Mittwoch, 8. Mai 2024

Immer wieder mittwochs – spezial: Hl. Josef der Arbeiter

So kann's kommen, Leser: Kaum habe ich – im Creative Minority Report Nr. 26 – "versuchsweise" die Wochenbriefing-Rubrik "Immer wieder mittwochs" eingeführt, da wächst diese Rubrik auch schon über den Rahmen des Wochenbriefings hinaus und beansprucht einen eigenständigen Artikel. Was zugegebenermaßen wesentlich daran liegt, dass der vergangene Mittwoch kein "ganz normaler" Mittwoch war, sondern der 1. Maiweltlich ein in der Tradition der Arbeiterbewegung verwurzelter Feiertag, kirchlich seit 1955 ein dem Hl. Josef gewidmeter Festtag. Zum Hl. Josef, dem Beschützer und Ernährer der Heiligen Familie, habe ich ja eine besondere Affinität, seit ich selbst Familienvater bin, und zudem ist er der Patron unserer "Wahlgemeinde" in Siemensstadt. Dort gingen wir folgerichtig an diesem Mittwoch zur Messe – wobei ich mich ein wenig fragte, ob die Senioren in St. Marien Maternitas in Heiligensee, wo ich sonst gern mittwochs mit meinem Jüngsten zur Messe und zum anschließenden Frühstück gehe, uns wohl vermissten. Dafür, dass uns das Gemeindefrühstück in Heiligensee entging, wurden wir allerdings mehr als vollwertig entschädigt, denn im Anschluss an die Messe in St. Joseph Siemensstadt feierte der örtliche Pfarrvikar im Pfarrsaal seinen 60. Geburtstag nach, der in die Karwoche gefallen war. Aber mal der Reihe nach: 

In seinen Begrüßungsworten zur Messe führte der Pfarrvikar aus, der offizielle Patroziniumstag der Kirche St. Joseph Siemensstadt sei zwar der 19. März, das Hochfest des Hl. Josef; angesichts der Geschichte dieses Gotteshauses könne man aber durchaus meinen, das Fest Hl. Josef der Arbeiter wäre eigentlich das passendere Patrozinium. Warum? Weil es eine Arbeiterkirche ist, die von Siemens für die aus dem Rheinland und Süddeutschland angeworbenen katholischen Arbeiter seiner Firma gestiftet wurde. 

Altarbild des ehemaligen Hochaltars von St. Joseph Siemensstadt, jetzt an einer Seitenwand des Kirchenschiffs angebracht. 

Nach der Verlesung des Evangeliums kündigte der Pfarrvikar an, "nur ein paar Worte" über den Tagesheiligen und die Bedeutung seines Fests sagen zu wollen, aber tatsächlich wurde dann eine Predigt von fast einer Viertelstunde Länge daraus. Worüber ich mich jedoch keineswegs beklagen möchte, denn die Predigt war nicht nur lang, sondern auch sehr gehaltvoll – weshalb hier nun die Zwischenüberschrift 


Predigtnotizen 

folgen möge. – Die Gestalt des heiligen Josef zu betrachten, lade dazu ein, über Vaterschaft nachzudenken, betonte der Pfarrvikar einleitend; das schließe auch verschiedene Formen geistlicher Vaterschaft ein: "Wir alle haben sozusagen eine geistliche Elternschaft für die Menschen, die Gott uns anvertraut hat." Wie man es von seinen Predigten kaum anders gewohnt ist, gewann er diesem Ausgangsgedanken eine ganze Reihe bemerkenswerter Aspekte ab, von denen ich hier nur eine Auswahl ansprechen kann und will. 

So hob er mit Blick auf die 1. Lesung – aus dem "Priesterlichen Schöpfungsbericht" des Buches Genesis – hervor, die Signifikanz der Aussage, Gott habe den Menschen "männlich und weiblich" erschaffen (Gen 1,27b), liege darin, dass Gott Seine Liebe "in unsere Körper eingeschrieben" hat: eine "schöpferische Liebe", eine "Liebe, die fruchtbar wird". – Eine weitere Passage der Predigt, die mich aufhorchen ließ, lautete: 

"Josef fragt nach dem Willen Gottes. Das ist der Christ jeden Tag in der Früh, wenn er aufsteht. Er fragt sich: Lieber Gott, was möchtest du heute von mir, was ist heute dran, was hast du heute vorbereitet für mich?" 

Dass ich mich davon so angesprochen – und durchaus auch irgendwie "erwischt" – fühlte, hat mit der Erkenntnis zu tun, wie leicht man im Alltag der Versuchung erliegt, diese Frage gerade nicht zu stellen: Weil ja vermeintlich sowieso schon klar ist, was man zu tun hat (in meinem Fall: aufstehen, duschen, anziehen, die Kaffeemaschine anstellen, Frühstück für die Kinder vorbereiten, die Kinder wecken und so weiter, bis man die Große in der Schule abgeliefert hat; und dann hat man vielleicht mal Zeit, innezuhalten und sich selbst und das kleinere Kind zu fragen "Was machen wir heute?"). Also, ich nehme mir das mal als Hausaufgabe mit. 

Ein großer Teil der Predigt drehte sich darum, die Seligpreisungen der Bergpredigt als "Schlüssel für Elternschaft" zu betrachten, und zwar vorrangig die erste: "Selig, die arm sind vor Gott" (Mt 5,3). Auch das erwies sich als ausgesprochen relevant für mein tägliches Leben. "Um Eltern zu sein, muss man die eigene Armut annehmen", stellte der Pfarrvikar fest und fügte hinzu: "Das gilt nicht nur für Eltern, das gilt auch für mich als Priester." Diese Armut äußere sich etwa darin, dass man seine "Zeit, die Kräfte, die Energie" nicht mehr für sich selbst habe: Elternschaft erfordere, 

"sich loszulösen von den eigenen Plänen, von den eigenen Vorstellungen. Wenn Sie Kinder haben, dann wissen Sie: Man kann nichts mehr planen. Zumindest wenn sie klein sind. Das heißt: Ein anderer wird unser Meister, und das sind die Kinder. Das erfordert eine große Armut. Wenn wir nur unsere Pläne, unsere Vorstellungen sehen, werden wir den Kindern nicht gerecht. Dasselbe gilt auch für uns Priester." 

"Die eigene Armut anzunehmen" und "sich loszulösen von sich selbst" bedeute unter anderem, "die eigenen Interessen nicht an die erste Stelle zu setzen", sondern sie denen des Ehepartners und der Kinder unterzuordnen. "Vater sein ist kein Besitz; Priester sein ist auch kein Besitz. Sondern es ist ein Widerspiegeln der Elternschaft Gottes, die großzügig ist." Daneben und darüber hinaus gebe es aber auch 

"noch eine zweite Armut: Nicht nur, dass die Kinder unsere Pläne, unsere Zeit, unser Geld und so weiter in ihren Dienst nehmen, sondern sie führen uns auch an unsere Grenzen. Und das ist sehr schwierig anzunehmen, wenn Kinder uns an unsere Grenzen führen." 

Die eigenen Grenzen zu sehen, bedeute etwa, "den Mangel an Sanftmut zu sehen, den Mangel an Barmherzigkeit zu sehen; dass man sieht, dass man manchmal zornig wird und dass man nervös wird. [...] Man sieht, man müsste dieses und jenes tun, und man sieht die Unmöglichkeit." – Und wie kann es gelingen, diese eigenen Unzulänglichkeiten anzunehmen? Mit Demut

"Demut sagt uns, dass Gott auch noch existiert. Dass wir nicht die Erlöser von allem sind – das gilt auch für uns Priester –, sondern dass Gott existiert und dass Er mit den Kindern das tun wird, den Weg führen wird, den Er möchte. Und Demut zieht Gnade an. Eine Familie, die aus der Gnade lebt – das heißt, mit Freude, mit einem Klima der Dankbarkeit und der Großzügigkeit –, das spricht von Gott. Wenn alles perfekt sein muss, dann wird es eng, dann wird es hart. Deswegen: Die eigene Armut anzunehmen, die eigene Unzulänglichkeit anzunehmen, ist Demut, aber auch Gnade – denn es öffnet die Tür für den Herrn." 

Abschließend betonte der Prediger mit Blick auf das Patrozinium der Siemensstädter Kirche die "große Gnade, dass der heilige Josef unser Patron ist": "Der heilige Josef ist ein guter Nährvater. Er wird auch in der Zukunft für uns sorgen." Und schließlich: "Die Fürsprache des heiligen Josef für uns, für unsere Familien ist immer eine Gnade, eine Stärkung und ein Geschenk." 


Schwein gehabt 

Am Ende der Messe wurden dem Pfarrvikar Geburtstagsgeschenke überreicht, der Pfarrer, der zuvor noch eine Messe im Seniorenheim St. Elisabeth gehalten hatte, aber noch rechtzeitig in St. Joseph eingetroffen war, um bei der Eucharistiefeier zu konzelebrieren, hielt eine kleine, herzliche Ansprache, und aus der Gemeinde heraus wurden zwei Geburtstagsständchen angestimmt, eins davon auf Polnisch. Insgesamt war es schön zu sehen, wie beliebt der Pfarrvikar in der Gemeinde ist, in der er bis zur Pfarreifusion Anfang 2023 Pfarrer war. In seinen Dankesworten lud er die anwesende Gemeinde zu einem Geburtstagsschmaus im Pfarrsaal ein und betonte, zu essen gebe es genug: "Gott ist wieder einmal großzügig gewesen, nehme ich an." 

Das erwies sich als richtig.  

Die Kinder ließen sich die Überzeugung nicht ausreden, bei dem Spanferkel handle es sich um ein "Wildschwein".

Wir hatten auch etwas zum Büffet beigesteuert, nämlich einen mediterranen Pastasalat – von dem wir aber leider einen großen Teil wieder mitnehmen mussten, da die Gesamtmenge des aufgetischten Essens einfach zu groß war

Da es im Pfarrsaal ziemlich voll und draußen schönes Wetter war, sicherten wir uns einen Tisch auf der Terrasse, die Kinder spielten zeitweilig im Garten mit den Töchtern einer KiWoGo- und Wichtelgruppen-Teamkollegin. Am Tisch bekamen wir Gesellschaft von einer Frau, die in der Messe Geige gespielt hatte, und ihrer Tochter, die am darauffolgenden Sonntag Erstkommunion hatte. Wir unterhielten uns ausgesprochen gut, unter anderem über das Thema Schule (wie sich zeigte, war die Frau mit der Geige Lehrerin), und dem Mädchen legte ich augenzwinkernd nahe, es dürfe gern auch nach der Erstkommunion weiter zum Kinderwortgottesdienst kommen. 


Währenddessen in Tegel 

Wir verließen die Feier gegen 13:30 Uhr, da wir noch zum "Patronats- und Siedlungsfest" von St. Joseph Tegel wollten – wo, wie schon im vorigen Jahr, eine ganze Menge geboten wurde: 


Meine Liebste, deren Widerwille gegen die Aussicht auf ein Wiedersehen mit Leuten, die uns seinerzeit die aktive Mitarbeit in der Tegeler Pfarrei verleidet haben, noch deutlich ausgeprägter ist als mein eigener, war zunächst sehr skeptisch gewesen, ob sie zu diesem Fest mitkommen wollte, aber Coffee-Bike und Crêpe-Stand waren schon starke Argumente – während für die Kinder schon die Hüpfburg als Anreiz völlig ausreichend war. Zumindest theoretisch. Als wir in Siemensstadt aufbrachen, erwiesen sich die Kinder als aufgekratzt, launisch und müde zugleich – eine explosive Mischung. Für den Jüngsten war ohnehin eigentlich Mittagsschlafzeit, und meine Liebste stellte fest, dass sie sich am liebsten ebenfalls für ein paar Stunden zu Hause aufs Ohr legen würde. Dass der Rückweg von Siemensstadt nach Tegel wiederum von verpassten Bussen geprägt war und sich folglich ziemlich (oder eher unziemlich) in die Länge zog, machte die Gesamtsituation nicht gerade besser, und so stand es zwischenzeitlich ziemlich auf der Kippe, ob wir es überhaupt noch nach St. Joseph Tegel schaffen würden. Nach einigem Hin und Her entschieden sich aber doch beide Kinder dafür, mit mir zu dem Fest zu gehen, und meine Liebste durfte sich zu Hause ausruhen. 

Als wir ankamen, war es schon fast halb Vier; kurz vorher war der Kleene im Wagen eingeschlafen, die Große stürzte sich direkt auf die Hüpfburg, und ich hatte Zeit, mich umzusehen. 

Auf den ersten Blick drängte sich mir noch stärker als im vorigen Jahr den Eindruck auf, dieses Fest habe mit der örtlichen Kirchengemeinde überhaupt nichts zu tun. Okay, natürlich kann es sein, dass sich die Zusammensetzung dieser Gemeinde in den letzten Jahren – also seit meine Liebste und ich nicht mehr in der Tegeler Pfarrei aktiv sind – erheblich verändert hat; aber so sehr dann wohl doch nicht, dass das Erscheinungsbild dieser vor wenigen Jahren noch überalterten und akut vom Aussterben bedrohten Gemeinde plötzlich von jungen Familien dominiert würde. Wie ich schon im vorigen Jahr notiert habe, ist es wohl eher so, dass der Aufschwung geselliger Aktivitäten in der Gemeinde St.Joseph Tegel wesentlich auf das Engagement einer kleinen Gruppe von KiTa-Eltern zurückzuführen ist – und nach dem Prinzip "Gleich und gleich gesellt sich gern" eben auch ein entsprechendes Publikum anzieht. Davon abgesehen heißt das Dingens ja nicht von ungefähr seit letztem Jahr "Patronats- und Siedlungsfest", richtet sich also ausdrücklich auch an die Nachbarn, und es könnte durchaus sein, dass einige der Häuser in der St.-Josephs-Siedlung in dem letzten Jahren an jüngere Leute vererbt oder verkauft wurden. – Nun kann man natürlich sagen: Ist doch gut, wenn auf diese Weise mal wieder "Leben in die Bude kommt"; zumal das womöglich die Chancen erhöht, diesen Kirchenstandort zu erhalten, dem Schrumpfungskurs des Erzbistums zum Trotz. So gesehen würde ich diese Entwicklung gern begrüßen – wenn, ja wenn sie einherginge mit Bemühungen um eine geistliche Erneuerung der Gemeinde, um so etwas wie Neuevangelisierung. Davon ist aber nicht viel zu bemerken. Okay, neben der regelmäßigen Vorabendmesse und einer wöchentlichen Werktagsmesse (die, wie berichtet, erst kürzlich von der Pfarrkirche Herz Jesu hierher verlegt worden ist) gibt es in St. Joseph Tegel ungefähr einmal im Monat eine Familienandacht; da sollte man vielleicht mal hingehen, wenn sie nicht gerade mit dem Kinderwortgottesdienst in St. Joseph Siemensstadt kollidiert. Im Ganzen habe ich aber eher den Eindruck, dass die Kirchengemeinde sich zu einem bloßen Anhängsel der KiTa entwickelt – ein Phänomen, das wohl auch andernorts nicht ganz selten ist

Diese aus einem alten Baumstumpf geschnitzte, mit einem Kreuz in der Rückenlehne verzierte Sitzgelegenheit wird allmählich von Ameisen zersetzt. Ist das symbolisch für irgendwas? Und wenn ja, wofür?

Wie dem auch sei: Bei meinem ersten Rundgang über das Festgelände sah ich nur eine einzige Person, die ich "von früher" kannte, und das war eine alte Frau, die schon "damals" bei so gut wie keiner Veranstaltung der Pfarrei gefehlt hatte – was auch beinhaltete, dass sie regelmäßig an unserem "Dinner mit Gott" und sogar an unseren Lobpreisandachten teilnahm. Von den Hauptamtlichen der Pfarrei, und ebenso den ehrenamtlichen "Erzlaien", war derweil keine Spur zu entdecken. Zunächst dachte ich, es gäbe vielleicht irgendwo etwas abseits vom gemeinen Pöbel einen "Honoratiorentisch", aber das war nicht der Fall; wahrscheinlich waren die Honoratioren der Gemeinde schon wieder gegangen. (Der Pfarrer tauchte später kurzzeitig noch einmal an der Bierbude auf, aber wir hatten keinen direkten Kontakt zueinander. War vielleicht auch besser so.) 

Ein heikles Thema bei Pfarrfesten ist ja immer die Frage der Bezahlung für Speis und Trank, besonders wenn man es vermeiden will, dass die ganze Veranstaltung umsatzsteuerpflichtig wird. Beim "Patronats- und Siedlungsfest St. Joseph" war das schon im vorigen Jahr so gelöst worden, dass alle Speisen und Getränke nicht gegen Geld, sondern ausschließlich gegen Wertmarken ausgegeben wurden, die man an einem separaten Stand kaufen musste. Das war auch diesmal wieder so, und zu meiner Überraschung erstreckte sich das sogar auf das Coffee-Bike

Noch schlechter als letztes Jahr war die Musik. Statt eines graubärtigen DJs mit Bierbauch und Sonnenbrille gab es diesmal einen Jugendlichen mit Laptop, und ich kann ernsthaft nur hoffen, dass er die Playlist, die er abspielte, nicht selbst zusammengestellt hatte, denn sie umfasste fast ausschließlich Stücke aus dem Grenzbereich zwischen Deutschpop und Deutschem Schlager. Ein bisschen aus dem Rahmen fiel "Ein Kompliment" von Sportfreunde Stiller, davon abgesehen musste man Grönemeyer, Nina und Klaus Lage schon als die Highlights des Programms bezeichnen. Als ich zwischendurch mal ins Gemeindehaus ging, um meinem inzwischen wach gewordenen Jüngsten die Windel zu wechseln, drang durchs offene Fenster "Musik nur, wenn sie laut ist" herein, und ohne dass es mir bewusst gewesen wäre, muss ich wohl laut mitgesungen haben, denn auf dem Weg zurück nach draußen kam mir eine junge Frau entgegen, die sehr freundlich lächelnd zu mir sagte: "Grönemeyer singen und dabei das Kind wickeln, das war schön."

Zu diesem Detail meines Berichts möchte ich anmerken, dass ich schon öfter die bemerkenswerte Erfahrung gemacht habe, wie sehr eine einzige nette Begegnung, eine einzige freundliche Anrede die Stimmung komplett drehen kann. So ist der Mensch offenbar gestrickt. (Es funktioniert leider auch in umgekehrter Richtung, und das ist gerade im kirchlichen Kontext häufig ein Problem, z.B. beim Messbesuch mit Kindern; aber das mal nur am Rande.) Bis zu dem hier geschilderten Moment hatte ich mich gelangweilt, mich fehl am Platze gefühlt und gehofft, nicht allzu lange bleiben zu müssen; aber jetzt gefiel es mir plötzlich recht gut auf diesem Fest, und ich überwand mich sogar, ein paar Wertmarken zu kaufen, um für mich und die Kinder etwas zu trinken zu besorgen. Auch der Eindruck, die alteingesessene örtliche Kirchengemeinde sei auf diesem Fest praktisch nicht vertreten, relativierte sich ein wenig: Außer dem Pfarrer sah ich auch die bei früherer Gelegenheit schon gewürdigte pensionierte Gemeindereferentin (an einem Stand, an dem der Förderverein Spenden für die offenbar gerade in Arbeit befindliche Erneuerung des Kirchendaches sammelte), und dann hatte ich sogar ein ausgesprochen nettes Gespräch mit einer Frau, die ich aus meiner Zeit im Pfarrgemeinderat kannte.

Die Kinder hatten derweil sowieso Spaß; dafür sorgte nicht allein die Hüpfburg, sondern auch der Umstand, dass zur Feier des Tages der Spielplatz der Kita frei zugänglich war. Das Tochterkind freundete sich bei dieser Gelegenheit übrigens mit einem vielleicht zwei bis drei Jahre älteren Mädchen an, das, wie sich herausstellte, die Tochter eines der Organisatoren des Fests war. Vielleicht sollte man mal versuchen, den Kontakt zu halten bzw. auszubauen – könnte spannend werden...

Als ich die Kinder zwischendurch fragte, ob wir mal in die Kirche reinschauen wollten, bejahten sie fröhlich. Wir zündeten Opferkerzen an, und ich war nicht gerade überrascht, dass der Jüngste – wohl schon aus Gewohnheit – fragte, ob wir Musik anmachen könnten. Ich sagte jedoch, daß würde wohl nicht gehen, zumal draußen ja andere Musik gespielt würde. Wobei ich ehrlich sagen muss, Lust gehabt hätte ich eigentlich schon, der penetranten Schlagermucke etwas Lobpreis entgegenzusetzen. 

Diese Madonnenfigur entdeckten meine Kinder im Gebüsch am Rande des Kirchengrundstücks. Ich war verblüfft.

Am Ende war es so, dass die Kinder – nachdem ich sie zunächst überhaupt nur mit Mühe hierher gekriegt hatte – von diesem Fest gar nicht mehr weg wollten. Auch nicht, nachdem aus der Hüpfburg die Luft rausgelassen worden war. Um nochmals auf die Musik zurückzukommen: Als das Festgelände sich allmählich leerte, ging der jugendliche DJ dazu über, quasi als "Rausschmeißer" die Art von Musik zu spielen, die er vermutlich privat hört; das war dann eben auf andere Art Scheiße. Der Song "Wildberry Lillet" von Nina Chuba lief sogar zweimal; den kannte ich bisher gar nicht, aber meine Tochter meinte, sie kennt das Lied aus der Schule. Na, was soll man sagen. Sympathiepunkte gibt's übrigens dafür, dass, als der Grillstand abgebaut wurde, die fertigen, aber nicht verkauften Würste gratis ausgegeben wurden. Insgesamt war es ein wirklich gelungenes Fest, und ich muss gestehen, ich habe erhebliche Zweifel, ob das Pfarrfest in Maria, Hilfe der Christen im Anschluss an die Spandauer Fronleichnamsprozession auch nur halb so gut wird. Okay, vielleicht erlebe ich diesbezüglich eine Überraschung; aber mich beunruhigt ein wenig die Vorstellung, es gebe womöglich einen tieferen Zusammenhang zwischen der Qualität des Tegeler St.-Josephs-Fests und der Tatsache, dass es nicht in erster Linie von und für "church people" organisiert wurde. Diesen Gedanken gilt es sicherlich noch zu vertiefen – und zu überprüfen. Ich komme darauf zurück, wenn die Spandauer Fronleichnamsfeier über die Bühne gegangen ist... 


Samstag, 4. Mai 2024

Creative Minority Report Nr. 28

Grüße aus Zinnowitz auf der Insel Usedom – wo ich gerade mit meinem Tochterkind an einem "Väterwochenende" in einer Begegnungsstätte des Erzbistums Berlin teilnehme. Näher werde ich darauf allerdings erst in der nächsten Ausgabe des Creative Minority Report eingehen können, denn über die zurückliegende Woche gibt es auch ohnedies mehr als genug zu berichten. 

Es steht übrigens zu befürchten, dass die vorliegende Creative Minority Report-Folge wieder einmal eine wird, mit der ich mir – besonders "im eigenen Lande", d.h. in der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland – nicht besonders viele Freunde mache, aber es ist durchaus nicht so, dass ich es darauf angelegt hätte; die "problematischen" Themen (Jugendgottesdienst, Erstkommunion) haben sich vielmehr förmlich aufgedrängt. Etwas Positives gibt es aber auch zu berichten, nämlich über die Wichtelgruppe. Aber mal der Reihe nach! 

Symbolbild: In der Erstkommunion ist der Wurm drin. 

Was bisher geschah 

Am vergangenen Samstag stand eine ganze Menge auf dem Programm: Vormittags war Wichtelgruppentreffen (der Bericht darüber folgt unter "Aus meinem Wichtelbuch"); am frühen Nachmittag gingen wir dann in Tegel ins Kino, zu einer Veranstaltung der Reihe "Mein erster Kinobesuch". Dieses Veranstaltungsformat zeichnet sich dadurch aus, dass der Saal nicht komplett verdunkelt wird, die Tonspur nicht so laut ist und ein Film gezeigt wird, der besonders für kleine Kinder geeignet ist und nur eine knappe Stunde dauert. Der Plan für den Rest des Samstags sah vor, dass ich in der Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen zum Jugendgottesdienst ging – hauptsächlich um mir die Band anzuhören, die da spielte – und wir uns danach alle bei der Community Networking Night im Baumhaus wiedertreffen und dort auch zu Abend essen wollten. Aber dann kam alles etwas anders: Etwa zwanzig Minuten nach Beginn des Gottesdienstes ereilte mich eine Nachricht meiner Liebsten, die Kinder seien total außer Rand und Band und mit ihnen könne man an diesem Abend wohl nirgends mehr hingehen; da fuhr ich dann doch lieber heim und besorgte fürs Abendessen Tiefkühlpizza. Ein paar Eindrücke aus dem Jugendgottesdienst werde ich (unter der Überschrift "Ich bin nur wegen der Band hier") trotzdem schildern müssen; um die nur einmal im Monat stattfindende Community Networking Night im Baumhaus ist es ein bisschen schade, aber direkt schlimm ist es wohl nicht, wenn wir da erst im nächsten Monat wieder teilnehmen – zumal ich zum Gartenprojekt in Haselhorst derzeit ohnehin nicht viel Neues zu berichten gehabt hätte, was nächsten Monat schon anders aussehen könnte. 

Am Sonntag wurde, wie bereits angekündigt, in St. Joseph Siemensstadt Erstkommunion gefeiert; was es darüber zu berichten gibt, könnte man in dem Satz "Hätte schlimmer sein können" zusammenfassen; man könnte auch Vieles von dem wiederholen, was ich schon früher dazu geschrieben habe, dass und warum die landläufige Erstkommunion-Praxis im Grunde eine Zumutung für alle Beteiligten und Nichtbeteiligten ist; aber ich werde unter der Überschrift "Glanz und Elend der Erstkommunion" mal einen Mittelweg versuchen. 

Am Montag fiel der sonst übliche "Omatag" aus, da meine Schwiegermütter verreist waren; also blieb unsere Große länger in der Schule, und mit dem Jüngsten ging ich zuerst zur #kindergartenfrei-Spielgruppe und dann, auf seinen ausdrücklichen Wunsch, nach St. Joseph Tegel, wo wir eine Lobpreisandacht zum Tag der Diakonin Fest der Hl. Katharina von Siena abhielten. Ich war gerade bei den Fürbitten, als sich das Kirchenportal öffnete – und prompt fühlte ich mich ertappt. Ein Reflex, den ich mir eigentlich schon längst mal abtrainieren wollte: So weit sind wir ja wohl doch noch nicht, dass man das Gefühl haben müsste, etwas Verbotenes oder Unangemessenes zu tun, wenn man in einer offenen Kirche betet. Es war auch keine ehrenamtliche Küsterin oder pensionierte Gemeindereferentin, die die Kirche betrat, sondern ein schätzungsweise zehn- bis zwölfjähriger Junge, der kaum Notiz von uns nahm, sondern zielstrebig die Orgelempore erklomm. Aha, dachte ich, der will hier wohl Orgel üben. Ich beendete also unsere Andacht mit Vaterunser, Tagesgebet und Segensbitte, aber, um Interessenkonflikte zu vermeiden, ohne nochmals Musik anzumachen. Stattdessen spielte der Orgelschüler auf der Empore zuerst die markanten Anfangstakte von Bachs "Toccata und Fuge in D-Moll" (BWV 565) – wie man das halt so macht, wenn man eine Kirchenorgel zu seiner freien Verfügung hat – und dann "Freude, schöner Götterfunken" , woraufhin ich unwillkürlich dachte: Na toll, da kürzt man eine Lobpreisandacht ab, damit hier in der Kirche Freimaurerlieder ertönen. Bloß gut, dass ich kein Verschwörungstheoretiker bin. – Aber als Argument für den Fall, dass sich doch mal jemand über unsere "Beten mit Musik"-Andachten beschwert, werde ich mir den Hinweis dann doch mal merken, dass eine Gebetsform, die vielleicht nicht jedem zugänglich bzw. nicht jedermanns Sache ist, dem Anliegen der offenen Kirche doch wohl mindestens ebenso sehr gerecht wird wie die Übungen eines Orgelschülers. Und wenn dann jemand erwidert, der Orgelschüler habe aber die Erlaubnis, in der Kirche zu üben, sage ich: "Wir haben die Erlaubnis vom heiligen Josef persönlich." Allein schon, um zu sehen, was mein Gegenüber daraufhin für ein Gesicht macht. 

Am Montagabend bereitete ich zusammen mit den Kindern eine Lasagne nach einem Rezept aus dem Buch "Kinderleicht kochen nach Bildern" zu, das das Tochterkind mal geschenkt bekommen hat, und sie wurde sehr lecker. Am Dienstag hatte meine Liebste erneut keinen Unterricht und nutzte dies, um mit den Kindern einen Ausflug in einen Freizeitpark im Umland von Berlin zu machen. Unsere Große nahm sich dafür spontan einen Tag schulfrei, ja, das darf sie, die Anwesenheits-Regeln ihrer Schule lassen das zu, innerhalb gewisser Grenzen natürlich. 

Am Mittwoch war das Fest Hl. Josef der Arbeiter, und was da so alles los war, bietet Stoff für einen eigenständigen Artikel – der auch schon in Arbeit ist, aber bis zur Fertigstellung noch ein paar Tage brauchen dürfte, da ich während des Väterwochenendes so wenig Zeit zum Schreiben habe. – Zum Ausgleich war am Donnerstag nichts besonders Berichtenswertes los. Am gestrigen Freitag ging ich vormittags wieder mit dem Jüngsten zur Eltern-Kind-Gruppe in der Gemeinde auf dem Weg und anschließend nach St. Joseph Tegel, um zur Feier des Herz-Jesu-Freitags (und des Fests der Apostel Philippus und Jakobus) eine kleine "Beten mit Musik"-Andacht abzuhalten. Unterwegs sahen wir auf dem Waidmannsluster Damm Pantomimen, Einradfahrer und Jongleure, die den an den roten Ampeln wartenden Autofahrern ihre Künste vorführten. Der Sommer kommt! – Als ich um die Mittagszeit die Große von der Schule abholen wollte, erhielt ich eine Katastrophenwarnung aufs Handy: In Lichterfelde brannte eine metallverarbeitende Fabrik, es wurde befürchtet, dass sich giftige Dämpfe bilden könnten. Zunächst beachtete ich das kaum, Lichterfelde war schließlich weit weg. Wie sich jedoch zeigte, galten unter Berücksichtigung von Wetterdaten weite Teile des Berliner Westens als "betroffenes Gebiet", an der Schule des Tochterkindes herrschte Ausnahmezustand, die Schüler sollten das Gebäude nicht verlassen, einige Schüler trugen von Corona übriggebliebene Atemschutzmasken. Eine Lehrerin teilte mir achselzuckend mit, "vor allem einige der älteren Jungen" hätten "wohl etwas übertriebene Panik verbreitet". Mitnehmen durfte ich meine Tochter jedenfalls, und so kamen wir ohne weitere Komplikationen rechtzeitig zum Abendessen (und bevor ein Gewitter ausbrach) im Haus St. Otto am Rand von Zinnowitz an. Mehr dazu, wie gesagt, im nächsten Wochenbriefing! 


Was ansteht 

Bis etwa morgen Mittag bin ich noch mit meinem Tochterkind in Zinnowitz, dann geht's zurück nach Berlin; und ich gehe bis auf Weiteres davon aus, dass die nächsten Tage dann erst mal "ganz normal" sein werden, mit Schule und Arbeit, "Omatag" am Montag und JAM am Mittwoch. Am Donnerstag ist dann Christi Himmelfahrt; konkrete Pläne für diesen Tag haben wir noch nicht, aber um 11 Uhr ist Messe in St. Joseph Siemensstadt, und ich vermute mal, dass wir da hingehen werden. Am Freitag, dem "Brückentag" zwischen Feiertag und Wochenende, feiert eine der liebsten Schulfreundinnen unseres Tochterkindes Geburtstag; Außerdem beginnt am Freitag die Pfingstnovene, da wäre zu erwägen, meine erstmals 2019 aus verschiedenen Texten und Liedern zusammengestellte, zuletzt 2021 überarbeitete Pfingstnovene abermals zu aktualisieren, wenigstens für den "privaten Gebrauch" in der Familie. Und dann ist am Samstag schon wieder Wichtelgruppentreffen...! 


Aus meinem Wichtelbuch 

Nachdem ich während der ganzen Woche nicht dazu gekommen war, meine unlängst begonnene Werbeoffensive fortzusetzen, das Wichtelgruppentreffen abermals nicht in den Vermeldungen der Gemeinde erwähnt worden war und zudem turnusmäßig der für mein Empfinden weniger attraktive Standort St. Joseph Siemensstadt an der Reihe war (weniger attraktiv deshalb, weil es da nicht so einen schönen großen Garten gibt wie in St. Stephanus Haselhorst), hatte ich an das Wichtelgruppentreffen am vergangenen Samstag keine besonders hohen Erwartungen. Zudem waren wir im Vorfeld informiert worden, dass wir den Saal nicht nutzen konnten, da zeitgleich die Probe für die Erstkommunion stattfand. Immerhin war das Wetter schön, und auch wenn es immer noch keine Neuzugänge gab, erschien wenigstens die bisherige Kernbesetzung vollzählig. Es waren also vier Kinder da, was für den Anfang ja schon mal eine ganz ordentliche Gruppengröße ist. Zur Einstimmung spielte ich per Handy und Lautsprecherbox das Lied "Vor mir, hinter mir" von Mike Müllerbauer ein; das kam gut an, und anschließend wünschten sich meine Kinder ein weiteres Müllerbauer-Lied, nämlich "Ich mach mich locker". Danach wurde die Gruppenstunde mit einer kurzen Begrüßung eröffnet (eine Vorstellungsrunde erübrigte sich, weil sich ja alle schon kannten), meine Co-Gruppenleiterin spielte ein Lied auf der Gitarre; auf Vorschlag meiner Tochter wurden zwei Lauf- und Fangspiele gespielt, dazwischen gab's ein kleines Quiz über Pflanzen. Zum Abschluss erzählten meine Co-Gruppenleiterin und meine Liebste abwechselnd eine Geschichte, die sie sich spontan ausdachten (eins der Mädchen hatte sich eine Geschichte über "zwei Katzen, die Eis essen gehen" gewünscht), dann wurde noch ein weiteres Lied gesungen und die Gruppe endete mit einem Segenswunsch und einem vom JAM übernommenen "Abschlusskreis". Insgesamt war das, wider Erwarten, eine der gelungensten Gruppenstunden, die wir bisher hatten – vielleicht sogar die beste überhaupt. So kann's weitergehen – wenn auch gerne mit ein paar mehr Kindern... 


Ich bin nur wegen der Band hier 

Eins vorweg: Man sollte ja eigentlich denken, ich wäre der letzte, den man davon überzeugen müsste, dass das, was im volkskirchlichen Normalbetrieb unter der Bezeichnung "Jugendgottesdienst" läuft, in aller Regel den Charme eines Autounfalls hat. Aber ich kann und mag die Hoffnung nicht ganz aufgeben, man könnte mal ein gelungeneres Exemplar erwischen, eins, das einem eine Ahnung davon vermittelt, wie man's besser machen könnte. Etwas weniger optimistisch betrachtet birgt ein Jugendgottesdienst natürlich immer auch die Chance, dass er so bizarr sein könnte, dass es sich lohnt, über ihn zu bloggen. – Dass ich meist doch keine Lust habe, es darauf ankommen zu lassen, kann man u.a. daran ablesen, dass ich es bisher noch kein einziges Mal geschafft habe, zu den seit Dezember letzten Jahres im monatlichen Wechsel in St. Joseph Tegel und in St. Rita stattfindenden Jugendgottesdienst-Reihe unter dem Motto "Meet you at Church" zu gehen. 

Für die Jugendgottesdienst-Reihe in der Spandauer Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen interessierte ich mich indes aus einem anderen, spezifischeren Grund: Wie man dem (übrigens durchaus ansehnlich gestalteten) Flyer mit den Jugendgottesdienst-Terminen der ersten Jahreshälfte entnehmen konnte, kam bzw. kommt die musikalische Gestaltung jedes der drei in diesem Zeitraum stattfindenden Jugendgottesdienste von einer anderen Band, und das machte mich neugierig – nicht nur, weil ich es bemerkenswert finde, dass es in dieser Pfarrei überhaupt drei Bands gibt. Ich habe wohl schon ein paarmal zumindest andeutungsweise erwähnt, dass ich in Siemensstadt/Haselhorst auf mittlere Sicht gern eine Lobpreisband aufbauen würde, idealerweise mit Jugendlichen aus der Gemeinde; und da schien es mir sinnvoll bis notwendig, mir erst mal einen Eindruck davon zu verschaffen, was die innerhalb der Pfarrei bereits bestehenden Bands so spielen. Die "JoTa-Band", die im Februar dran war, hatte ich bereits verpasst; jetzt im April spielte die "Taufstein-Band". Ziemlich uncooler Name, wie ich fand, aber so etwas kann auch täuschen, und zudem hieß es in den Vermeldungen der Pfarrei, die Gruppe werde "zeitgenössischen Lobgesang" zu Gehör bringen. Da war ich ja mal gespannt – und machte mich daher am Samstagnachmittag auf den Weg nach Spandau. 

Zunächst mal ist festzuhalten, dass tatsächlich einige Jugendliche und junge Erwachsene da waren, was bei volkskirchlichen Jugendgottesdienst ja schon mal nicht selbstverständlich ist. Ein paar Familien mit Kindern saßen auch in den Kirchenbänken, gut die Hälfte der Anwesenden waren aber wohl doch Senioren. Ich weiß zwar nicht, wie die Altersstruktur der Messbesucher in dieser Gemeinde sonst so ist, aber ich würde schätzen, in St. Joseph Siemensstadt ist der Altersdurchschnitt in einer normalen Sonntagsmesse eher niedriger. Der zelebrierende Geistliche, Padre Ricardo aus Mexiko, machte in seinen Begrüßungsworten sogar einen gutmütigen Witz über die Altersstruktur der Anwesenden: Er meinte, in der Bibel kämen schließlich Personen vor, die 800 Jahre oder älter geworden seien, also könne man sich auch mit 600 noch jung fühlen. 

Von der Band sah ich auf den ersten Blick nur zwei graubärtige Herren mit akustischen Gitarren und hielt es einen Augenblick lang durchaus für denkbar, dass das tatsächlich schon die ganze Band war. War aber doch nicht der Fall: Es gab noch zwei weitere Bandmitglieder, von denen mindestens einer – ein weiterer Gitarrist – tatsächlich jugendlich war. Das vierte Bandmitglied war eine irgendwie alterslos wirkende, aber vermutlich doch eher junge Frau, die Querflöte spielte. 

Und wie spielte dieses Quartett nun? – Alles in allem: so, dass mir mein hartes Urteil über die Performance der Gruppe Exodus bei der Messe zum Fest Taufe des Herrn in St. Joseph Siemensstadt rückblickend leid tut. Wobei, das sollte ich etwas differenzieren. Der Auftritt der Taufstein-Band wirkte in einem Maße und auf eine Weise unprofessionell, die mir an und für sich durchaus sympathisch ist – im Sinne des berühmten Satzes von Chesterton "A thing worth doing is a thing worth doing badly". Der Sound, der aus den Boxen drang, war allerdings eine Katastrophe: zu laut, total übersteuert, ein unentwirrbares Geräuschknäuel, aus dem man oft nicht einmal eine Melodie hätte heraushören können, wenn man die Lieder nicht gekannt hätte. – Die Bekanntheit der Lieder verweist indes schon auf das nächste Problem: 

Also #sorrynotsorry, aber in welchem Universum ist das bitte "zeitgenössischer Lobgesang"? – Nicht dass ich ernsthaft erwartet hätte, dass es in dieser Pfarrei eine Band gäbe, die beispielsweise Lieder aus dem Gebetshaus Augsburg, von Albert Frey oder meinetwegen von Hillsong spielt; aber es ist ja nicht so, als gäbe es nicht auch noch was dazwischen. Mir fiel in diesem Zusammenhang ein, wie eine aus meinem Firmkurs hervorgegangene Jugendgruppe unter der Leitung meiner Schwester einmal am Gründonnerstag in der kleinen Herz-Mariä-Kirche in Burhave eine Anbetungsnacht gestaltete und dabei Lieder sang wie "Du bist mein Zufluchtsort", "Du bist der Höchste, o Herr", "All die Fülle ist in dir, o Herr" und "Nähme ich Flügel der Morgenrote". Das ist deutlich über 30 Jahre her, woraus man ersehen kann, dass diese Lieder nicht unbedingt viel "zeitgenössischer" sind als viele Dauerbrenner des NGL-Genres; trotzdem sind sie, zumindest für mein Empfinden, erheblich weniger "cringe" – und vor allem passt die Bezeichnung "Lobgesang" erheblich besser auf sie. Zu der Zeit, als meine Liebste und ich anfingen, uns in der Gemeinde St. Stephanus Haselhorst zu engagieren, gab es dort eine monatliche Zusammenkunft einer Gruppe, die ich augenzwinkernd (aber liebevoll gemeint) "Charismatischer Seniorenkreis" nannte, und als ich da einmal mit meiner Familie hinging, wurden dort einige der genannten Lieder (und weitere stilistisch ähnliche) gespielt. Kurz und gut, ungefähr so etwas hätte ich von der Taufstein-Band erwartet oder erhofft, aber nö, nicht mal das. – 

Um zu vermeiden, dass dieses Thema das gesamte Wochenbriefing überwuchert, möchte ich an dieser Stelle gleich darauf eingehen, dass auch die Liedauswahl für den Erstkommunion-Gottesdienst am folgenden Tag, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ein "Schlimmst of NGL" war. Klar, die Leute, die meinen, das müsste so sein, sterben so schnell nicht aus; genau deswegen bin ich der Meinung, man sollte mal für fünf oder zehn Jahre ein NGL-Moratorium verhängen. Um die Infektionskette zu unterbrechen, sozusagen. Damit mal eine Generation in der Gemeinde heranwachsen kann, die nicht von klein auf dazu konditioniert wurde, kinder-, jugend- oder familienfreundliche Gottesdienstgestaltung automatisch mit NGL zu assoziieren. 

Zu allem Überfluss war auch die Liedauswahl in der Messe zum Fest Hl. Josef der Arbeiter am Mittwoch zu einem nicht unwesentlichen Teil von mehr oder weniger NGL-affinen Kitschgranaten geprägt: Zum Einzug gab's allen Ernstes "Morning Has Broken" in einer sehr wortgetreuen deutschen Übersetzung von Jürgen Henkys (und ja, das steht tatsächlich im Gotteslob, jedenfalls im Regionalteil der ostdeutschen Bistümer), später folgten dann u.a. noch "Ins Wasser fällt ein Stein", "Meine Zeit steht in deinen Händen" und zum Schluss das unsägliche "Möge die Straße". Meine vage Ahnung, dass diese Liedauswahl eine Art Geburtstagsgeschenk für den Pfarrvikar sein sollte, bestätigte sich, als dieser sich am Ende der Messe beim Organisten für die "sehr schönen Lieder" bedankte. Okay, der Pfarrvikar feiert heuer seinen 60., da kann man davon ausgehen, dass er kirchlich mit solcher Musik aufgewachsen ist. Was aus meiner Sicht einmal mehr die Notwendigkeit unterstreicht, "die Infektionskette zu unterbrechen", wie ich es oben genannt habe. 

So, jetzt habe ich mir ziemlich weit vorgegriffen; kehren wir noch einmal zurück zum Jugendgottesdienst am Samstag, auch wenn es darüber gar nicht mehr viel zu sagen gibt (zumal ich nicht mehr lange dort blieb). Erste Lesung und Antwortpsalm wurden weggelassen; nach meiner Erfahrung ist das Weglassen von Lesungen ein geradezu klassisches Strukturelement jedweder irgendwie "besonders gestalteter" Gottesdienste, und ich könnte mich lang und breit darüber auslassen, wie absurd ich das finde angesichts der Tatsache, dass die nachkonziliare Liturgiereform den Stellenwert der Wortverkündigung in der Heiligen Messe gerade stärken wollte; aber lassen wir das hier mal. Als Padre Ricardo dann anstelle der Predigt begann, unter Zuhilfenahme eines Flipboards einen Vortrag über Resilienz zu halten, wurden meine Fluchtreflexe übermächtig. Nichts gegen Padre Ricardo, wirklich nicht, aber er ist nun mal kein Johannes Hartl – was man übrigens nicht zuletzt daran sehen kann, dass Hartl vermutlich der erste wäre, der einräumen würde, dass Form und Stil seiner Vorträge nicht für eine Homilie in einer Heiligen Messe geeignet sind. 

Insgesamt kann man als Lehre aus diesem Samstagabend wohl festhalten, dass es nicht die beste Idee ist, einen Gottesdienst nur zu dem Zweck zu besuchen, sich die Band anzuhören. Werde ich wohl nicht so bald wieder tun: Der nächste Jugendgottesdienst in Maria, Hilfe der Christen ist Anfang Juni, da spielt die Gruppe Exodus, und die kenne ich ja schon. 


Glanz und Elend der Erstkommunion 

Am Sonntagmorgen, als wir uns zum Losgehen bereit machten, fragte mich mein Tochterkind: "Was kommt eigentlich zuerst – ein Pfadfinderkind werden oder die Erstkommunion?" Ich erklärte ihr daraufhin, da das eine mit dem anderen nicht zwingend etwas zu tun habe, gebe es auf diese Frage keine eindeutige Antwort; aber bei den Haselhorster Pfadfindern könne man frühestens mit acht Jahren Wölfling werden. Und: 

"Zur Erstkommunion gehen hier bei uns die meisten Kinder so ungefähr im vierten Schuljahr. Das hat damit zu tun, dass sie vor der Erstkommunion erst mal einiges lernen sollen, über Gott, über Jesus und was im Gottesdienst passiert. Aber darüber weißt du ja schon ziemlich viel – mehr als viele andere Kinder, würde ich sagen –, also könnte es sein, dass du nicht bis zum vierten Schuljahr warten musst." 

Schon im vergangen Jahr hatte ich notiert, dass das Interesse unserer Tochter am Thema Erstkommunion für uns ein wesentlicher Grund war, anders als in manchen früheren Jahren gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, woanders als in unserer Wahlgemeinde zur Sonntagsmesse zu gehen, um so der Erstkommunion aus dem Weg zu gehen, sondern im Gegenteil explizit zum Erstkommunion-Gottesdienst in St. Joseph Siemensstadt gehen zu wollen. Als ein weiterer Grund kam in diesem Jahr dazu, dass ich einige der Erstkommunionkinder aus dem Kinderwortgottesdienst kannte und daher fand, es sei ratsam, Präsenz zu zeigen und den Jungs und Mädels zu gratulieren. 

Wie regelmäßige Leser sich vielleicht erinnern werden – ich selbst hatte es allerdings inzwischen vergessen –, waren wir letztes Jahr infolge erheblicher Probleme mit der Busverbindung deutlich zu spät zum Erstkommunion-Gottesdienst gekommen; diesmal verpassten wir zwar auch wieder einen Anschlussbus, kamen aber noch knapp rechtzeitig und fanden Platz in der letzten Bankreihe. Was die Platzsituation angeht, hätte es allerdings wohl auch keinen Unterschied gemacht, wenn wir den früheren Bus gekriegt und somit zwanzig Minuten früher gekommen wären; denn wie sich zeigte, diente die Aufteilung der Erstkommunionfeier auf zwei Sonntage nicht in erster Linie dazu, Platz für die "normale" Gottesdienstgemeinde zu schaffen, sondern vielmehr dazu, dass für die Familien der Erstkommunionkinder jeweils zwei Bankreihen reserviert werden konnten. 

Der Umstand, dass wir ganz hinten saßen und die Kinder somit praktisch nur die Rücken und Hinterköpfe anderer Leute sehen konnten, trug sicherlich dazu bei, dass sie ziemlich unruhig und nicht recht bei der Sache waren; aber ich hatte den Eindruck, dass die "niederschwelligen" Gestaltungselemente ein Übriges taten: Sie ließen einfach keine feierliche und andächtige Stimmung aufkommen, und dadurch wirkte der Gottesdienst ironischerweise länger, als er tatsächlich war (nämlich unter eineinhalb Stunden). Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrung, wie gefesselt und fasziniert unsere Große von der Karfreitagsliturgie und der Osternacht gewesen war (übrigens auch schon letztes Jahr, als sie erst fünf war), fand ich es umso auffälliger, dass sie in diesem Gottesdienst zweimal – das erste Mal schon nach dem Evangelium – fragte, wie lange es denn wohl noch dauern würde. 

Das Evangelium war übrigens nicht das vom Tag, sondern das vom Ostermontag – der Gang nach Emmaus. Man kann sich schon einigermaßen zusammenreimen, warum die Verantwortlichen meinten, dieses Evangelium eigne sich besonders gut für eine Erstkommunion: mit Christus auf dem Weg; sie erkannten Ihn am Brechen des Brotes; kann man so machen. Statt einer Predigt gab es ein heiteres Frage-und-Antwort-Spiel, bei dem jedoch nicht – wie man vielleicht hätte erwarten können – den Erstkommunionkindern "Prüfungsfragen" gestellt wurden; vielmehr stellten die Erstkommunionkinder ihrerseits den anwesenden Erwachsenen sieben Fragen zum Inhalt des zuvor gehörte Evangeliums. An und für sich nicht unwitzig, aber muss man das wirklich in der Messe machen? Wäre das nicht bei einer geselligen Veranstaltung im Pfarrsaal eher am Platz? –Ich will hier nicht schon wieder das Zitat von Lothar Zenetti zum Thema "Wenn man alles Mögliche in die Sonntagsmesse hineinquetscht, was da eigentlich nicht hingehört" bringen, aber es ist schon sehr auffällig, wie groß die Versuchung ist, den Erstkommunion-Gottesdienst dazu zu nutzen, Leuten, die sonst nie oder selten in die Kirche kommen, eine Minimalkatechese angedeihen zu lassen. Eine solche Zweckentfremdung des Anlasses empfinde ich als gerade auch den Erstkommunionkindern gegenüber unfair und respektlos; vom Respekt gegenüber dem Sakrament gar nicht erst zu reden. 

Kurz und gut, ich bin durchaus nicht unglücklich darüber, dass das Tochterkind und ich am morgigen Sonntag nicht in Berlin sind und folglich die zweite Runde der Erstkommunion in St. Joseph Siemensstadt "verpassen" werden. Zumal zu erwarten steht, dass da exakt dasselbe Programm noch einmal durchgezogen wird. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Das Wort erbarmte sich unseres Geschlechtes, hatte Mitleid mit unserer Schwäche, nahm Anteil an unserer Verderbnis. Es konnte nicht ertragen, dass der Tod über uns herrschte. Es wollte nicht, dass das Gewordene unterginge und das Werk seines Vaters, die Erschaffung des Menschen, zunichte würde. Darum nahm es einen Leib an, und zwar einen Leib, der sich von dem unsrigen nicht unterscheidet. Im Schoß der Jungfrau erbaute sich das Wort einen Tempel, nämlich den Leib, den es zu seinem Werkzeug machte. In diesem Leib wurde es sichtbar und nahm darin Wohnung. So nahm es einen Leib an von der gleichen Art wie unser Leib. Und weil alle der Verderbnis des Todes unterworfen waren, hat es diesen Leib für alle dem Tod ausgeliefert und ihn dem Vater aus Liebe zu den Menschen dargebracht. In ihm sollten alle sterben, und so sollte das Gesetz des Verderbens, dem alle Menschen verfallen waren, aufgehoben werden. Wenn der Tod am Leib des Herrn seine Macht erschöpft hätte, sollte er keine Macht mehr haben über die Menschen, die ja von gleicher Art sind wie der Herr. Die Menschen, die der Verderbnis verfallen waren, sollten wieder zur Unvergänglichkeit zurückgeholt und vom Tod zum Leben geführt werden. Nun hat die Verderbnis des Todes keine Macht mehr über die Menschen, dank dem Wort, das durch einen Menschenleib unter uns Wohnung genommen hat. 

(Athanasius d. Gr., Über die Menschwerdung des Wortes) 


Ohrwurm der Woche 

Mike Müllerbauer: Absoluto guto (Meinem Gott vertrau ich gern) 

Ein Frühwerk des Kinder-Lobpreis-Liedermachers Mike Müllerbauer, wie man daran erkennen kann, wie jung er auf dem Plattencover noch aussieht. Das Lied kannte ich ursprünglich vom JAM, aber so richtig guto finde ich es erst, seit ich es von Müllerbauer selbst (bei seinem Konzert in der Gemeinde auf dem Weg) gehört habe. Mein Jüngster steht total drauf – vor allem auf den "Volle Kanne, Badewanne"-Teil. Für das Projekt einer "Kinder-Lobpreis-Disco" ist diese Nummer jedenfalls ein Muss... 


Mittwoch, 1. Mai 2024

Vorlesestoff fürs Tochterkind – April '24

Seid mir gegrüßt, liebe Kinder- und Jugendliteratur-Interessierte! Die Liste der Bücher, die ich meiner sechsjährigen Tochter zum Einschlafen vorgelesen habe, hat in den letzten Wochen wieder einige interessante Neuzugänge zu verzeichnen gehabt, also mal ohne weitere Vorrede hinein ins Vergnügen: 


Nachdem wir zuerst den sechsten und dann den zweiten Teil der "Ostwind"-Saga gelesen hatten, war ich recht erfreut, endlich mal den ersten Teil in die Finger zu bekommen. Wozu ich gleich eingangs anmerken möchte: Die Handlung der einzelnen Teile der Reihe ist zwar jeweils so weit in sich abgeschlossen, dass man sich auch dann noch einigermaßen darin zurecht findet, wenn man sie in der "falschen" Reihenfolge liest; aber einen gewissen Einfluss auf die Wahrnehmung des Geschehens und der Charaktere hat die Lektürereihenfolge eben doch. Zum Beispiel: Wenn man im sechsten Teil Mika als besonnene, gereifte und irgendwie mystisch begabte Kontrastfigur zum "wilden" Problemkind Ari kennengelernt hat, erfordert es erst einmal eine gewisse Umstellung, wenn man feststellt, dass im ersten Teil Mika selbst das Problemkind ist. Wenn auch im Vergleich zu Ari ein eher harmloses Exemplar: Ja meine Güte, sie hat schlechte Noten in der Schule, das ist für ihre Eltern, die beide in der Wissenschaftlerszene hoch angesehene Physiker sind, natürlich ziemlich schlimm, und dann wird sie auch noch verdächtigt, einen Brand gelegt zu haben, den in Wirklichkeit ihre Freundin Fanny versehentlich verursacht hat, und klärt den Sachverhalt nicht auf, weil sie ihre Freundin nicht anschwärzen will. Zur "Strafe" muss sie die Ferien auf dem Gestüt ihrer Großmutter verbringen, von deren Existenz sie bisher noch gar nichts wusste; und da nimmt dann das Geschehen seinen Lauf, als Mika Anzeichen einer Art Seelenverwandtschaft zu dem als unberechenbar und gefährlich geltenden Hengst Ostwind an den Tag legt. – Man kann nicht leugnen, dass die Story ihre Schwächen und Ungereimtheiten hat: Zum Beispiel bleibt völlig unklar, warum Mikas Mutter so sehr mit ihrer Mutter zerfallen ist, dass sie dreizehn Jahre lang keinerlei Kontakt zwischen Großmutter und Enkeltochter zugelassen hat; und dann, auf einmal, soll Mika die Ferien bei dieser fremden Großmutter verbringen? Und dass Mika, die zuvor noch nie geritten ist, nach wenigen Wochen Unterricht in der Lage ist, an einem Springturnier teilzunehmen, strapaziert die Glaubwürdigkeit wohl ebenfalls ziemlich. Tatsächlich lässt die fesselnde, nicht zuletzt auch emotional mitreißende Handlung aber über Manches hinwegsehen; leider jedoch nicht darüber, dass das Buch sehr schlecht geschrieben ist

Ich habe schon an den zuvor gelesenen "Ostwind"-Bänden bemängelt, manche Passagen ließen allzu deutlich erkennen, dass sie entweder Filmszenen nachempfunden sind oder auf eine Verfilmung hin konzipiert wurden; und diese Passagen kämen auf Papier einfach nicht so richtig gut 'rüber. Dieses Urteil muss ich nun dahingehend erweitern, dass es im Fall von "Ostwind – Zusammen sind wir frei" nicht nur einzelne Passagen, sondern so ziemlich das gesamte Buch betrifft. Auch ohne den Film gesehen zu haben, hat man den Eindruck, dieser (oder das Drehbuch) werde Szene für Szene, ja nahezu Einstellung für Einstellung nacherzählt. Das führt nicht nur zu Brüchen in der Erzählperspektive, die in einem Film natürlich und intuitiv wirken mögen, in einem Buch aber irritieren und stören; es erweckt auch insgesamt den Eindruck, die Verfasserin Carola Wimmer habe sich der Aufgabe, das Filmdrehbuch von Lea Schmidbauer und Kristina Magdalena Henn in einen Roman umzuarbeiten, recht uninspiriert und schlampig entledigt. Man kann sich schon vorstellen, warum die Drehbuchautorinnen die Romanfassungen der weiteren Teile der Ostwind-Reihe lieber selbst geschrieben haben. Immerhin habe ich jetzt Lust bekommen, mir den Film anzusehen, denn ich bin geneigt anzunehmen, dass der erheblich besser ist als das Buch. 


Ein Buch, das ich in der örtlichen Stadtteilbibliothek entdeckt habe, als ich dort an einem Schultag mit meinem Jüngsten hinging; ich hatte spontan den Eindruck, das könnte ein Buch sein, das dem Tochterkind gefällt, einfach von der Covergestaltung her und weil der Titel vermuten ließ, dass es sich um eine Detektivgeschichte an einer Schule handelt. 

Titelheldin Paula geht in die 3. Klasse der "Waldschule", von der nicht ganz klar wird, ob das eine freie Alternativschule oder eine staatliche Schule mit Reformkonzept sein soll; auf diesen Punkt komme ich noch zurück, da er aus meiner Sicht so ziemlich das Interessanteste an dem ganzen Buch ist. Als es Paula und ihren Freundinnen Sissi und Kim gelingt, das verlorene Handy einer Mitschülerin wiederzubeschaffen, avancieren sie in den Augen der anderen Kinder zu Schuldetektiven; ein Junge namens Oleg, der zwar mit den drei Mädchen nicht direkt befreundet ist, aber auch gern Detektiv sein will, schließt sich ihnen an. Ihren ersten richtigen Fall bekommen sie, als die Glitzerstifte ihrer Klassenlehrerin geklaut werden. 

– Okay, fangen wir mal mit dem Positiven an: Die Handlung ist durchaus spannend und kommt einigermaßen glaubwürdig rüber. Erheblich weniger überzeugend ist die Reflexionsebene gelungen: Mir drängt sich vielfach der Eindruck auf, die Autorin – die hauptberuflich eigentlich Drehbücher fürs Fernsehen schreibt – habe arg klischeehafte und übersimplifizierte Vorstellungen davon, wie Kinder im Grundschulalter denken und die Welt wahrnehmen. Ein Vergleich mit den "Lola"-Büchern von Isabel Abedi – deren Protagonistin zu Beginn der Serie ebenfalls in der 3. Klasse ist – macht den qualitativen Abstand schmerzhaft deutlich. Das ist umso "schader", als die Story theoretisch auch auf der Reflexionsebene einiges hätte hergeben können. So sinniert Paula beispielsweise darüber, dass sie sich mit ihrer besten Freundin Sissi nicht mehr so gut versteht wie früher, kaum etwas mit ihr gemeinsam hat und im Grunde lieber Kim aus der Parallelklasse als beste Freundin hätte, sich aber nicht recht im Klaren darüber ist, ob man seine beste Freundin einfach so wechseln kann; als ein Mitschüler von der Schule fliegt, weil er die Toiletten verstopft und damit einen massiven Wasserschaden verursacht hat, regen sich bei Paula Zweifel, ob diese Strafe gerecht und angemessen ist; aber diese und andere Themen werden nur oberflächlich angerissen und bald wieder fallen gelassen. Auch die Auflösung des Stiftediebstahls – die hier nicht verraten werden soll – hätte eigentlich Anlass zu Reflexionen darüber bieten können oder sollen, ob die Tatsache, dass die Klassenlehrerin gute Noten oder lobende Kommentare mit speziellen Glitzerstiften unter die Klassenarbeiten ihrer Schüler schreibt, nicht ein subtiles Mittel zur Erhöhung von Leistungsdruck und Konkurrenzdenken ist. Womit wir bei dem Aspekt angekommen sind, der mich an diesem Buch wie gesagt am meisten interessiert: die Darstellung des Schulalltags

Ich-Erzählerin Paula schwärmt von ihrer Schule und ist überzeugt, dass sie viel besser ist als "normale" Schulen; aber inwiefern ist die Waldschule denn nicht "normal", außer dass sie direkt am Waldrand liegt und die Unterrichtsräume in mehreren kleinen Häusern untergebracht sind statt in einem großen Betonklotz? Ausdrücklich genannt werden als Besonderheiten des Schulkonzepts etwa, dass es dort "nicht nur Lehrerinnen und Lehrer [...], sondern auch noch Erzieherinnen" gibt (S. 13), dass es nachmittags Wahlkurse wie Tanzen, Werken, Seidenmalen und Fechten gibt und dass es einen Schulgarten gibt, in dem Gemüse angebaut wird. Alles gut und schön, aber natürlich entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn man dieses Buch einem Kind vorliest, das im wirklichen Leben auf eine Schule mit sehr viel "freierem" Konzept geht. Schon ein Satz wie "Im Unterricht müssen wir wie in jeder Schule immer alle machen, was die ganze Klasse macht" (S. 14) wirkt da etwas tragikomisch, und erst recht gilt das dafür, wie auffallend oft in diesem Buch davon die Rede ist, was an der Waldschule alles verboten ist. Wirklich die Ohren angelegt habe ich an der Stelle, an der Oleg, weil ihm sein Turnbeutel geklaut wurde, "eine Ecke von seiner Schlamperkarte abgeschnitten" bekommt (S. 64): Das, so darf der geneigte Leser sich zusammenreimen, passiert immer dann, wenn ein Schüler etwas, was er für den Unterricht braucht, nicht dabei hat. Und: "Wenn alle vier Ecken weg sind, bekommen die Eltern einen Brief" (ebd.). Reizende Verhältnisse! 

Okay: Man kann davon ausgehen, dass viele andere Leser meine Perspektive auf diese Aspekte des Buches eher nicht teilen werden, zumal ich diese Perspektive ja sehr wesentlich meinen Einblicken in den Schulalltag meiner Tochter verdanke. Festhalten kann man allemal, dass "Paula Prima" eine durchaus unterhaltsame und stellenweise sogar fesselnde Bettlektüre abgibt; aber wie weit das Buch hinter seinem Potential zurückbleibt, ist dann doch ärgerlich. Von den in der aktuellen Folge dieser Artikelserie besprochenen Büchern ist es jedenfalls definitiv das schwächste; beziehe ich andere Bücher, die ich meinem Tochterkind schon so vorgelesen habe, in den Vergleich mit ein, finde ich "Paula Prima" immerhin besser als "Bibi & Tina", und gegenüber "Sternenschweif" kann man diesem Buch immerhin zugute halten, dass es ohne magische Einhörner auskommt. 


Eins vorweg: Dass wir diesen Kinderbuchklassiker gerade jetzt gelesen haben, wurde nicht etwa durch die Nachricht veranlasst, dass es eine neue Serien-Adaption von "Ronja Räubertochter" auf Netflix gibt (wozu man ja eigentlich nur fragen kann "Wiesu denn bluß?"). Tatsächlich hätte ich das Buch durchaus schon früher mal auf die Leseliste gesetzt, wenn das Exemplar, das meine Liebste mit in die Ehe gebracht hat, nicht zwischenzeitlich unauffindbar verkramt gewesen wäre. Nun ist es aber wieder aufgetaucht, und zwar gerade rechtzeitig, nachdem wir "Paula Prima" ausgelesen hatten. 

– Darf man den Inhalt als bekannt voraussetzen? Nun, falls nicht, hier in aller Kürze: Ronja, die Tochter des Räuberhauptmanns Mattis, ist seit Menschengedenken das erste Kind, das auf der Mattisburg geboren wird. In der Nacht ihrer Geburt spaltet ein Blitzschlag den Mattisberg von oben bis unten, und die Burg, die darauf steht, ebenso. Dass in derselben Gewitternacht auch Mattis' Erzrivale Borka Vater eines Kindes – eines Jungen namens Birk – geworden ist, stellt sich erst heraus, als Borkas Räubersippe Jahre später, nachdem sie aus ihrem bisherigen Schlupfwinkel vertrieben wurde, in den Teil der Mattisburg einzieht, der nun jenseits der "Höllenschlund" genannten Kluft liegt. Als die beiden Kinder sich miteinander anfreunden, beschwört das allerlei harte Konflikte herauf... 

Mit eineinhalb zusammengekniffenen Augen könnte man die Grundidee der Handlung als "Romeo und Julia, aber nicht als Liebesgeschichte, sondern als Geschichte einer Kinderfreundschaft und mit einem glücklicheren Ende" zusammenfassen. Während der Handlungsverlauf wohl nicht zu komplex für ein Kinderbuch ist, ist das Buch sprachlich, schon durch seinen sehr eigentümlichen Wortschatz, ziemlich anspruchsvoll, aber wie ich neulich schon ausgeführt habe, finde ich das gerade gut. Zudem ist es emotional sehr intensiv, und zwar vor allem soweit es die Darstellung des Verhältnisses zwischen Vater und Tochter betrifft. Dank dieser Qualität eignet es sich besonders gut dazu, am Ende eines nicht durchweg konfliktfreien Tages zu einem harmonischen Tagesabschluss zu finden, jedenfalls habe ich das so erlebt. 

Was man auch noch erwähnen sollte: Das Buch hat durchaus auch gruselige Momente, denn im Mattiswald streifen außer den Räubern nicht nur Füchse, Bären und Wildpferde umher, sondern auch verschiedene, unter der Bezeichnung "das Dunkelvolk" zusammengefasste Arten von Fabelwesen. Während die Rumpelwichte ein bisschen dumm und weitgehend harmlos sind und die Graugnomen nur gefährlich werden, wenn man Angst vor ihnen hat, werden die Wilddruden, die den Harpyien der klassischen Mythologie ähneln, wiederholt zu einer sehr ernsthaften Bedrohung für Ronja und Birk. Ich denke aber, man braucht sich nicht zu scheuen, seinem Kind auch diese Passagen vorzulesen. Gruselelemente haben von jeher ihren legitimen und sinnvollen Platz in Kindergeschichten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es von Chesterton oder von C.S. Lewis habe – es ist gut möglich, dass beide sich sinngemäß ähnlich geäußert haben –, aber jedenfalls fallen mir hierzu die Sätze ein: 

"Es wäre Unsinn, anzunehmen, Kinder würden aus Märchen lernen, dass es Monster gibt. Dass es Monster gibt, wissen sie schon von allein. Aus Märchen lernen sie, dass man Monster besiegen kann." 


Nachdem der dritte Teil der "Ruby Fairygale"-Buchreihe sich als erheblich besser erwiesen hatte, als zumindest ich es nach dem beiden ersten für möglich gehalten hätte, war natürlich die ganze Familie gespannt auf den vierten. Wobei ich daran erinnern muss, dass ich nach der Lektüre des dritten Bandes den Eindruck festgehalten hatte, eigentlich könnte man die Buchreihe an diesem Punkt der Handlung als abgeschlossen betrachten. Und in gewissem Sinne, so möchte ich behaupten, bestätigt der vierte Band diese Einschätzung. 

Um das näher zu erläutern, muss ich hier leider den Ausgang des 3. Bandes spoilern: Ruby hat ihre Eltern (und nebenbei auch noch einen Halbbruder) gefunden, womit das Rätsel ihrer Herkunft gelöst ist; sie hat ein Mittel entdeckt, ihre Gestaltwandler-Fähigkeiten unter Kontrolle zu bringen; und die Bewohner von Patch Island sind in die Tatsache eingeweiht worden, dass es auf ihrer Insel Fabelwesen gibt, womit die Notwendigkeit zu ständiger Heimlichtuerei im Alltag weitestgehend wegfällt. Dass sich all dies zu einer ziemlich tiefen Zäsur in der Gesamthandlung der Buchreihe addiert, hat offenbar auch die Autorin so empfunden: Obwohl die Handlungszeit des 4. Bandes kurz nach dem Ende des vorigen einsetzt, werden die bisherigen Handlungsfäden zunächst geradezu demonstrativ nicht aufgegriffen und weitergeführt. Rubys Mutter und Halbbruder sind erst einmal in die geheime Pooka-Kolonie zurückgekehrt, um die dort im Verborgenen ihr Dasein fristenden Pookas auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten; Rubys Vater, der sich gegen Ende vom Band 3 wider Willen in einem Hund verwandelt hat, ist vorerst nicht in der Lage, wieder menschliche Gestalt anzunehmen. Stattdessen werden ganz neue Handlungsstränge aufgemacht: Rubys Freund Noah muss eine Art "Antrittsbesuch" in der Feenwelt machen, um vom Hohen Rat der Feen gewissermaßen seine Zulassung als Pfleger magischer Wesen zu erhalten; dabei zeigt sich, dass der Hohe Rat nicht nur Noah, sondern auch Ruby erhebliches Misstrauen entgegenbringt. Gleichzeitig tauchen mehr und mehr Fabelwesen auf Patch Island auf und wirbeln den Alltag der menschlichen Inselbewohner durcheinander, was für eine zunehmend angespannte Stimmung sorgt. Nebenbei kommt Ruby dahinter, dass schon die Mutter ihrer "Nana" Kontakte zur Feenwelt hatte, und lernt die Fee Felicity kennen, die nach Feen-Maßstäben noch ein Teenager wie sie ist, nach menschlicher Zeitrechnung aber schon so alt ist, dass sie bereits mit Rubys Urgroßmutter befreundet war, als diese ein junges Mädchen war. Derweil hat Noah Probleme mit dem Fernunterricht, an dem er teilnehmen muss, weil es auf Patch Island keine Schule gibt, und befürchtet, dass sein Vater ihn schließlich doch in ein Internat stecken wird und er die Insel (und Ruby) verlassen muss. Bezeichnend für den Bruch gegenüber der Handlung der vorangegangenen Bände ist es nicht zuletzt, dass Ruby bis etwa zur Mitte des Bandes – weiter sind wir mit der Lektüre noch nicht gekommen – nicht ein einziges Mal ihre Gestaltwandler-Fähigkeiten eingesetzt hat. 

Dennoch kann man sagen, dass das Buch den Stärken der Serie treu bleibt: Die Charaktere, allen voran Ruby und Noah, sind enorm sympathisch und stellen damit ein hohes Maß an emotionaler Anteilnahme des Lesers am Geschehen sicher; die Handlung ist spannend und reich an überraschenden Wendungen. Eine Konstante der Serie ist auch die Fabulierlust der Autorin, die Fülle der skurrilen und witzigen Einfälle, mit denen sie die Handlung spickt; leider wirkt sie zuweilen allzu unbekümmert darum, ob diese Einfälle der Handlung wirklich dienlich sind, und gelegentlich vermisst man bei ihr auch ein gewisses Gespür dafür, dass manche ihrer Einfälle einfach plump und unpassend sind. Da die Geschichte sich auf einer Insel vor der Westküste Irlands abspielt, liegt es nahe, dass die Autorin sich bei ihrer Darstellung der Feenwelt und ihrer Bewohner ausgiebig bei irischer Mythologie und Folklore bedient, aber sie mischt auch bedenkenlos Elemente ganz anderer Herkunft hinein und gibt z.B. einem düster-grimmigen Elf, dessen Umhang die Farbe des Nachthimmels hat, den Namen Nocturno (in einem früheren Band kam bereits eine Blumenfee namens Florabella vor, das fand ich ähnlich ärgerlich). Und auch die explizite Bezugnahme auf Harry Potter, die ich schon anlässlich von Bd. 2 kritisiert habe, feiert hier fröhliche Urständ: Noah merkt an, das Portal zur Feenwelt erinnere ihn "total an diese Bahnhofswand bei Harry Potter", worauf Ruby erwidert: "Nur, dass man von hier aus nicht auf ein anderes Gleis kommt, sondern in eine andere Welt" (S. 59).

#Sorrynotsorry, aber so etwas tut man einfach nicht. Man möchte die Autorin beiseite nehmen und sie streng fragen: Kira-Schatz, willst du Fanfiction schreiben oder willst du eine ernstzunehmende Autorin in your own right sein? 

Im Ganzen geht es mir mit diesem vierten "Ruby Fairygale"-Band – soweit ich ihn bisher gelesen habe, wie gesagt – wieder so ähnlich wie mit dem ersten: Ich finde ihn gerade gut genug, um zu bedauern, dass er nicht noch etwas besser ist. Der Autorin würde ich mehr Selbstdisziplin, mehr Selbstkritik und/oder einen besseren (d.h. strengeren) Lektor wünschen. 

‐- In der nächsten Ausgabe der Artikelserie "Vorlesestoff fürs Tochterkind" werde ich wohl nochmals auf dieses Buch zurückkommen müssen; zwei weitere Bücher, die demnächst als Gutenachtlektüre an die Reihe kommen sollen, liegen bereits neben meinem Bett, und da möchte ich schon mal – ohne Genaueres zu verraten – die jeweils ersten Sätze zitieren: 

"Ich schrie um mein Leben. 

Das hier war der pure Wahnsinn – wenn mir jetzt jemand entgegenkam, wäre ich Matsch. Ich hatte das Gefühl, dass der Wind mir das Gesicht abriss. Der Lenker zitterte, als ob ich hundert Meilen die Stunde hinlegte, und die Reifen schienen auch schon zu kreischen. Mit zusammengekniffenen Augen wartete ich auf den Zusammenstoß. 

Dann hörte ich ein Muh." 

Und: 

"'Eins, zwei, drei...', zählte das elfenhafte kleine Wesen und holte dabei kräftig Schwung. Dann rief es 'Hep!' und schwebte leicht wie eine Feder die bröckelnden Treppenstufen hinauf." 

Alles Weitere zu gegebener Zeit, Freunde! 



Hinweis in eigener Sache: Dieser Artikel erschien zuerst am 24.04. auf der Patreon-Seite "Mittwochsklub". Gegen einen bescheidenen Beitrag von 5-15 € im Monat gibt es dort für Abonnenten neben der Möglichkeit, Blogartikel bis zu einer Woche früher zu lesen, auch allerlei exklusiven Content, und wenn das als Anreiz nicht ausreicht, dann seht es als solidarischen Akt: Jeder, der für die Patreon-Seite zahlt, leistet einen Beitrag dazu, dass dieser Blog für den Rest der Welt kostenlos bleibt! 


Samstag, 27. April 2024

Creative Minority Report Nr. 27

Herzlich willkommen zur neuesten Ausgabe des "Creative Minority Report"! Wie mir letzte Woche aufgefallen ist, läuft diese Wochenbriefing-Reihe nun schon ein halbes Jahr; anders ausgedrückt: Wenn diese Reihe, wie das Vorgänger-Format "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim", 52 Folgen lang laufen soll, dann beginnt mit der aktuellen Folge sozusagen die zweite Halbzeit. Eine Idee für den nächsten Reihentitel hatte ich auch schon, aber die wird noch nicht verraten... 

Das Top-Thema der aktuellen Ausgabe ist der Kinderwortgottesdienst zum 4. Sonntag der Osterzeit zum Thema "Der gute Hirte"; aber auch bei den "Nebenthemen" ergeben sich einmal mehr, ganz ohne bewusste Absicht, einige verbindende Motive: So geht es u.a. um weniger bekannte Mitarbeiter des Apostels Paulus und um die Verwendung von Quizfragen in der Katechese. 

Und damit genug der Vorrede! 

Frühling in Siemensstadt (im Hintergrund die Kirche St. Joseph) 

Was bisher geschah 

Am vergangenen Samstag hatte ich ein bisschen "sturmfrei", während meine Liebste mit den Kindern – einschließlich einer Schulfreundin unserer Großen, die bei uns übernachtet hatte – zum Frühlingsfest im Bahnbetriebswerk Schweineöde fuhr. Am Sonntag war in St. Joseph Siemensstadt Kinderwortgottesdienst (s. unter "Schwarzer Gürtel in KiWoGo"); am Montag war "Omatag", der diesmal deutlich anders ablief als sonst meist: Anstatt dass wir zu meinen Schwiegermüttern fuhren, holten sie die Kinder ab (den Kleinen bei uns, die Große von ihrer Schule) und beschäftigten sie, bis wir uns alle zum Abendessen trafen. Gut war daran für mich nicht zuletzt, dass es mir den nötigen Freiraum verschaffte, auf die Schnelle einen Beitrag für die Online-Ausgabe der Tagespost zu verfassen, der schon tags darauf veröffentlicht wurde. Am Dienstag hatte meine Liebste keinen Unterricht und nutzte dies dazu, mit unserem Jüngsten einen Ausflug zu machen; am Abend fand dann im Gemeindehaus von Maria, Hilfe der Christen ein Vorbereitungstreffen für die diesjährige Spandauer Fronleichnamsfeier statt, an dem ich als Vertreter des Arbeitskreises Kinderwortgottesdienst von St. Joseph Siemensstadt teilnahm. Es war eine recht überschaubare Runde, aber immerhin waren alle drei ehemaligen Pfarreien, die in der Großpfarrei Heilige Familie aufgegangen sind, vertreten. Die Sitzung dauerte eine knappe Stunde, und was den konkreten Grund und Anlass meiner Teilnahme betrifft, wurde der Vorschlag bzw. das Angebot, dass der KiWoGo-Arbeitskreis einen Programmbeitrag zu dem an die Fronleichnamsprozession anschließenden Pfarrfest beisteuert, sehr positiv aufgenommen, insofern war meine Mission von Erfolg gekrönt. Viel mehr möchte ich über den Inhalt der Sitzung nicht verraten, oder jedenfalls noch nicht; zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel wenn die Veranstaltung gelaufen ist, könnte es sich durchaus ergeben, dass ich auf den einen oder anderen Punkt zurückkomme. 

Was am Mittwoch, dem Gedenktag des Hl. Fidelis von Sigmaringen, so alles los war, ergibt ausreichend Stoff, um die im vorigen Wochenbriefing eingeführte Rubrik "Immer wieder mittwochs" auch diesmal wieder zum Einsatz zu bringen. Am Donnerstag, dem Fest des Evangelisten Markus, fuhr ich mit dem Jüngsten, nachdem wir das Tochterkind zur Schule gebracht hatten, zur unlängst ins Leben gerufenen #kindergartenfrei-Spielgruppe; auf dem Weg dorthin trafen wir in der S-Bahn die ehemalige Pastoralreferentin von Herz Jesu Tegel, die jetzt in der Pfarrei St. Mauritius (Lichtenberg/Friedrichshain) tätig ist. Sie erzählte uns, sie habe für eine Gruppe von Interessierten eine Fahrt zum Adoratio-Kongress in Altötting geplant, und schwärmte uns vor, wie toll es da im vergangenen Jahr gewesen sei. Im Prinzip würde ich da ja auch ganz gern hinfahren, aber der Weg ist weit und der Termin ungünstig; zudem steht zu befürchten, dass, was die Unterbringungssituation angeht, schon so ziemlich ganz Altötting ausgebucht ist. – Am gestrigen Freitag gingen wir wieder zur Eltern-Kind-Gruppe in der Gemeinde auf dem Weg; irgendwann, denke ich, werde ich mal näher darauf eingehen müssen, was mir da gut gefällt und was nicht ganz so – aber nicht hier und jetzt. Und heute vormittag war wieder Wichtelgruppentreffen, diesmal in Siemensstadt; darüber berichte ich aber (wie üblich) erst im nächsten Wochenbriefing. 


Was ansteht 

Ob ich, wenn dieses Wochenbriefing online geht, in Spandau beim musikalisch von der mir bislang unbekannten "Taufstein-Band" mitgestalteten Jugendgottesdienst bin, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest, und auch nicht, ob ich danach mit der ganzen Familie zur Community Networking Night im Baumhaus gehe. Ich hoffe aber, beides bejahen zu können. Morgen ist dann in Siemensstadt Erstkommunion – der erste von zwei Terminen, da die Kirche vermutlich aus allen Nähten platzen würde, wenn man alle 23 Kinder des aktuellen Jahrgangs innerhalb einer einzigen Messe zur Erstkommunion gehen lassen wollte. Am Mittwoch ist das Fest Hl. Josef der Arbeiter, da ist schulfrei und es bieten sich gleich mehrere Möglichkeiten für eine interessante Gestaltung des Tages: In St. Joseph Siemensstadt ist um 11 Uhr Messe, und anschließend feiert der örtliche Pfarrvikar mit der Gemeinde seinen Geburtstag nach; da sollte man sich wohl mal sehen lassen. Allerdings feiert auch die Kirche St. Joseph Tegel an diesem Tag ihr Patronatsfest; da besteht zwar die Aussicht, Leute zu treffen, die uns nicht wohlgesonnen sind (und umgekehrt), aber andererseits gibt es da eine Hüpfburg, also schätze ich, dass ich da mindestens mit den Kindern werde hingehen müssen, auch wenn meine Liebste eher keine Lust haben wird, mitzukommen. Na, vielleicht schaffen es die Kinder ja, sie zu überreden; und vielleicht tut das Coffee-Bike ein Übriges. JAM fällt derweil wegen des Feiertags aus, was ein weiteres Argument dafür sein könnte, sich das Patronatsfest in St. Joseph nicht entgehen zu lassen. – Richtig spannend wird es dann am Freitag: Da beabsichtige ich, unsere Große ein paar Stunden früher als sonst von der Schule abzuholen, um mit ihr (und ohne die andere Hälfte der Familie) an die Ostsee zu fahren. Nach Zinnowitz, genauer gesagt. Da findet nämlich in der vom Erzbistum Berlin betriebenen Begegnungsstätte "Haus St. Otto" ein "Väterwochenende" statt, das für Väter mit schulpflichtigen Kindern konzipiert ist; und ich habe uns da spontan angemeldet, weil ich fand, das sei eine willkommene Gelegenheit, mal wieder etwas exklusive Vater-Tochter-Zeit zu verbringen, nachdem ich, seit das Tochterkind zur Schule geht, im normalen Alltag sehr viel mehr Zeit mit dem kleinen Bruder verbringe. Ich bin gespannt, wie das wird... Du wirst es erfahren, Leser! 


Schwarzer Gürtel in KiWoGo 

Wie bereits erwähnt, stand am vergangenen Sonntag, dem 4. Sonntag der Osterzeit, im Rahmen der 11-Uhr-Messe in St. Joseph Siemensstadt wieder der monatliche Kinderwortgottesdienst an; für mich war es der fünfte, den ich mitgestalten durfte. Anlässlich der Schilderung des Vorbereitungstreffens habe ich bereits in der vor zwei Wochen, also im Creative Minority Report Nr. 25, ein wenig über den Inhalt und die Gestaltung dieses KiWoGo verraten: Das Thema, vorgegeben durch das Evangelium vom Tag (Johannes 10,11-18), lautete "Der gute Hirte", und beim Vorbereitungstreffen hatte der Gemeindereferent vorgeschlagen, dass wir nach einem gemeinsamen Beginn die Kinder ihrem Alter entsprechend in zwei Gruppen einteilen; die Katechese für die Erstkommunionkinder sollte/wollte der Gemeindereferent leiten und die für die jüngeren Kinder ich. Ebenfalls schon erwähnt hatte ich meine Absicht, das Bilderbuch "Mein guter Hirte" von Sally Lloyd-Jones und Jago zum Einsatz zu bringen. 

Viel präziser waren meine Vorstellungen bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewesen, aber nachdem meine Wichtelgruppen-Co-Leiterin sich bereit erklärt hatte, ihre Gitarre mitzubringen und ein paar Lieder zu spielen, und die Teamkollegin, die den März-KiWoGo (zum Thema "Wenn das Samenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt...") gestaltet hatte, es diesmal aber nicht zum Vorbereitungstreffen geschafft hatte, ihre Bereitschaft signalisiert hatte, trotzdem mitzumachen (wir sollten ihr einfach eine Aufgabe zuweisen, meinte sie), entwickelte ich den folgenden Plan: 

  • Alle Kinder werden gemeinsam in den Pfarrsaal geführt; kurze Begrüßung; dann das Lied "Sei mutig und stark", mit Bewegungen. (Das hatten wir beim letzten Mal schon, man durfte also davon ausgehen, dass ein Teil der Kinder es schon kennt, und Wiederholung verfestigt; außerdem passt es einigermaßen zum Thema.) 
  • Dann geht der Gemeindereferent mit den Erstkommunionkindern ins kleine Pfarrzimmer, die verbleibenden (jüngeren) Kinder werden aufgefordert, näher zusammenzurücken. 
  • Ich lese das Buch "Mein guter Hirte" vor und zeige die Bilder. 
  • Danach sollen sich die Kinder zu ihren Eindrücken vom Bilderbuch und/oder dem Lied äußern: was ihnen dazu einfällt, wo sie einen Bezug zu ihrem eigenen Leben sehen usw.; die "Moderation" dieses Teils hoffte ich irgendwie spontan-intuitiv zwischen der Teamkollegin und mir aufteilen zu können. 
  • Als "weglassbares Element" – solche sollte man immer in petto haben, wenn nicht vollständig planbar ist, wie viel Zeit man zur Verfügung hat – plante ich eine drei Minuten lange Geschichte aus dem Buch "Voll cool – Noch mehr Andachten für dich" ein, die sich auch auf Johannes 10 bezieht und in der es auch um Schafe geht. Dieses Buch war mal eine Spende für unser Büchereiprojekt, und ich habe ehrlich gesagt schon länger auf eine Gelegenheit gewartet, es für die KiWoGo-Gestaltung zu verwenden. 
  • Zum Abschluss ein frei formuliertes Gebet, das die Ergebnisse der Katechese aufgreift und zusammenfasst. Und dann zurück in die Kirche! 

Soweit also die Theorie. In der Praxis lief wie so oft Manches anders als geplant; das ging in diesem Fall damit los, dass meine Wichtelgruppen-Co-Leiterin mitsamt ihrer Gitarre nicht auftauchte. Ich glaubte zunächst, möglicherweise wäre das meine Schuld, weil ich auf ihre letzte Mail nicht geantwortet hatte; ich hatte gedacht, es sei alles klar und die Mail bedürfe keiner Antwort, aber möglicherweise hat sie das anders empfunden – Kommunikationspannen dieser Art habe ich schon öfter erlebt, auch mit anderen Leuten. Tatsächlich war sie aber nur kurzfristig verhindert und hatte mir die Mitteilung darüber an meine alte Handynummer geschickt, die ich kaum noch benutze, weshalb ich die Nachricht erst Tage später sah. – Wie dem auch sei: Auf die beiden Lieder wollte ich nicht verzichten und dachte mir, was soll's – die kann ich auch vom Handy einspielen, die Lautsprecherbox liegt ja noch im Korb des Kinderwagens. Aber ach: Die hatte meine Liebste ausgepackt, als sie tags zuvor mit den Kindern zu diesem Eisenbahnfestival gefahren war. Glücklicherweise erwies sich der interne Lautsprecher des Handys als einigermaßen ausreichend für den Pfarrsaal. 

Die nächste Unwägbarkeit war, dass die KiWoGo-Teamkollegin, mit der ich mir die "Moderation" des Gesprächs mit den Kindern teilen wollte, zwar kam, aber erst so kurz vor Beginn der Messe, dass ich keine Gelegenheit mehr hatte, den Ablauf noch einmal mit ihr durchzusprechen. Den Part, den ich ihr zugedacht hatte, übernahm sie trotzdem, spontan und intuitiv. So gesehen kann man eigentlich sagen, dass trotz unvorhergesehener Komplikationen alles recht gut klappte. Es nahmen nicht ganz so viele Kinder teil wie die letzten Male – etwas weniger als zwanzig, würde ich schätzen, und davon waren gut die Hälfte Erstkommunionkinder. Nach der Teilung der Gruppe hatte ich es also mit einer überschaubaren Runde von sieben oder acht Kindern zu tun. Ungewöhnlich und unerwartet war es, dass wir am Ende mehr Zeit hatten, als wir eigentlich gebraucht hätten; zum Teil lag das wohl daran, dass die Antworten der Kinder im "Gesprächsteil" recht knapp ausfielen. Ich würde das nicht unbedingt als Mangel an Resonanz betrachten: Die Kinder waren durchaus gewillt, sich einzubringen, insbesondere ein schätzungsweise achtjähriger Junge zeigte sich ausgesprochen engagiert; aber meist sagten die Kinder nur jeweils einen Satz und waren dann schon wieder fertig mit dem, was sie hatten beitragen wollen. Das ist auch okay so, denke ich: Man kann eine schlichte Aussage ruhig auch einfach mal stehen lassen, ohne immer alles bis ins Letzte ausdeuten und durchdeklinieren zu müssen. Generell, scheint mir, wird in Kinderkatechesen oft eher zu viel als zu wenig geredet. – Das freie Gebet zum Abschluss überließ ich spontan meiner Liebsten; ich finde, sie kann so etwas einfach besser als ich. 

Der nächste Kinderwortgottesdienst in St. Joseph steht erst Ende Mai, am Dreifaltigkeitssonntag, an; und zwei Wochen später ist dann schon die Spandauer Fronleichnamsfeier. Darüber, was genau wir da eigentlich beitragen wollen, werden wir uns wohl bei unserem nächsten Arbeitskreistreffen Mitte Mai verständigen müssen... Ich werde berichten! 


Immer wieder mittwochs 

Auch an diesem Mittwoch gingen mein Jüngster und ich wieder, nachdem wir das Tochterkind zur Schule gebracht hatten, in St. Marien Maternitas in Heiligensee zur Messe; und diesmal wurde die Messe wirklich, wie ich es eigentlich schon vorige Woche erwartet hatte, vom Pfarrer der Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd geleitet. Zum Einzug wurde das Lied "Die ganze Welt, Herr Jesu Christ" (GL 332) von Friedrich Spee gesungen, und anschließend fragte der Pfarrer, ob denn von den Anwesenden jemand wisse, was "Urständ" bedeute. Es wurden ein paar Antworten hereingerufen, aber die richtige war nicht dabei – was ich insofern leicht tragikomisch fand, als man sie direkt aus dem Gotteslob hätte ablesen können: "'Urständ': Auferstehung" steht da im "Kleingedruckten" unter dem Liedtext. Mindestens ebenso bemerkenswert fand ich, dass – wie sich beim Gemeindefrühstück nach der Messe zeigte – diese "Quiz-Einlage" des Pfarrers bei den alten Leutchen in der Gemeinde einigen Unmut auslöste. "Das kann der mit seinen Kommunionkindern machen, aber nicht mit uns Über-80-jährigen", brummte einer der alten Herren und stieß damit auf breite Zustimmung; ein anderer fügte hinzu: "Ich fühl' mich bei ihm immer, als säße ich wieder in der Schulbank in der 4. Klasse." Aus diesen Äußerungen schien mir recht deutlich die Wahrnehmung zu sprechen, dass derartige Ratespielchen charakteristisch für diesen Geistlichen seien, und ich kann den Ärger darüber teilweise nachvollziehen: Es steckt schon irgendwie ein Element von "Ich weiß etwas, was ihr nicht wisst" darin, und das unterstreicht einmal mehr, in welchem Maße der Pfarrer von St. Klara mit seinem eigenen Ego beschäftigt ist. Gleichzeitig hat aber auch mein Verständnis für die Position der Senioren Grenzen; präzise gesagt: dafür, dass sie in der Kirche lieber Lieder singen, deren Text sie nicht verstehen, als in ihrem Alter noch etwas dazuzulernen. So als meinten sie, sie hätten ein Recht darauf, ihre Wissenslücken mit ins Grab zu nehmen. 

Auf den (nicht gebotenen) Gedenktag des Hl. Fidelis von Sigmaringen, eines Märtyrers der sogenannten Gegenreformation, wurde in der Messe nicht eingegangen; stattdessen sprach der Pfarrer in seinem üblichen "Begrüßungsimpuls statt Predigt" mit Blick auf die 1. Lesung vom Tag (Apostelgeschichte 12,24-13,5, die Aussendung des Barnabas und des Saulus) hauptsächlich über den Hl. Barnabas, für den er bekanntermaßen ein besonders Faible hat: Wäre es nach ihm gegangen, hieße die Großpfarrei St. Klara heute St. Barnabas. Warum? Weil der in der Apostelgeschichte zwar fast durchweg im Schatten des Apostels Paulus steht, aber dennoch ersichtlich Wichtiges für die frühe Kirche geleistet hat. Insofern – so könnte man die Sicht des Pfarrers auf diese biblische Gestalt wohl zusammenfassen – eignet sich der Hl. Barnabas als Vorbild, Schutzpatron oder Identifikationsfigur für alle, die unauffällig in der zweiten Reihe stehen und dort, ohne dass ihnen dafür besondere Aufmerksamkeit zuteil würde, im Dienst am Reich Gottes ihr Möglichstes tun. – "Dienst am Reich Gottes" ist natürlich keine Formulierung, die dieser Priester in den Mund nehmen würde, aber ich habe das mal so paraphrasiert, wie ich es gern verstehen möchte und zustimmungsfähig finde. Man könnte, wenn man den Pfarrer kennt, natürlich auch argwöhnen, der Hl. Barnabas sei für ihn vor allem eine Projektionsfläche für seine eigenen Minderwertigkeitsgefühle bzw. das Gefühl, "underappreciated" zu sein, aber man sollte es mit der negativen Voreingenommenheit wohl auch nicht übertreiben. 

Zurück in Tegel, trafen wir weder auf unserem bevorzugten Spielplatz noch an der Eckkneipe Bekannte (das mit der Eckkneipe müsste ich jetzt wohl erläutern, finde es aber gerade witziger, das nicht zu tun); also machte ich dem Knaben ein paar Vorschläge, was wir nun tun könnten, und er entschied sich ohne langes Zögern dafür, noch in "die andere Kirche" zu gehen – also nach St. Joseph Tegel. Wir kamen dort ziemlich genau pünktlich zum Mittagsläuten an, sangen "Freu dich, du Himmelskönigin" (okay, hauptsächlich sang ich es, aber mein Herr Sohn sang ein bisschen mit, vor allem das "Halleluja"), zündeten eine Kerze an und hielten dann eine Lobpreisandacht ab – bei der der Junior so oft und beharrlich "Noch'n Lied!" forderte, dass die Andacht schließlich acht Lieder umfasste (das dürfte neuer Rekord sein!) und wir alles in allem fast eine Stunde in der Kirche verbrachten. Ganz nebenbei verschaffte mir das einen ordentlichen Motivationsschub, das Projekt "Kinder-Lobpreis-Disco in Siemensstadt" weiterzuverfolgen bzw. voranzubringen. Muss wohl mal ein Konzeptpapier entwerfen... 

Beim JAM herrschte diesmal krankheitsbedingt erheblicher Mitarbeitermangel, was u.a. dazu führte, dass es für den katechetischen Teil keine Aufteilung nach Altersgruppen gab. Das war mir aus bekannten Gründen nur recht; auf diese Weise kamen wir alle in den Genuss der für die größeren Kinder konzipierten Version der Katechese, unter der kompetenten Leitung der hauptamtlichen Mitarbeiterin für den Aufgabenbereich "Kinderkirche" in dieser Gemeinde. Und um mal zu zitieren, was ein schätzungsweise zehnjähriger Junge mal zu mir sagte: "Wenn Jenny das macht, ist es immer super." Zwar bestand die Katechese auch hier größtenteils aus einer reinen Nacherzählung des biblischen Texts, aber diese geriet erheblich lebendiger, unterhaltsamer und fesselnder als vorige Woche bei den "Kleinen" und wurde außerdem durch Spiele aufgelockert. Inhaltlich war eine auffällige Korrespondenz zwischen der Leseordnung des katholischen Kirchenjahres und der Themenauswahl beim JAM festzustellen: Hier wie dort ist nach Ostern die Apostelgeschichte dran. Nachdem es vorige Woche beim JAM um die Bekehrung des Paulus gegangen war, wurde diesmal erzählt, wie es mit Paulus weiterging, bis hin zum Beginn seiner ersten Missionsreise; und das stimmte ja nun sehr deutlich mit den Werktags-Lesungen dieser Woche überein. 

Übrigens wurde zu Beginn der Katecheseeinheit noch einmal kurz rekapituliert, worum es in der vorigen Woche gegangen war, und das beinhaltete, dass ein paar Fragen gestellt wurden, damit die Kinder demonstrieren konnten, was bei ihnen "hängen geblieben" war; für die richtige Beantwortung der Fragen gab es sogar Preise, oder genauer gesagt: hätte es Preise gegeben, nämlich Überraschungseier; da sich aber niemand erinnern konnte, wie der Lehrer des Saulus hieß (richtige Antwort: Gamaliel), nahm die Leiterin die Überraschungseier einfach wieder mit. Das muss man erst mal bringen. Andere Katecheten hätten vielleicht ersatzweise eine einfachere Frage gestellt und dann nötigenfalls noch einfachere, solange, bis sie die Preise 'raushauen könnten; aber hier: denkste. Ich muss wohl noch ein bisschen in mich gehen, um abschließend zu entscheiden, wie ich das finde, aber spontan fand ich es irgendwie gut. (Abgesehen davon, dass diejenigen Kinder, die – wie mein Tochterkind – vorige Woche bei den "Kleinen" mitgemacht hatten, bei diesem Quizspiel benachteiligt waren, denn bei ihnen war der Name Gamaliel gar nicht erwähnt worden.) 


Neues aus Synodalien: Die Diakoninnen haben ihre Tage 

Auweia, das gibt Ärger. Diese Überschrift, meine ich. Aber du musst zugeben, Leser: Der Witz lag auf der Straße wie eine überdimensionierte, quietschgelbe Bananenschale. Man weiß, man wird, wenn man drauftritt, mit hoher Wahrscheinlichkeit ausrutschen; aber nicht draufzutreten, ist irgendwie auch keine Option. 

Also, worum geht's? – Am kommenden Montag, dem 29. April, ist das Fest der Hl. Katharina von Siena; seit 1998 feiern die Frauenverbände kfd und KDFB, das "ZdK" und das "Netzwerk Diakonat der Frau" den "Tag der Diakonin" – einen "Aktions- und Empowerment-Tag", der, wie man auf der Website des "ZdK" lesen kann, "stetig weiterentwickelt" wird, "weswegen er mittlerweile Tag der Diakonin +plus heißt". Zu diesem "Plus" gehört es wohl auch, dass die kfd heuer ab dem 29. April zu einem "Tag der Predigerinnen" einlädt. Jawohl, "ab" dem 29. April; denn trotz seines Namens unfasst der "Tag der Predigerinnen" nicht nur einen Kalendertag, sondern fast volle drei Wochen, bis zum 17. Mai – dem Gedenktag der im Römerbrief (16,7) als "angesehen unter den Aposteln" erwähnten Andronikus und Junia, der im Sprachgebrauch der kfd gern zum "Fest der Apostelin Junia" aufgewertet wird. Dazu sei beiläufig angemerkt: Mag man schon die Vereinnahmung der Hl. Katharina von Siena durch die Verfechterinnen der Frauenweihe schräg finden – die große Mystikerin und Kirchenlehrerin des 14. Jhs. würde den Damen zweifellos was husten –, so ist der Kult, der um die "Apostelin Junia" getrieben wird, vollends bizarr. Schließlich ist die zitierte Stelle aus dem Römerbrief buchstäblich die einzige Quelle über das Leben dieser Junia; mit anderen Worten: Hätte der Apostel Paulus nicht Grüße an sie bestellt, wüssten wir überhaupt nichts von ihr. Dass sie für die kirchlichen Frauenverbände so eine Kultfigur ist (auch die Verbandszeitschrift der kfd, ehemals "Frau und Mutter", trägt seit 2020 ihren Namen), hat also weniger mit ihrer Bedeutung für die frühe Kirche zu tun – da hätten sich andere Frauengestalten angeboten – als vielmehr damit, dass sich seit dem Mittelalter die Auffassung durchsetzte, Junia sei ein Mann namens Junias gewesen. (Tatsächlich lässt der griechische Originaltext des Römerbriefs beide Lesarten zu – wer's genau wissen will, findet hier eine fundierte Darstellung –, aber für die Kirchenväter, allen voran den Hl. Johannes Chrysostomus, war es noch unstrittig, dass Junia eine Frau war.) Aus feministischer Sicht erscheint die Ersetzung der Junia durch einen Junias somit als Paradebeispiel dafür, "was die Kirchenmänner im Laufe der Jahrhunderte getan haben, um die Frauen der Kirche unsichtbar zu machen", und im Umkehrschluss als "Patronin der Frauen, die sichtbar werden". Aha. 

Aber mal zurück zum "Tag der Predigerinnen", mit dem die kfd "ein starkes Zeichen für die Forderung nach Gleichberechtigung in der römisch-katholischen Kirche" zu setzen beabsichtigt und dazu "in diesem Jahr ausdrücklich auch Frauen aus anderen Verbänden und Organisationen" zur Teilnahme auffordert. "Mehr als 130 Frauen mit über 170 Predigten sind bereits bei der kfd gemeldet", heißt es in der Pressemitteilung der kfd, und weiter: "Im Jahr 2024 setzen engagierte Christinnen mit ihrer Predigt ein kirchenpolitisches Signal für die Aufhebung des Predigtverbots für Lai*innen in der Eucharistiefeier und für die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges". Kalkulierte Regelverletzung als Form des Protests gegen ebendiese Regel, heißt hier also die Strategie. Man sollte in diesem Zusammenhang allerdings erwähnen, dass es Frauen in der katholischen Kirche – anders als vielfach der Eindruck erweckt wird – durchaus nicht grundsätzlich verboten ist, zu predigen: Überall da, wo das Kirchenrecht Laienpredigten erlaubt, gilt diese Erlaubnis ebenso für weibliche wie für männliche Laien. Ein besonderer Fall ist indes die Homilie im Rahmen der Heiligen Messe, denn diese ist Bestandteil des priesterlichen Dienstes. In letzter Konsequenz geht es beim "Tag der Predigerinnen" also doch wieder um die Frage des Zugangs von Frauen zum Weihesakrament. 

Derweil hat das "Netzwerk Diakonat der Frau" 13 Frauen zu Diakoninnen ausgebildet. Im Ernst? Allerdings: Mit einem feierlichen Gottesdienst in der Mutterhauskirche der Waldbreitbacher Franziskanerinnen ging am 13. April eine "Fortbildung Diakonische Leitungsdienste für Frauen in der Kirche" zu Ende, die, man höre und staune, dreieinhalb Jahre in Anspruch genommen hat. Eine solche Ausbildung zu absolvieren, obwohl es, wie die Fortbildungsleiterin Irmentraud Kobusch einräumt, "nicht abzusehen" ist, "wann oder ob überhaupt jemals Frauen von der katholischen Kirche zur Diakonatsweihe zugelassen werden", verrät ein Maß an Entschlossenheit, bei dem ich mich nicht recht entscheiden kann, ob ich darauf mit Bewunderung oder Befremden reagieren soll. Die Messfeier, in deren Rahmen den 13 Absolventinnen ihre Zertifikate überreicht wurden, zelebrierte der Essener Weihbischof Ludger Schepers. Die betreffenden Damen bei der Gelegenheit auch gleich zu weihen, traute er sich dann doch nicht, aber immerhin "segnete er zusammen mit den Kursleiterinnen jede einzelne Frau bei der Übergabe ihres Zertifikats" – was nach Einschätzung der Veranstalterinnen "[a]ls politisches [!] Zeichen [...] nicht zu unterschätzen" sei, und "die Absolventinnen freuen sich sehr darüber". Ich würde dazu die These wagen, die Segnung der Absolventinnen verhalte sich zu einer gültigen Diakonenweihe etwa so wie die vieldiskutierten "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" zum Ehesakrament. Ob's auch Ehevorbereitungskurse für Paare gibt, von denen man genau weiß, dass sie nach geltendem Kirchenrecht nicht heiraten können? Und kommt da dann auch ein Bischof, um die Absolventen zu segnen? Vielleicht auch wieder Weihbischof Schepers, der u.a. auch der LGBTQ*-Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz ist? – Ich würde ja denken, die Strategie, dort, wo man ein Sakrament nicht gültig spenden kann und darf, ersatzweise eine unverbindliche "Segnung" anzubieten, dabei durch die Blume zu verstehen zu geben, man würde ja eigentlich schon wollen, wenn man nur dürfte, aber vor einem eklatanten Bruch des Kirchenrechts dann doch zurückzuschrecken, müsste gerade für die Empfänger solcher Segnungen eine Zumutung sein und die Spender nach allen Seiten hin unglaubwürdig machen; but that's none of my business, wie Kermit der Frosch sagen würde. 


Geistlicher Impuls der Woche 

Unser Herr und Meister selbst hat katechetisiert. Andere mögen ihre Arbeiten vorschützen, sie mögen nach höheren Funktionen trachten, welche der Kirche größeren Gewinn eintragen, sie mögen diesen Dienst als geringfügig und mühselig bezeichnen, sie mögen sich auch damit herausreden, dass sie nicht mit den Kindern selber zu Kindern werden wollten. 

Christus, die Weisheit Gottes selber, hat sich nicht gescheut, mit den Kindern ganz vertraulich umzugehen ...

Wollen wir Christus und seinen hl. Evangelisten glauben, so ist es von solcher Bedeutung, sich um die Kleinen verdient zu machen und sich abzumühen bei ihrem Unterricht und mit deren Anleitung zur Frömmigkeit, wie bewährte Katecheten tun, dass wir dabei nicht nur ein christliches, sondern sozusagen ein Engelsamt ausüben. 

(Petrus Canisius, Brief an den Bischof von Würzburg, 1576


Ohrwurm der Woche 

Blue Öyster Cult: (Don't Fear) The Reaper 

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