Donnerstag, 27. April 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #27

Eine neue Woche, ein neues Wochenbriefing! Bevor ich dazu komme, was es alles Neues gibt, möchte ich die Gelegenheit nicht versäumen, mich bei allen Lesern zu bedanken, die Woche für Woche Anteil am Wohl und Wehe meiner kleinen Familie nehmen. Ich bin manchmal richtig gerührt, festzustellen, dass neben all den kirchen- und gesellschaftspolitischen Themen, den Buchkritiken und Musikempfehlungen gerade auch das, was ich "aus dem Privatleben" berichte, auf echtes Interesse stößt; und daher ist es wohl auch nicht unbedingt schlimm, dass ich aus der zurückliegenden Woche keine besonders sensationellen Ereignisse zu schildern habe. Es gibt allerdings Anzeichen dafür, dass das nächste Woche schon ganz anders aussehen könnte... 


Tagesreste 

Am Freitag musste meine Liebste wegen des Bahnstreiks nicht zur Arbeit, schönes Wetter war auch, und so verbrachten wir als Familie einen großen Teil des Tages auf verschiedenen Spielplätzen; am Samstag war das Wetter sogar noch schöner, und wir taten im Wesentlichen dasselbe. Am Sonntag war das Tochterkind dann morgens derart schwer aus dem Bett zu kriegen, dass wir uns schließlich sagten: Selbst wenn wir jetzt einen super-hektischen Aufbruch hinlegen, um es noch pünktlich zur Messe in St. Joseph Siemensstadt zu schaffen, besteht erfahrungsgemäß die Gefahr, dass uns beim Umsteigen der Anschlussbus vor der Neese wegfährt und wir es doch nicht schaffen. Da frühstückten wir lieber erst mal und gingen dann in die Mittagsmesse in St. Joseph Wedding

In dieser Kirche, die während des Umbaus von St. Hedwig temporär die Funktion der Kathedrale des Erzbistums Berlin erfüllt, waren wir zuvor noch nie gewesen; sie liegt in ominöser Nähe des Kurt-Schumacher-Hauses der Berliner SPD, des "Prime Time Theaters", in dem seit 2004 die Bühnensitcom "Gutes Wedding, schlechtes Wedding" gespielt wird, aber auch des Baumhauses und ist äußerlich eher unauffällig, im Inneren aber durchaus imposant. Wenn man über das Fehlen von Ministranten sowie über den Umstand hinwegsieht, dass der Zelebrant – ein ungenannter Domkapitular – die Kommunion trotz der offiziellen Aufhebung sämtlicher Corona-Schutzmaßnahmen ausschließlich in die Hand spendete, war die Messe schön und feierlich; und zum Evangelium dieses Sonntags (Johannes 21,1-14, die Begegnung mit dem  auferstandenen Christus am See Tiberias) habe ich sogar so etwas ähnliches wie einen Predigtimpuls auf Lager: Der Rat des Auferstandenen an die Jünger, die bei ihrem Fischzug nichts gefangen haben, sie sollen noch einmal hinausfahren und das Netz an der anderen Seite auswerfen, wird ja gern dahingehend ausgelegt, wenn die gute alte "Das haben wir schon immer so gemacht"-Methode keinen Erfolg mehr habe, müsse man halt mal was Anderes ausprobieren; und das ist als allgemeine Lebensweisheit ja auch sicherlich nicht verkehrt. Wenn diese Bibelstelle allerdings von kirchenpolitisch "progressiver" Seite herangezogen wird, um Innovation gegen Tradition auszuspielen, scheint mir doch etwas Wesentliches übersehen zu werden: nämlich, dass der Rat des Auferstandenen aus der Sicht erfahrener, ihr Handwerk von der Pike auf gelernt habender Fischer so unsinnig wirkt – und sie ihn trotzdem befolgen. Man könnte daraus schließen, es gehe darum, Christus mehr zu gehorchen und mehr zu vertrauen als der eigenen Kompetenz, der eigenen fachlichen Qualifikation und Erfahrung. Und das ist ja nun, so viel wird man wohl sagen dürfen, nicht gerade eine große Stärke des deutschen Gremien- und Verbandskatholizismus. 

Das Tochterkind hat auf diesem Andachtsbild zum Evangelium vom Tag ein bemerkenswertes Detail entdeckt: Auch die Jünger tragen die Stigmata Jesu an ihren Händen. 

Am Montag war mal wieder "Omatag"; das Highlight des Tages bestand darin, dass die Goldfische der Omas aus dem Aquarium in den Gartenteich umgesetzt wurden. Am Dienstag fabrizierte unser Jüngster einen filmreifen Sturz von einem Klettergerüst, woraufhin ich ihn erst einma zu einem Arzt brachte; die Untersuchung ergab aber, dass er außer einer wirklich imposanten Beule an der Stirn keinen weiteren Schaden genommen zu haben scheint, Gott sei Dank. Am Mittwoch, also gestern, gingen wir wie üblich zum JAM, wo es in der Katechese diesmal um die Jünglinge im Feuerofen (Daniel 3) ging, und im Anschluss fuhr ich zum zweiten Vorbereitungstreffen für die Spandauer Fronleichnamsfeier (dazu weiter unten mehr). Und am heutigen Donnerstag hat meine Liebste keinen Unterricht und ist daher mit den Kindern in den Tierpark gefahren, sodass ich mich in aller Ruhe meinem Blog und meinen sonstigen schriftstellerischen Projekten widmen kann. 

Die Rubrik "Währenddessen in Tegel" fällt erneut aus – da wird's wohl nächste Woche umso mehr zu berichten geben, denn am Montag ist in St. Joseph Tegel Patronatsfest, und da muss ich wohl mindestens mit dem Tochterkind hin, denn die haben eine Hüpfburg. Diese Woche gibt es stattdessen eine neue Folge von  


Spandau oder Portugal 

Hierzu gibt es zweierlei zu vermelden, und beides betrifft nicht Portugal, sondern Spandau. Zum einen machen die schon vor einigen Wochen angesprochenen Pläne für die Gründung einer an die Katholischen Pfadfinder Haselhorst angegliederten "Wichtelgruppe" (für Kinder im Alter von 4-7 Jahren) konkrete Fortschritte: Für Mai und Juni sind drei "Schnupperstunden" angesetzt worden, und meine Liebste hat es übernommen, einen Flyer zu gestalten – hier ein Entwurf (datenschutzrelevante Details habe ich unkenntlich gemacht): 



Nicht unerwähnt lassen möchte ich in diesem Zusammenhang übrigens, dass just heute ein von mir verfasster Artikel über die Katholischen Pfadfinder Haselhorst in der Tagespost erschienen ist. Jetzt bin ich mal gespannt auf die Resonanz. – Und zum zweiten war ich, wie oben schon erwähnt, gestern beim zweiten Vorbereitungstreffen für die gemeinsame Fronleichnamsfeier der Spandauer Pfarreien. Die Sitzung fand erneut im Gemeindehaus von Maria, Hilfe der Christen statt, und hatte fast doppelt so viele Teilnehmer wie die erste; dafür gab es, wie mir schien, umso weniger zu besprechen: Im Großen und Ganzen ist die Planung unter Dach und Fach, die Details zur Gestaltung der einzelnen Prozessionsstationen sollen in Kleingruppen ausgearbeitet werden. Ein anekdotisches Detail der gestrigen Sitzung sei aber noch zu Protokoll gegeben: Mit Blick auf die angekündigte Teilnahme des Erzbischofs an der Feier erwähnte der gastgebende Pfarrer, eigentlich hätte Erzbischof Koch auch schon die Festmesse zum Jubiläum "300 Jahre katholische Kirche in Spandau nach der Reformation" mit den Spandauern feiern wollen, sei aber kurzfristig verhindert gewesen "und stattdessen kam dann Prälat Dybowski" – worauf eine ältere Dame spontan einwarf "Der ist ja auch lustiger." 

Die Sitzung war jedenfalls schon nach 45 Minuten vorbei, und danach zeigte mir der gastgebende Pfarrer mir noch den Garten und erzählte mir allerlei über die Geschichte der alten Spandauer Hauptpfarrei, das zur Kirche gehörende Gebäudeensemble und anstehende Aufgaben in der neuen Großpfarrei Heilige Familie. Ich sag mal: Bloggerrelations kann er. 

Neues aus Synodalien 

Wirklich große Neuigkeiten zum Thema dieser Rubrik wird's wohl erst in der nächsten Woche geben: Just jetzt, da dieses Wochenbriefing online geht, bin ich auf dem Weg nach Falkensee, um – Ausgerechnet am Gedenktag des Hl. Petrus Canisius – an der schon vorige Woche angekündigten Veranstaltung "Synodaler Weg – Wie weiter in Bistum und Pfarrei?" der Gruppe "Synodale Gemeinde/Maria 2.0 in der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland" teilzunehmen. Bis dahin nur mal ein paar Schlaglichter: 

  • Kommt Erzbischof Gänswein doch zurück nach Deutschland? In der argentinischen Zeitung La Nación war zu lesen, der Papst habe Gänswein eine Rückkehr in seine Heimatdiözese Freiburg nahegelegt. Das ist nun vorläufig nicht viel mehr als ein Gerücht und sagt noch nicht zwingend etwas über seine weitere Verwendung im kirchlichen Dienst aus, eröffnet aber Raum für allerlei Spekulationen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis auf den Privatsekretär des Hl. Johannes Paul II., Stanisław Dziwisz, der nach dem Tod "seines" Papstes ebenfalls in seine Heimatdiözese Krakau zurückgekehrt sei. Nun ja, das stimmt, aber Dziwisz wurde dann noch im selben Jahr Erzbischof von Krakau, und es ist wohl kaum davon auszugehen, dass Gänswein Erzbischof von Freiburg werden soll, zumal diese Position nicht vakant ist und es in absehbarer Zeit wohl auch nicht werden wird. Und selbst wenn sich das änderte, etwa dadurch, dass der jetzige Freiburger Erzbischof Burger eine neue Aufgabe bekäme, erscheint es schwer vorstellbar, dass das Freiburger Domkapitel Gänswein wählen würde. Soweit ich sehe, gehen die meisten Beobachter davon aus, dass der Papst Erzbischof Gänswein in eine Art vorläufigen Ruhestand versetzt habe; dafür, dass das dauerhaft so bliebe, ist Gänswein allerdings nach kirchlichen Maßstäben eigentlich noch zu jung – nämlich genauso alt wie Kardinal Woelki und jünger als die derzeitigen Erzbischöfe von München und Berlin. Möglich ist indes auch, dass erst der nächste Papst über eine neue Aufgabe für Erzbischof Gänswein entscheiden wird: In jüngster Zeit mehren sich recht auffällig die Stimmen, die damit rechnen, dass wir noch in diesem Jahr ein neues Konklave erleben werden. Schauen wir mal... 
  • Am Montagabend war die Website häretisch.de vorübergehend "down", infolge technischer Probleme, wie es hieß. Der Ausfall der Seite war leider nur von kurzer Dauer, rief aber einige bemerkenswerte Reaktionen auf Facebook hervor. "Eine der besten Nachrichten seit langer Zeit", kommentierte da jemand und erntete damit zahlreiche "Likes"; die Information, die technischen Probleme seien behoben und die Seite wieder online, wurde mit "Schaaade" und "Wir haben euch nicht vermisst" kommentiert. Andere Nutzer orakelten, womöglich steckten der Vatikan oder gar Maria 1.0 hinter dem temporären Ausfall der Seite. Diese Bemerkungen waren zwar deutlich als "scherzhaft gemeint" zu erkennen, aber auch so sagt das ja einiges darüber aus, wie diese Seite selbst von ihren Fans wahrgenommen wird. 
"44 Prozent ist nicht ganz klar, daß derzeit noch immer der Vatikan die römisch-katholischen Bischöfe einsetzt. 
Und der Vatikan ist gerade angepisst wegen dem Synodalen Weg. 
Die Folge wäre also, daß in sämtlichen deutschen Bistümern nur Apparatschiks und Kolonialherren eingesetzt würden, um die 'Schäfchen' wieder auf Gehorsam zu trimmen." 
Na das möchte ich ja mal erleben, dass der Vatikan in Deutschland Bischöfe einsetzt, die "die 'Schäfchen' wieder auf Gehorsam trimmen"! Mal abgesehen davon, dass diese Äußerung eher wenig Kenntnis der in Deutschland geltenden Regeln für die Einsetzung von Bischöfen verrät, ist es schon sehr bezeichnend, dass eine bestimmte Klientel innerhalb des deutschen Katholizismus lieber Bischöfe im Amt halten will, die sich im Umgang mit Missbrauchsfällen kompromittiert haben, als zu riskieren, dass jemand Lehramtstreues an ihre Stelle treten könnte. Könnten wir dann vielleicht bitte mal aufhören, so zu tun, als hätte der Schismatische Weg irgend etwas mit der Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch zu tun? 

Was ich gerade lese 

In der zurückliegenden Woche habe ich mich bemüht, meine in letzter Zeit etwas vernachlässigte Lektüre zu Studienzwecken wieder aufzugreifen, was vorrangig bedeutet, dass ich den Dokumentationsband zum Katholikentag 1968 abermals zur Hand genommen habe. Zuletzt habe ich mich da durch einen Vortrag zum Thema "Die Bedeutung der außerparlamentarischen Opposition für das gesellschaftspolitische Wirken der katholischen Verbände", mitsamt einer Zusammenfassung der anschließenden Publikumsdiskussion, durchgequält. Theoretisch könnte man sich unter dem Thema ja etwas durchaus Interessantes vorstellen, aber tatsächlich ist es eher bizarr. Was der Referent – Wolfgang Beitz, damals Vorsitzender der ein paar Jahre später bei den deutschen Bischöfen in Ungnade gefallenen und aufgelösten Katholischen Deutschen Studenten-Einigung (KDSE) – über die philosophischen und Ideologischen Grundlagen der Studentenbewegung ausführt, ist nicht nur offensichtlich zu hoch für sein Publikum, sondern zuweilen beschleicht den geneigten Leser der Verdacht, auch Beitz selbst tue nur so, als wüsste er, wovon er redet; und auf die Frage, wie sich dies nun zum Selbstverständnis und den Aufgaben der katholischen Verbände verhalte, gibt es nur sehr vage Antworten. Als zeitgeschichtliches Dokument hat der Vortrag samt Diskussion aber zweifellos seinen Wert. Man gewinnt den tragikomischen Eindruck, die katholischen Verbandsfunktionäre, zu denen Beitz spricht, lebten auf einem ganz anderen Planeten als dem, auf dem die Studentenrevolte von 1967/68 stattfand, und je mehr sie sich im Sinne der berühmten Anfangsworte der Konstitution "Gaudium et Spes" um eine Öffnung gegenüber der säkularen Gesellschaft bemühen, desto augenfälliger wird es, wie fremd sie dieser gegenüberstehen. Ich möchte behaupten, zu einem gewissen Grad ist dieses Phänomen in den Restbeständen der volkskirchlichen Strukturen auch heute noch anzutreffen. – Ich hoffe sehr, dass der Dokumentationsband im weiteren Verlauf noch interessantere Beiträge zu bieten haben wird; darüber hinaus werden Recherchen für anstehende Blogartikel (siehe unter "Blogvorschau") es wohl erforden, dass ich demnächst ein paar Passagen aus "Das Trojanische Pferd in der Stadt Gottes" von Dietrich von Hildebrand und "Das deutsche Konzil" von Manfred Plate nachlese – und darüber hinaus vielleicht auch mal in den offiziellen Dokumentationsband zur Würzburger Synode reinschauen. 

Was das Thema Bettlektüre angeht, muss ich wohl mal etwas zu den Buchreihen "Sternenschweif" und "Sternenfohlen" sagen, die beide unter dem Autorennamen Linda Chapman erscheinen und von denen ich dem Tochterkind in der zurückliegenden Woche je einen Band vorgelesen habe. Was soll ich machen, meine Tochter steht nun mal auf Einhörner. Hauptfigur der Reihe "Sternenschweif" (Originaltitel "My Secret Unicorn") ist ein Mädchen namens Laura, das mit seinen Eltern und einem jüngeren Bruder (in späteren Bänden kommt noch ein Baby hinzu) auf einer Farm lebt; mit Hilfe eines geheimnisvollen alten Buches kommt Laura dahinter, dass ihr unscheinbares graues Pony Sternenschweif in Wirklichkeit ein magisches Einhorn vom Planeten Arkadia ist und sie es temporär in seine wahre Gestalt verwandeln kann, dies aber streng geheim halten muss, selbst vor ihrer Familie und ihren besten Freundinnen. Ist diese Handlungsprämisse schon ziemlich gaga, ist die der Spin-Off-Serie "Sternenfohlen" (Originaltitel "Unicorn School") sogar noch bekloppter: Diese spielt komplett in der Einhornwelt Arkadia und schildert den Schulalltag einer Gruppe von Einhornfohlen auf einem Internat. Was mich an dieser Buchreihe besonders ärgert, ist der Umstand, dass die Handlung der einzelnen Bände mit lediglich oberflächlichen Änderungen ebensogut an einem normalen Internat mit menschlichen Schülern spielen könnte und der ganze Magie- und Einhorn-Kram somit im Grunde bloß Staffage ist. Und eine reichlich unplausible obendrein, denn da Pferde bzw. Einhörner nun mal keine greiffähigen Hände, geschweige denn Daumen, haben, benötigen sie für alle möglichen alltäglichen Verrichtungen, die ein Mensch per Hand erledigen könnte, magische Fähigkeiten. – Kurz und gut, ich bin nicht gerade ein Fan dieser beiden Serien, aber andererseits finde ich sie nicht sooo schlecht, dass ich einen Grund sähe, mich zu weigern, sie meiner Tochter vorzulesen. Ich würde sagen, diese Bücher sind im Großen und Ganzen so, wie in "Per Anhalter durch die Galaxis" die Erde beurteilt wird: größtenteils harmlos. Zuweilen haben sie sogar ihre gelungenen Momente. Mal zum Vergleich: Als letztes haben wir "Conni und der Liebesbrief" aus der Reihe "Meine Freundin Conni" gelesen; man muss zugeben, dass dieses Buch eine erheblich besser konstruierte und besser erzählte Handlung hat als die "Sternenschweif"- oder "Sternenfohlen"-Bücher, aber ich fand's doof und war der Meinung, dass sowohl Conni als auch ihre Freundin Anna ausgesprochen fragwürdige Rollenvorbilder für kleine Mädchen abgeben. Dann doch lieber wieder was mit magischen Einhörnern. – Erwähnenswert ist übrigens noch, dass die Reihen "My Secret Unicorn" und "Unicorn School" im Original "nur" 15 respektive elf Bände haben, für die deutsche Ausgabe aber zahlreiche weitere Folgen von verschiedenen Ghostwritern hinzugeschrieben wurden – was sich, wie man sich vorstellen kann, nicht unbedingt positiv auf die Qualität auswirkt. 


Aus dem Stundenbuch 

Was gab den Aposteln und Märtyrern die Kraft, harte Kämpfe und bittere Strafen auf sich zu nehmen, wenn nicht der Glaube, besonders der an die Auferstehung? Was bewog die Einsiedler, die Freuden geringzuschätzen, Ehren zu verachten, Reichtum mit Füßen zu treten und in der Einöde ein eheloses Leben zu führen, wenn nicht der lebendige Glaube? 
Was veranlasst heutzutage wahre Christen, auf Bequemlichkeiten zu verzichten, Annehmlichkeiten aufzugeben, Hartes auf sich zu nehmen und Mühen zu ertragen? 
Der lebendige Glaube, der in der Liebe wirksam ist, gibt die Kraft, die Güter der Gegenwart aufzugeben in der Hoffnung auf die Güter der Zukunft und die gegenwärtigen gegen die künftigen einzutauschen. 
(Papst Benedikt XIV., Lobrede auf den Hl. Fidelis von Sigmaringen

Ohrwurm der Woche 

Christina Stürmer: Seite an Seite 


Ich kann alles erklären! Diesen Song habe ich neulich im Einkaufsradio gehört, und das hat mich daran erinnert, wann und wo ich ihn – zumindest bewusst – zum ersten Mal gehört habe: im Flixbus nach Leipzig auf dem Weg zum Katholikentag 2016. Das ist mir deshalb so deutlich im Gedächtnis geblieben, weil ich im ersten Moment ernsthaft in Erwägung gezogen habe, das könnte die offizielle Katholikentagshymne sein. War natürlich Quatsch, denn dafür ist es schlichtweg zu gut; aber ganz und gar abwegig finde ich diesen Ersteindruck auch heute noch nicht. Vom Musikstil her würde der Song, wie ich finde, beispielsweise auf einer Lobpreis-Compilation vom Gebetshaus Augsburg nicht besonders auffallen, und der Text... na, urteilt selbst! 


Blogvorschau 

Die jüngste Artikelthemen-Umfrage verlief ausgesprochen spannend: Da ich zu dem Zeitpunkt, als ich die Umfrage starten wollte, meine erste "Lola"-Rezension noch nicht fertiggestellt und veröffentlicht hatte, schien es mir verfrüht, schon über die nächste "Lola"-Rezension abstimmen zu lassen, also ersetzte ich diese Umfrageoption quasi in letzter Minute durch den Themenvorschlag "Etwas zur Entstehungsgeschichte des innerkirchlichen Lagerdenkens seit dem II. Vatikanischen Konzil, unter besonderer Berücksichtigung der Würzburger Synode". Während der ersten vier Stunden, die die Umfrage lief, wechselte die Führung mehrfach: Zuerst lag überraschend das Koch-Thema vorn, dann das nachgerückte Thema "Würzburger Synode" und schließlich das Thema "Der Geist und die Synodalen". Nachdem sich dieses zwischenzeitlich etwas absetzten konnte, holte die Würzburger Synode über Nacht wieder auf, ging im Laufe des nächsten Tages erneut in Führung und brachte diese dann auch denkbar knapp, mit nur einer Stimme Vorsprung, über die Ziellinie. Der Themenvorschlag "Mehr von der eingekerkerten Nonne" landete lediglich auf Platz 3, "Kochen für die Familie" etwas abgeschlagen auf dem letzten Platz. 

Spannend wurde es auch mit der Challenge, die meine Liebste dazu veranlassen sollte, auch mal wieder was zu bloggen. 30 Likes auf Twitter waren gefordert, 26 davon kamen recht schnell zusammen (innerhalb von weniger als 24 Stunden, glaube ich), aber dann passierte erst mal nichts mehr. So ziemlich auf den letzten Drücker wurden es dann aber doch immerhin 31 Likes, ehe die Woche rum war; freuen wir uns also auf einen Artikel zum Thema "Mit kleinen Kindern im Gottesdienst" auf "Wandern im Wellenwind"! (Und hoffen wir, dass meine Liebste dadurch wieder auf den Geschmack kommt und es nicht nur bei dem einen Artikel bleibt...) 


Montag, 24. April 2023

Von der Freiheit einer Zehnjährigen: Lola in geheimer Mission

Ich habe es unlängst schon mal in der Bettlektüren-Rubrik meiner Wochenbriefings erwähnt: Die "Lola"-Buchreihe von Isabel Abedi erfreut sich in meiner Familie schon seit einigen Jahren großer Beliebtheit – nicht nur bei meiner Tochter, die eigentlich noch ein ganzes Stück jünger ist als die typische Zielgruppe dieser Bücher (was sie aber nicht zu stören scheint; sie hatte schließlich "schon immer" auch ältere Spielkameradinnen), sondern ebensosehr bei meiner Liebsten und mir. Wie wir diese Buchreihe entdeckt haben, ist ein Kapitel für sich, und ich finde, es ist durchaus erzählenswert. Alles begann damit, dass wir bei meinen Schwiegermüttern zu Besuch waren (aufmerksame Leser wissen: Ich habe zwei Schwiegermütter, obwohl ich nur eine Frau habe) und ich während dieses Besuchs eine Auswahl an Kinderbüchern durchsah, die meine Schwiegermütter wohl von Freunden, Bekannten oder Nachbarn zur Unterhaltung ihres Enkelkindes geschenkt bekommen hatten. Es waren Bücher für ganz unterschiedliche Altersklassen dabei, offenbar aufgrund der sehr vernünftigen Überlegung, dass Bücher ja nicht schlecht werden und das Kind sich wohl für manche dieser Bücher früher und für andere später interessieren würde. Jedenfalls fiel mir bri dieser Gelegenheit ein Buch mit dem Titel "Lola in geheimer Mission" ins Auge, von dem ich auf den ersten Blick nicht  erkennen konnte, dass es sich um einen Teil einer Serie (nämlich den dritten) handelte; wohl aber, dass es sich um eine exklusive (gekürzte) Sonderausgabe für McDonald's handelte. Gab's wohl mal in einem HappyMeal, in besseren Zeiten. "Das würde ich mir gern mal mitnehmen", sagte ich.  

(Als HappyMeal-Beilage qualifiziert sich dieses Buch offenkundig nicht zuletzt dadurch, dass die beiden Protagonistinnen in einer für die Gesamthandlung nicht ganz unwichtigen Szene bei McDonald's essen gehen. Aber mal der Reihe nach.) 

Beginnt man die Lektüre ohne jegliches Vorwissen, ergibt sich folgendes Bild: Die Titelheldin Lola ist ein zehnjähriges Mädchen (genauer gesagt beginnt die Handlung des Bandes am Vorabend ihres zehnten Geburtstags) und lebt mit ihren Eltern, den Großeltern mütterlicherseits und deren kleiner Tochter Lisbeth (der Umstand, dass Lola somit eine Tante hat, die erheblich jünger ist als sie selbst, ist einer der running gags der Buchreihe) in Hamburg; ihr Vater ("Papai") ist Brasilianer und betreibt zusammen mit seinem Schwiegervater (also Lolas Opa) ein brasilianisches Restaurant namens "Perle des Südens". Aber die Geschäfte laufen schlecht -- so schlecht, dass "Papai" und "Opa" sich ernsthafte Sorgen um ihre berufliche Existenz machen. Davon ist auch die Kellnerin Penelope betroffen -- die alleinerziehende Mutter von Lolas bester Freundin Flo. Die schwierige Situation des Restaurants spielt eine zentrale Rolle in der Handlung, aber ehe ich darauf komme, will ich mich zunächst mal auf etwas anderes konzentrieren: nämlich Lolas 10. Geburtstag.  

Es sind Herbstferien, Lola wird von ihrer Tante geweckt, die ganze Familie steht mit Wunderkerzen in den Händen an ihrem Bett und singt ihr ein Geburtstagsständchen. Gleich darauf stoßen auch Lolas Freundin Flo und deren Mutter Penelope zu der Festgesellschaft. Die Aufzählung der Geburtstagsgeschenke, die Lola erhält, ist zum größten Teil nicht außergewöhnlich – "Von Penelope bekam ich eine CD mit Hits aus aller Welt. Opa schenkte mir ein Computerspiel, und von Oma bekam ich Bücher. [...] Von meiner Oma Elizabetta und meinen sieben Tanten aus Brasilien waren Geburtstagskarten gekommen und Tante Lisbeth hatte mir ein Bild mit einem knallroten Kreis und wilden gelben Strichen gemalt. Mama und Papai schenkten mir einen Gutschein für eine neue Jacke" –; allerdings mit zwei markanten Ausnahmen: Ihre Freundin Flo, die "schon ein bisschen länger zehn" ist, schenkt ihr einen einzelnen Ohrring, dessen Gegenstück sie selbst am Ohr trägt: 
"Ich dachte, wir lassen uns Freundschaftsohrringe stechen, oder traust du dich nicht?" 
"Logo trau ich mich!" 

Ich gestehe, an dieser Stelle zuckte mein innerer "Overprotective Dad" erstmals zusammen. Ohrlöcher stechen mit zehn? – Zugegeben, ich weiß von Mädchen, die schon mit vier Jahren Ohrringe trugen, vielleicht sogar schon früher. Das ist unter anderem auch eine Frage des Kulturkreises. Dennoch fände ich es mit zehn Jahren immer noch deutlich zu früh. Wenn's denn überhaupt sein muss. – Ich räume an dieser Stelle ein, dass ich das Buch anfangs wohl insgesamt etwas überkritisch las: stets auf der Hut vor eventuellen Spurenelementen fragwürdiger Ideologien, mit denen die jungen Leserinnen indoktriniert werden sollen und von denen katholische Eltern ihre Kinder tunlichst fernhalten sollten. – Ein noch härterer Brocken als der Ohrring war für meinen Hang zur Overprotectiveness das nach Einschätzung der Ich-Erzählerin Lola "tollste Geschenk [...]: eine Pappschachtel, auf die Mama einen gelben Vogel gemalt hatte. Er flog aus einem geöffneten Vogelbauer in den Himmel. [...] In der Schachtel lagen: ein Haustürschlüssel, ein Stadtplan von Hamburg, ein U-Bahn-Fahrplan, zwei Kinogutscheine und 20 Euro Geburtstagsgeld." – "Dein Weg in die Freiheit", kommentiert Lolas Mutter dieses Geschenk "lächelnd", und Lola in ihrer Eigenschaft als Erzählerin erläutert: "Das hieß, ich hatte einen eigenen Schlüssel, durfte alleine U-Bahn fahren und ins Kino gehen..., kurz: Ich war so frei, wie es sich für eine Zehnjährige gehört." 

Hm, dachte ich. Gehört sich das tatsächlich für eine Zehnjährige? Intuitiv hatte ich da so meine Zweifel, nahm diese aber immerhin zum Anlass, darüber nachzudenken, was für Freiheiten ich eigentlich hatte, als ich zehn Jahre alt und in der vierten Klasse war. Gut, ich bin auf einem Dorf aufgewachsen, U-Bahn-Fahren war da schon mal kein Thema; und einen eigenen Haustürschlüssel bekam ich erst sehr viel später. Andererseits kommt es mir in meiner Erinnerung so vor, als wäre ich mit zehn Jahren ständig ohne Aufsicht Erwachsener, allein oder zusammen mit Schulkameraden, im Dorf oder am Strand unterwegs gewesen, und das in einer Zeit, als es keine Mobiltelefone gab und man nicht mal eben schnell zu Hause bescheid geben konnte, wo man ist, was man macht und warum man es eventuell nicht zur zuvor vereinbarten Zeit nach Hause schafft. Sicher ist jedenfalls, dass meine Freunde und ich in der vierten Klasse sehr entschieden der Meinung waren, keine kleinen Kinder mehr zu sein, und keinesfalls als solche behandelt werden wollten. Ist wohl ganz gut, daran erinnert zu werden, bevor meine eigenen Kinder in dieses Alter kommen. Andererseits ist es aber auch bemerkenswert, dass im weiteren Verlauf der Romanhandlung auch Lolas Mutter zuweilen nicht ganz glücklich damit ist, dass ihre Tochter von der ihr gewährten Freiheit tatsächlich Gebrauch machen will. Das geht so weit, dass schließlich sogar Lolas "Papai" meint: "Du kannst Lola nicht den Weg in die Freiheit schenken und ihn ihr dann ständig wieder zusperren, Vicky". 

Aber bleiben wir vorerst noch bei Lolas Geburtstag: "Meine Party würde ich erst am Samstag vor Schulbeginn feiern, und zwar mit Frederike aus meiner Klasse, die auch in den Ferien Geburtstag hatte", verrät Erzählerin Lola dem Leser. "Und heute würde ich nur mit meinen allerliebsten Menschen an der Elbe feiern. Papai spielte mit uns Fußball, Flo und ich kletterten auf Bäume, [...] grillten Stockbrot und Mäusespeck mit Tante Lisbeth und ließen uns die leuchtend warme Herbstsonne auf die Köpfe scheinen. Konnte das Leben als Zehnjährige besser anfangen?" 

Am Abend geht's zum Essen in die Perle des Südens; dort wird die Stimmung getrübt durch einen anstrengenden Restaurantgast, dem Flo insgeheim den Spitznamen "Cooltuer" verpasst und der mit seiner unausgesetzen Mäkelei Kellnerin Penelope zur Weißglut treibt. Nachdem er seinen Weißwein mehrmals hat zurückgehen lassen, weil dieser nicht kalt genug sei, schüttet Penelope dem Cooltuer schließlich entnervt ein Glas voller Eiswürfel auf dem Schoß aus, woraufhin er fluchend das Restaurant verlässt. Leider stellt sich heraus, dass der Cooltuer ein renommierter Restaurantkritiker ist, den Lolas Opa in der Hoffnung, eine positive Kritik würde für mehr Umsatz sorgen und die Kreditwürdigkeit des angeschlagenen Unternehmens verbessern, in die Perle des Südens eingeladen hatte. Nun steht die Befürchtung im Raum, dass eine negative Kritik dem Restaurant endgültig den Todesstoß versetzt. 

Für die Protagonistinnen Lola und Flo steht damit nicht nur die berufliche Existenz ihrer Eltern auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft ihrer Freundschaft, da Penelope ein Jobangebot von einem Hotelbesitzer aus Berlin erhalten hat. Darum hecken die beiden Mädchen einen abenteuerlichen Plan aus: In filmreifer Geheimagenten-Manier wollen sie das Büro des Cooltuers auskundschaften, sich Zugang zu seinem Computer verschaffen, seinen Verriss der Perle des Südens löschen und unbemerkt durch eine positive Kritik ersetzen. 

Den Restauranttester aufzuspüren, erweist sich zunächst als schwierig, aber dann kommt den Mädchen der Zufall zu Hilfe, als sie den Cooltuer mit seinen beiden Söhnen bei McDonald's sehen und ihnen unbemerkt bis nach Hause folgen. Auf diese Weise finden sie heraus, dass er im Dachgeschoss eines Hauses in der Speicherstadt wohnt. Flo klettert am einem Baugerüst hinauf, um einen Blick ins Fenster zu werfen; und die Passage, in der sie Lola – die sich als Geheimagentin "Jane Fond" nennt – berichtet, was sie dort gesehen hat, sollte man tunlichst laut lesen, um sie zu genießen: 

"Alsooooo, es waaaar krass", sagte sie betont langsam. 
Ich griff meine Freundin am Arm. "WAS hast du gesehen?" 
Flo tippte mir auf die Brust. "Einen Tisch." 
"Einen Tisch? Und was soll daran krass sein?" 
"Das, was drauf war", sagte Flo. 
Ich stöhnte. "WASWASWAS!", schrie ich, "war auf dem Tisch?" 
"Zeitungen", sagte Flo. "Und ein Telefon. Und ein Computer." 
Ich ließ Flos Arm los. "Das ist alles?" 
"Jane Fond", sagte Flo. "Jetzt denk mal scharf nach. Ein Tisch mit Zeitungen, einem Telefon und einem Computer. Was bedeutet das?" 
Ich glotzte Flo an. "Du meinst... der Cooltuer hat sein Büro zu Hause?" 

Ich glaube, das war die Stelle, an der ich angefangen habe, mich in das Buch zu verlieben. – Der Plan für das weitere Vorgehen der Mädchen ist jedenfalls klar: Sie wollen sich mit den Söhnen des Cooltuers anfreunden, um sich so Zugang zu seiner Wohnung und seinem Homeoffice zu verschaffen. Für ungeahnte Komplikationen sorgt es, dass Lola sich alsbald in den älteren der beiden Jungen, den elfjährigen Alex, verliebt; und in einem Nebenhandlungsstrang kommt Lola dahinter, dass ihre Freundin Flo ein Geheimnis hat, das ihren Vater betrifft: Sie hat behauptet, er sei tot, aber tatsächlich bewahrt sie in einer geheimen Schrankschublade einen Stapel ungeöffneter Briefe von ihm auf, und der neueste dieser Briefe ist gerade mal eine Woche alt. 

Ab dieser Stelle wüsste ich ehrlich gesagt nicht mehr, wie ich weiter erzählen könnte oder sollte, ohne Spoiler einzubauen; meine beiden absoluten Lieblingspassagen des Romans möchte ich aber unbedingt noch würdigen, daher aufgemerkt, lieber Leser: 

++++++++++++Spoiler-Alarm!++++++++++++

Richtig ernsthaft geheult habe ich (und tue es jedesmal wieder, wenn ich das Buch lese, besonders wenn ich es vorlese) an der Stelle, an der Flo Lola ihr Geheimnis verrät – das darin besteht, dass ihr Vater nicht eigentlich tot, sondern lediglich für sie gestorben ist: Er ist Alkoholiker, war, solange Flo sich erinnern kann, jeden Tag betrunken, und am Abend vor ihrem ersten Schultag nahm er sie mit auf eine Kneipentour und vergaß sie dort. Nach diesem Vorfall setzte Flos Mutter ihn kurzerhand vor die Tür und ist seither alleinerziehend. "Vor einem Jahr kam dann der erste Brief", schließt Flo ihre Erzählung. "Das Paket vor zwei Wochen. Aber das weißt du ja. Eine gute Spionin bist du leider nicht. Du hast die Briefe in der falschen Reihenfolge zurückgelegt." 

Das Highlight der Haupthandlung ereignet sich, nachdem es für kurze Zeit so ausgesehen hat, als würde der waghalsige Plan der Mädchen tatsächlich funktionieren: Es gelingt ihnen, den für die Serie "Tops und Flops des Jahres" eines führenden Hamburger Stadtmagazins bestimmten Beitrag des Cooltuers über die Perle des Südens durch eine positive Kritik zu ersetzen, und der Cooltuer schickt den Artikel ab, ohne etwas davon zu bemerken. Wer hingegen etwas merkt, ist der Redakteur: Er ruft den Restaurantkritiker an und fragt ihn, ob er "betrunken war, als [er] den Artikel über das brasilianische Hafenrestaurant geschrieben" hat. Die Szene, in der der Cooltuer die beiden Mädchen in sein Homeoffice zitiert und ihnen ihren eigenen Text vorliest – in dem die Perle des Südens zwar in den höchsten Tönen gelobt wird, dem man aber nur allzu deutlich anmerkt, dass er von Kindern geschrieben wurde –, ist ein absolutes Glanzstück, und es amüsiert mich ohne Ende, wie Flo "einen letzten verzweifelten Versuch" unternimmt, die Situation zu retten, indem sie "mit einer erstaunlich ahnungslosen Stimme" fragt "Wieso lesen Sie uns das vor?" und Pascal, der etwa dreijährige Sohn des Cooltuers, den soeben gehörten Text mit den Worten "Da will ich auch mal essen" kommentiert. 

Wie die Autorin es hinkriegt, dass am Ende doch noch alles gut wird, verrate ich hier nicht; daher: 

++++++++++Spoiler-Alarm Ende!+++++++++ 

Kommen wir langsam mal zum Gesamturteil: Die Handlung von "Lola in geheimer Mission" ist spannend, sie ist clever konstruiert, sie ist lehrreich in dem Sinne, dass Kindern allerlei Einblicke in die reale Welt der Erwachsenen vermittelt werden, aber ohne dass man dabei das Gefühl bekommt, man solle – wie Bastian Balthasar Bux sagen würde"zu was gekriegt werden". Vor allem aber ist sie enorm gut erzählt, mit einem unschlagbaren Gespür für Timing und Tempo, für Komik und Dramatik. Der vielleicht größte Pluspunkt des Buches – und damit, da verrate ich wohl nicht zu viel, auch der ganzen Serie – sind jedoch die mit echter Liebe ersonnenen und geschilderten Charaktere. Meine persönliche Favoritin ist dabei natürlich Flo – "natürlich" deshalb, weil ich schon immer, angefangen beim Räubermädchen aus Andersens "Schneekönigin", ein Faible für die frecheren, tougheren, "wilderen" Mädchenfiguren der Kinder- und Jugendliteratur gehabt habe. Tatsächlich habe ich bei der Lektüre weiterer "Lola"-Bände festgestellt, dass ich dazu neige, die einzelnen Teile der Serie nicht zuletzt danach zu beurteilen, welche Rolle Flo in ihnen spielt. Und in dieser Hinsicht – so viel sei verraten – zählt "Lola in geheimer Mission" definitiv zu den besten Büchern der Reihe.

Ein Detail, das meinen Kindern, meiner Liebsten und mir erheblichen Spaß bereitet, möchte ich noch gesondert hervorheben: Ein gemeinsames Hobby von Lola und Flo ist das Erfinden magischer Wörter; ganze sieben solcher Wortkreationen werden in "Lola in geheimer Mission" genannt, und einige davon sind in den aktiven Wortschatz meiner Familie eingegangen: vorrangig die drei, die Lola und Flo bei einem improvisierten Straßenflohmarkt an Pascal verkaufen, nämlich Kaschabombahosch, Yakirritschú und Radafzasa; und außerdem Hälündölö, das wir untereinander gern anstelle von Hallo verwenden. 

Schließlich sei noch auf ein für den Handlungskosmos der "Lola"-Bücher charakteristisches Element hingewiesen, das ich aus gewissermaßen #benOppiger Perspektive bemerkenswert finde: die positive Darstellung des Lebens in einer Drei-Generationen-Familie, in der zudem – dank des Restaurants, das im besten Sinne des Wortes ein Familienbetrieb ist und auch für die Kinder (Lola, Flo und Lisbeth) einen Lebensmittelpunkt bildet – ein hohes Maß an Einheit von Familien- und Erwerbsleben herrscht. Dass sich dieses Lebensmodell, wie man wohl annehmen darf, erheblich von der Lebensrealität der meisten Leser unterscheidet, macht den Umstand, dass es so eindrücklich als erstrebenswert dargestellt wird, umso bemerkenswerter. 

--- Lustigerweise stellte sich kurze Zeit nach meiner "Entdeckung" des Buches "Lola in geheimer Mission" heraus, dass sich in einer Auswahl von Kinderbüchern, die wir von einer der beiden Patentanten unserer Tochter geschenkt bekommen hatten, ebenfalls ein "Lola"-Buch befand – und zwar eines, das in der chronologischen Reihenfolge der Buchreihe eigentlich VOR "Lola in geheimer Mission" dran gewesen wäre: der zweite Teil der Serie, "Lola macht Schlagzeilen", nicht als gekürzte McDonald's-Sonderausgabe, sondern als gebundenes Buch. Das werde ich dann wohl demnächst auch mal rezensieren. 


Samstag, 22. April 2023

Lasst euch nicht erschrecken, es ist noch nicht das Ende (Mt 24,6)

Man sieht ja manchmal in den Medien Überschriften, da denkt man "Das kann doch nur Satire sein" – und dann ist es oft doch keine. So ging es mir neulich mit der Überschrift "Mit dem E-Bike zu den Christen Europas", die mir auf der Facebook-Seite des "Christlichen Medienmagazins PRO" begegnete. Zuerst drängte sich mir dabei die Assoziation von Diogenes auf, der mit der Laterne auf dem Marktplatz Menschen sucht. Ganz so schlimm, sagte ich mir, steht es um das christliche Abendland wohl doch noch nicht, dass man erst eine Expedition unternehmen muss, um in Europa Christen zu finden. Und wieso mit dem E-Bike? Als ich zehn oder elf Jahre alt war, las ich das Buch "Das andere Amerika" (Originaltitel: "A Walk Across America") von Peter Jenkins, das davon berichtet, wie der Autor in den Jahren 1973-75 zu Fuß von seinem College-Städtchen im Staat New York bis an den Golf von Mexiko wandert, um "sich selbst und Amerika" zu suchen. Christen findet er unterwegs auch, ja mehr noch, er findet Christus, oder vielleicht sollte man sagen, Christus findet ihn. Ein empfehlenswertes Buch, aber ich schweife ab. Okay, gleich noch eine weitere Abschweifung: Auf dem Jakobsweg wird Radfahren ebenso wie Reiten als legitime Form des Pilgerns anerkannt, aber ich möchte mal vermuten, für E-Bikes gilt das nicht. Jetzt aber mal zur Sache: Was will uns die Engführung der Begriffe "E-Bike" und "Christen" in dieser Überschrift des "Pro-Magazins" eigentlich sagen? "Carola Mehltretter ist zu einer ganz besonderen Reise aufgebrochen", erfährt man da: "Ein Jahr lang reist sie mit dem E-Bike durch Europa. Ihre Mission: Christen verschiedener Prägung kennenlernen." Ja gut und schön, aber nochmals gefragt: Wieso mit dem E-Bike? "Die Idee kam ihr während der Pandemie", erfährt der geneigte Leser weiter. "Sie fuhr regelmäßig E-Bike und lernte als Stadtmensch die Natur neu zu schätzen. Außerdem ist das Radeln günstig." 

– Gut und schön, auch wenn man da natürlich fragen muss: Im Vergleich zu was? Für mein Empfinden steht das E-Bike – wenn auch vielleicht nicht ganz so sehr wie der E-Scooter – vor allem sinnbildlich für die Fragwürdigkeit des Hypes um "E-Mobilität", oder genauer: die Fragwürdigkeit der Behauptung, "E-Mobilität" sei werweiß wie energieeffizient und klimafreundlich. Dabei will ich gar nicht in die Debatte einsteigen, wie und wo eigentlich der Strom erzeugt wird, der diese Fahrzeuge antreibt; ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass ein E-Bike offenkundig ganz und gar nicht energieeffizient ist, wenn es von jemandem gefahren wird, der körperlich sehr gut in der Lage wäre, ein normales Fahrrad zu fahren. Okay, meine Mutter hat ein E-Bike. Die ist aber auch 75, besitzt kein Auto (mehr) und lebt in einem Landstrich, in dem der Öffentliche Personennahverkehr nicht der Rede wert ist; unter solchen Bedingungen leuchtet mir der Nutzen dieser Anschaffung ein. Kurz gesagt, meine Mutter fährt nicht deshalb E-Bike, weil's hip ist. Wenn hingegen das Pro-Magazin es in seiner Überschrift zu Carola Mehltretters "besonderer Reise" als signifikanten Bestandteil der Story hervorhebt, dass diese Reise eben auf dem E-Bike stattfindet, dann sieht das für mich stark nach klimapolitischem virtue signalling aus. 

Und das, muss ich sagen, passt recht gut in das Bild, das ich in jüngster Zeit von der Ausrichtung dieses Magazins habe. 

Ich muss dazu sagen, dass ich das "Christliche Medienmagazin PRO" gewissermaßen "wiederentdeckt" habe, seit ich im Zuge der Wiederbelebung meines Blogs wieder mehr auch in "nicht-privatem" Interesse in den Sozialen Netzwerken unterwegs bin. Ich bin nicht restlos sicher, ob mich meine Erinnerung daran, welchen Eindruck ich "früher" von dieser Publikation hatte, nicht trügt, aber ich glaube, man könnte diesen früheren Eindruck in etwa so zusammenfassen: eine sich etwas (aber eben nur etwas) moderner, liberaler, weltoffener, jünger und urbaner gebende Alternative zu idea, mit einer gewissen Affinität zu Medienthemen (was sich ja auch in der Bezeichnung "Medienmagazin" ausdrückt). Mein jetziger Eindruck ist, dass man das Selbstverständnis der Macher wohl am treffendsten charakterisiert, indem man die Worte "etwas (aber eben nur etwas)" aus dieser Beschreibung streicht. Das Magazin verleugnet seine Verwurzelung im evangelikalen Milieu nach wie vor nicht, aber gemessen daran war ich überrascht, wie "woke" diese Publikation in jüngster Zeit geworden ist. Exemplarisch deutlich wird dies an einer Rezension der als "antirassistisch, genderneutral und überhaupt in jedem möglichen Sinne inklusiv" beschriebenen "Alle Kinder Bibel": "Die Welt braucht ein Kinderbuch wie dieses", urteilt Rezensentin Anna Lutz; nur dass "aus dem brennenden Dornbusch die himmlischen Worte erklingen: 'Mose, ich bin dein*e Gott'" und "die Autoren Gott anschließend noch singen lassen: 'Ich bin fair, ich bin mit dir. Ich bin queer, ich bin mit dir. Ich bin, ich bin mit dir'", geht ihr dann doch ein bisschen zu weit. Eine von "Travestie-Königin Olivia Jones" co-moderierte RTL-Sendereihe zum Thema Tod wird trotz einiger Kritikpunkte entschieden empfohlen ("Sollte man sie also anschauen? Auf jeden Fall!"), und auch die gerappte Faschingspredigt eines katholischen Priesters, der "mit Baseball-Kappe auf dem Kopf, einer feschen Sonnenbrille und einer Goldkette um den Hals" vor die Gemeinde trat, wird wohlwollend beurteilt. Da passt es ins Bild, dass in einem Bericht über die "Mitgliederversammlung der Christlichen Medieninitiative pro" die progressive  Theologin Sandra Bils unwidersprochen mit der Einschätzung zitiert wird, in "Kirchengemeinden und christlichen Organisationen" herrsche "oft eine mangelnde Bereitschaft, Bestehendes loszulassen und traditionelle Angebote kritisch zu hinterfragen": "Unser größtes Problem als Kirche ist nicht die Bereitschaft zur Innovation, sondern die nicht vorhandene Bereitschaft zur Exnovation, also, Dinge auch loslassen zu können". Am allermeisten nehme ich dem Magazin zugegebenermaßen den Artikel "Als Frau katholisch sein – und es bleiben" vom 11. März übel: eine Rezension zu dem Buch "Wir bleiben! Warum sich Frauen nicht aus der katholischen Kirche vertreiben lassen". Hier lautet der Teaser-Absatz: "Der Synodale Weg hat versucht, Frauen in der katholischen Kirche Wege zu ebnen. Das ist nicht gelungen. In dem Buch 'Wir bleiben!' schildern Katholikinnen, was sie ihrer Kirche stört und warum sie ihr dennoch nicht den Rücken kehren." Aber okay, da weiß man wenigstens schon nach den ersten Sätzen, dass man sich den Rest des Artikels getrost sparen kann. Und sonst so? Der verstorbenen Grünen-Politikerin Antje Vollmer wird ein geradezu überschwänglicher Nachruf zuteil, in dem die studierte Theologin u.a. mit einem Vergleich zwischen Martin Luther und Whistleblower Edward Snowden zitiert wird: "Was bei Luther die theologische Brillanz war, ist bei Snowden seine außergewöhnliche technische Intelligenz. Beide strebten also ins Zentrum der größten öffentlichen Macht ihrer Zeit – und zwar schon in extrem jungen Jahren. [...] Luther ahnte damals eine Chance für eine umfassende geistige Befreiung und wollte die Kirche im Inneren reformieren. Und auch Snowden will einfach, dass die USA wieder ein wirklich freies Land werden." – Anlässlich des 175. Jahrestages der konstituierenden Sitzung der ersten deutschen Nationalversammlung wird die Frankfurter Paulskirche als "Die Kirche der Demokratie" gewürdigt; in einem Artikel mit der Überschrift "Mit Mode gegen Sklaverei" wird ein Modelabel namens "EYD" ("Empower your Dressmaker") vorgestellt: "Eine neue Kollektion kommt den Opfern von Sklaverei zugute – und ist auch noch von ehemaligen Sklavinnen entworfen worden." Man sieht, virtue signalling wird groß geschrieben im Hause "Pro", und nicht nur beim Thema Klimapolitik. Aber eigentlich wollte ich ja gerade auf dieses hinaus. Also: Was hat das Magazin in dieser Hinsicht zu bieten? 

– Ein Bericht über die Vorstellung des Programms des bevorstehenden 38. Deutschen Evangelischen Kirchentages trägt die Überschrift "Kirchentag diskutiert über Krieg und Klima"; nun ja, gewiss tut der Kirchentag das, aber das Klima-Thema schon in der Überschrift anzusprechen, ist eben eine redaktionelle Entscheidung, die nicht unbedingt nur der Alliteration geschuldet ist. Unter der Überschrift "Klimakrise, '… dann sind Christen Teil des Problems'" wird über einen Vortrag des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe (CDU) bei einem Frühjahrsempfang dreier christlicher Initiativen unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich! Hoffnung in Zeiten der Krisen" berichtet: Hiet wird Gröhe mit der Einschätzung zitiert, "mit Blick auf manche evangelikale Gruppierungen in Europa oder den USA, die beispielsweise den menschengemachten Klimawandel leugnen, [...] müsse auch über das Feindbild Wissenschaft in Teilen der religiösen Gemeinschaft gesprochen werden – in allen Religionen, ergänzte Gröhe. Die Problematik zeige sich nicht nur im Kontext der Klimakrise, sondern beispielsweise auch bezüglich der Corona-Impfung." Und weiter: "Ziel müsse es sein, wissenschaftliche Erkenntnisse und geglaubte Schöpfungsverantwortung zusammenzubringen. Gelingt dies nicht, seien 'Christen Teil des Problems'." Und unter der Überschrift "Im Dienst der Schöpfung" werden dem geneigten Leser "Tipps für ein klimafreundlicheres Leben" präsentiert – von "Mit Fahrrad, Bus oder Bahn zur Arbeit" und "Weniger Fleisch essen" bis hin zu "Müll richtig trennen" und "Wasser sparen". Das ist sicherlich alles gut und fein, hat man aber alles auch schon in anderen Medien tausendmal gehört und gelesen; bildlich gesprochen hängen genau diese Tipps bzw. Verhaltensmaßregeln an jeder öffentlichen Toilette aus, was genau verspricht sich das Pro-Magazin also davon, sie ein weiteres Mal wiederzukäuen? Einfach nur drüberzuschreiben "Christen haben eine Verantwortung für diese Erde und sie können etwas tun zum Erhalt der Unwelt" – was ich an und für sich unterschreibe, aber dazu später –, macht den Aufruf zur Mülltrennung und zum Wassersparen noch nicht zu einer genuin christlichen Botschaft

Dass die Beiträge des Pro-Magazins zum Thema Klimaschutz so wenig originell sind, erscheint mir durchaus bezeichnend: Man ist bei diesem Thema eher Nachzügler als Vorreiter. Auch das Phänomen, dass Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes religiös aufgeladen werden, ist schließlich nicht mehr wirklich neu. An dieser Stelle scheint mir eine Differenzierung unerlässlich, auch wenn ich mir damit vorgreife: Dass die christlichen Kirchen einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung anmahnen, halte ich für richtig und wichtig, allerdings ist das für mein Empfinden etwas kategorial Anderes, als wenn bestimmte unweltpolitische Haltungen und Forderungen selbst in den Rang eines quasi-religiösen Bekenntnisses erhoben werden, mitsamt eigener quasi-liturgischer Ausdrucksformen wie "Klimapilgern" und "Klimafasten". Ich habe dazu schon anno 2019 einen Artikel geschrieben, den ich – so viel Eigenlob muss sein – immer noch gut finde. Das Thema dennoch erneut aufzugreifen, erscheint nicht zuletzt deshalb sinnvoll, weil die Tendenz zur Wahrnehmung (und wohl zumindest teilweise auch Selbstdarstellung) der Klimaschutzbewegung als religiöses Phänomen in jüngster Zeit offenbar zugenommen hat. Dafür ist die Verleihung eines Ehrendoktortitels in Theologie (!) an die Klimaaktivistin Greta Thunberg – über die das Pro-Magazin recht neutral berichtete – ein Indiz; erst recht aber ein Foto, das der Instagram-Account der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayerns zu Ostern postete: Es zeigte Greta Thunberg, wie sie bei der Auflösung einer Sitzblockade in Lützerath von Polizisten weggetragen wird, die Bildbeschriftung rückte diesen Vorgang jedoch in eine Parallele zur Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane. In eine ähnliche Richtung ging ein Tweet der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt – von 2009-13 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland – zum Karfreitag, in dem sie die Passion Christi mit Klimakrise und Artensterben verglich. 

Während in diesen Beispielen explizit auf Elemente der christlichen Tradition Bezug genommen wird und diese im Sinne einer "Klimareligion" umgedeutet werden, finden sich in den Denkmustern der Klimaschutzbewegung auch Vorstellungen, die ihren im Kern religiösen Charakter nicht unbedingt so offen zu erkennen geben. So etwa beim Thema "Fortpflanzung als Klimakiller", das auch nicht mehr ganz neu ist, aber unlängst durch einen Essay von Cora Wucherer im Zeit-Magazin wieder einmal ins Gespräch gebracht wurde. In dem online nur für Abonnenten zugänglichen Text geht es anscheinend allgemein um Kinderlosigkeit als Weg zu Freiheit und Selbstverwirklichung, aber in den Sozialen Netzwerken kursierte ein Visual mit einem Textauszug, der sich auf den Klima-Aspekt konzentriert: "Da könnt ihr noch so oft das Lastenrad nehmen oder eure Essensreste in selbst gemachte Wachstücher packen, sorry, meine CO2-Bilanz wird immer eine bessere sein als die von euch mit Kindern." Irgendjemand – ich habe das Zitat leider nicht wiederfinden können – sagte oder schrieb einmal, willentliche Kinderlosigkeit bedeute, sich selbst aus der Geschichte der Menschheit herauszuschreiben. Gegen diese These ließen sich einige Einwände formulieren, aber soweit es um Kinderlosigkeit im Interesse des Klimaschutzes geht, würde ich sagen, dieser Satz trifft den Nagel auf den Kopf. Genau darum geht es. In der Verabsolutierung des Bestrebens, den eigenen CO2-Fußabdruck so weit wie möglich zu reduzieren, äußert sich eine Leibfeindlichkeit, wie sie besonders seit der Sexuellen Revolution gern dem Christentum unterstellt wird, tatsächlich aber eher für gnostisch beeinflusste Sekten wie die Katharer typisch ist: Die materielle Welt ist schlecht, deshalb soll man möglichst wenig Verbindung mit ihr haben. Indem die existenzielle Befleckung, die der Kontakt mit der materiellen Welt unausweichlich mit sich bringt, mit einer konkreten Substanz, nämlich CO2, assoziiert wird, bekommt diese Idee einen naturwissenschaftlichen Anstrich, aber im Kern ist es pure Esoterik. 

Ich denke, die genannten Beispiele machen hinreichend deutlich, dass es für Christen gute Gründe gibt, kritische Distanz zur Ideologie der Klimaschutzbewegung zu wahren, mindestens dann, wenn diese Züge von Götzendienst annimmt. Gleichzeitig kann ich mir aber den Hinweis nicht verkneifen, dass manche konservativen Christen in ihrem Abgrenzungsbedürfnis gegenüber allem, was irgendwie "grün" anmutet, für mein Empfinden weit übers Ziel hinausschießen. "Argumente" auf dem Niveau von "Was heißt hier globale Erwärmung, ich war heute draußen und fand's saukalt für April" sind da noch vergleichsweise harmlos, da zumeist wohl humorig gemeint; die nächste Stufe besteht darin, Äußerungen derer, die vor einer drohenden Klimakatastrophe warnen, verfälscht wiederzugeben, um sie leichter "widerlegen" zu können. Aktuelles Beispiel: Nein, Greta Thunberg hat nicht vor fünf Jahren vorausgesagt, die Menschheit werde innerhalb von fünf Jahren aussterben, wenn keine drastischen Schritte gegen den Klimawandel unternommen würden (was durch die bloße Tatsache, dass wir heute noch leben, tatsächlich widerlegt wäre); vielmehr hat sie – unter Berufung auf ungenannte Experten – geäußert, wenn nicht innerhalb von fünf Jahren drastische Schritte gegen den Klimawandel unternommen würden, werde die Menschheit (zu einem ungenannten Zeitpunkt) aussterben. (Man muss allerdings wohl davon ausgehen, dass ziemlich viele Leute den Unterschied zwischen diesen Aussagen nicht erkennen, selbst wenn man sie darauf hinweist.) – Überhaupt eignet sich Greta Thunberg offenbar ebenso gut als Feindbild wie als Identifikationsfigur; man könnte sagen, beides bedingt sich, aber eben darum ist beides auch gleichermaßen fragwürdig. Man tut dieser jungen Frau (die "15jährige Schwedin", wie sie in den Medien einst stereotyp betitelt zu werden pflegte, ist inzwischen 20) sicherlich keinen Gefallen damit, sie derart zu überhöhen, wie Teile ihrer Anhängerschaft das tun – aber erst recht nicht damit, dass man sie verhöhnt und ihr nach Kräften am Zeug zu flicken sucht. 

Ein anderes Beispiel: Neulich habe ich mich heftig mit dem Twitter-Account "Sex needs Culture" angelegt, nachdem dieser auf die Nachricht, eine Person, die sich im November 2021 an der Blockade des Kohlekraftwerks Neurath beteiligt hatte, sei zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden, mit unverhohlener Freude reagierte. Der ganze Vorgang erinnert mich stark an Auseinandersetzungen, die ich vor rund zweieinhalb Jahren im Zusammenhang mit der Räumung des besetzten Hauses "Liebig 34" in Berlin-Friedrichshain geführt habe und die damals ebenfalls in einen Blogartikel von mir mündeten. Vieles von dem, was ich damals geschrieben habe, könnte ich jetzt sinngemäß wiederholen, aber vielleicht genügt ja auch ein Link. Jedenfalls: Ich habe mir damit seinerzeit eine Menge Feinde gemacht, habe aber keine großen Hemmungen, es nötigenfalls wieder zu tun. Ob Hausbesetzer oder militante Klimaaktivisten: Man kann ihr Engagement fehlgeleitet finden und erst recht ihre Methoden ablehnen, man kann dafür gute, überzeugende Argumente vorbringen, aber das ändert nichts daran, dass ich die Verachtung und Häme, die ihnen aus bürgerlich-konservativen Kreisen zuweilen entgegenschlägt, ausgesprochen schändlich finde, und dies umso mehr, wenn die betreffenden Vertreter des konservativen Bürgertums sich dezidiert als Christen betrachten und bezeichnen. – Zum Account "Sex needs Culture" sei noch gesagt, dass dieser am selben Tag, an dem er über die Haftstrafe wegen der Neurath-Blockade frohlockte, die Entlassung des "Querdenken 711"-Gründers Michael Ballweg (dem u.a  Veruntreuung von Spendengeldern vorgeworfen wird) aus der Untersuchungshaft mit den Worten "Es gibt noch einen Rechtsstaat. Danke" feierte.  Hashtag In #kannstedirnichtausdenken. – In seiner Twitter-Bio beschreibt "Sex needs Culture" sich als "Nachrichtenkanal zu den Themen Sexualität, Ehe, Pornographie, Gender-Mainstreaming und Lebensrecht aus christlicher Sicht", und der Himmel weiß, dass wir einen Account, der diesem mission statement wirklich gerecht würde, im deutschsprachigen Raum dringend gebrauchen könnten. Tatsächlich hat sich "Sex needs Culture" aber schon seit einiger Zeit hauptsächlich auf die Themen Klimapolitik und Corona-Maßnahmenkritik eingeschossen. Das empfinde ich als ausgesprochen ärgerlich. – In der Tagespost schrieb ich mal, wenn sich Vertreter kirchlicher Institutionen oder kirchennaher Verbände an "Fridays for Future"-Demonstrationen und ähnlichen Aktionen bereiligten oder zu deren Unterstützung aufriefen, entstehe "vielfach der Eindruck, sie verhielten sich gegenüber der Klimaschutzbewegung [...] als reine Mitläufer, die sich von einem Sendungsbewusstsein und einem missionarischen Eifer mitreißen lassen, der ihnen selbst schon lange abhanden gekommen ist". Nun möchte ich hinzufügen: Zuweilen habe ich den Eindruck, dass bei konservativen Christen, die sich die Klimaschutzbewegung zum Lieblingsfeindbild erkoren haben, ein ganz ähnlicher Mechanismus am Werk ist, der sich lediglich auf gegenteilige oder vielleicht auch nur scheinbar gegenteilige Weise auswirkt. Damit meine ich: Ein Grund für den Hass auf Klimaschutz-Aktivisten könnte sein, dass man ihnen ein Ausmaß an Engagement und Opferbereitschaft verübelt, das man selbst nicht aufbringt.

(Manche Leser werden jetzt vermutlich denken: Na, woll'n mal sehen, was aus seinen Sympathien für militante Klimaaktivisten wird, wenn die Letzte Generation demnächst, wie versprochen, ganz Berlin lahmlegt. Na gut: Manche Menschen sagen, Schadenfreude sei die schönste Freude, andere sagen dasselbe über Vorfreude, also ist Schaden-Vorfreude wohl das Aller-allerschönste, was es überhaupt gibt; das will ich Euch nicht nehmen. Davon abgesehen mal nur so viel zur "Letzten Generation": Die Geschichte lehrt, dass jede weltanschauliche Bewegung extreme Ränder hat, die gerade wegen ihrer Radikalität überproportionale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Hätte man z.B. die mittelalterliche Armutsbewegung insgesamt nach den häretischen Fraticelli beurteilt und deshalb in Bausch und Bogen verurteilt, gäbe es heute weder Franziskaner noch Dominikaner.) 

Nachdem ich nun also, wie es für mich wohl insgesamt nicht untypisch ist, kräftig nach allen Seiten ausgeteilt habe, dürfte die Frage naheliegend und angemessen sein, was ich denn nun positiv empfehlen würde; wie also, meiner Meinung nach, Christen zwischen den falschen Alternativen, sich der Klimaschutzbewegung kritiklos anzubiedern oder ihr Anliegen ganz und gar zurückzuweisen, ihre eigene Stimme finden können und sollen. Ich habe mich zu dieser Frage schon verschiedentlich geäußert, auf meinem Blog wie auch in der Tagespost, aber das muss mich ja nicht davon abhalten, das hier und jetzt erneut zu tun. Zwei Aspekte betrachte ich dabei als wesentlich. Der erste: Christen können einen eigenständigen und wertvollen Beiträg zur Erhaltung des Ökosystems leisten, indem sie eine Haltung des Respekts, der Wertschätzung und Dankbarkeit für die Gaben Gottes kultivieren. Aus einer solchen Haltung ergeben sich Dinge wie ein verantwortungsvoller, schonender Umgang mit Ressourcen, die Vermeidung von Verschwendung, Verschmutzung und Müll und vieles mehr mit natürlicher Folgerichtigkeit; darüber hinaus wirkt sie sich aber auch positiv auf das menschliche Miteinander aus und ist nicht zuletzt auch gut für die eigene Seele. Kurz, hier liegt die Chance für eine ganzheitlichere, menschenwürdigere und lebensfreudigere Form ökologischen Bewusstseins, als es die oben angesprochene Fixierung auf die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks ist. Zur Vertiefung dieses Gedankens kann ich zwei Bücher empfehlen, die es beide leider nur auf Englisch gibt: "Crunchy Cons" von meinem Freund Rod Dreher und "The Grace of Enough" von Haley Stewart. "Eden Culture" von Johannes Hartl geht wahrscheinlich zumindest teilweise in eine ähnliche Richtung, aber das habe ich, wie ich gestehen muss, selbst noch nicht gelesen. 

Der zweite Punkt ist, dass Christen dem Gefühl von Aussichts- und Hoffnungslosigkeit, das sich in der Klimadebatte vielfach breit macht, Zuversicht und Gottvertrauen entgegensetzen sollten. Diesem Aspekt habe ich zu einem Zeitpunkt, als die Letzte Generation noch auf Hungerstreik statt auf Verkehrsblockaden setzte, schon mal einen Essay in der Tagespost gewidmet, aber ehe ich näher auf diesen eingehe, möchte ich auf ein Kinderbuch hinweisen, das mein Jüngster in der örtlichen Stadtteilbibliothek entdeckt hat und das sich als überraschend großartig herausgestellt hat: "Könnte Regen geben" von Martin Baltscheit, erschienen 2020 im Affenzahn-Verlag Köln. 


"Na, was machst du?", fragt da ein Marienkäfer einen Koala, und der antwortet: "Ich mache mir Sorgen." – "Warum?" – "Könnte Regen geben." Auf den Einwand, Regen sei doch nicht schlimm, ja eigentlich sogar "gur für Bäume und Blätter", reagiert der Koala mit dem Ausmalen immer grotesker Karastrophenszenarien: "Totale Sintflut. Das Meer steigt an. Wir saufen ab. Es ist das Ende. Für immer. [...] Die Erde kommt ins Trudeln und stürzt ab. [...] Die Sonne explodiert. [...] Universum futschikato." Als sich dann jedoch die Regenwolken verziehen und die Sonne wieder scheint, hört der Koala dennoch nicht mit dem Sorgenmachen auf: "Die Hitze wird das Wasser trinken. Wir verdursten und die Erde wird ein Wüstenplanet..." Zu guter Letzt lässt der Koala sich dann aber doch überreden, mit den anderen Tieren baden zu gehen. 

"Zuversicht ist eine innere Haltung[,] mit der wir Kindern helfen, eine positive Sicht auf das Leben zu entwickeln", heißt es im Nachwort. "Mit diesem Vertrauen in die Welt wächst ihre Kraft, erst sich selbst und später anderen die Sorgen zu nehmen." Eine sehr gute Message (nicht nur) für ein Kinderbuch, keine Frage; aber als Beispiel für unnötige oder übertriebene Ängste ausgerechnet die Angst vor der Klimakatastrophe einzusetzen, in einem Kinderbuch aus dem Jahr 2020, das ist schon frech. Oder sagen wir lieber: mutig. Ich gebe zu, ich hab gefeiert. 

Was nun die spezifisch christliche Perspektive betrifft, habe ich in dem bereits angesprochenen Tagespost-Artikel zu argumentieren versucht, Zuversicht und eine gewisse Gelassenheit gegenüber allen Arten von Weltuntergangsprognosen könne der Christ aus dem Bewusstsein beziehen, "dass in letzter Instanz nicht der Mensch, sondern Gott der Herr der Geschichte ist"; und heißt es nicht im Buch Genesis im Anschluss an die Sintfluterzählung "Niemals, so lange die Erde besteht, werden Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze (!), Sommer und Winter, Tag und Nacht aufhören" (Gen 8,22)? – Indes wäre es – um abermals meinen eigenen Tagespost-Artikel zu zitieren – ein grobes Missverständnis, in dem "Glaube[n] daran, dass letztlich Gott das Schicksal der Welt in der Hand hält", eine "Rechtfertigung für Untätigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber den Krisen der Gegenwart" zu sehen. Im Gegenteil: Gerade das Vertrauen auf Gott – das Bewusstsein, nicht aus eigener Kraft die Welt retten zu müssen, weil die Welt in einem fundamentalen Sinne bereits gerettet ist –, kann und sollte zu verantwortlichem Handeln in der Welt befähigen, denn "er bewahrt vor Überforderung, vor dem lähmenden Gefühl der Unzulänglichkeit angesichts des erdrückenden Gewichts der globalen Probleme". 

Letztendlich läuft wieder einmal alles auf das benediktinische Motto "ora et labora" hinaus: Bete und arbeite, tu was Du kannst und bitte Gott, für das zu sorgen, was Deine Kräfte und Möglichkeiten übersteigt. Wo immer Christen nur eins von beidem tun und das andere vernachlässigen, droht das christliche Zeugnis in eine Schieflage zu geraten. Ich erinnere mich, wie ausgerechnet Erik Flügge in einer Reaktion auf das Mission Manifest von den "beiden Flügeln" sprach, auf denen die Kirche – im Unterschied von ihrem von "Dauerfrust" und "Depression" geprägten Mainstream – noch "lebendig" sei: "Sie ist lebendig in den geistigen Gemeinschaften mit ihren Gebetevents, aber sie ist eben auch lebendig in der Gemeinde eines befreundeten liberalen Pfarrers, der gerade mit den Mitgliedern eine soziale Kaffeerösterei gegründet hat." Ich habe mich schon damals, als ich das las – und das ist gut fünf Jahre her – gefragt, warum das eigentlich Gegensätze sein müssen; wieso diese Phänomene auf entgegengesetzten, tendenziell miteinander verfeindeten "Flügeln" verortet werden, oder konkreter: warum es partout ein liberaler Pfarrer sein muss, der mit seinen Gemeindemitgliedern eine soziale Kaffeerösterei gründet. Es steht allerdings zu vermuten, dass Flügges Darstellung hier schlichtweg eine empirische Realität widerspiegelt: Es gibt diese "Flügel", und mit dem, was als charakteristisch für den einen Flügel wahrgenommen wird, gibt sich der andere nicht ab. Dieses Lagerdenken ist falsch und schädlich und muss überwunden werden. Es ist grotesk und inskzeptabel, wenn nach außen wie nach innen der Eindruck entsteht, man könne nur entweder die überlieferte Glaubenslehre der katholischen Kirche akzeptieren oder sich sozial und ökologisch engagieren. 




Donnerstag, 20. April 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #26

Es ist wieder Zeit fürs Wochenbriefing, Freunde! Die Ferien sind vorbei, der Alltag hat uns wieder – aber andererseits ist immer noch Osterzeit; die Freude am Herrn ist unsere Stärke, und die soll uns nicht genommen werden! - - Hier erfahrt Ihr, was es alles Neues gibt: 


CN: Pipi & Kacka 

Ich bin sicher, eine vielleicht kleine, aber wichtige Fraktion meiner Leserschaft brennt darauf, zu erfahren, wie das windelfrei-Experiment mit unserem Jüngsten gelaufen ist. Nun denn: Was die ersten vier windelfreien Tage des holden Knaben angeht, verlasse ich mich auf die Einschätzung meiner Liebsten, derzufolge es exakt nach Lehrbuch gelaufen ist. Nach welchem Lehrbuch? Diesem: Sofia und Michael Bergenstjerna, Sauber! Hand in Hand weg von der Windel. Tennvägen: Mountainstar, 2021. – Die Kernidee der darin vorgestellten Methode ist, dass das Kind erst einmal lernen muss, die Signale seines Körpers dafür, dass es "muss", zu erkennen, und das kann das Kind nur lernen, wenn es keine Windel trägt. Der erste Tag des windelfrei-Crashkurses ist daher einigermaßen zwangsläufig von ziemlich viel Pipi-Aufwischen geprägt. Aber schon am zweiten Tag fing der Sohnemann tatsächlich an, selbständig aufs Töpfchen zu gehen. Das Konzept scheint also durchaus empfehlenswert zu sein, dennoch hatte ich gewisse Bedenken, wie es ab Montag weitergehen sollte, wenn meine Liebste wieder zur Arbeit musste und ich mich wieder den halben Tag allein um beide Kinder kümmern musste. Tja: Und pünktlich am Sonntagabend machte der Junior sich in die Hose und verlangte daraufhin, doch wieder eine Windel angezogen zu bekommen. Auch an den nächsten Tagen war er zu keinerlei Experimenten mehr zu überreden, also ließen wir es vorerst dabei bewenden. Der nächste Anlauf zur Windelfreiheit kommt bestimmt... 

Was die Woche sonst noch so los war 

In den vier Tagen, in denen meine Liebste hauptsächlich damit beschäftigt war, wie oben beschrieben die ersten Schritte unseres Jüngsten in die Windelfreiheit zu begleiten, unternahm ich umso mehr mit dem Tochterkind. Dazu gehörte u.a., dass wir am Freitag mal wieder zusammen kochten: Zur Feier des "Meat Friday" in der Osteroktav gab's Lasagne (nach einem Rezept aus dem Buch "Kinderleicht kochen nach Bildern")  und die war wirklich superlecker. Am Samstag beteiligte sich sogar die ganze Familie am Kochen, da gab's Hähnchen-Unterkeulen auf buntem Ofengemüse, aus demselben Rezeptbuch. Am Sonntag gingen das Tochterkind und ich "alleine zu zweit" in die Kirche, wobei ich hervorheben möchte, dass meine Tochter aus eigenem Entschluss mitkam (mit fünf Jahren unterliegt sie noch nicht der Sonntagspflicht). Vor Beginn der Messe meinte sie zu mir, da ihr kleiner Bruder zu Hause geblieben sei, gebe es ja niemanden, der sie "zu Quatsch anstiften" könnte, und das stimmte auch; wobei man fairerweise sagen muss, dass es bei unseren Kindern oft nicht so ganz eindeutig ist, wer eigentlich wen zu Quatsch anstiftet. 

Derweil beginnt mein vor gut zwei Wochen veröffentlichter Artikel über meinen Trip nach Wien Wirkung zu zeigen – vorrangig in der Form, dass mein Manager Patrick (Name geändert) sich seither motivierter denn je zeigt, einen erneuten Auftritt in der alten Kaiserstadt an der Donau für mich zu organisieren. Oder am besten gleich eine ganze Reihe von Auftritten. Ideen hat er mehr als genug, darunter einige sehr ambitionierte – darauf komme ich wohl zu gegebener Zeit mal zurück –, aber für den Anfang haben wir ein Projekt ins Auge gefasst, das sich mit einigermaßen überschaubarem Aufwand realisieren lassen sollte: eine Lesung aus der "Nachfolge Christi" des Thomas von Kempen, eventuell auch kombiniert mit der "Philothea" des Hl. Franz von Sales – wobei, wenn ich's recht bedenke: Wieso kombiniert, wenn man auch zwei einzelne Veranstaltungen daraus machen kann? – Na, das muss noch zu Ende gedacht werden. 

Übrigens hat der Umstand, dass die Schulferien vorbei sind, immerhin einen klaren Vorteil: nämlich, dass mittwochs wieder JAM ist, das Kinderprogramm der EFG The Rock Christuskirche in Haselhorst. Da gingen wir auch diese Woche wieder mit unseren Kindern hin. Die biblische Geschichte für die Kinder im Vorschulalter stammte diesmal aus dem 1. Kapitel des Buches Daniel: Daniel und seine Freunde, die zu Pagen am Hof des Königs von Babel ausgebildet werden sollen, erbitten sich die Erlaubnis, sich ausschließlich von Gemüse und Wasser zu ernähren, um keinen Verstoß gegen die Speisegebote ihres Glaubens zu riskieren. Zu genau dieser Bibelstelle hatte ich erst kurz zuvor einen lustigen Beitrag des christlichen Satireportals The Babylon Bee gesehen. Davon abgesehen habe ich festgestellt, dass es zahlreiche Websites gibt, die eine auf Gemüse und Wasser basierende Kost als "Daniel-Fasten" oder "Daniel-Diät" anpreisen. Hashtag #kannstedirnichtausdenken.  

Für die Rubrik "Währenddessen in Tegel" habe ich diese Woche nichts Besonderes auf Lager, daher gibt es stattdessen 


Neues aus St. Willehad 

Laut dem Pfarrblatt "Willehad aktuell" gibt es in der dortigen Gemeinde eine neue Attraktion "für Senioren und auch für Senioren" – ach nein, der Satz geht noch weiter: "und auch für Senioren mit körperlicher Einschränkung, die Spaß und Freude an tänzerischer Bewegung haben": Tanzen im Sitzen! Kein Scheiß. "Körper, Geist und Seele werden beansprucht – ein Musik- und Bewegungserlebnis." Den "Teilnehmer/-innen" wird "ein Gefühl der Freude und der Geselligkeit" in Aussicht gestellt, außerdem heißt es, der Sitztanz fördere die Beweglichkeit und "[d]urch die Koordination der Musik, im Rahmen einer Choreografie", werde "die Gedächtnisleistung angeregt". Toll. Mir tun ja die alten Leutchen ein bisschen leid, die sich dazu verleiten lassen, bei sowas mitzumachen, aber was weiß ich schon. Anscheinend ist Tanzen im Sitzen derzeit der absolute Hype im Seniorensport und die Gemeinde St. Willehad somit voll im Trend. Wenn man "Tanz im Sitzen" als Suchbegriff bei YouTube eingibt, staunt man, was man da alles findet. Gibt es auch eine Sitz-Choreographie zu "Macarena"? – Aber sicher doch! 

Aber ehe man mir noch "Ageism" vorwirft, weil ich mich hier über Senioren-Fitness lustig mache, komme ich lieber mal zu einem ernsteren Thema: Morgen, am 21. April, gibt der Diözesanrat des Bistums Münster sein Votum über den Zuschnitt der zukünftigen Pastoralen Räume ab. Eine definitive Entscheidung ist das zwar noch nicht, denn die fällt immer noch der Bischof; es steht aber zu erwarten, dass er den Empfehlungen des Diözesanrats im Wesentlichen folgen wird. Wie man auf der Website des Bistums erfahren kann, sieht der aktuelle Stand der Strukturplanung vor, dass die Pfarrei St. Willehad Nordenham/Butjadingen/Stadland einen gemeinsamen Pastoralen Raum mit den Pfarreien in Brake/Unterweser, Varel, Wilhelmshaven, Jever und auf der Insel Wangerooge bilden soll. Na herzlichen Glückwunsch. Nicht uninteressant ist, dass ganze drei dieser sechs Pfarreien das Patrozinium St. Willehad tragen, womit es also auch gleich einen naheliegenden Kandidaten für das Patronat einer künftigen Großpfarrei gäbe. Sei dem Friesenapostel gegönnt. Dass es der Nordenhamer Gemeinde möglicherweise sogar gut tun könnte, auf mittlere Sicht zur Filiale einer Großpfarrei degradiert zu werden, deren Sitz wahrscheinlich in Wilhelmshaven sein wird, scheint mir nicht gänzlich ausgeschlossen; für leider wahrscheinlicher halte ich es, dass man sich im Sinne einer Ausdifferenzierung des Profils der einzelnen Standorte noch stärker auf die Tätigkeitsschwerpunkte Touristenbespaßung und Kita konzentrieren und alles andere noch weiter herunterfahren wird. 

Auf längere Sicht – sagen wir: 30 Jahre – sehe ich für die Kirche in der nördlichen Wesermarsch ohnehin nur zwei mögliche Optionen: Entweder wird das Gemeindegebiet von St. Willehad (oder zumindest große Teile davon) angesichts von Klimawandel und steigendem Meeresspiegel sowieso ausgedeicht und dem Meer zurückgegeben; das würde ich, heimatverbunden wie ich nun mal bin, natürlich bedauern, aber es ist eine Möglichkeit, mit der man rechnen muss. Oder eine Ordensgemeinschaft aus Indien oder Madagaskar funktioniert einen Resthof in Butjadingen oder meinetwegen auch den alten Nordenhamer Wasserturm zu einem Kloster um und fängt von da aus noch einmal neu mit der Christianisierung der Bevölkerung an. – Man könnte nun sagen, mit der letzteren Option könnte man ruhig schon früher anfangen als in dreißig Jahren; aber es könnte durchaus sein, dass, wie bei der Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste, die Generation der Heutigen erst mal ausgestorben sein muss, ehe es einen Neuanfang geben kann. 

Vielleicht aber auch nicht; Hoffnungszeichen gibt es nämlich durchaus. Am vergangenen Sonntag veröffentlichte der Facebook-Account der Pfarrei St. Willehad einige Fotos vom koptischen Ostergottesdienst in der ehemaligen Herz-Jesu-Kirche (jetzt: Gemeinde zur Heiligen Familie) in Nordenham-Einswarden. Ich fand es wirklich schön zu sehen, wie in dieses von der katholischen Kirche aufgegebene Gotteshaus wieder geistliches Leben einkehrt. (Nebenbei eine persönliche Bemerkung: Dass diese Kirche, die ursprünglich Herz Jesu hieß wie die Pfarrei in Tegel, in der meine Liebste und ich von Ende 2016 bis 2021 aktiv waren, jetzt Heilige Familie heißt wie die Spandauer Pfarrei, in der wir jetzt aktiv sind, hat mich eigentümlich berührt. Die Welt ist doch voller Zeichen...) 


Neues aus Synodalien 

Vorige Woche hatte ich in Aussicht gestellt, an dieser Stelle noch etwas über das Verbot der Beteiligung von Laien an der Wahl des nächsten Erzbischofs von Paderborn zu schreiben, sofern es nicht allzu viel anderweitiges Material für diese Rubrik gäbe. Da letzteres nicht der Fall ist, will ich dieses Versprechen nun einlösen, auch wenn es so furchtbar viel dazu gar nicht zu sagen gibt. Der Einspruch des Vatikans gegen den Versuch, ausgewählte Laienfunktionäre am Wahlverfahren zu beteiligen, war nun wahrlich keine Überraschung: Das Prozedere von Bischofswahlen in den deutschen Diözesen ist durch Konkordate zwischen dem Heiligen Stuhl und den einzelnen Bundesländern, im Fall Paderborns also dem Land Nordrhein-Westfalen, festgelegt; das sind völkerrechtliche Verträge, da kann man nicht einfach sagen "Och, wir machen das diesmal ein bisschen anders, weil's geiler ist". Wer sich da jetzt darüber echauffiert, dass es unflexibel, engstirnig, ja geradezu anmaßend von den vatikanischen Behörden sei, auf die Einhaltung der Regeln zu pochen, dem fehlt es entweder an Sachkenntnis oder er verhält sich schlicht unredlich. Was das darüber aussagt, dass im benachbarten Bistum Osnabrück dennoch an dem Vorhaben festgehalten wird, Laien ein Mitspracherecht bei der Bischofswahl einzuräumen, sei mal dahingestellt. 

Fragen wir uns aber trotzdem mal: Was wäre denn prinzipiell von der Idee einer Bischofswahl durch das Kirchenvolk der jeweiligen Diözese zu halten, sofern eine solche kirchenrechtlich zulässig wäre? Schließlich gab es so etwas in der Kirchengeschichte durchaus schon. Der Kirchenvater Ambrosius etwa wurde im Jahr 374 per Akklamation zum Bischof von Mailand gewählt und war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal getauft. Allerdings dürfte es auf der Hand liegen, dass die Organisationsstruktur der Kirche im 4. Jahrhundert, in Mailand und anderswo, sich so grundlegend von derjenigen heutiger deutscher Diözesen unterschied, dass es abstrus wäre, die damaligen Modalitäten der Bischofswahl in die Gegenwart zu übertragen. Und tatsächlich will das ja auch niemand, am allerwenigsten die Vorkämpfer einer sogenannten "Synodalen Kirche". In Paderborn wie in Osnabrück ging und geht es ja gerade nicht darum, die einfachen Gläubigen an der Bischofswahl zu beteiligen, sondern Funktionäre des institutionellen Apparats – und die repräsentieren, was immer sie Gegenteiliges behaupten mögen, eben gerade nicht das gläubige Gottesvolk. 

– An dieser Stelle hatte ich überlegt, einige Reflexionen über die in innerkirchlichen Debatten immer mal wieder implizit oder explizit auftauchende Frage einzuschieben, ob nicht jeder getaufte und gefirmte Katholik kraft des Empfangs dieser Sakramente befähigt sein sollte, über Fragen, die die Leitung der Kirche betreffen, mitzuentscheiden, weil doch schließlich der Heilige Geist in ihnen allen wirkt. Ich bin jedoch zu dem Schluss gekommen, dass das an dieser Stelle zu weit führen würde und eher ein Thema für einen eigenständigen Artikel wäre (s.u. "Blogvorschau"). Daher halte ich hier vorerst mal nur den Eindruck fest, dass dieses Argument besonders gern von Leuten vorgebracht wird, denen man am wenigsten abkauft, selbst daran zu glauben. 

Indes, full disclosure: Eine Kirche, in der die organisatorischen Strukturen so überschaubar und transparent, die persönlichen Beziehungen der Gläubigen untereinander so eng und die Gemeinden so sehr vom Heiligen Geist durchdrungen wären, dass eine Einbeziehung aller Gläubigen in die Wahl des Bischofs sinnvoll möglich wäre, wäre durchaus eine Kirche, wie ich sie mir erträume. Die wäre aber, was die Organisationsstruktur betrifft, von derjenigen, die wir tatsächlich haben, so weit entfernt, dass es einige Phantasie erfordert, sie sich auch nur vorzustellen, und auch die "Reform"-Bestrebungen des Schismatischen Weges bringen uns ihr nicht näher; eher wohl im Gegenteil. 

Sehr empfehlen möchte ich in diesem Zusammenhang einen Artikel von Bloggerkollegin Anna auf "Katholisch ohne Furcht und Tadel", in dem sie das Debakel um die Paderborner Bischofswahl als Paradebeispiel dafür betrachtet, was in der Kirchenreformdebatte hierzulande do alles schief läuft – und plausibel darlegt, dass dadurch Reformen in der Kirche, die diese Bezeichnung wirklich verdienen würden, gerade be- bzw. verhindert werden. 

Im Übrigen habe ich für die Rubrik "Neues aus Synodalien" noch eine Vorankündigung in petto: Am nächsten Donnerstag, dem 27. April, findet im Gemeindehaus der Kirche St. Konrad in Falkensee (Havelland) eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Synodaler Weg – Wie weiter in Bistum und Pfarrei?" statt, bei der der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Pater Manfred Kollig SSCC, als Hauptreferent auftritt; als Veranstalter agiert eine "Gruppe Synodale Gemeinde/Maria 2.0 in der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland". Da will ich hin, das wird bestimmt spannend. Leser aus Berlin oder dem Berliner Umland dürfen sich gern eingeladen fühlen, da ebenfalls hinzukommen und die gute Sache zu unterstützen. 

Aktuelle (Bett-)Lektüre 

Dieses Buch hat unsere Große schon vor längerer Zeit von ihrer Taufpatin geschenkt bekommen; ein erster Versuch, es ihr vorzulesen, war jedoch im zweiten Kapitel stecken geblieben, was wohl vor allem daran lag, dass es inhaltlich wie auch sprachlich nicht unbedingt auf Kinder im Vorschulalter zugeschnitten ist (wobei: das sind viele andere Bücher, die wir zusammen lesen, auch nicht). Nun jedoch hat sich das Tochterkind dieses Buch als Bettlektüre ausgesucht und ihm damit, sehr zu meiner Überraschung, den Vorzug gegenüber einem aus der Bücherei ausgeliehenen Band aus der Reihe "Sternenfohlen" gegeben (dazu dann wohl beim nächsten Mal). Das Buch "Rund um unsere Kirche" erzählt in einzelnen episodischen Kapiteln die Geschichte eines fiktiven kleinen Ortes im Grenzbereich zwischen Rheinland und Westfalen – irgendwo zwischen Köln und Paderborn – von der Christianisierung der Sachsen im 8. Jahrhundert über das Hoch- und Spätmittelalter, den Dreißigjährigen Krieg und den Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart. In jeder Episode spielen Kinder, in der Regel ein Junge und ein Mädchen, eine wichtige Rolle, und einen roten Faden, der die Kapitel miteinander verknüpft, bildet die wechselhafte Baugeschichte der örtlichen Kirche. Konzeptionell gefällt mir das ziemlich gut, auch wenn ich die Erzählweise zuweilen etwas steif finde und der belehrende Anspruch den unterhaltenden gelegentlich allzu weit hinter sich lässt. Überhaupt hat es durchaus etwas Erfrischendes, mal ein Buch mit historischem Sujet zu lesen, in dem die katholische Kirche in einem im Wesentlichen positiven Licht erscheint. Kurzum, eine uneingeschränkte Empfehlung bekommt das Buch von mir nicht, aber doch, sagen wir mal, drei von fünf Sternen. 

Aus dem Stundenbuch 
"Die Gnade, durch welche die Kirche der Leib Christi werden konnte, möge auch bewirken, daß die Glieder des Leibes, die durch die Liebe zusammengefügt wurden, in der Einheit verharren. Mit Recht beten wir, dies möge durch die Gabe des Geistes in uns geschehen; denn er ist der eine Geist des Vaters und des Sohnes. Die heilige Dreifaltigkeit ist vom Wesen her Einheit und Gleichheit und Liebe. Sie ist der eine, einzige und wahre Gott. Sie heiligt und macht eines Sinnes alle, die sie annimmt." 
(Fulgentius von Ruspe, aus dem Buch an Ruhlis)

 Ohrwurm der Woche 

Billy Paul: Brown Baby 


Zunächst einmal einfach ein sehr schöner Song, aber dass er sich so hartnäckig in meinem Kopf festsetzte, nachdem ich ihn ewig nicht gehört hatte, hatte mit einer Twitter-Kontroverse zu tun, die mir ohne eigenes Zutun in die Timeline gespült wurde. Es begann damit, dass das Pro-Life-Nachrichtenportal LifeNews eine Meldung über massiv gesunkene Abtreibungszahlen in einer Reihe von US-Bundesstaaten mit dem Foto eines lachenden Kleinkindes illustrierte; und die Tatsache, dass es sich um ein afroamerikanisches Kleinkind handelte, löste in bestimmten Regionen des Internets Reaktionen aus, die ich nur als eklig bezeichnen kann. Besonderes Aufsehen erregte ein Account mit über 100.000 Followern, der einen Screenshot des LifeNews-Tweets postete und die "interessante Wahl des Fotos" mit der Frage kommentierte: "Wollt ihr das wirklich, Katholiken?" – Wie sich anhand anderer Tweets desselben Urhebers unschwer feststellen ließ, handelte es sich nicht etwa um einen linken Pro-Choicer, der der Pro-Life-Bewegung auf süffisante Weise Rassismus unterstellen wollte (wie man es ja, vielleicht abzüglich der Süffisanz, auch in Deutschland nicht selten erlebt), sondern vielmehr um einen Eugenik-Freak, der zum Ausdruck bringen wollte, dass die Pro-Life-Bewegung ihm nicht rassistisch genug ist. Eine Reihe von katholischen und anderen christlichen Accounts reagierten darauf, indem sie die Vorstellung, Abtreibung sei nur dann (oder vorrangig dann) abzulehnen, wenn sie weiße Babys betreffe, entschieden zurückwiesen. Aber der Einblick in die Eugenik-/Rassismus-Bubble auf Twitter, der sich bei dieser Gelegenheit bot, hatte durchaus etwas Verstörendes. Da hilft mir dieses Lied dabei, mich wieder zu "entstören"... 

 
Blogvorschau 

Erneut habe ich zu Protokoll zu geben, dass ich die per Umfrage festgelegte Liste von Artikelthemen noch zu Ende abarbeiten muss: Den Artikel zum Thema "Pro-Magazin und Klimareligion" hätte ich eigentlich spätestens gestern fertig bekommen wollen, aber dann hat mich die Umstellung des Familienalltags von Ferienmodus auf "Mami-geht-arbeiten"-Modus doch so stark in Anspruch genommen, dass ich wohl noch ein paar Tage länger für diesen Artikel brauchen werde. Und dann ist noch die Rezension zu Isabel Abedis "Lola in geheimer Mission" dran, ehe ich mich neuen Themen zuwenden kann. Wobei auch diese dann nicht zwangsläufig "neu" sein werden: Die Saga um die eingekerkerte Nonne muss natürlich weitergehen (Teil 17 ist auch bereits in Vorbereitung), und auch zur "Lola"-Buchreihe werden noch Folgeartikel fällig: Gemäß der Reihenfolge, in der ich die Bücher erstmals gelesen habe, wäre da als nächstes "Lola macht Schlagzeilen" an der Reihe. Und sonst so? Ein mögliches Thema, das ich weiter oben (unter "Neues aus Synodalien") bereits angedeutet habe, wäre die Art und Weise, wie in kirchenpolitisch "progressiven" Kreisen die Sprache der Charismatischen Bewegung kooptiert (und korrumpiert?) wird. Und dann könnte ich noch – da ich in jüngster Zeit anhand von Leserreaktionen festgestellt habe, dass ich mit der thematischen Bandbreite meiner Wochenbriefings, die mir manchmal selbst etwas schrullig vorkommt, tatsächlich eine entsprechende Bandbreite an Leserinteressen bediene – einen Artikel darüber ins Rennen schicken, wie ich zum Chefkoch meiner Familie avanciert bin; diesen Artikel könnte ich mit allerlei praktischen Tipps und Links zu empfehlenswerten Rezeptseiten anreichern, aber auch mit Reflexionen darüber, warum es #benOppig ist, für die Familie (und erst recht mit der Familie) zu kochen. – Wer die Umfrage zu den kommenden Artikelthemen nicht verpassen möchte, dem sei übrigens wärmstens empfohlen, die Facebook-Seite von "Huhn meets Ei" zu abonnieren. 

Davon abgesehen habe ich noch ein besonderes Bonbon für Euch, Freunde: Im Zuge der aktuellen Renaissance des katholischen Bloggens rede ich schon seit einiger Zeit meiner Liebsten gut zu, ihren Blog "Wandern im Wellenwind" zu reaktivieren; und nun ist es mir gelungen, sie zu einer "Challenge" zu überreden: Sie wird einen zünftigen "Rant" zum Thema "Familien mit kleinen Kindern im Gottesdienst" zu bloggen, wenn ein Tweet von mir, in dem ich selbiges ankündige, innerhalb einer Woche mindestens 30 "Likes" erhält. Den betreffenden Tweet findet Ihr hier, also lasst Euch bitte nicht lumpen!