Donnerstag, 1. Juni 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #32

Frohe Pfingsten, liebe Leser! Zum abschließenden Hochfest des österlichen Festkreises gibt es allerlei zu berichten; gleichzeitig müssen wir aber auch nicht traurig sein, dass die Osterzeit nun vorbei ist, denn immerhin ist jetzt Herz-Jesu-Monat, Fronleichnam steht vor der Tür, und dann beginnt auch bald die Sommerferiensaison. Langweilig wird's also so bald nicht werden! – Schauen wir uns also mal an, was in der zurückliegenden Woche so los war und was demnächst ansteht... 

Pfingstliches 

Am Pfingstsonntag gingen wir ausnahmsweise mal in St. Afra im wenig idyllischen Stadtteil Gesundbrunnen zur Messe, wo das Institut St. Philipp Neri die außerordentliche Form des Römischen Ritus pflegt. Zuletzt waren wir dort Mitte März 2020, am letzten Tag vor dem großen Corona-Lockdown, gewesen. Seither hatten wir schon wiederholt überlegt, mal wieder dort zur Messe zu gehen; dafür, dass wir das jetzt tatsächlich einmal taten, bedurfte es dennoch eines besonderen Anlasses, aber den verrate ich später. – Dass wir nicht öfter dort sind, und das trotz der Tatsache, dass der Anfahrtsweg dorthin kürzer und unkomplizierter ist als nach Siemensstadt, hat zum Teil wohl auch damit zu tun, dass ich mich bei aller Sympathie für das Anliegen, die traditionelle Liturgie zu pflegen und am Leben zu erhalten, in dieser Form des Ritus doch nicht so recht "zu Hause fühle". So dauerte es auch diesmal ungefähr bis zum Gloria, bis ich das Gefühl einer gewissen Fremdheit und Desorientierung überwunden hatte und mich von der Feierlichkeit und Würde der Zelebration "mitnehmen" ließ. – Die vergleichsweise kleine Kirche St. Afra war mit schätzungsweise knapp 200 Messbesuchern gut gefüllt, und ich möchte behaupten, dass der Altersdurchschnitt der Anwesenden signifikant unter demjenigen lag, den man aus "normalen" Pfarrkirchen gewohnt ist. Außer uns waren noch mehrere weitere Familien mit kleinen Kindern da, und ich hatte den Eindruck, der Umstand, dass die Kinder nicht durchweg mucksmäuschenstill waren, wurde hier tendenziell als weniger störend empfunden, als wir es in anderen Gemeinden erlebt haben – was mir auf nicht ganz leicht erklärliche Weise irgendwie folgerichtig erschien. Jedenfalls galt das bis kurz vor Ende der Messe, als unser Jüngster aus der Bank entwischte, in Richtung Altarraum lief und von einer Mantilla-tragenden Frau in der ersten Reihe recht rabiat gestoppt wurde. Ermutigend war, dass nach der Messe mehrere Unbeteiligte auf uns zukamen, um uns zu versichern, dass sie das Verhalten der Dame inakzeptabel fanden. Diese selbst blieb allerdings uneinsichtig, als meine Liebste sie im Anschluss an die Messe ansprach. Nun, ich denke, meine Liebste wird diesen Vorfall noch selbst kommentieren, wenn sie mal dazu kommt, ihren angekündigten Blogartikel zum Thema "Mit kleinen Kindern im Gottesdienst" zu schreiben. 

Interessant war übrigens auch, dass direkt in der Bank vor uns eine Frau Platz nahm, die wir aus der Tegeler Pfarrei kannten: Sie war dort mal ehrenamtlich recht engagiert und hatte zeitweilig auch bei unserem Büchereiprojekt mitgearbeitet, sich dann aber schon einige Zeit vor uns mit der dortigen Gemeinde überworfen. Tja. 

Der konkrete Anlass dafür, dass wir gerade am diesem Pfingstsonntag in St. Afra waren, bestand indes darin, dass im Anschluss ein kleines, informelles Bloggertreffen stattfand. Thomas alias Dilettantus in interrete war in musikalischer Mission aus dem äußersten Westen der Republik nach Berlin gereist und hatte am Sonntag etwas Freizeit, Phil alias FingO – einer der ersten deutschsprachigen Katholen-Blogger überhaupt – gesellte sich ebenfalls dazu, und so ließen wir uns nach dem Kirchgang zunächst im Außenbereich einer, äh, stilechten Eckkneipe nieder... 


...und stärkten uns anschließend bei "Curry 65" am Bahnhof Gesundbrunnen. Schön war's – und ich glaube sagen zu können, dass die Herren Bloggerkollegen ausgesprochen entzückt von unseren Kindern waren. Das freut einen als Vater natürlich. 

Am Pfingstmontag gingen wir dann in St. Joseph Siemensstadt in die Messe. Liturgisch gesehen ist der Pfingstmontag ja, besonders in Deutschland, ein ganz sonderbares Zwitterwesen; diese Einschätzung genauer zu erläutern, ist hier wohl nicht der richtige Platz, aber zu den konkreten Auswirkungen dieser liturgischen Anomalie gehörte es zum einen, dass die Kirche so leer war, wie ich sie an Sonn- und Feiertagen sonst noch nie erlebt hatte, und zum anderen, dass es keinen Organisten gab – gesetzliche Feiertage gelten wohl auch für hauptamtliche Kirchenmusiker. Folgerichtig orientierte sich die Liedauswahl weitgehend daran, was man der Gemeinde zumuten konnte, ohne Begleitung zu singen. Als signifikante Ausnahme möchte ich das "Gloria" von Kathi Stimmer-Salzeder (GL Nr. 169) hervorheben. Wohlgemerkt, ich mag dieses Stück – es zählt definitiv zu meinen Favoriten unter den "moderneren" Gotteslob-Nummern, zumal es mehr nach Lobpreis klingt als nach NGL. Allerdings verliert das Lied für mein Empfinden viel von seinem Charme, wenn es zu schwerfälliger Orgelbegleitung vorgetragen wird; andererseits ist, wie man an diesem Pfingstmontag in Siemensstadt feststellen konnte, eine durchschnittliche Gottesdienstgemeinde ganz ohne Begleitung eben auch bzw. erst recht nicht in der Lage, dieses Lied rhythmisch korrekt zu singen. Mittendrin kam mir daher der Gedanke: Es gibt in dieser Gemeinde doch eine Trommelgruppe! Wieso spielt die nicht mal im Gottesdienst? – Ehrlich gesagt kann ich mir schon vorstellen, dass manch ein braver Kirchgänger nicht so begeistert von dieser Idee wäre, aber ich fände es durchaus mal reizvoll, und zumindest meine Tochter gibt mir recht. Sie hat nämlich mal an einem von der Leiterin der besagten Trommelgruppe angebotenen Workshop für Kinder teilgenommen und war begeistert (Ich übrigens auch). 

Nebenbei bemerkt saßen wir, auf ausdrücklichen Wunsch des Tochterkinds, ganz vorn, und ich darf zu Protokoll geben  dass die Kinder sich absolut vorbildlich benahmen; insbesondere der Kleine sang sehr engagiert, wenn auch etwas zeitversetzt, beim Antwortpsalm und beim Hallelujaruf mit. – Zu der Predigt des Pfarrvikars wären auch noch ein paar Worte zu verlieren, aber das verschiebe ich mal auf die Rubrik "Neues aus Synodalien"


Was sonst noch so los war und ansteht 

Am Montagnachmittag war "Omatag", aber nach dem Kirchbesuch aßen wir erst einmal bei "Köfte City" in Siemensstadt zu Mittag. Während wir die Speisekarte studierten, unterhielten das Tochterkind und ich uns über türkische Wörter, die wir aus dem Buch "Pembo – Halb und halb macht doppelt glücklich" (s.u.) kennen, und plötzlich hatte das Tochterkind einen Geistesblitz: "Jetzt weiß ich! Das hier ist ein türkisches Restaurant!" Schlaues Kind, nicht?

Mit den Omas trafen wir uns auf einem Spielplatz in Röntgental; am Rande dieses Spielplatzes gibt es auch einen öffentlichen Bücherschrank, aufgestellt von der Gemeinde Panketal; und wie die an den Außenseiten des Bücherschranks ausgehängten Benutzungshinweise zu erkennen geben, haben die Projektverantwortlichen recht präzise Vorstellungen davon, wie diese Einrichtung genutzt werden soll und wie nicht

Dazu, was genau man sich in Panketal unter "zeitgemäßer" Literatur vorstellt, mag es einen gewissen Ermessensspielraum geben, aber die Nonchalance, mit der pornographische und religiöse Inhalte auf eine Stufe gestellt werden, finde ich schon bemerkenswert. 

Am Mittwoch waren wir wieder beim JAM, und das war sehr gut: In der Kinderkatechese ging es um das Thema "Ewigkeit", und zum Abschluss wurde gegrillt. – Ereignisreich verspricht das kommende Wochenende zu werden: Am Samstag, dem Gedenktag des Hl. Karl Lwanga und Gefährten, ist die zweite Wichtelgruppen-Schnupperstunde, und anschließend gäbe es die Option, zum Kreutziger-Straßenfest ("Fiesta Kreutziga") zu fahren – da waren wir seit Jahren nicht mehr (abgesehen davon, dass es 2020 und '21 wegen Corona ausgefallen ist), aber "7 Jahre Punkpastoral" wären doch mal ein guter Anlass. Und am Sonntag ist in St. Stephanus "Familientag", da wollen wir auf jeden Fall hin. An Stoff für das nächste Wochenbriefing herrscht demnach offensichtlich kein Mangel...! 


Währenddessen in Tegel 

Der neue Pfarrbrief für die Großpfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd ist da, und wie ich vermutlich schon mal erwähnt habe, ist das ein recht seltenes Ereignis: Dieser Pfarrbrief erscheint nur viermal im Jahr. – Die vier Pfarreien, die zu Beginn des laufenden Jahres zur Großpfarrei St. Klara fusioniert sind, hatten bereits seit Ende 2017 einen gemeinsamen Pfarrbrief, und in der Redaktion sitzen im Großen und Ganzen noch immer dieselben Leute wie "schon immer"; und aus der Zeit, in der ich versucht habe, in dieser Redaktion mitzuarbeiten – immerhin rund ein Jahr lang –, sind mir zwar nicht alle, aber doch einige dieser Damen durch eine Kombination von Inkompetenz und Eigendünkel in Erinnerung geblieben, die sich zu völliger Kritikresistenz verdichtete: Diese Leute hatten ebenso unreflektierte wie unerschütterliche Vorstellungen darüber im Kopf oder wohl eher im Bauchgefühl, was in einen Pfarrbrief hineingehört und was nicht, und bekannten sich offensiv zu der wohl insgesamt gar nicht so seltenen Auffassung, da sie diese Arbeit ehrenamtlich machten, habe ihnen da niemand reinzureden. Am Verblüffendsten fand ich immer ihre Ignoranz und ihr Desinteresse gegenüber religiösen Themen. Wieso man mit einer solchen Einstellung ausgerechnet einen Pfarrbrief redigiert und nicht irgendein anderes Vereinsblättchen, ist mir ein Rätsel – aber im Grunde sagt das wohl weniger über diese konkreten Personen aus als über die Strukturen der institutionellen Kirche. Leute, die mit dem ganzen "Glaubenskram" nicht so richtig viel am Hut haben, trifft man ja z.B. auch in Pfarrgemeinderäten an. Ich schätze, das ist ein Mysterium, dem man mal an anderer Stelle weiter nachspüren müsste; hier und jetzt möchte ich mich erst einmal auf ein paar Details aus dem aktuellen Pfarrbrief konzentrieren. 

Es handelt sich um die Ausgabe für Juni bis August, also die Sommerausgabe, und vielleicht muss man da wohlwollend in Rechnung stellen, dass die Mitarbeiter in Gedanken bereits in den Sommerferien sind. So gibt es als Editorial nicht, wie man an dieser Stelle hätte erwarten können, einen geistlichen Impuls von einem Mitglied des "Seelsorgeteams", sondern stattdessen einen nicht-so-geistlichen Impuls zum Thema Urlaub, verfasst von einer der ehrenamtlichen Redakteurinnen. Da liest man dann Sätze wie: "'Wirf deine Netzhäute aus, um zwischen den Wellen nach neuen Einsichten zu fischen!', schreibt Mona Harry in ihrem Poetry Slam" (S. 4). Dazu zwei Fragen: Wer ist Mona Harry, und seit wann schreibt man etwas in einem Poetry Slam? – Anscheinend hat die Verfasserin versucht, sich am Niveau der Social-Media-Präsenzen gewisser deutscher Bistümer zu orientieren, aber es geht auch noch viel blöder: Das Editorial schließt mit einem gereimten "Sommergruß", den ich hier in voller Länge zitieren möchte – das glaubt einem ja sonst kein Mensch. 

"Der Herrgott schuf für uns die Welt, 
sie ist mehr wert als jedes Geld. 
Er hat sie so für uns erdacht, 
dass sie uns große Freude macht. 

Wir können in die Welt rausfahren 
und dabei Folgendes erfahren: 
Neu Erlebtes gibt viel Kraft, 
dass man den Alltag wieder schafft. 

So könnte man auf Reisen gehen, 
um sich die Welt mal anzusehen. 
Doch ganz egal, ob fern, ob nah, 
Balkonien oder Afrika, 
die Hauptsache ist, 
dass du glücklich bist" (ebd.). 

Aber nun gut: Während derartige Bierzeitungslyrik einfach nur peinlich ist, fand ich ein anderes Detail in diesem Pfarrbrief sehr viel ärgerlicher. Auf S. 21 findet sich ein Bericht über die Aktivitäten des Fördervereins von Herz Jesu Tegel, in dem es u.a. heißt, der Verein habe "im März eine Kreuzweg- und im Mai eine marianische Andacht gestaltet"; und zu der Vokabel "marianisch" – von der man wohl annehmen kann, dass sie nur deshalb da steht, weil "im Mai eine Maiandacht" allzu redundant geklungen hätte – gibt es eine Fußnote mit einer "Anmerkung der Redaktion": 

"marianisch bedeutet 'Maria als Gottesmutter betreffend'. Die marianische Priesterbewegung unterstützt die konservative [!] Marienverehrung innerhalb der katholischen Kirche mit dem Ziel der Durchführung einer 'Neuevangelisierung der Welt' nach ihren [!] Glaubenssätzen." 

Zwar hat die Marianische Priesterbewegung mit der Maiandacht des Fördervereins Herz Jesu Tegel wohl kaum etwas zu tun, aber wovon man keine Ahnung hat, darüber kann man umso ungehemmter ins Blaue hinein assoziieren, mit ein bisschen Hilfe von Onkel Google und Tante Wikipedia, nehme ich an. Hauptsache, man hat im Sinne des guten alten bösen alten Lagerdenkens Haltung gegen die Konservativen und ihre Neuevangelisierungs-Bestrebungen gezeigt. (Nb.: Dass Neuevangelisierung als konservativ gilt, macht geradezu exemplarisch die Paradoxien des besagten innerkirchlichen Lagerdiskurses deutlich. Aber darüber rede ich mir ja ohnehin bei jeder Gelegenheit den Mund fusselig.) Das Dummdreiste an diesem Vorgehen zeigt sich übrigens besonders deutlich daran, dass die 2. Vorsitzende des Fördervereins, die diesen Bericht geschrieben hat, selbst der Redaktion angehört (quasi als Quoten-Konservative); aber diese Fußnote stammt mit Sicherheit nicht von ihr! 

Im Übrigen ist mir aufgefallen, dass der Förderverein nach wie vor das von meiner Liebsten designte Logo verwendet. Vielleicht sollte man da mal ein freundliches Gespräch über das Thema Urheberrecht führen. 


Neues aus Synodalien 

Einer der zu Recht berühmtesten Romananfänge der Weltliteratur dürfte derjenige von Charles Dickens' "A Tale of Two Cities" sein: "It was the best of times, it was the worst of times." Wie es scheint, hat sich der Bischof von Limburg, Georg Bätzing, von diesem und den daran anschließenden Dickens-Sätzen zu seiner Pfingstpredigt inspirieren lassen; ob er Dickens' Zeitanalyse – die in gewissem Sinne das vorwegnimmt, was man später "Dialektik der Aufklärung" nennen sollte – aber richtig verstanden hat, darf wohl infrage gestellt werden. So führt Bischof Bätzing aus: 

"Neueste Technologie geht Hand in Hand mit den ältesten Vorurteilen. Satelliten im All, Smartphones und ChatGPT in der Hand und in der Fußgängerzone Konflikte mit Messerstechereien. Impfstoffe neuester Machart, Hirnimplantate und Durchbrüche in der Krebsforschung und gleichzeitig uralte Verschwörungsmythen und Hassbotschaften. Wachsendes Bewusstsein für Schöpfungsverantwortung, während gleichzeitig mitten in Europa Städte bombardiert und andernorts demokratische Rechtsprinzipien ausgehöhlt und offen angegriffen werden." 

Dass er die genannten Phänomene als Beispiele dafür sieht, "dass wir nicht alle im selben Jetzt leben", offenbart, wie ich finde, ein sehr einseitiges und unreflektiertes Fortschrittsdenken: Auf der einen Seite sieht er das Neue als das uneingeschränkte Gute, woraus im Umkehrschluss folgt, dass das Schlechte, das er auf der anderen Seite sieht, als Relikt einer Vergangenheit verstanden wird, die eigentlich schon überwunden sein sollte. Zugespitzt gesagt heißt das, wer ChatGPT, "Impfstoffe neuester Machart" oder gar Hirnimplantate [!?] nicht uneingeschränkt positiv bewertet, beweist damit, dass er noch nicht in der Gegenwart angekommen ist, und ist somit irgendwie auch verantwortlich für Messerstechereien in der Fußgängerzone und dafür, dass "mitten in Europa Städte bombardiert" werden. Man mag darüber streiten, ob diese Argumentation perfide oder einfach nur dumm ist, aber ich neige dazu, es für eine sehr Bätzing-typische Mischung aus beidem zu halten. 

Kommen wir nun, wie bereits angekündigt, noch auf eine andere Pfingstpredigt zu sprechen, nämlich die, die ich am Pfingstmontag in St. Joseph Siemensstadt hörte. Zwar ist am Pfingstmontag die Predigt fakultativ und wird daher gern weggelassen, aber nachdem der Pfarrvikar am Pfingstsonntag in Falkensee zelebrieren "musste" (aufgrund eines kürzlich eingeführten "Rotationsprinzips" innerhalb der Großpfarrei, mit dem niemand so richtig glücklich zu sein scheint), war es ihm offenkundig ein Anliegen, auch der Gemeinde, deren Pfarrer er bis zur Pfarreifusion gewesen war, ein geistliches Wort zu sagen. Er leitete dies ein mit der Versicherung, er wolle "nur ganz kurz" predigen, und ich habe nicht auf die Uhr geschaut, um das zu kontrollieren; aber inhaltlich hatte diese Predigt mehr zu bieten, als man von manchen anderen Geistlichen im ganzen Kirchenjahr zu hören bekommt. Es ging um die Bedeutung des Pfingstfest im Verhältnis zu Ostern, vor allem aber um das Wesen und die Gaben des Heiligen Geistes. Und in diesem Zusammenhang kam die folgende bemerkenswerte Passage vor: "Ein Auto ist etwas anderes als ein Flugzeug. Ein Auto wälzt sich durch den Staub des Daseins und kann sich nur in zwei Dimensionen bewegen, es fährt nach rechts, es fährt nach links, es hält an. Ein Flugzeug erhebt sich auf den Flügeln des Glaubens in eine andere Dimension. Der Synodale Weg zum Beispiel, der ist ein Auto. Da sucht man nach funktionalen Lösungen, die der menschlichen Vernunft entsprechen, und kommt am Ende mit etwas heraus, wofür man Gott nicht mehr braucht. Das ist nicht die katholische Kirche. Die katholische Kirche ist ein Flugzeug." 

Ich würde sagen: Lassen wir das mal auf uns wirken. 


Was ich gerade lese 

Hier bin ich zunächst noch mein abschließendes Urteil über das Kinder- bzw. Jugendbuch "Pembo – Halb und halb macht doppelt glücklich" von Ayşe Bosse schuldig, und ich muss sagen: Es ist kompliziert. Ziemlich unmittelbar nach dem Punkt, an dem ich letzte Woche in meiner Besprechung stehengeblieben war – nämlich kurz nachdem die Familie in Hamburg angekommen ist und begonnen hat, sich einzuleben –, begann die Handlung des Romans mir erheblich besser zu gefallen als zuvor; man könnte sogar mit einigem Recht sagen, dass die Handlung an diesem Punkt erst richtig losgeht, und das ist natürlich erheblich zu spät. Um's noch etwas deutlicher zu sagen als im ersten Teil dieser Besprechung: Das komplette erste Drittel des Romans empfinde ich als grotesk misslungen und im Grunde unzumutbar. Danach geht's eigentlich. Ab dem 17. (!) Kapitel, in dem Pembo aufs Gymnasium kommt, gefällt es mir teilweise sogar ziemlich gut – wobei ich sagen muss, dass gewisse Ähnlichkeiten zum 7. "Lola"-Band, "Lola Schwesterherz" – in dem Lola auf die Gesamtschule kommt – einmal mehr unterstreichen, dass die "Lola"-Bücher einfach in einer anderen Liga spielen. – Aber wie dem auch sei: Gleich am ersten Schultag findet Pembo einen neuen Freund – den pummeligen Halbkoreaner und Science-Fiction-Nerd Paul – und eine neue Feindin – das zickige Modepüppchen Scarlett. An dieser Stelle ist übrigens auch ein Update zum Wokeness-Faktor des Buches fällig: Paul fragt Pembo nämlich – durchaus respektvoll und wohlmeinend –, ob sie trans sei (nicht in diesem Wortlaut, aber sinngemäß), wohingegen Scarlett ihr unterstellt, eine "Kampflesbe" zu sein. Da Pembo die erstere Frage entschieden verneint und zudem bekennt, gar nicht zu wissen, was eine "Kampflesbe" ist, kann man dem Buch wohl immer noch attestieren, dass der Wokeness-Faktor sich einigermaßen in Grenzen hält, aber beim Vorlesen habe ich mich dennoch veranlasst gesehen, die betreffenden Passagen leicht zu kürzen. – Ein zentrales Handlungselement besteht darin, dass Pembo sich mit Hilfe ihres neuen besten Freundes Paul allerlei einfallen lässt, um den neuen Friseursalon ihres Vaters vor der drohenden Pleite zu retten; auch das erinnert natürlich wieder an die "Lola"-Reihe, präzise gesagt an "Lola in geheimer Mission", und erneut gilt es zu betonen, dass das Buch an dieses Vorbild nicht annähernd heranreicht. Wenn man es hingegen unterlässt, Vergleiche zu ziehen, kann man durchaus anerkennen, dass die Handlung ihre originellen, lustigen und zuweilen auch anrührenden Momente hat. Alles in allem ergibt sich der leicht paradoxe Befund, dass ich das Buch im Rückblick bedeutend besser finde, als ich es während der Lektüre fand. Mir gefällt auch, dass man mit diesem Buch ein bisschen Türkisch lernen kann: Nicht nur gibt es auf den letzten Seiten einen Glossar mit türkischen Vokabeln, sondern auch jedem einzelnen Kapitel ist eine Übersicht über die darin vorkommenden türkischen Wörter und Redewendungen vorangestellt. 

Nachdem wir mit "Pembo" durch waren, kam als nächstes "Abenteuer im Wunderwald – Das kleine Eichhörnchen und die Meerjungfrau" von J.S. Betts an die Reihe. Das kriegten wir allerdings innerhalb von nur zwei Abenden durch. Es hat gewisse Ähnlichkeit mit der "Mariella Meermädchen"-Reihe, ist aber noch erheblich simpler gestrickt und, offen gesagt, banaler. Als nächste Bettlektüre wollte ich dem Tochterkind eigentlich "Ronja Räubertochter" vorschlagen, konnte das Buch aber im Regal nicht finden und ließ das Kind daher zwischen "Kalle Blomquist", "Mein Urgroßvater und ich" von James Krüss und "Benjamin Blümchen – Das Buch zum Film" wählen. Die Entscheidung fiel auf "Kalle Blomquist"; darauf werde ich dann wohl nächste Woche näher eingehen. 


Aus dem Stundenbuch 
Als der Herr den Jüngern die Vollmacht gab, das Sakrament der Wiedergeburt für Gott zu spenden, sprach er zu ihnen: "Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Durch die Propheten hatte er versprochen, er werde in den letzten Tagen auf seine Knechte und Mägde den Heiligen Geist ausgießen, sodass sie weissagen würden. Darum kam er auch auf den Sohn Gottes herab, der Menschensohn geworden war. Lukas erzählt, dieser Geist sei nach der Himmelfahrt an Pfingsten auf die Apostel herabgekommen mit der Macht, allen Menschen den Eingang zum neuen Leben und in den Neuen Bund zu öffnen. Da sangen sie auch in allen Sprachen mit einem Mund ein neues Lied. Wie ja aus dem trockenen Weizen kein Teig und kein Brot werden kann ohne Feuchtigkeit, so könnten auch wir viele nicht eins werden in Christus Jesus ohne das Wasser, das vom Himmel kommt. Und wie die trockene Erde ohne Feuchtigkeit keine Frucht bringt, so ist es auch mit uns: Niemals könnten wir ohne den frei von oben gespendeten Regen das Leben als Frucht erhalten. Unsere Leiber haben durch das Bad der Taufe die Einheit empfangen, die zur Unvergänglichkeit führt; unsere Seelen erhielten sie durch den Geist. Der Geist Gottes kam auf den Herrn, "der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht". Ihn gab Christus auch der Kirche. Darum brauchen wir den Tau des Herrn, damit wir nicht vom Feuer verzehrt und unfruchtbar werden, damit wir da, wo der Ankläger auftritt, einen Beistand haben. 
(Irenäus von Lyon, Die Sendung des Heiligen Geistes)

Ohrwurm der Woche 

Anton Svoboda feat. Joy Fackler: "Sei willkommen hier" 


Wie schon in der Osteroktav gilt auch in der Pfingstoktav (auch wenn es die laut der 1969 in Kraft getretenen Grundordnung des Kirchenjahres eigentlich nicht mehr gibt – aber wir haben Pfingsten ja heuer nach dem Messbuch von 1962 gefeiert): Manchmal muss es in dieser Rubrik einfach Lobpreis sein. 


Blogvorschau 

Die jüngste Artikelthemen-Umfrage hat, wenn man die Ergebnisse von Facebook und Twitter zusammenrechnet, ein recht eindeutiges Ergebnis erzielt: Knapp 47% aller angegebenen Stimmen entfielen auf den Themenvorschlag "Hol dir deine Kirche zurück!", folglich habe ich die Arbeit an diesem Artikel auch sogleich aufgenommen. Auf Platz 2 landet mit glatten 25% (und somit deutlichem Abstand in beide Richtungen) "Der Traum von der erneuerten Gemeinde"; die restlichen Prozente verteilen sich fast gleichmäßig auf die beiden anderen Themenvorschläge, "Bloggen als unehrenhafte Form des Journalismus" landet mit nur einer Stimme Vorsprung vor "Shopping-Queens und Horsefluencerinnen" auf Platz 3. 

Daneben und zwischendurch muss ich aber natürlich auch noch die laufenden Artikelserien weiterführen, und hier hat – Fans der eingekerkerten Nonne müssen jetzt ganz tapfer sein – "God Gave Rock'n'Roll to You" derzeit die oberste Priorität. Mal sehen, was mir dazu so einfällt. Ebenfalls demnächst in Angriff nehmen will ich ein Dossier zum Thema "Warum eigentlich 'Punkpastoral'?". Und dann sehen wir mal weiter! 


2 Kommentare:

  1. Schweinerei die Arme Nonne zurückzustellen!!!

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  2. Diasporakatholik3. Juni 2023 um 17:40

    Künstliche Intelligenz (KI) wie z.B. ChatGPT einfach nur "gut" zu finden, ist sehr naiv.
    Zahlreiche KI-Entwickler sind inzwischen aus dem Projekt ausgestiegen und sehen große Gefahren darin. Niemand Geringerer als Elon Musk gar das Ende der Menschheit durch KI.

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