Spät kommt er, doch er kommt: der Bericht über meinen nun schon fast zehn Monate zurückliegenden Trip in die "Hauptstadt Europas", wie Matt Dreher, der erwachsene Sohn meines Freundes Rod, sie nennt: Wien! Dass die Erinnerung an diese Reise nicht für immer spurlos in meiner allzu langen "Blogpause" untergegangen ist, ist einerseits der Tatsache zu verdanken, dass 13,6% der Teilnehmer meiner kombinierten Facebook- und Twitter-Umfrage vom letzten März-Wochenende sich für dieses Thema entschieden haben; andererseits und vor allem ist es aber meinem alten Freund und Ex-Arbeitskollegen Patrick (Name geändert) zu verdanken – nicht nur, weil er mir beharrlich in den Ohren gelegen hat, wann denn nun endlich mein Bericht käme, sondern in erster Linie, weil er überhaupt erst für den Anlass zu dieser Reise gesorgt hat.
Als ich Patrick kennenlernte, war mein Eindruck von ihm, er sei mit Leib und Seele Berliner, und das hätte er damals wahrscheinlich auch selbst von sich gesagt. Trotzdem lebt er nun schon seit einiger Zeit in Wien, mit Frau, Kind, Hund und Katze; und damit nicht genug, hat er dort den einzig wahren, unvergleichlichen Don Alipius, bekannt als Zentralgestirn der katholischen Bloggerzunft deutscher Zunge, kennengelernt und sich mit ihm angefreundet. Und diese Konstellation versetzte ihn in die Lage, erneut in die Rolle meines Managers zu schlüpfen, als in Wien ein kulturelles Großereignis seine Schatten vorauswarf:
Ich stellte also, in enger Absprache mit Patrick, ein Programm aus Auszügen aus den Bekenntnissen des Augustinus, aus Predigten von Bernhard von Clairvaux und – auf Patricks besonderen Wunsch – Meister Eckhard zusammen, fügte als Bonusmaterial noch ein paar persönliche Lieblingstexte hinzu – darunter einen Auszug aus der Selbstbiographie der Thérèse von Lisieux sowie als Schlussnummer "Die vollkommene Freude" aus den "Kleinen Blumen des Hl. Franziskus" – und machte mich am 10. Juni 2022 früh morgens auf den Weg nach Wien.
Eigentlich hatte Patrick mich vom Flughafen abholen wollen, war dann aber doch verhindert, weil ein wichtiger Termin, den er an diesem Vormittag hatte, länger dauerte als erwartet. Glücklicherweise bin ich aber ja schon ein großer Junge; ich meldete erst einmal Rod meine Ankunft, verabredete mit ihm vorläufig und unverbindlich ein Treffen zum Mittagessen, erwarb ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr und fuhr mit der Bahn ins Stadtzentrum, wo mich Patrick aufgabelte, sobald er mit seinem Termin fertig war. Wir fuhren erst mal zu ihm nach Hause, wo ich seine kleine Familie kennenlernte. Um die Mittagszeit meldete ich mich abermals bei Rod, der mir mitteilte, er sei gerade mit seinem Sohn Matt in einem Kaffeehaus in der Nähe des Naschmarkts; also brachte Patrick mich dorthin.
Natürlich freute ich mich sehr über das Wiedersehen mit Rod, und mit Matt auch: Ihn hatte ich bis dahin erst einmal getroffen, an Fronleichnam 2017 in München; da war er noch nicht ganz 18 gewesen, und wie man sich vorstellen kann, hatte er sich in den fünf Jahren seither gewaltig verändert. Nach einem netten Gesprächen bei einer Tasse Kaffee ging Matt aber erst mal seiner eigenen Wege, und Rod und ich schlenderten über den Naschmarkt, um unter den zahlreichen hübschen kleinen Restaurants, die es da gibt, eins auszuwählen, in dem wir zusammen Mittag essen wollten. Schließlich landeten wir im Gasthaus zur Eisernen Zeit.
Schon allein wegen des Essens ist Wien eine Reise wert. |
Beim Essen (plus Bier) unterhielten wir uns über die kirchliche Situation in Deutschland (Stichwort: Schismatischer Weg), über das gesellschaftspolitische Klima in Amerika und Europa, aber auch über unsere Familien und Rods berufliche Pläne. Im Anschluss an unser Mittagessen hatte Rod eine Verabredung mit dem britischen Journalisten Ed West und seiner Frau im Palmenhaus des Schlossparks von Schönbrunn und nahm mich kurzerhand dorthin mit.
Unterwegs trafen wir diesen Herrn: Abraham a Sancta Clara, bürgerlich Johann Megerle (1644-1709). |
Im Palmenhaus gab's schon wieder Kaffee, und auch das Gespräch mit dem Ehepaar West war interessant, anregend und verlief in freundlicher Atmosphäre. Aber dann musste ich langsam mal los zur Pfarre Floridsdorf, um mich auf meinen Auftritt am Abend vorzubereiten. Unterwegs stieß Patrick wieder zu mir.
"Ein musikalischer Abend mit liebevoll selbst vertonten Psalmen, kurzen Impulsen von Vertreter*innen der teilnehmenden Kirchen und der Möglichkeit zu Gespräch und gemütlichem Beisammensein."
Eine schwer ökumenische Angelegenheit also; die Mitwirkenden trugen schwarze Poloshirts, die auf der Brust mit ihrer jeweiligen Kirchen- bzw. Konfessionszugehörigkeit beschriftet waren und auf der Rückseite den Schriftzug "Christ*in" trugen. An sich ja eine ganz witzige Idee, aber dieser Genderstern... grummel grummel. Noch ärgerlicher war es indes zweifellos, dass Mr. Pluderhose sich so vorrangig um diese Gruppe kümmerte, dass wir für unseren Programmpunkt "Orgelkonzert und geistliche Lesung mit Texten großer Kirchenväter" nicht einmal einen richtigen Soundcheck machen konnten. Die Einstellungen der Lichtanlage klamüserte Patrick kurzerhand selbst aus; ansonsten stand uns die Küsterin (bzw. Mesnerin, wie man in Österreich wohl sagt) als Ansprechpartnerin zur Verfügung, und irgendwann tauchte dann auch Don Alipius in der Sakristei auf. War natürlich eine große Freude, ihn endlich mal "in echt" zu treffen, nachdem wir mehr als ein Jahrzehnt lang ausschließlich über Internet miteinander kommuniziert hatten. – Dass ich mich zu dem Orgelkonzert-Aspekt unseres Programmbeitrags noch gar nicht geäußert habe, liegt sehr wesentlich daran, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt selbst noch keine genauere Vorstellung davon hatte als die, dass es vor, nach und zwischen den Texten, die ich vortrug, irgendwie Orgelmusik geben sollte. Den Organisten, Klāvs Liepiņš, lernte ich erst jetzt kennen, und uns blieb nur wenig Zeit, unsere geplanten Programmbeiträge miteinander abzusprechen, aber das erwies sich als unproblematisch: Ich positionierte mich für meine Lesung so, dass ich Blickkontakt zur Orgelempore hatte, und Klāvs und ich lasen einander unsere jeweiligen Einsätze sozusagen von den Augen ab – das klappte tadellos. Klāvs spielte Werke der lettischen Komponisten Marģeris Zariņš (1910-1993) und Pēteris Vasks (* 1947) und dazwischen Improvisationen; ziemlich moderne Klänge also, was gut zum Ambiente der Kirche passte und einen interessanten Kontrapunkt zu den gelesenen Texten bildete.
Die Veranstaltung war passabel besucht, wenn auch zugegebenermaßen nicht so gut wie das vorangegangenene ökumenische Psalmensingen (das mir übrigens, soweit ich es mitbekam, durchaus gut gefiel); und ich bekam durchweg sehr positives Feedback für meinen Vortrag und die Textauswahl. Im Publikum waren u.a. die Jugendbuchautorin Veronika Grohsebner und ihr Mann, die mich anschließend noch in die Cocktailbar Jonas einluden (wo ich allerdings keine Cocktails trank, sondern Bier). Ein schöner Abschluss für einen ereignisreichen und rundum gelungenen Tag.
Am folgenden Tag blieb mir, da ich erst am späten Nachmittag nach Berlin zurückflog, noch viel Zeit für Sightseeing, zuerst mit Patrick und seiner Familie, dann allein. Wie es sich ergab, war an diesem Tag übrigens Gay-Pride-Parade in Wien; ich kann zwar nicht behaupten, dass ich übermäßig erpicht gewesen wäre, mir die anzusehen, aber so richtig entgehen konnte man ihr auch nicht, zumal sie von den öffentlichen Verkehrsbetrieben promotet wurde. Kein Witz.
Auch sonst gab es allerlei Anschauungsmaterial zum Thema "Virtue Signalling im öffentlichen Raum":
Müsste ein Solarkraftwerk nicht eigentlich außen sein? |
Was das Burger-Plakat angeht, muss ich sagen: Es hätte fast funktioniert, wenn ich nicht auf den zweiten Blick festgestellt hätte, dass es sich um Werbung für ein veganes Restaurant handelte. Aber jedenfalls hatte ich daraufhin Hunger und lief eine ganze Weile herum auf der Suche nach einem ansprechenden Speiselokal. Schließlich landete ich in einem traditionellen Wiener Kaffeehaus, dem Café Raimund, und gönnte mir Altwiener Backfleisch mit Erdäpfelsalat.
Abschließend seien noch ein paar Locations in Wien erwähnt, die ich nur im Vorbeigehen gesehen habe, die ich aber bei meinem nächsten Wien-Besuch gern näher in Augenschein nehmen würde:
die Bierothek...
das Biero...
und last not least das OM Sweet OM!
Aber Moment mal: Nächster Wien-Besuch? Na ja: So richtig spruchreif ist da momentan noch nichts, aber Patrick strickt schon wieder eifrig an Ideen für ein neues gemeinsames Projekt, die Mesnerin der Floridsdorfer Pfarrkirche war ebenfalls der Meinung, wir sollten sowas in der Art mal wieder machen, und ich bin mal optimistisch, dass auch Alipius sich wieder mit ins Boot holen ließe. Ganz allgemein muss ich sagen: Reisen, Lesungen bzw. Vorträge halten, interessante Leute treffen und von diesen zu Speis und Trank eingeladen werden, das ist ein Leben, an das ich mich gewöhnen könnte. Und Wien ist toll. Nächstes Mal nehme ich meine Familie mit.
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