekündigt: Am Sonntag war in St. Stephanus Haselhorst Kirchweihfest. Im Garten. Auch die Messe wurde im Garten gefeiert, unter einem großen Zeltdach. Hauptzelebrant war der leitende Pfarrer der Großpfarrei Heilige Familie, der örtliche Pfarrvikar konzelebrierte und predigte. Als Lesungstexte wurden nicht die vom 23. Sonntag im Jahreskreis, sondern aus der Liturgie für Kirchweihfeste gewählt; dazu gehörte als 1. Lesung die Passage aus dem Propheten Ezechiel mit dem heilenden Wasser, das über die Schwelle des Tempels ins Land hinaus fließt (Ez 47,1-2.8-9.12) – eine Bibelstelle, die nicht ohne Grund auch im Epilog-Kapitel der #BenOp eine zentrale Rolle spielt. Ich wünschte, ich könnte die Predigt unseres Pfarrvikars über diesen Text genauer wiedergeben; im Kern ging es jedenfalls darum, dass die Kirche der Ort sei, an der der Christ durch Wort und Sakrament dazu befähigt, ja geradezu dazu ausgerüstet wird, vor der Welt Christus nachzufolgen und Zeugnis von der Liebe abzulegen, die er erfahren hat. Das ist sicherlich nichts, was man nicht schon mal gehört hätte, aber andererseits kann es einem eben auch nicht oft genug gesagt werden. – Ein Detail aus der Predigt, das bei mir hängen geblieben ist, möchte ich hier noch festhalten: Im Zusammenhang mit dem Thema "Die Kirche als Braut Christi erwähnte der Pfarrvikar, er habe "noch nie eine Hochzeit mit einer hässlichen Braut erlebt. Das gibt es nicht – denn eine Braut ist schön, weil sie geliebt wird." 

Musikalisch wurde die Messe übrigens von einer kleinen Gospelgruppe mitgestaltet, die mich – ohne das irgendwie bewerten zu wollen oder es gar despektierlich zu meinen – dazu anregte, über die typische Altersstruktur von Gospelchören in deutschen Pfarrgemeinden zu sinnieren. Es scheint mir, dass der harte Kern dieser Ensembles in der Regel aus Leuten besteht, die jung waren, als Gospels und Spirituals das neue große Ding in der katholischen Kirchenmusik hierzulande waren. Damals, so darf man unterstellen, haben sie sich für diese Musik begeistert, und diese Begeisterung trägt bis heute. Zu fragen wäre, warum sie sich nicht so recht auf jüngere Generationen überträgt – was ich, der ich anno 1996 bei einem fulminanten Gospelkonzert der (evangelischen) St.-Hippolyt-Kantorei in Nordenham-Blexen mitgesungen habe, durchaus schade finde. Mein Eindruck ist jedenfalls, dass Gospelchöre tendenziell noch größere Nachwuchsprobleme haben als "klassische" Kirchenchöre. Woran mag das liegen? 

– Aber das mal nur am Rande; kommen wir mal zum geselligen Teil des Gemeindefests: Für das leibliche Wohl sorgten der Sozialdienst katholischer Männer mit einem Grillstand, die Kolpingsfamilie mit einem Kuchen- und Getränkestand (hierzu steuerten wir einen Kuchen bei, den ich noch am Abend zuvor zusammen mit den Kindern gebacken hatte) und die Pfadfinder mit Erbsensuppe und Stockbrot; und es wurde auch eine ganze Menge Programm geboten, besonders für Kinder: Es gab eine Hüpfburg, Kistenklettern, einen Trommelworkshop (an dem unsere Kinder diesmal leider nicht teilnehmen konnten; na, ein andermal wieder), und die Wichtelgruppe stellte sich mit einer Schatzsuche vor. Da dies meine erste größere Bewährungsprobe als Wichtelgruppenleiter war, werde ich darauf weiter unten noch gesondert eingehen. 

Die Atmosphäre war insgesamt locker und freundlich und unterschied sich wohltuend von derjenigen bei manchen anderen Gemeindeveranstaltungen, die ich an anderen Orten erlebt habe. Am Rande führte ich einige gute Gespräche – über die Wichtelgruppe, über den Garten, über Emmaus-Wochenenden und über Glaubenskommunikation im Allgemeinen –; nur zu dem Projekt "Lobpreis mit dem Stundenbuch" gab es hier noch nichts Neues. 

Zum Abschluss des Fests wurde die Vesper gebetet – wiederum mit den Commune-Texten für Kirchweihfeste; die Psalmen wurden – was, wie ich glaube, eine charakteristische Eigenart des Neokatechumenalen Weges ist – zur Gitarre vorgetragen, in Vertonungen, die teils an spanische Folklore und teils an das Festival des politischen Liedes in der DDR erinnerten. Für mich ein klarer Fall von "nicht hundertprozentig mein Geschmack, aber hat was". 

Alles in allem, würde ich sagen, war es ein sehr schönes und gelungenes Gemeindefest, das mich in dem Gefühl bestärkt hat, dass wir in dieser Gemeinde "richtig sind". Demnächst steht dann wieder Arbeit in der Gemeinde und für die Gemeinde an: neue Termine der Wichtelgruppe, eine "Basisschulung Prävention", der Arbeitskreis Kinderwortgottesdienste... und beim Thema "Garten-AG" ist auch noch Handlungsbedarf. Aber à propos Wichtelgruppe: 


Aus meinem Wichtelbuch 

Den Beitrag der Wichtelgruppe zum Gemeindefest wollte ich ja, wie schon gesagt, noch etwas einlässlicher schildern. Der Gedanke, dass die noch im Aufbau befindliche Wichtelgruppe das Gemeindefest nutzen sollte, um sich vorzustellen und für sich zu werben, lag ja nahe; die Idee zu einer Schatzsucher kam vom  Gemeindereferenten, der zugleich auch der Leiter der Pfadfindergruppe ist; bei der konkreten Ausgestaltung ließ er mir jedoch freie Hand. Anfangs fiel mir nicht viel dazu ein bis auf die Tatsache, dass ich vor einigen Wochen in einer Comic-Zeitschrift meiner Tochter eine Bastelanleitung für Wichteltüren entdeckt hatte; dann sagte ich mir, ich hätte bei den Kinderbibelwochen der EFG The Rock Christuskirche doch einige brauchbare Grundregeln für die Gestaltung und Anleitung von Geländespielen aufgeschnappt; und innerhalb einiger Tage setzte sich so in meinem Hinterstübchen das Konzept für die Wichtel-Schatzsuche zusammen. 

Kurz und simpel erklärt, ist diese Schatzsuche so aufgebaut, dass die teilnehmenden Kinder – gemeinsam als Gruppe, wohlgemerkt – nacheinander mehrere im Garten versteckte Wichtelfiguren finden müssen; jedesmal, wenn sie einen Wichtel gefunden haben, müssen sie ihn zunächst zum Startpunkt der Suche bringen, wo er – mit meiner Stimme – einen Hinweis auf das Versteck des nächsten Wichtels gibt. Zuletzt finden sie den Wichtelkönig, und der gibt dann einen Hinweis auf das Versteck des Schatzes (eines Beutels voller Süßigkeiten). 

Das Basteln der Wichtelfiguren delegierte ich an meine Co-Leiterin und ihre Tochter: 

Derweil bastelte ich mit meiner Liebsten und unseren Kindern die Wichteltüren. 

Und so sahen dann einige der Verstecke aus: 


Empfehlenswert ist es, beim Auskundschaften von Versteckmöglichkeiten mit dem zu arbeiten, was man vorfindet. Hier zum Beispiel ein Insektenhotel.

Der Wichtelkönig residierte stilecht in einem Hünengrab. 

Unter dem Strich freue ich mich sagen zu können, dass die Wichtel-Schatzsuche prima klappte und alle Beteiligten Spaß daran hatten. Mehr noch, ich hätte Lust, so etwas mal wieder zu machen. Die Wichtelfiguren und die Türen haben wir ja jetzt schon mal... 


Währenddessen in Tegel 

Das Projekt "Religiöse Frühförderung für den Jüngsten" trägt bereits bemerkenswerte Früchte: Am Fest Mariä Geburt, vorletzten Freitag, fragte ich meinen Sohn – nachdem wir gemeinsam seine große Schwester zur Schule gebracht und dann wieder zurück nach Tegel gefahren waren –, was er jetzt machen wolle, und er erklärte prompt, er wolle "zur Kirche und eine Kerze anzünden". Wir steuerten also die Pfarrkirche Herz Jesu Tegel an, die ja tagsüber öffentlich zugänglich ist; aber dort eine Kerze anzuzünden, erwies sich als nicht ganz so einfach wie erwartet, denn als wir die Kirche betraten, brannte am Opferkerzenständer keine einzige Flamme, und Streichhölzer oder ein Feuerzeug lagen dort auch nicht aus (vermutlich aus Sicherheitsgründen). Nun war ich aber nicht gewillt, einfach aufzugeben. "Weißt du was?", sagte ich zu meinem Jüngsten. "Wir haben jetzt einen Auftrag. Eine Mission. Wir müssen erst mal Feuer besorgen." Er freute sich, und wir zockelten los. 

Vielleicht hätten wir die Suche nach einer Feuerquelle etwas abenteuerlicher gestalten können, als wir es dann tatsächlich taten – das ist eine Überlegung, die mich in meiner Eigenschaft als Wichtelgruppenleiter durchaus beschäftigt –, aber letzten Endes kauften wir an einem Kiosk in der Fußgängerzone ein Einwegfeuerzeug und gingen damit zur Kirche zurück, nur um feststellen, dass in der Zwischenzeit schon jemand anderes zwei Lichter auf dem Opferkerzenständer entzündet hatte. Das hielt uns indes nicht davon ab, noch ein bisschen "ehrenamtlichen Küsterdienst" zu leisten: Wir räumten ausgebrannte Opferlichthüllen weg, entzündeten je eine Kerze zu den Füßen der St.-Antonius- und der St.-Josefs-Statue neben dem Haupteingang, vor der Pietà und auch noch eine weitere auf dem allgemeinen Opferkerzenständer. "Und jetzt ein bisschen beten?", fragte ich meinen Sohn, als wir damit fertig waren, und er erwiderte: "Mit Musik!" – Na gut, "zufällig" hatte ich meine mobile Lautsprecherbox immer noch dabei; aus Rücksicht darauf, dass es in Herz Jesu erfahrungsgemäß erheblich mehr "Publikumsverkehr" gibt als etwa in St. Joseph Tegel, machte ich die Musik nicht so laut und wählte betont dezente Musikstücke aus: eine nur leicht "poppig" arrangierte Version von "Gott ist gegenwärtig" und den Lobpreis-Klassiker "Ich will dich anbeten" ("Here I am to Worship"). Zwei Lieder waren dem Junior dann auch genug, danach sprach ich noch das Tagesgebet zum Fest Mariä Geburt, und dann zogen wir unserer Wege. 

Am Dienstag (Mariä Namen) äußerte der Jüngste erneut den Wunsch, in der Kirche eine Kerze anzuzünden, was diesmal ohne Komplikationen möglich war; als er danach aber wieder wollte, dass ich Musik anmache, bekam ich doch Bedenken, da wir nicht allein in der Kirche waren. Schließlich hatte ich aber die rettende Idee: Ich kramte meine Bluetooth-Kopfhörer hervor, steckte ihm den linken, mir den rechten ins Ohr und ließ über mein Handy Musik laufen, die bei der MEHR in die Kategorie "ruhiger Lobpreis" eingeordnet worden wäre. Der Gesichtsausdruck meines Jüngsten, als er die Musik direkt ins Ohr bekam, war absolut unbezahlbar. 

Am Mittwoch war einerseits der Gedenktag des Hl. Johannes Chrysostomus (s.u. "Aus dem Stundenbuch"), andererseits aber auch mein Namenstag, und wie schon vorige Woche ging ich mit meinem Jüngsten in St. Marien Maternitas zur Messe – nicht etwa, weil ich eine besondere Vorliebe für diese Kirche hätte, sondern einfach deshalb, weil in den anderen mir bekannten Kirchen in unserer Ecke Berlins die Werktags-Vormittags-Messen schlichtweg zu früh anfangen, als dass wir da noch pünktlich hinkommen würden, nachdem wir die Große zur Schule gebracht haben. Wir hatten das Glück, wieder denselben Zelebranten zu "erwischen", dem wir das so ausgesprochen positive Gottesdiensterlebnis in der vorigen Woche verdankten; der Toleranztest für die Gemeinde erreichte dennoch ein neues Level, ohne dass wir das direkt so beabsichtigt hätten: Kurz nach Beginn der Lesung erklärte der Knabe nachdrücklich, er wolle raus; wie sich zeigte, war seine Windel voll, und da die Tür des Gemeindehauses offen stand, ging ich da kurz entschlossen hinein und fragte nach einer Möglichkeit zum Windelwechseln. Pünktlich zum Eucharistischen Hochgebet waren wir zurück in unserer Kirchenbank; da ich aber bei unserem Abstecher ins Gemeindehaus registriert hatte, dass da eine Frühstückstafel für die Gemeinde gedeckt wurde, beschlossen der Junior und ich kurzerhand, auch noch zum Gemeindefrühstück zu gehen. War nett. 

Am Donnerstag, dem Fest Kreuzerhöhung, verschlug es meinen Jüngsten und mich eher zufällig in die Nähe des Augustinerklosters St. Rita, das ebenfalls zur Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd gehört, also statteten wir der dortigen Kapelle einen Besuch ab – und da mein Jüngster auch hier wieder forderte "Musik anmachen!", dachte ich mir, och, man könnte ja mal wieder einen kleinen Probelauf für das Projekt "Lobpreis mit dem Stundenbuch" wagen. Ich betete also die Terz vom Tage vor, wobei ich den Hymnus durch ein Lobpreislied ("El Shaddai" von Johannes Hartl & Friends) ersetzte und den dritten Psalmabschnitt ebenfalls ("So groß ist der Herr"). Erst während des zweiten Liedes fiel mir auf, dass ein Fenster der Kapelle offen stand – ein Fenster zur Straße, wohlgemerkt –, sodass eventuelle Passanten die Andacht gehört haben könnten, auch wenn ich die Musik bewusst nicht allzu laut gemacht hatte. Nun ja, der Mensch denkt und Gott lenkt. 

Pietà in der Kapelle von St. Rita

Im Anschluss an unsere Andacht stellten wir übrigens fest, dass das das Augustinerkloster auch ein Büchertauschregal betreibt. Der vergleichsweise hohe Anteil theologischer Bücher (im weitesten Sinne) vermittelte mir den Eindruck, dass die Klosterbrüder dieses Regal vorrangig zur Reduzierung ihres eigenen Bücherbestands nutzen; zu dem Umstand, dass ziemlich viele dieser Bücher auf mich einen ziemlich, sagen wir mal, heterodoxen Eindruck machten, könnte man einwenden "Na ja, immerhin sind das die Bücher, die aussortiert wurden", aber ehrlich gesagt entspricht das Spektrum dieser Bücher ziemlich genau meinen Vorstellungen davon, "was alternde Geistliche im Deutschland so lesen". Die Zustände in der Kirche hierzulande sind ja nicht von ungefähr so, wie sie sind. – Als ich in diesem Regal jedoch ein Buch von Horst Evers entdeckte, das ich noch nicht kannte – "Der König von Berlin" –, dachte ich mir doch "Och, nehm' ich mit"; und wo ich schon mal dabei war, beschloss ich, auch einer schönen Fraktur-Ausgabe von Fritz Reuters "Ut mine Stromtid" ein neues Zuhause zu geben. Für meine Tochter, das frischgebackene Schulkind, nahm ich "Conni-Geschichten zum Lesenlernen" mit, der Kleene hingegen entschied sich für "Der neue Klassenkampf" von Slavoj Žižek. Daraus würde ich aber keine allzu weitreichenden Schlüsse ziehen: Offensichtlich gefiel ihm einfach der knallig gestaltete Einband. 


Neues aus Synodalien 

Nur ganz kurz diesmal, und nur damit diese Rubrik nicht wieder komplett ausfällt: Das Zentrum für angewandte Pastoralchemie, äh, -forschung, in Bochum (kurz ZAP – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Punk-Fanzine) hat eine "Aerothek" entwickelt, die "Duftkreationen zum bundesweiten Einsatz in Kirchenräumen anbietet". Äh. Aha. Stellen wir hierzu zunächst die klsssische Frage "Und was soll das?" ZAP-Mitarbeiter und Innovationsberater Björn Hirsch ist um eine Antwort nicht verlegen

"Der Geruchssinn, so sagt es die moderne Riechforschung, ist der einzige Sinn, der direkt und unmittelbar Erinnerungen und Emotionen weckt. Riecht es in einem Raum beispielsweise wie in der Küche der Großmutter, wird man sofort in 'die gute alte Zeit' zurückversetzt. Gleich entstehen Bilder im Kopf, wie es dort früher ausgesehen hat, wie liebevoll die Oma war und was wir im Laufe des Lebens mit ihr erlebt haben." 

Okay, die Assoziation "Kirche = Oma" kann ich noch irgendwie nachvollziehen; aber wenn es darum geht, über den Geruchssinn Erinnerungen zu evozieren, wieso erfindet man dazu dann neue Düfte? Wäre der gute alte Weihrauch da nicht zielführender? Hören wir abermals Björn Hirsch: "Immer mehr Menschen haben keinen Kontakt mehr zur Kirche. Sie sind bestimmte Kirchengerüche wie Weihrauch einfach nicht mehr gewohnt und lehnen sie daher tendenziell ab." Aha. Ach so. Verstehe. Nicht. – Jedenfalls haben (und ich betone, ich denke mir das NICHT aus!) "Riechforscher, Parfumeure und Theologen" mittels der "Methode des sogenannten Moodboarding" vier neue Düfte für das Kirchenjahr entwickelt, nämlich PHYSIS für die Weihnachtszeit ("Ein Duft mit frischer Kopfnote basierend auf Orange und Mandarine, einer klaren warmen blumigen Herznote und einem reichhaltigen Fond mit holzigen Noten und Vanille", KENOSIS für Fasten- und Osterzeit ("Die Interpretation junger sprießender Blätter in der Natur, frische leichte Blumennoten unterlegt mit holzigen Noten mit Ambra  Moschus und Myrrhe"), DYNAMIS für Pfingsten ("Die Darstellung eines starken kräftigen Windes mit frischer angenehmer Kopfnote. Die Frische wird unterstützt durch die Basisnoten wo Moschus und Iso E Super mit Spuren von Patchouli, Leder und Tonka Konplexität bekommen") und schließlich PHRONESIS für den "Alltag" ("Sehr dezenter unaufdringlicher Duft mit den Hauptkomponenten Hedion für die transparente leichte Blumigkeit, Iso E Super als weiche runde holzige Note und klare helle Moschusnoten"). Das erste, was mir dazu einfiel, war die "SpongeBob Schwammkopf"-Folge, in der SpongeBob und Patrick auf dem Schiff des Fliegenden Holländers gefangen sind und versuchen, durch die Parfümabteilung zu fliehen: 

Das zweite, was mir einfiel, war, dass ich über mehr oder weniger tragikomisch anmutende Versuche, dem Gottesdienst eben jene sinnliche Qualität, die man ihm zuvor jahrzehntelang nach Kräften ausgetrieben hat, durch unbeholfene eigene Erfindungen wiederzugeben, schon vor Jahren gebloggt habe. Ich persönlich bleibe ja lieber bei Weihrauch und Bienenwachs, muss aber gleichzeitig auch sagen, unter den Bedingungen des "Schmutzigen Schismas" hätte es durchaus einen gewissen Charme, wenn man die im jeweiligen Kirchengebäude vorherrschende Glaubensrichtung zukünftig schon am Geruch erkennen könnte... 


Was ich gerade lese 

Immer noch die Schatzinsel. Was mich daran erinnert, dass ich neulich auf einem Fernsehschirm im Einkaufszentrum Kandesbunzler Scholz mit Augenklappe gesehen habe – und dachte: "Whut?" – Ich schaue ja sonst kein Fernsehen und interessiere mich auch sonst nicht so für Klatschgeschichten aus dem Privatleben sogenannter Prominenter, daher kriege ich sowas sonst nicht mit; ich hatte wohl kurz zuvor schon mal ein Foto von Scholz mit Augenklappe auf Facebook gesehen, hatte aber angenommen, das wäre ein Meme. Vielleicht war's auch wirklich eins, aber das heißt ja nicht zwingend, dass das Foto nicht echt war. Und nun sah ich ihn also in bewegten Bildern, am Rednerpult, wie er versuchte auszusehen wie eine Mischung aus Moshe Dayan und Mad-Eye Moody. Kopfschüttel. Die Welt der Nachrichten, oder was man so nennt, kommt mir mehr und mehr so vor wie eine Fernsehserie, deren Drehbuchschreibern schon seit mehreren Staffeln nichts Vernünftiges mehr einfällt, weshalb sie zu immer absurderen Plottwists Zuflucht nehmen. Fast rechne ich damit, dass es so kommt wie damals in Dallas, als der totgeglaubte Bobby Ewing plötzlich quicklebendig unter der Dusche stand: Man wacht auf, alles war nur ein Traum, und Kohl ist immer noch Bundeskanzler. Oder wenigstens Gerd Schröder. 


Aus dem Stundenbuch 

Viele Wogen und schwere Brandung ringsum, doch wir fürchten nicht, dass wir untergehn; denn wir stehn auf dem Felsen. Mag das Meer toben, es kann den Felsen nicht zerstören. Mögen sich die Wogen türmen, sie können das Schiff Jesu nicht verschlingen. Sag mir: Was sollten wir fürchten? Den Tod? "Für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn" (Phil 1,21). Oder Verbannung? "Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt" (Ps 24,1). Einziehung des Vermögens? "Wir haben nichts in die Welt mitgebracht, und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen" (1 Tim 6,7). Die Schrecken der Welt verachte ich, und ihre Annehmlichkeiten verlache ich. Armut fürchte ich nicht, und Reichtum begehre ich nicht. Ich fürchte nicht zu sterben und wünsche nicht zu leben, es sei denn zu eurem Nutzen. 

(Johannes Chrysostomus, Homilie vor seiner Verbannung) 


Ohrwurm der Woche 

Eddie Money: Take Me Home Tonight 


Ein kleiner #ParentHack am Rande: Ein erheblicher Stressfaktor in meinem Alltag ist es, dass die Kinder dazu neigen, beim Frühstück miteinander herumzublödeln oder sich zu streiten (beides geht gern nahtlos ineinander über), statt zu essen; und unlängst habe ich die Entdeckung gemacht, dass ich dieses Problem stark reduzieren kann, indem ich beim Frühstück Musik anmache. Neulich präsentierte ich meinen Kindern daher den obigen Hit aus meiner eigenen Kindheit – mit dem Erfolg, dass mein Jüngster den Song gleich nochmal hören wollte. Tja, und fertig war der Ohrwurm. 

Übrigens denke ich praktisch jedesmal, wenn ich dieses Lied höre, über die Textstelle "Just like Ronnie said: Be my little baby" nach, die sich natürlich auf den R&B-Klassiker "Be My Baby" von den Ronettes bezieht. Was ich mich dabei frage: Wurde der Song von vornherein in der Absicht geschrieben, daraus ein Duett mit der früheren Ronettes-Leadsängerin Ronnie Spector zu machen, oder kam im Laufe des Produktionsprozesses irgend jemand mit der Idee an den Tisch "Wäre es nicht cool, wenn man Ronnie Spector dazu kriegen könnte, den Vers 'Be my little baby' selbst zu singen?" – Die letztere Variante gefiele mir irgendwie besser; so gut, dass ich es lieber gar nicht genau wissen will... 


3 Kommentare:

  1. Daß bei der Hochzeit die Bräute immer schön sind, hat natürlich auch banalere Gründe, aber der erste von denen, vielleicht auch der zweite, sind ebenfalls toll.

    1. Bräute sind Frauen, und Frauen sind *sowieso* in ihrer überwältigenden Mehrheit schön

    Ganz besonders die jungen. Wobei es selbstverständlich auch eine Schönheit alter Frauen gibt, und zwar nicht nur die, die auf "physisch junggeblieben" hinausläuft... aber als junger Mensch hat man, da man weniger Leben hinter sich hat, schon allein rein probabilistisch gesehen weniger Gelegenheit gehabt, zu verbittern, und Verbitterung macht unschön.

    2. A fortiori sind die Bräute schön, die sich ja besonders herausgeputzt haben, und zwar nicht wie manche Mädels, die sich vor dem normalen Weggehen exzessiv zustreichen, sondern mit Verstand und in der Regel Beratung. Jetzt ist gerade Oktoberfest, da kann man in München wiedermal feststellen, daß in einem Dirndl so gut wie jede Frau, in einer Lederhose mit Leinenhemd (oder selbst Karohemd) so gut wie jeder Mann einfach gut aussieht. Manchmal sind Dinge ganz einfach. (Unter anderem deswegen dürfte die Tracht ja auch so beliebt sein; auch wenn ich hier natürlich dem ewigen Münchner Ceterumcenseo, daß sie *kein* Pflichtoutfit für Wiesngänger ist, doch zumindest eine Wiederholung gönnen muß.) Und wenn das schon für ein Dirndl gilt, wie sehr mehr dann für ein maßgeschneidertes Brautkleid.

    3. Damals, als das Heiraten zwar jede Frau wollte, aber nicht jede *schaffte*, zitierte Abraham a Sancta Clara ein italienisches Sprichwort: "Chi nasce bella, nasce maritata"... dann und wann, es ist wie gesagt die Ausnahme, sind ja auch Frauen nicht hübsch. Aber die dürften bei denen, die geheiratet werden, zumindest der Tendenz nach unterrepräsentiert sein...

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  2. Was für eine schöne Idee zur Schatzsuche - ich würde sie gern klauen, ich hoffe, ich darf! :-)
    Zum Thema - "...und alles war nur ein Traum!" - oh ja, das klingt nach vernünftiger Hypothese. Irgendwann demnächst dürfte Morpheus mit zwei Pillen auftauchen. :-)

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  3. Egidius

    Schade! Es hatte für mich bisher immer einen gewissen Anreiz, mit Ihnen - wenn auch kontrovers - in einen anregenden Austausch zu treten. Die kurze Passage über Bundeskanzler Scholz war dann allerdings mehrere Schubladen unter dem gewohnten Niveau. Der Mann (nicht meine Partei, auch mich nicht gerade begeisternd, aber) hat offenbar bei einem Sturz eine Augenverletzung erlitten und musste daher ein paar Tage einen Schutz tragen. Darüber eine Witzchenspirale zu verfassen, kommt der Gattung "Behindertenwitze" schon recht nahe. Haben Sie das nötig?

    Namensverdrehungen und entstellende bildliche Darstellungen Prominenter kenne ich sonst zur Genüge von dem österreichischen Entrüstungsportal kath.net. Vor allem die Beiträge von Herrn Dr. Franz Norbert Otterbeck sind ein unerträgliches Geschwurbel, intellektuell daherkommendes Wortgeklingel ohne wirklichen Inhalt außer Verhöhnung und Diffamierung. (Seine Beiträge "Otti's Optik", als es sie noch gab, hatten vergleichsweise sehr geringe Resonanz bei den Lesern.) Ich hoffe, dass Sie solches Niveau nicht auch anstreben und sich demnächst das eine oder andere Witzchen auf Kosten anderer verkneifen.

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