Herzlich willkommen zum letzten Wochenbriefing der diesjährigen Osterzeit: Pfingsten steht vor der Tür, und dann treten wir ein in die Zeit im Jahreskreis – die ordinary time, wie sie in der englischsprachigen Welt heißt. Ich erlaube mir daher, diesmal noch einmal ein Symbolbild mit österlicher Thematik zu verwenden:
Gesehen im Schaukasten der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Falkensee. |
Am Freitag nach Christi Himmelfahrt hatte meine Liebste Brückentag, d.h. sie musste nicht zur Arbeit; und eigentlich war ihr Plan, früh aufzustehen, die Kinder einzupacken und mit ihnen in einen ungenannten Freizeitpark im Umland von Berlin zu fahren, derweil ich zu Hause bleiben, die "sturmfreie Bude" genießen und mich meinen diversen Schreibarbeiten widmen wollte. Wer diesem Plan einen Strich durch die Rechnung machte, waren die Kinder. Die wollten nämlich nicht früh aufstehen, besonders unser Jüngster nicht. Da der Aufbruch sich auf diese Weise mehr und mehr hinauszögerte, fasste meine Liebste irgendwann den Entschluss, wir könnten ja auch erst mal alle zusammen in Ruhe frühstücken. Während des Frühstücks dämmerte es mir, dass der Zug für einen gleichermaßen erholsamen wie produktiven "Allein-zu-Hause-Tag" wohl schon so ziemlich abgefahren war, und als meine Liebste sagte, auch wenn es jetzt schon ein paar Stunden später sei als geplant, wolle sie trotzdem noch mit den Kindern in diesen Freizeitpark, fand ich, eigentlich könnte ich ja auch dorthin mitkommen. Ein erstaunlicher Entschluss, wenn man bedenkt, dass die spezifische Art von Reizüberflutung, der solche Orte auszeichnet, pures Gift für mein Nervenkostüm ist; aber ich hatte einfach Lust, den Tag mit meiner Familie zu verbringen.
Machen wir's kurz: Ich hatte reichlich Gelegenheit, diese Entscheidung zu bereuen. Offensichtlich hatten eine ganze Menge Leute Brückentag: Der Freizeitpark war völlig überfüllt, was die Atmosphäre noch erheblich unerträglicher machte als sowieso schon; wir mussten ewig und drei Tage Schlange stehen, um zweimal Raupenbahn und einmal Traktor zu fahren, und dann wurde es auch schon Zeit, den (mehr oder weniger) geordneten Rückzug anzutreten. Immerhin war das Wetter schön, weshalb wir uns entschieden, zu Fuß zum Bahnhof zu zockeln, statt auf den Bus zu warten; und auf diesem Spaziergang machten wir eine Entdeckung, für die sich der ganze Trip dann doch gelohnt hat und die auch der eigentliche Grund ist, weshalb ich das Ganze hier erwähne: Wir kamen an einer Wiese vorbei, auf der ein ausrangierter Eisenbahnwaggon stand – der, wie wir auf den zweiten Blick feststellten, zu einem Café ausgebaut ist. Da kehrten wir ein, bestellten Kaffee für die Erwachsenen, Apfelschorle für die Kinder und Käsebrot für alle.
Dieses Bild haben zwar nicht meine Kinder gemalt, aber finde, es charakterisiert die Location recht gut. |
Feste Preise für Speisen und Getränke gab es übrigens nicht, nur die Bitte um eine Spende in freiwilliger Höhe; und auf den zweiten Blick stellten wir fest, dass dieses Café – das den stimmigen Namen Zwischenhalt – von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Elstal betrieben wird. Mal wieder ein Anlass, mit Manfred Siebald zu singen und zu sagen: Überall hat Gott seine Leute...! Wir unterhielten uns gut mit den Mitarbeitern des Cafés, die Käsebrote waren echt lecker, für die Kinder gab es eine Spielecke und Ausmalbilder. Insgesamt ein tolles und, wie ich finde, sehr #benOppiges Projekt; da gehen wir bestimmt mal wieder hin, wenn wir in der Gegend sind.
Was übrigens die Frage der ökumenischen Zusammenarbeit angeht, bin ich mir nicht ganz sicher, ob Elstal territorial zu "unserer" Großpfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland oder zur benachbarten Pfarrei St. Bonifatius Nauen-Brieselang gehört. Diese Unsicherheit rührt zu einem wesentlichen Teil daher, dass die katholische Kirche in Elstal (und in der gesamten Gemeinde Wustermark) generell nicht sichtbar präsent ist. Die nächsten katholischen Kirchenstandorte sind einerseits die Kapelle St. Johannes der Täufer in Dallgow-Döberitz (die gehört zu "unserer" Pfarrei) und andererseits St. Marien in Brieselang.
Ebenfalls am Freitag begann die Pfingstnovene, was mich dieses Jahr irgendwie ziemlich überraschend traf. Anno 2019 hatten meine Liebste und ich eine selbst gestaltete Pfingstnovene (mit Lobpreismusik, versteht sich) in Herz Jesu Tegel abgehalten, 2021 dann eine überarbeitete und aktualisierte Fassung dieser Novene online veröffentlicht. Dieses Jahr habe ich es gerade mal mit Hängen und Würgen hingekriegt, eine abermals überarbeitete Fassung derselben Novene tageweise auf der Mittwochsklub-Facebookseite zu posten. Na gut: Vielleicht ist es ja nächstes Jahr an der Zeit, eine komplett neu gestaltete Novene in einer der Kirchen der Großpfarrei Heilige Familie öffentlich vorzubeten...
Am Sonntag waren wir in St. Joseph Siemensstadt in der Messe – diesmal hatten wir keine Schwierigkeiten, pünktlich dorthin zu gelangen –, und in den Vermeldungen wurde darauf hingewiesen, dass am Dienstag eine öffentliche Sitzung des Gemeinderats für die Gemeindeteile St. Joseph und St. Stephanus (Siemensstadt/Haselhorst) stattfinde. Da sagte ich mir: Wenn schon extra darauf hingewiesen wird, dass die Sitzung öffentlich ist, dann gehe ich da auch hin und repräsentiere die Öffentlichkeit.
Im Vergleich dazu, was für Erfahrungen ich bisher (nicht nur in Tegel) mit Gremienarbeit in Pfarrgemeinden gemacht habe, empfand ich die Atmosphäre bei dieser Sitzung als ausgesprochen erfreulich. Es war zwar durchaus zu spüren, dass dieselben Probleme, wie es sie auch in anderen Pfarreien gibt – Mangel an Ehrenamtlichen, ein Übermaß an Bürokratie, Interessenkonflikte und Mentalitätsunterschiede zwischen den Gemeindeteilen der neuen Großpfarrei – auch hier für Frustration und eine gewisse Desillusioniertheit sorgen, aber von Mut- unf Lustlosigkeit war dennoch nichts zu spüren. Der Umgangston war locker, freundlich, teilweise sogar ausgesprochen heiter. – Erst gegen Ende der Sitzung wurde die Stimmung etwas hitzig, nämlich als Kritik an der Präsenz von Maria 1.0-Plakaten in den Schaukästen und an den Schwarzen Brettern der Pfarrei geäußert wurde. Eine Dame aus dem Gemeinderat, übrigens (wie ich am Rande mitbekam) studierte Religionspädagogin, war der Meinung, wenn diese Plakate ausgehängt würden, müsse man fairnesshalber auch Plakate von Maria 2.0 aushängen. Mehrere andere Sitzungsteilnehmer widersprachen dieser Auffassung und betonten, zwischen einer Gruppe, die für die Lehre der katholischen Kirche eintrete, und einer, die gegen diese Lehre agitiere, könne es keine Äquivalenz geben. Ich hatte allerdings nicht den Eindruck, dass dieser Einwand bei der Religionspädagogin ankam; nicht nur, dass er sie nicht überzeugte, ich glaube vielmehr, dass sie ihn nicht einmal verstand. (Ich will an dieser Stelle indes nicht verschweigen, dass dieselbe Dame in früheren Abschnitten der Sitzung – etwa als es um die Frage ging, wie man mehr Gemeindemitglieder zur Mitarbeit motivieren könne – einen ausgesprochen positiven Eindruck auf mich gemacht hat.)
WTF-Moment der Woche
Am Dienstagnachmittag, während ich mit den Kindern unterwegs war, meldete mein Mobilgerät mir den Eingang einer eMail – und zeigte als Absender den Namen des Tegeler Pfarrers an. Im ersten Moment dachte ich natürlich, jemand hätte ihm gesteckt, was ich so über ihn blogge, und er wollte sich nun beschweren. Aber eigentlich ist es gar nicht seine Art, wegen so etwas eine Mail zu schreiben; in der Vergangenheit hat er meistens nicht einmal auf die Mails geantwortet, die ich ihm geschrieben habe. Tatsächlich trug die Nachricht den verdächtig unverdächtigen Betreff "Grüße" – und war von Google mit einer Phishing-Warnung versehen worden, wegen einer verdächtigen Adresse, die dieser Absender sonst nie verwende. Die Nachricht selbst war so unspezifisch, dass sie in der Tat den Eindruck erweckte, automatisch generiert zu sein:
In dieser Rubrik habe ich diesmal nichts "Selbsterlebtes" zu bieten, sondern "nur" Kommentare zu Äußerungen "aus den Medien". Das aber dafür nicht zu knapp. Es handelt sich um folgende drei Themen:
- Bischof Bätzing und die Mehrheit der Gläubigen
Georg Bätzing, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hat in einem umfangreichen Interview zu Fragen der Umsetzung von Beschlüssen des Synodalen Wegs Stellung genommen. Wem hat er dieses Interview gegeben? Seinem eigenen Pressesprecher; erschienen ist es auf der Website des Bistums Limburg. Das finde ich ja schon mal ziemlich albern. Ich meine, natürlich hat Herr Bätzing sowohl in seiner Eigenschaft als Diözesanbischof als auch in seiner Eigenschaft als DBK-Vorsitzender so einiges dazu zu sagen, wie es mit dem Synodalen Weg weitergeht, und es liegt auch nahe, dass er die Website seines Bistums als Podium für seine Aussagen nutzt. Aber dass er seinen Äußerungen auf diesem Podium die Form eines Interviews gibt, das hat schon was von Kasperletheater, #sorrynotsorry. Inhaltlich sind große Teile dieses Interviews vorhersehbar und langweilig, vor allem die Versuche, die Einsprüche und Einwände des Vatikans gegen den Synodalen Weg wegzuerklären: Das kennt man alles schon. Kommentarwürdig erscheint mir hingegen, was Bätzing über die Gefahr eines Schismas sagt: Diese Gefahr sehe er "ganz klar nicht"; vielmehr äußert er sich überzeugt, "dass die weit überwiegende [...] Mehrzahl der Gläubigen mit den Zielen und Entscheidungen einer Kirche, die sich erneuert, übereinstimmt und Brücken zu den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten unserer Zeit wünscht". – Dazu wäre ja nun allerlei anzumerken. Zunächst einmal ist die Angewohnheit bzw. Konvention, "Gläubige" zu sagen, wenn man "Kirchenmitglieder" meint, geradezu ein pet peeve von mir; aber is' halt so. Sodann würde ich Bischofs Bätzings Einschätzung zur Einstellung der Mehrheit insoweit widersprechen, als ich ziemlich sicher bin, dass sich die Mehrheit der Kirchenmitglieder überhaupt nicht für den Synodalen Weg interessieren; und ich schätze, dass das für die Mehrheit derjenigen Kirchenmitglieder, die man sinnvollerweise als "Gläubige" bezeichnen kann, ebenso bzw. erst recht gilt. Und auch wenn diese Indifferenz zweifellos gewisse Gefahren birgt, so gilt für sie dennoch sinngemäß dasselbe, was ein gewisser Joseph Ratzinger 1970 mit Bezug auf die Würzburger Synode sagte: dass es nicht nur "verständlich", sondern "objektiv kirchlich gesehen auch richtig" sei, dass den Menschen "die Geschäftigkeit des kirchlichen Apparats, von sich selbst reden zu machen, allmählich gleichgültig wird". – Was nun diejenigen Kirchenmitglieder angeht, die überhaupt eine Meinung zum Synodalen Weg haben, so mag es schon stimmen, dass die meisten ihn positiv beurteilen; ja, im Grunde wäre es überraschend, wenn es nicht so wäre, schließlich wird ihnen von allen Seiten signalisiert, man müsse den Synodalen Weg gut finden und nur unbelehrbare Ewiggestrige, fanatische Fundamentalisten, homophobe Frauenhasser und Missbrauchsvertuscher seien anderer Meinung. Es ist auch davon auszugehen, dass viele Katholiken, ironischerweise gerade auch die von ihrer charakterlichen Disposition her eher konservativen, schlichtweg darauf vertrauen, das, was die Bischöfe (und obendrein auch noch die Gremienvertreter und Verbandsfunktionäre) sagen, müsse ja wohl richtig sein. Das kann man ihnen auch kaum verübeln: Im Grunde haben sie Recht damit, das von ihren kirchlichen Institutionen zu erwarten, und darum ist es umso schlimmer, dass die kirchlichen Institutionen dieser Erwartung nicht entsprechen.
Für die Frage nach der Gefahr eines Schismas ist es allerdings vollkommen unerheblich, wie groß der Anteil der Kirchenmitglieder in Deutschland ist, die den Kurs des Synodalen Wegs mittragen, und das müsste Bischof Bätzing eigentlich wissen; wobei ich andererseits recht überzeugt bin, dass er seine Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz exakt der Tatsache verdankt, dass er nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte ist. Dass er meint, "dass die, die besonders gern davon sprechen", ein Schisma "offensichtlich herbeisehnen", ist allerdings perfide; dasselbe könnte man, beispielsweise, auch über Leute sagen, die vor dem Klimawandel warnen. Im Grunde ist es eine Art victim blaming. – Um es ganz deutlich zu sagen: Wünschenswert kann ein Schisma aus Sicht gläubiger Katholiken keinesfalls sein; es gibt aber sehr wohl Argumente dafür, dass ein offenes, erklärtes Schisma das kleinere Übel im Vergleich zu dem "Schmutzigen Schisma" wäre, auf das wir derzeit zusteuern, wenn wir nicht sogar schon mittendrin sind.
Der Vorwurf, die Kirche würde zur "Sekte" werden, wenn sie keine "Brücken zu den gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten unserer Zeit" baut, ist natürlich ein alter Hut, und dazu, was für Konnotationen in dem Begriff "Sekte" als Bezeichnung für eine bestimmte Sozialgestalt von Religionsgemeinschaften mitschwingen, habe ich mich schon verschiedentlich geäußert (am kompaktesten wohl hier). Die Unterstellung, der Gegenentwurf zur Kirche des Synodalen Wegs wäre ein Selbstverständnis der Kirche "als eine kleine, feine und abgesonderte Gruppe in unserer Gesellschaft", die "zu den großen gesellschaftlichen Nöten und den Lebenserfahrungen vieler Menschen keine Verbindung mehr sucht", ist jedenfalls ein ziemlich plumper Strohmann – und erinnert frappierend an Urteile über die "Benedikt-Option", die auf einem stark vergröberten und einseitigen Verständnis des Konzepts beruhen. Dass Bätzing insgesamt das verbreitete Narrativ bedient, wem an einer Erneuerung der Kirche gelegen sei, der müsse den Synodalen Weg unterstützen, und wer das nicht tue, der wolle, dass in der Kirche alles beim Alten bleibt, ist aus seiner Position heraus nicht verwunderlich; umso mehr gilt es zu betonen, wie extrem falsch dieses Narrativ ist. Es ist sogar so falsch, dass selbst die Behauptung des genauen Gegenteils tendenziell richtiger wäre.
- "Regretting Motherhood" bei der kfd
Am vergangenen Dienstag überraschte das Portal häretisch.de in der Rubrik "Standpunkt" mit einem Beitrag zum Marienmonat Mai, der die polemische Überschrift "Hört auf, Maria als Mutter zu preisen!" trägt. Dazu ist zunächst festzustellen, dass diese Überschrift die Aussage des von Friederike Frücht, Leiterin der Abteilung Kommunikation der "Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland" (kfd) und Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift Junia, verfassten Kommentars in ziemlich überspitzter Form wiedergibt. Tatsächlich schreibt Frau Frücht, Maria werde in der Tradition der Kirche "fast ausschließlich auf ihre Rolle als Gebärerin und Mutter reduziert", und meint, "vor allem Männer" hätten "im Laufe der Kirchengeschichte die Rolle Mariens immer wieder dazu genutzt, sie als passive, dienende und schweigsame Frau schlechthin zu stilisieren", um so "Frauen klein zu halten". Gleichzeitig betont sie zu Recht Marias "wichtige Rolle in der Heilsgeschichte: Ohne sie wäre Jesus Christus, also Gott, nie in die Welt gekommen". Ja eben!, möchte man da ausrufen: Genau deswegen ist ihre wichtige Rolle in der Heilsgeschichte eben die Mutterrolle! Wo liegt eigentlich das Problem? – In einer Facebook-Diskussion auf der Wall des Publizisten Bernhard Meuser wiesen mehrere Kommentatoren darauf hin, dass die kfd-Zeitschrift Junia – benannt nach einer Lieblingsfigur der feministischen Theologie, die allerdings das Manko hat, dass außer ihres Namens und der Tatsache, dass Paulus sie im Römerbrief "angesehen unter den Aposteln" nennt, buchstäblich nichts über sie bekannt ist – noch vor wenigen Jahren frau und mutter hieß und das mit diesem Namen verknüpfte Image offenbar mit Gewalt loswerden wolle. – Das Ironische an der ganzen Geschichte ist natürlich, dass die Auffassung, die Betonung der Mutterschaft impliziere eine Geringschätzung der Frau, ihrerseits eine krasse Geringschätzung der Mutterschaft verrät. Ein Paradebeispiel dafür, dass der Feminismus in seinem ideologischen Gepäck so allerlei Vorstellungen mitschleppt, die im Kern ausgesprochen frauenfeindlich sind.
- Das achte Sakrament des Deutschkatholizismus
Bereits einen Tag früher, also am Montag, erschien in derselben Rubrik ein Kommentar von Christof Haverkamp – seines Zeichens "Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der katholischen Kirche in Bremen und Senderbeauftragter der katholischen Kirche bei Radio Bremen" – unter dem Titel "Trotz Kritik: Die katholische Kirche in Deutschland hat eine Stärke"; oder, wie Tucholsky sagen würde: "Wat brauchst du Jrundsätze, wenn du'n Apparat hast!". Im Ernst: Haverkamps Argumente dafür, warum es um die Kirche in Deutschland so schlecht doch gar nicht stehe, sind derart erbärmlich, dass ich nicht weiß, ob ich lachen oder weinen soll. "Gegner des Synodalen Weges in Rom und hierzulande reden die katholische Kirche in Deutschland gerne klein", meint er. "Doch wer so abfällig urteilt, übersieht die Stärken: zum Beispiel eine Theologie auf hohem Niveau – oder die Leistungen der Hilfswerke." Auf das angeblich hohe Niveau der deutschen Theologie geht er dann im Folgenden glücklicherweise nicht weiter ein; aber die Hilfswerke! "Die Leistungsfähigkeit von Organisationen im Bereich der Zivilisation in den Tätigkeiten der sozialen, praktischen Ordnung hat die Illusion erzeugt, daß diese mechanisierte, unpersönliche Art Probleme zu lösen gerade das ist, was das religiöse Leben braucht", schrieb schon Dietrich von Hildebrand in "Das Trojanische Pferd in der Stadt Gottes". "Die Überschätzung der Organisation als solcher fand ihren reinsten Ausdruck in den Worten eines berühmten deutschen Erzbischofs, der in ihrem Lob so weit ging, daß er sagte: 'Die katholischen Vereine sind das achte Sakrament der Kirche'". Insoweit also nichts Neues unter der Sonne. Erinnert sei hier auch an den anno 2018 an selber Stelle veröffentlichten Kommentar "Die deutsche Kirche ist immer der Buhmann" von Abtpräses Jeremias Schröder OSB, dessen Entgegnung auf weltkirchliche Kritik an der Glaubensschwäche der kirchlichen Institutionen in Deutschland – wie ich seinerzeit schrieb – im Kern auf "Das, was man uns vorwirft, stimmt, aber wir finden das gut so" und "Ihr seid doch nur neidisch, dass wir mehr Kohle haben als ihr! P.S.: Deinemudda!!" hinauslief; erinnern wir uns auch, wie der Freiburger Theologiedozent Daniel Bogner in einem Gastkommentar auf kath.ch die "Entweltlichungs"-Thesen Benedikts XVI. mit dem Argument verwarf, es gebe "auch so etwas wie ein institutionelles, amtliches Zeugnis der Kirche", das darin bestehe, "dass in ihrem Namen gute Bildungsarbeit, bestmögliche medizinische Versorgung, sensible Beratungsarbeit oder nachhaltige Entwicklungshilfe angeboten werden", und dafür brauche es eben "Manpower, große Stäbe und Management. Die christliche Gesinnung zeigt sich dann eben darin, dass Kirche keine eigene Welt aufbaut, sondern schlicht und einfach nach den Kriterien der jeweiligen Aufgabe professionell ist." Und last not least reite ich immer wieder gern darauf herum, dass sich anlässlich des Erscheinens von Erik Flügges Pamphlet "Eine Kirche für viele statt heiligem Rest" allen Ernstes jemand fand – nämlich Norbert Bauer, Leiter der Karl-Rahner-Akademie in Köln –, der Flügges Ansatz deshalb kritisierte, weil er zu religiös sei; genauer gesagt, weil er auf eine Kirche abziele, die sich "nur noch [!] als Glaubensgemeinschaft definiert und den [...] Anspruch als Dienstleister für die Gesellschaft und für ihre Mitglieder aufgibt". "Das größte Ansehen" habe die Kirche schließlich "vor allem da, wo sie als professionelle Dienstleister wirkt, bei Caritas und Bildung". – Auf mich macht es ja den Eindruck einer gewissen Verzweiflung, dass einem solche kläglichen Argumente immer und immer wieder aufgetischt werden. Sicher, wenn man die institutionelle Kirche in Deutschland unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, dann mag es plausibel scheinen, ihr zu raten, sie solle sich auf ihre Stärken konzentrieren, und der ganze Glaubenskram gehöre ja nun wohl offensichtlich nicht zu diesen Stärken. Aber eben diese betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise verrät bereits eine im Ansatz verfehlte Auffassung davon, was die Kirche ist und wozu sie da ist. Ich halte es da lieber mit Darth Vader:
Was ich gerade lese
Reden wir nicht lange drumherum: Ich habe noch keine Zeit und Muße gefunden, mich mit Klaus Hemmerles Keynote Speech (wie man heute sagen würde) bei der Eröffnung des Katholikentags 1968 zu befassen. Hoffentlich nächste Woche! Kommen wir also direkt zur aktuellen
- Bettlektüre: Ayşe Bosse, Pembo – Halb und halb macht doppelt glücklich. Hamburg: Carlsen, 2020.
Abermals ein Zufallsfund aus der Stadtteilbibliothek; und auch wenn ich nicht mit Sicherheit weiß, welches Familienmitglied das Buch zuerst im Regal entdeckt hat, war es definitiv meine Entscheidung, es mitzunehmen – als Gegengewicht zu den ganzen Büchern über magische Einhörner, die das Tochterkind so gern anschleppt. Und nun bin ich nicht mehr so sicher, ob das so eine gute Idee war.
Aber mal der Reihe nach. Titelfigur Pembo ist ein Mädchen, das als Tochter eines türkischen Friseurs und einer deutschen Tätowiererin an der türkischen Riviera aufwächst – bis ihr Vater die lang ersehnte Chance bekommt, sich selbständig zu machen, indem er den Salon eines verstorbenen Onkels übernimmt. Der Haken an der Sache: Dieses Geschäft liegt in Deutschland. Und Pembo ist, gelinde gesagt, nicht sehr glücklich darüber, in ein fremdes Land umziehen zu müssen (auch wenn es das Heimatland ihrer Mutter ist.)
Von der Erzählweise her hat das Buch durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit der "Lola"-Reihe, allerdings macht dieser Vergleich nur den qualitativen Abstand deutlich. Das erste Problem des Buches ist, dass die Handlung nicht in Gang kommt. Dass Pembos Familie nach Deutschland übersiedeln wird und Pembo deswegen wütend und frustriert ist, erfährt der Leser schon auf den ersten Seiten; sieben Kapitel und rund 60 Seiten später ist die Familie immer noch nicht abgereist und es ist auch sonst noch nichts Bedeutsames passiert, außer dass die Protagonistin und Ich-Erzählerin sich in ihrer schlechten Laune suhlt. Was direkt zum nächsten Problem führt: Das dauernde Geschimpfe und Genörgel macht die Protagonistin nicht unbedingt sympathisch. Sicher, Lola hat auch mal schlechte Laune, gar nicht mal so selten sogar; aber bei ihr hat der Leser nicht das Gefühl, dass das sozusagen ihre Grundeinstellung ist. Wenn Lola mal aggressiv und selbstgerecht ist, kommt sie recht bald zur Besinnung und entschuldigt sich. Bei Pembo hat man den Eindruck, sie findet es toll, aggressiv und selbstgerecht zu sein.
Nicht ganz von dieser Beobachtung zu trennen ist die Frage nach dem Wokeness-Faktor. Hier habe ich noch kein anschließendes Urteil gefällt, da ich noch ziemlich mittendrin im Buch bin. Festzuhalten ist jedenfalls, dass Pembo ein ziemlich burschikoses Mädchen ist: Eigentlich lautet ihr Name Pembegül, was wörtlich übersetzt "rosa- bzw. pinkfarbene Rose" bedeutet, aber sie hasst ihren Namen, die Farbe Rosa und überhaupt alles, was als mädchenhaft und niedlich gilt. Was daran positiv zu vermerken ist: Es wird dennoch nicht in Frage gestellt, dass Pembo ein Mädchen ist, und es ist auch nicht die Rede davon, dass sie lieber ein Junge wäre. – Zum Thema Geschlechterrollen ist es auch bezeichnend, dass Pembos Vater ein ziemliches Weichei ist, während es von ihrer Mutter heißt, dass sie ihn "gut im Griff" hat (S. 97). Nach ihrem Umzug nach Hamburg lernt die Familie einen "liebe[n] Freund" (S. 101) des verstorbenen Großonkels Hasan kennen, und die Art und Weise, wie er um diesen trauert, lässt den Verdacht aufkommen, dass die beiden alten Männer womöglich ein Liebespaar waren; da passt es auch ins Bild, dass sich der Laden, den Großonkel Hasan Pembos Vater vererbt hat, als Hundesalon entpuppt, mit einem pinkfarbenen Königspudel als Firmenlogo.
Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, stammt von Gott und jeder, der den Vater liebt, liebt auch den, der von ihm stammt. Wir erkennen, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote erfüllen. Denn die Liebe zu Gott besteht darin, dass wir seine Gebote halten. Seine Gebote sind nicht schwer. Denn alles, was von Gott stammt, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube. Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist? Dieser ist es, der durch Wasser und Blut gekommen ist: Jesus Christus. Er ist nicht nur im Wasser gekommen, sondern im Wasser und im Blut. Und der Geist ist es, der Zeugnis ablegt; denn der Geist ist die Wahrheit. Drei sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist, das Wasser und das Blut; und diese drei sind eins.
(1 Joh 5,1-8)
Ohrwurm der Woche
Brother D & Collective Effort: How We Gonna Make the Black Nation Rise
In der zurückliegenden Woche war ich einigermaßen erfolgreich darin, meine "Blogschulden" abzuarbeiten, und habe sowohl den recht arbeitsintensiven Artikel "Der Geist und die Synodalen" als auch den 17. Teil der "eingekerkerten Nonne", der von den Fans der Serie bereits voller Ungeduld erwartet wurde, fertig gekriegt; nun steht noch der Artikel zum Thema "Kochen für die Familie" aus, und danach will ich mich dem "Dossier Erstkommunion" zuwenden. Und wie geht's dann weiter?
Zum einen habe ich meine Leser am vergangenen Wochenende auf Facebook und Twitter über die Weiterführung der Artikelserien "God Gave Rock'n'Roll to You" und "Die 100-Bücher-Challenge" abstimmen lassen, und das Ergebnis lautet, dass ich beide Reihen wieder aufgreifen soll, die "Rock'n'Roll"-Reihe jedoch zuerst. Da werde ich mir also etwas einfallen lassen müssen; ein Aufhänger könnte der jüngste Shitstorm gegen den Wiesbadener Schlachthof wegen des Auftritts der Gruppe Skillet sein, aber darüber will ich auch für die Tagespost noch was schreiben – da gilt es Dopplungen zu vermeiden.
- Hol dir deine Kirche zurück!
- Bloggen als unehrenhafte Form des Journalismus
- Der Traum von der erneuerten Gemeinde
Auch von diesem Themenentwurf war vor zwei Wochen schon die Rede: Er ist gewissermaßen ein Nebenprodukt meiner Recherchen für den Artikel "Auf der Werft der Erneuerung?". Von dem 1966 erschienenen Buch "Heiße (W)Eisen" des damaligen Frankfurter Stadtjugendpfarrers Lothar Zenetti bis hin zu den Jahrgängen 1970-73 des legendären "Komm-mit-Kalenders" habe ich allerlei recht bemerkenswerte Impulse zur Gemeindeerneuerung in der Nachkonzilszeit entdeckt, die ich in mehrfacher Hinsicht diskussionswürdig finde: sowohl in Hinblick darauf, was davon auch für die Gegenwart und Zukunft richtungsweisend sein könnte, als auch in Hinblick darauf, warum damals so wenig "daraus geworden" ist.
- Shopping-Queens und Horsefluencerinnen
Die Abstimmung über die Reihenfolge dieser Themen gedenke ich Samstag früh zu starten, aber Ihr dürft gern auch jetzt schon im Kommentarfeld Euer Votum abgeben!
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