Samstag, 30. Juni 2018

Ein Streit der Königinnen in Friedrich-August-Hütte

Am Tag meiner Abreise aus Nordenham kam ich am Schaukasten der Nordwest-Zeitung vorbei, und dabei fiel mein Blick auf eine dramatische Überschrift im Lokalteil: "Ex-Vorsitzende sieht schwarz für FAH". Wieder einmal eine dieser für den Lokaljournalismus nicht ganz untypischen Überschriften, die dem Uneingeweihten auf den ersten Blick nicht so richtig verraten, worum es überhaupt geht. Nun ja, das Kürzel "FAH" steht in Nordenham für "Friedrich-August-Hütte", eine nach dem letzten regierenden Großherzog von Oldenburg benannte, Anfang des 20. Jhs. entstandene Industriesiedlung im Stadtnorden. Die düstere Einschätzung in der Überschrift bezieht sich jedoch nicht auf den Ortsteil als ganzen, sondern - wie ein Foto der 1966 erbauten evangelisch-lutherischen Pauluskirche andeutet - auf die örtliche Kirchengemeinde. Die genauer gesagt nur einer von zwei Pfarrbezirken der Evangelisch-lutherischen Gemeinde Blexen ist. Und da gibt es, wie der von Horst Lohe verfasste Artikel verrät, "[o]ffenbar [...] seit einigen Jahren einen Konflikt. Jetzt ist er eskaliert." 

Ausgelöst hat diese Eskalation die in der Überschrift genannten "Ex-Vorsitzende", nämlich Jutta Molitor, die "18 Jahre lang [...] dem Kirchenrat" der Gemeinde Blexen angehört hat. "Von 2012 bis 2015 war sie sogar Vorsitzende. Während der fast einjährigen Vakanz der beiden Pfarrstellen in FAH und in Blexen im Jahr 2012 hat Jutta Molitor weitgehend selbstständig die laufenden Geschäfte geleitet." Dann jedoch, am 1. Oktober 2012, wurde "Anke Claßen Pfarrerin in FAH und ihr Ehemann Dietmar Reumann-Claßen Pfarrer in Blexen". Und damit fingen die Konflikte offenbar an. "Bei der Neuwahl am 11. März dieses Jahres hat Jutta Molitor nicht mehr für den Kirchenrat kandidiert" -- und zwar, weil sie laut eigener Aussage die Arbeit der mittlerweile nicht mehr ganz so neuen Pfarrerin "nicht mehr ertragen" konnte. Damit nicht genug: "Ihr Ehemann Stephan Molitor (53) ist aus Protest im Frühjahr aus der Kirche ausgetreten." Die Eheleute erklären, sie "sehen schwarz für die Zukunft des Pfarrbezirks FAH. Pfarrerin Anke Claßen macht die Gemeinde kaputt". 

An dieser Stelle unterbreche ich mal. Ich kenne keine der beteiligten Personen und habe von den Zuständen in der evangelischen Kirchengemeinde Blexen-FAH nicht die geringste Ahnung. Vielleicht kann der eine oder die andere Leser/-in etwas Licht ins Dunkel bringen (ich werde ja erfahrungsgemäß auch und nicht zuletzt im Raum Nordenham fleißig gelesen). Jedenfalls habe ich bis auf Weiteres überhaupt keine Veranlassung, in diesem Konflikt irgendwie Partei zu ergreifen. Mir fallen lediglich ein paar Dinge auf, und zu denen möchte ich die eine oder andere Anmerkung vom Stapel lassen. 

(aus der Gartenlaube, Jg. 1891, nach einem Gemälde von F. Kirchbach. Gemeinfrei.) 
"Einige der Vorwürfe" des Ehepaars Molitor gegen die Pfarrerin - es gibt demnach also offenbar noch mehr - fasst Horst Lohe in der NWZ zu sechs bis sieben Punkten zusammen, aber diese Zusammenstellung sieht nach einem ziemlichen Durcheinander aus. Ich versuche da mal ein bisschen Ordnung reinzubringen. Die wohl gewichtigsten Vorwürfe - die "Gottesdienste seien schlecht vorbereitet", und unter Pfarrerin Claßens Amtsvorgänger Lars Löwensen "habe es im Unterschied zu heute ein 'fantastisches Gemeindeleben' gegeben" - wirken auf mich recht vage; darüber, wie ein gut vorbereiteter Gottesdienst auszusehen hätte und was ein gutes Gemeindeleben ausmacht, dürfte es durchaus unterschiedliche Ansichten geben, daher kann zumindest ich mir nicht recht vorstellen, was die Molitors hier konkret meinen. Wie schon gesagt: Vielleicht können Leser hier zur Aufklärung beitragen. -- Andere Kritikpunkte wirken eher kleinlich und gesucht. So will es mir zum Beispiel nicht recht einleuchten, wieso es der Pfarrerin übel genommen wird, dass sie im Rahmen eines "Austauschprogramm[s] mit Afrika [...] im Frühjahr 2014 für vier Wochen" nach Ghana gereist ist -- und dies, so liest es sich jedenfalls in der NWZ, "[o]bwohl sie [..] aus einem anderem Bundesland (aus Duisburg in Nordrhein-Westfalen) nach Nordenham gewechselt sei". Was hat da das eine mit dem anderen zu tun? Soll das heißen, vom Niederrhein an die Unterweser sei schon Weltreise genug, da müsse man nicht auch noch nach Ghana? Oder was?

Erscheinen die Vorwürfe gegen Pfarrerin Claßen also alles in allem wenig überzeugend, dann liegt es umso näher, die eigentlichen Ursachen des Konflikts woanders zu suchen. Zum Beispiel eben darin, dass Jutta Molitor die Belange der Kirchengemeinde während der Vakanz der beiden Pfarrstellen fast ein Jahr lang "weitgehend selbstständig" verwaltet hat. Da kann es schwer fallen, Leitungsfunktionen wieder abzugeben -- besonders wenn man mit der neuen Chefin einfach "nicht kann". "Die Pfarrerin habe sie zu wenig zu Rate gezogen und sie nicht einbezogen in wichtige dienstliche Angelegenheiten", beklagt sich Jutta Molitor. "Anke Claßens Vorgänger hätten sich anders verhalten."

Letztlich also alles nur ein Fall von verletzter Eitelkeit? Man könnte den Eindruck haben. Zu Stephan Molitor übrigens nur so viel: Immer wenn ich höre oder lese - und so selten kommt das gar nicht vor -, dass jemand aus Unzufriedenheit mit dem Pfarrer bzw. der Pfarrerin, anderen Gemeindemitgliedern, der Organistin, dem Blumenschmuck in der Kirche oder der Tatsache, dass er nicht mehr (wie früher) auf dem Kirchenvorplatz parken darf, aus der Kirche austritt, verfalle ich in zwanghaftes Kopfschütteln. Präziser gesagt, ich frage mich, was das eigentlich rückblickend über die bisherige Motivation, Kirchenmitglied zu sein, aussagt. Als Katholik räume ich freilich ein, dass ein solches Verhalten vor dem Hintergrund eines protestantischen Kirchenverständnisses um einige Grade weniger schräg ist, als es bei einem katholischen Kirchenverständnis wäre. Und ehe sich jetzt jemand aufregt, weil er diese Einschätzung falsch versteht, versuche ich sie mal möglichst knapp zu erläutern: Nach protestantischem Verständnis ist eine Vereinigung bzw. Körperschaft, die sich Kirche nennt, lediglich eine Gemeinschaft von Gläubigen; für den Katholiken ist seine Kirche DIE Gemeinschaft DER Gläubigen. Das ist ein bedeutender Unterschied. Für den Katholiken ist die Zugehörigkeit zur Kirche Teil seines Glaubensbekenntnisses; der Protestant bekennt sich im Credo zwar auch zur "heiligen christlichen Kirche", versteht darunter aber eher eine ideelle Größe und nicht notwendigerweise die Landeskirche oder den Gemeindeverband, in der bzw. dem er formell Mitglied ist. So, Ende des Exkurses. 

Andererseits, und da ich ja wie gesagt eigentlich nicht die Absicht habe, Partei zu ergreifen, muss ich auch sagen: Dass die zwei Pfarrstellen einer Gemeinde an ein Ehepaar vergeben werden, erscheint mir, gelinde gesagt, ungewöhnlich -- und geradezu wie eine Garantie für böses Blut. Allerdings werden die Pfarrer in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Oldenburg meines Wissens von den Gemeinden gewählt. Demnach wäre die Gemeinde also selbst schuld. Noch heikler wird es jedoch,  wenn die Pfarrerin und Pfarrersfrau obendrein auch noch - wie im Sommer 2015 geschehen - zur Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates gewählt wird. In einer Kampfabstimmung gegen die bisherige Vorsitzende Silvia Molitor. Die nun argwöhnt, "dass offenbar Blexer Kirchenratsmitglieder ein abgekartetes Spiel mit dem Ehemann der Pfarrerin, mit Pfarrer Dietmar Reumann-Claßen betrieben hatten".

Pfarrerin Claßen äußert sich indes auf Anfrage der NWZ "verwundert" über das Vorgehen ihrer Gegnerin, "an den Kreispfarrer und den Oberkirchenrat zu schreiben und jetzt an die Öffentlichkeit zu treten. Die einzige Zielrichtung, die ich in ihrem Handeln erkennen kann, ist die, mir und der Gemeinde zu schaden."

Nicht so recht deutlich wird aus dem Presseartikel, ob die Eheleute Molitor bei ihrer Kritik an der Pfarrerin einen signifikanten Teil der Gemeinde auf ihrer Seite haben oder ob es sich lediglich um einen privaten Rachefeldzug handelt. Man könnte denken, wäre Letzteres der Fall, dann würde es nicht in der Zeitung stehen; aber ich würde sagen, bei den Gepflogenheiten der Lokalpresse ist darauf nicht unbedingt Verlass.

Andererseits wiederum hat, wie mir bei einer früheren Gelegenheit aus vertraulicher Quelle mitgeteilt wurde, "Pfarrervergrämung" - oder anders ausgedrückt: Mobbing gegen neu ins Amt eingeführte Geistliche durch Cliquen alteingesessener und einflussreicher Gemeindemitglieder - "in der Wesermarsch leider Tradition". Natürlich gibt es so etwas woanders auch -- aus Berlin sind mir ebenfalls ein paar solcher Fälle bekannt, wenn auch größtenteils nur vom Hörensagen. Aber die Gemeinden der Wesermarsch scheinen unter Pfarramtskandidaten besonders berüchtigt und gefürchtet zu sein. Meine anonyme Quelle sprach in diesem Zusammenhang von
"den Sturköpfen vor Ort [...]. Die mobben mit perversen Tricks jeden raus, der irgendwann mal etwas anderes sagt oder es wagt, seinen Horizont weiter zu ziehen als bis zum Watt. [...] Und die Presse sitzt natürlich dort auch in den jeweiligen Kirchenvorständen und Pfarrgemeinderäten..." 
Besonders Letzteres ist ein interessanter Hinweis, denn NWZ-Redakteur Horst Lohe, der redaktionsintern offenbar für die Kirchenberichterstattung zuständig ist, war am letzten spektakulären Fall von Pfarrervergrämung in Nordenham tatsächlich persönlich beteiligt, nämlich in seiner Eigenschaft als Mitglied des Kirchenvorstands der katholischen Pfarrei St. Willehad.

Bemerkenswert erscheint, dass im aktuellen Fall der Oberkirchenrat in Oldenburg entschieden hinter der angegriffenen Pfarrerin zu stehen scheint. Die für Personalangelegenheiten zuständige Oberkirchenrätin Annette-Christine Lenk lobt Pfarrerin Claßen auf Anfrage der NWZ als "eine hoch engagierte Pfarrerin", die "ihr Amt in hoher Professionalität und aller gebotene[n] persönliche[n] Distanz" ausübe -- und fügt hinzu:
"Uns ist durchaus bewusst, dass Pfarrerinnen und Pfarrer unserer Kirche auch Projektionsflächen sind und wir sie auch darin unterstützen müssen, nicht alle Erwartungen und Wünsche erfüllen zu können." 
Das scheint mir eine sehr profunde Aussage.

Abschließend noch einmal mein Aufruf an Leser oder Leserinnen, die über die Situation vor Ort besser bescheid wissen: Schreibt mir einen Kommentar -- auf Wunsch auch anonym!



Freitag, 29. Juni 2018

Der Alte Fritz als Fürst von Ostfriesland

...oder: Die Grenzen des aufgeklärten Absolutismus 

Wie berichtet, war ich jüngst mit Frau und Kind eine Woche lang in der schönen Wesermarsch, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Wie ich wohl auch schon mal erwähnt habe, liegt die Wesermarsch zwar in der Nähe von Ostfriesland, gehört aber nicht im eigentlichen Sinne zu Ostfriesland. Es gibt gewisse kulturelle Gemeinsamkeiten,  aber auch Unterschiede. So trinken die Bewohner der Wesermarsch zwar durchaus gern Ostfriesentee, machen aber nicht so ein Riesen-Trara darum. 

Wie ich gelesen habe, wurde die "Ostfriesische Teekultur" im Jahr 2016 zum "immateriellen Kulturerbe" erklärt. Da frage ich mich: "Was heißt hier immateriell? Irgendwer wird den Tee schließlich bezahlen müssen!" 

Und das ist, wenn man's genauer betrachtet, tatsächlich ein Problem. Schließlich wächst der Tee nicht in Ostfriesland, sondern muss importiert werden. 

Laut Tante Wiki werden in Ostfriesland jährlich (Stand: 2016) 300 Liter Tee pro Kopf konsumiert, was in etwa dem Elffachen des Pro-Kopf-Teekonsums im übrigen Deutschland entspricht.  Historisch gesehen verdanken die Ostfriesen ihre Bekanntschaft mit dem Tee ursprünglich der Nähe zu den Niederlanden, denen es Ende des 16. Jhs. erstmals gelungen war, mit eigenen Schiffen den Seeweg nach Indien (bzw. dem heutigen Indonesien) zurückzulegen. Ich besitze einen sehr spannenden Abenteuerroman über die erste erfolgreiche niederländische Ostindien-Expedition, aber das nur nebenbei.  Um 1610 brachten die Niederländer erstmals Tee nach Europa, der bald darauf auch den Weg nach Ostfriesland fand; zunächst wurden Aufgüsse der exotischen Blätter aber lediglich als Medizin verwendet. Um 1720 existierte in Ostfriesland jedoch bereits ein umfangreicher Teehandel, und der Konsum von Tee als Genussmittel griff im Laufe des 18. Jhs. mehr und mehr um sich. 

Und damit fingen, wie schon angedeutet, die Probleme an. Der damals vorherrschenden wirtschaftspolitischen Theorie des Merkantilismus zufolge war die Einfuhr von Konsumgütern aus dem Ausland in größerem Umfang nämlich eigentlich unerwünscht -- wegen des damit verbundenen Geldabflusses ins Ausland und der Schwächung der einheimischen Produktion. Und wer war es wohl, der aus diesem Grund den abenteuerlichen Versuch unternahm, den Ostfriesen das liebgewonnene Teetrinken wieder abzugewöhnen? Natürlich der Alte Fritz.

Ja, tatsächlich: der Alte Fritz, Friedrich II., König von Preußen, von der deutschnationalen Geschichtsschreibung auch "der Große" genannt. Der war nämlich seit 1744 auch Fürst von Ostfriesland. Wie es dazu gekommen war, ist eine Geschichte für sich: Die Ostfriesischen Landstände standen nämlich seit langem auf Kriegsfuß mit den einheimischen Fürsten aus dem Hause Cirksena, die das Land seit 1464 beherrschten, und da der seit 1734 amtierende Fürst Carl Edzard keine leiblichen Erben hatte, arbeiteten die Landstände unter Federführung des Magistrats der Stadt Emden einen Vertrag - die Emder Konvention - aus, die vorsah, dass, sollte der Fürst ohne Nachkommen sterben, der König von Preußen seine Nachfolge antreten sollte. Am 14. März 1744 wurde die Emder Konvention unterzeichnet; am 12. Mai desselben Jahres erlitt Fürstin Wilhelmine Sophie eine Fehlgeburt; vier Tage später erkrankte Fürst Carl Edzard nach dem Genuss eines Glases Buttermilch schwer und starb am 25. Mai im Alter von noch nicht 28 Jahren. Am 7. Juni marschierten die Preußen in Ostfriesland ein, am 23. Juni huldigten die Landstände Friedrich II. als neuem Landesherrn. Ob diese bemerkenswert rasche Abfolge der Ereignisse wirklich Zufall gewesen sein kann, ist in der Geschichtsforschung umstritten.

Jedenfalls verfügte Preußen nun erstmals über einen Nordseehafen, nämlich Emden; und dies weckte nun in Friedrich II. die Hoffnung, selbst groß in den Überseehandel einsteigen zu können. Zu diesem Zweck gründete er 1751 die "Königlich Preußische Asiatische Compagnie in Emden nach Canton und China", die Tee, Porzellan und Seide ins Land einführte. Unter diesen neuen Voraussetzungen war der Teekonsum der Ostfriesen plötzlich gut fürs Geschäft und wurde staatlicherseits gefördert; aber die Erfolgsgeschichte der Emder Handelskompanie war von kurzer Dauer. 1757 wurde Emden im Zuge des Siebenjährigen Krieges von französischen Truppen besetzt, was den Kompaniedirektor veranlasste, unter Mitnahme des flüssigen Kapitals und eines der vier Schiffe der Kompanie in die Niederlande zu flüchten; zwei weitere Schiffe wurden abgetakelt, das vierte, das sich gerade auf der Rückreise von China befand, kehrte unter diesen Umständen gar nicht mehr nach Emden zurück, sondern lief stattdessen Plymouth in England an. Im weiteren Verlauf des Krieges diente Ostfriesland noch mehrfach als Durchmarschgebiet verschiedener Armeen, 1761 wurde Emden erneut von den Franzosen eingenommen. Aber auch nach Kriegsende nahm die Kompanie ihre Tätigkeit nicht wieder auf und wurde schließlich 1765 aufgelöst.

Die Folge war, dass die Ostfriesen ihren Tee wieder von anderen europäischen Mächten beziehen mussten. Und das schmeckte dem Alten Fritz natürlich nicht.

Nicht in Emden, aber ungefähr zur selben Zeit: Eine Tea Party der besonderen Art.
(gemeinfrei
Die bald nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges einsetzenden Versuche des Monarchen bzw. der preußischen Verwaltung, die Einfuhr von Tee nach Ostfriesland zu reglementieren, zu beschränken oder ganz zu unterbinden und den Einheimischen gleichzeitig den Genuss von aus heimischen Pflanzen hergestellten Getränken schmackhaft zu machen, mündeten in den sogenannten "Teekrieg", über den ein weiter oben schon einmal verlinkter Wikipedia-Artikel zu berichten weiß: 
"So gab während dieser Zeit, 1778, die Königlich Preußische Polizeidirektion in Aurich beispielsweise einen Erlass heraus, in dem es hieß, durch das Teetrinken würden Gelder und Steuereinnahmen verschwendet, dem Staat Schaden zugefügt. Es wurde vorgeschlagen, besser Zitronenmelisse oder eine Petersilienart zu trinken, anstelle des 'Krautes' aus China. Gefordert wurde auch, mehr Bier zu brauen, da die Zutaten doch im eigenen Land in ausreichender Menge angebaut würden. Auf das Gesetz reagierte man in Ostfriesland mit verstärktem Schmuggel, zivilem Ungehorsam und heimlichem Teetrinken."
Heimliches Teetrinken. Das muss man sich mal vorstellen. Und weiter:
"Die ostfriesischen Landstände verfassten am 11. Mai 1779 einen Brief, in dem sie erklärten: 'Der Gebrauch des Thee und Caffe ist hierzulande so allgemein und so tief eingewurtzelt, dass die Natur des Menschen schon durch eine schöpferische Kraft müßte umgekehrt werden, wenn sie diesen Getränken auf einmal gute Nacht sagen sollte.' Nach weiteren zwei Jahren gab der König von Preußen frustriert sein Vorhaben auf und erlaubte seinen ostfriesischen Untertanen wieder den Genuss des 'chinesischen Drachengiftes'." 
Okay, zugegeben, das klingt alles hübsch skurril, und das ist auch der Hauptgrund dafür, dass ich dieses Thema hier aufgegriffen habe. Aber gleichzeitig ist es doch auch sehr bezeichnend. Nicht nur für die Hartnäckigkeit und Teeversessenheit der Ostfriesen, sondern auch und vor allem für die Neigung des sogenannten "aufgeklärten Absolutismus", den Leuten in alle Lebensbereiche hineinzuregieren -- in diesem Fall vor dem Hintergrund handfester wirtschaftspolitischer Interessen, aber doch auch, wie stets, mit der Attitüde, besser zu wissen, was gut für die Leute ist, als diese selbst. Der "Alte Fritz" gilt ja weithin als das Paradebeispiel eines aufgeklärten und aufklärerisch gesonnenen Monarchen, und das wohl nicht zu Unrecht; zu hinterfragen wäre aber, ob das tatsächlich eine positive Auszeichnung ist bzw. sein sollte. Ob es nicht vielleicht gerade Fritzens ungebremste Skrupellosigkeit war, die ihn zu einem prototypischen Monarchen der Aufklärung machte. Es heißt, im aufgeklärten Absolutismus sei das Selbstverständnis des Herrschers das des "ersten Dieners des Staates" gewesen; das klingt gut, aber verschwiegen wird dabei zumeist, dass der übrigen Bevölkerung in diesem Modell auch nur die Rolle weiterer "Diener des Staates" zugedacht ist. Der Staat ist nicht für die Menschen da, sondern die Menschen für den Staat: Der aufgeklärte Absolutismus ist eine frühe Erscheinungsform totalitärer Herrschaft, die die späteren Ausprägungen des Totalitarismus vorbereitet und in vielen Punkten bereits vorwegnimmt. 

Aber an den ostfriesischen Dickschädeln mit ihrer unbesiegbaren Leidenschaft für Tee hat sich der Alte Fritz dann doch die Zähne ausgebissen, ebenso wie später Napoleon und noch später die Nazis. Hat ja auch was Beruhigendes. 



Donnerstag, 28. Juni 2018

Die Musiker-Guerilla vom Klingenden Pfad

Auf YouTube gibt es eine Dokumentation mit dem vielversprechenden Titel "Peter Backhausen und Peter Janssens Band 1971 in Nicaragua". Der Film ist knapp eine halbe Stunde lang, aber obwohl ich ihn schon vor Monaten entdeckt habe, bin ich noch nicht dazu gekommen, ihn anzusehen. Ehrlich gesagt ist dafür wohl nicht in erster Linie Zeitmangel verantwortlich. Eher ist es wohl so, dass ich mir die unausweichliche Enttäuschung ersparen möchte, dass der Film gar nicht so sensationell ist, wie ich ihn mir vorstelle. Aber wer weiß? 

À propos "Wer weiß?": Ein Teil meiner Leserschaft wird an dieser Stelle wahrscheinlich denken "Peter Janssens kennen wir ja, aber wer ist dieser Peter Backhausen?". Ein anderer Teil ist vielleicht sogar so glücklich, nicht einmal Peter Janssens zu kennen. Den unvermeidlichen Peter Janssens, wie ich ihn gern nenne. Den Komponisten nicht tot zu kriegender Klassiker des "Neuen Geistlichen Liedes" (NGL) wie "Wenn das Rote Meer grüne Welle hat", "Unser Leben sei ein Fest", "Einer hat uns angesteckt" oder "Lied, das die Welt umkreist". Und natürlich des Agit-Pop-Juwels "Du kleine Löterin". Kurz gesagt, der 1998 verstorbene Janssens war ein, wenn nicht sogar der Pionier des NGL-Genres. 

Und Peter Backhausen? Der war mir zunächst einmal kein Begriff, aber ein Artikel der Westfälischen Nachrichten von 2009 klärte mich auf: 
"Ein Musiker durch und durch ist er. [...] Die Beatles sieht er als den Hauptgrund an, dass er begonnen hat, selber Musik zu machen, sagt der Wahl-Ottmarsbocholter". 
"Wahl-Ottmarsbocholter". Allein schon. 

Jedenfalls war Backhausen Anfang der 70er Jahre Schlagzeuger der Peter Janssens Band und gehörte dann, 1973, zusammen mit Karl-Georg "Steffi" Stephan und Karl Allaut alias "Karl Brutal" zur Originalbesetzung von Udo Lindenbergs "Panikorchester". Eine bemerkenswerte musikalische Vita -- allerdings verließ er Lindenbergs Begleitband schon nach eineinhalb Jahren wieder, aus familiären Gründen, heißt es. Die Schallplatten-Datenbank discogs führt vier Soloalben Backhausens aus den Jahren 1979-1993 auf; heute ist Peter Backhausen, dem Bericht der Westfälischen Nachrichten zufolge, hauptberuflich als Musikpädagoge tätig. Und Wahl-Ottmarsbocholter. 

1971 jedoch war er mit Peter Janssens in Nicaragua, und, ich deutete es bereits an, in meiner Phantasie sieht dieser Trip erheblich abenteuerlicher aus, als er es sehr wahrscheinlich in Wirklichkeit war. Ich stelle mir darunter so etwas ähnliches vor wie den Trip der Baader-Meinhof-Gruppe nach Jordanien im Jahr zuvor, nur mit Gitarren statt Knarren. Will sagen: Statt sich von den Sandinisten, wie die RAF-Gründergeneration durch die palästinensische Fatah, einen Crashkurs in bewaffnetem Untergrundkampf erteilen zu lassen, ließen Janssens, Backhausen und Co. sich lediglich im musikalischen Straßenkampf ausbilden -- um fortan, wie Wiglaf Droste es formulierte, "das Land mit einer Mischung aus sozialistischem Agitprop und christlicher Erweckungslyrik zu verheeren". 

Venceremos, oder?
(eigene Aufnahme) 
Ich wiederhole: Sehr wahrscheinlich ist diese Vorstellung völlig übertrieben. Aber immerhin verspricht Backhausen in seiner Beschreibung des Videos (das er wohlgemerkt selbst bei YouTube hochgeladen hat!) einen Besuch der "Kommune von Ernesto Cardenal, Priester, Dichter und Pazifist, 1979-1987 Kulturminister von Nicaragua" auf der Insel Solentiname; vielleicht war meine Assoziation also doch nicht so ganz falsch. Backhausen bezeichnet Cardenal als "Weggefährte[n] von Che Guevara und Fidel Castro" und schreibt ihm einen "großen Anteil am Sieg der Nicaraguanischen Revolution" gegen die Somoza-Diktatur im Jahr 1979 zu.

Aber unabhängig davon, was nun tatsächlich in diesem Film zu sehen ist, finde ich allein die Tatsache, dass es einen solchen Film gibt, einigermaßen bezeichnend für das, was mich an dem Phänomen NGL so fasziniert: Nicht so sehr die Musik als solche (wenngleich ich durchaus finde, dass ein Peter Janssens als Musiker und Komponist Einiges drauf hatte -- sehr viel mehr jedenfalls, als man denken könnte, wenn man seine Lieder nur aus Gottesdiensten kennt, in denen sie mit schleppender Orgel- oder blecherner Casio-Billig-Keyboard-Begleitung von rhythmisch und melodisch nicht besonders trittsicheren Gemeinden gesungen werden), sondern vielmehr die ganze politisch-theologisch-sozialpsychologische Gemengelage, aus der dieses kirchenmusikalische Genre sich speist und in der sich das vorherrschende Lebensgefühl der Baby-Boomer-Generation in den 1970er Jahren so getreulich widerspiegelt. Ich habe dieses Feld ja schon mal recht ausführlich beackert: Auf der einen Seite haben wir die bemerkenswert ironiefreie Schwärmerei der Wirtschaftswunderkinder für den Kommunismus, die sich innerkirchlich vor allem in Gestalt einer unkritischen Begeisterung für die Theologie der Befreiung artikulierte.  Die oben gezogene Parallele zwischen NGL und RAF ist bei aller Polemik und allem Sarkasmus nicht völlig aus der Luft gegriffen; man hatte durchaus gemeinsame Wurzeln in der 68er-Bewegung. Es lag einfach Revolution in der Luft, und um eine gerade eben schon verwendete Formulierung nochmals aufzugreifen: Die Einen kämpften dafür mit der Knarre, die Anderen nur mit der Gitarre. Nicht wenige Akteure der militanten linksradikalen Szene der Nach-68er-Jahre hatten einen kirchlichen Hintergrund; das vielleicht prominenteste Beispiel war die RAF-Mitanführerin Gudrun Ensslin, eine schwäbische Pastorentochter.

Und auf der anderen Seite haben wir die "Neue Innerlichkeit", eine amateurhaft-unausgegorene Psychologisierung und Sozialpädagogisierung aller Lebensbereiche, die sich auf religiös-spiritueller Ebene nicht selten in einer Neigung zu Esoterik, Synkretismus und Universalismus niederschlägt. Was mich übrigens daran erinnert, wie ich vor einiger Zeit mit meiner Liebsten - anlässlich eines gemeinsamen Besuchs in einem Fachgeschäft für Trekking-Bedarf - über die Frage diskutierte, was eigentlich aus den christlichen Hippies geworden sei. Denn die gab's ja schließlich mal -- wie man übrigens sehr schön in einem YouTube-Video zu Peter Janssens' Psychedelic-Rock-Nummer "Feuer" sehen kann. Zu den Bilddokumenten aus der christlichen Hippie-Bewegung, mit denen der Song illustriert wird, zählt auch ein Cover des Time Magazine vom 21. Juni 1971 mit dem Titelschriftzug "The Jesus Revolution". Jahrzehnte später müssen wir uns fragen: Was ist aus dieser Jesus-Revolution geworden? Warum war sie so wenig nachhaltig? Bei der erwähnten Diskussion im Trekking-Laden lautete mein Fazit, die ehemals christlichen Hippies seien wohl größtenteils entweder "in irgendwelchen para-christlichen Sekten gelandet oder Anselm Grün geworden". Ich denke nach wie vor, dass das im Großen und Ganzen zutrifft, wobei man anstelle von Anselm Grün auch beispielsweise Richard Rohr nennen könnte. Natürlich gibt es auch noch wesentlich krassere Beispiele -- etwa die "Teens for Christ", die 1967/68 damit begannen, die Hippies von Huntington Beach, Kalifornien, mit Folkmusik und Erdnussbuttersandwiches zu evangelisieren, und die bei ihrem ersten Auftreten in Deutschland, im September 1971 beim "Jesus-Festival" in Herne/Westfalen, als "besonders sittenstrenge Jesus-Kommune" angekündigt wurden, sich jedoch im Laufe der 70er Jahre zu einem bizarren Sex-Kult entwickelten, der sich erst "Children of God", dann "Family of Love" und schließlich nur noch "The Family" nannte.

Das alles ist wohlgemerkt nicht bloß von historischem Interesse. Vielmehr betrachte ich die hier zusammengestellten Fallbeispiele (und viele weitere) als eine Warnung, dass das Bemühen um ein radikal christliches Leben, wenn man nicht aufpasst, auch radikal daneben gehen kann. Zwei Dinge, denke ich, sind von entscheidender Bedeutung, um solche Fehlentwicklungen zu vermeiden: zum einen die Bereitschaft, die eigenen Visionen immer wieder am auf Schrift und Tradition fußenden kirchlichen Lehramt messen und nötigenfalls dadurch korrigieren zu lassen; und zum anderen, niemals zu vergessen, dass - wie Solschenizyn es formulierte - die Trennlinie zwischen Gut und Böse durch das Herz eines jeden Menschen verläuft.

Davon abgesehen kann es sicherlich nicht schaden, die Fehler früherer Generationen gründlich zu studieren, wenn man vermeiden will, sie zu wiederholen. Voraussichtlich wird hier in Zukunft noch öfter von Skurrilitäten und Garstigkeiten der Nach-68-Ära zu lesen sein. Nebenbei bemerkt habe ich - vorbehaltlich genauerer Prüfung - das Gefühl, eine Schlüsselfigur für gleich mehrere der hier angesprochenen Tendenzen im zeitgenössischen Christentum könnte der just im mythischen Jahr 1968 in einem Hotel in Bangkok durch einen Stromschlag getötete Trappistenmönch Thomas Merton sein. Eine schillernde Gestalt allemal: Anscheinend ging bei ihm ein intensives Streben nach persönlicher Heiligung mit einer ausgeprägten Neigung zur Grenzüberschreitung einher, auch zur Überschreitung solcher Grenzen, die sein geistlicher Stand und seine Ordensgelübde ihm setzten. Übrigens war Thomas Merton der Novizenmeister von Ernesto Cardenal, als der vorübergehend anstrebte, Mönch zu werden...



Mittwoch, 27. Juni 2018

Ich weiß, was du von '33 bis '45 getan hast

Am Morgen nach meiner Ankunft in Nordenham stolperte ich in der Kreiszeitung Wesermarsch (meine Mutter hat ein Abo) über einen umfangreichen Artikel mit der Überschrift "Historiker soll bei Straßennamen helfen". Man könnte sagen, das sei etwas ungelenk formuliert; jedenfalls lässt die Formulierung nicht wirklich erkennen, worum es tatsächlich geht: In Nordenham steht derzeit die Frage im Raum, ob zwei nach lokalen Persönlichkeiten benannte Straßen wegen der allzu unkritischen Haltung der  beiden Namenspatrone zum Nationalsozialismus umbenannt werden sollten. Und nun soll der ortsansässige Historiker Dr. Timothy Saunders ein Gutachten erstellen, das bei der Entscheidungsfindung in dieser Frage helfen soll. 

Genauer gesagt handelt es sich um eine Straße in einem Wohngebiet im Ortsteil Abbehausen sowie einen Fahrrad- und Wanderweg, der auf dem früheren Bahndamm der Butjadinger Bahn von Nordenham über Abbehausen nach Stollhamm führt. Den letzteren Weg war ich noch am Abend vor dem Erscheinen dieses Zeitungsartikels ein kleines Stück entlangspaziert; es ist wirklich idyllisch dort.


Benannt ist dieser Weg seit 1973 nach dem Volksschullehrer, Dichter und Heimatforscher Erich Lampe (1902-1940); die andere umstrittene Straße trägt den Namen Eduard Krügers (1892-1968), ebenfalls Lehrer von Beruf, aber ebenfalls hauptsächlich für sein Engagement in der Heimatbewegung bekannt und geehrt. Beide publizierten zahlreiche heimatkundliche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel während der Herrschaft des Nationalsozialismus, und genau da fangen die Probleme an.

Der eingangs erwähnte Zeitungsartikel war nicht der erste, durch den ich von der Straßenumbenennungs-Diskussion erfahren habe. Den Auftakt zu dieser Debatte bildete die Vorstellung eines Buches des Historikers Dr. Joachim Tautz mit dem Titel "Rüstringer Heimatbund und Nationalsozialismus", über die die Nordwest-Zeitung am 17. November 2017 unter der Überschrift "Der Heimatbund macht 'reinen Tisch'" berichtete. Der in Nordenham ansässige heimatkundliche Verein hatte diese Studie in Auftrag gegeben, um anlässlich seines 125jährigen Bestehens ein heikles Kapitel seiner eigenen Vereinsgeschichte aufzuarbeiten. Das Buch erschien in der Reihe "Rüstringer Bibliothek" als "Jahresgabe" für die Vereinsmitglieder, und auf diese Weise habe auch ich ein Exemplar erhalten. 

"Die Quintessenz" von Tautz' Arbeit ist, dem NWZ-Artikel vom 17.11.2017 zufolge, "dass der Verein nach 1933 schnell ins nationalsozialistische Lager schwenkte": "Er übernahm ohne Wenn und Aber deren Geschichtsdeutung und gliederte sich in derselben Weise in nationalsozialistische Dachorganisationen ein." Diese Erkenntnis ist an und für sich erst mal überhaupt nicht neu. Bereits in dem 1991 im Vorfeld des 100jährigen Vereinsjubiläums erschienenen Band "Rüstringen - Das Land in dem wir leben" hatte der Journalist Adolf Blumenberg einige Belege für die betont regimefreundliche Haltung des Heimatbundes in der Zeit der NS-Diktatur zusammengetragen; und davon, dass aussagekräftige zeitgenössische Quellen jedem, der sich dafür interessiert, frei zugänglich sind - und zwar sowohl im Archiv des Rüstringer Heimatbundes selbst als auch im Archiv der Kreiszeitung Wesermarsch, die bis 1945 Butjadinger Zeitung hieß und deren damaliger Herausgeber Elimar Böning von 1930-1961 zugleich Vorsitzender des Rüstringer Heimatbundes war -, konnte ich mich persönlich überzeugen, als ich im Winter 2003/2004 für meine theaterwissenschaftliche Magisterarbeit "Mundarttheater als 'Volkstumspflege' - Heimatbewegung und Laienspiel in der Wesermarsch 1920-1945" recherchierte. Der ideologischen Ausrichtung der Niederdeutschen Heimatbewegung - insbesondere in ihrer lokalen Ausprägung in Gestalt des Rüstringer Heimatbundes - kommt in dieser Arbeit erhebliche Bedeutung zu, und ich habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass Joachim Tautz meine Magisterarbeit im Literaturverzeichnis seines Buches aufführt und mehrfach in Fußnoten auf sie verweist. 

Aber genug der persönlichen Eitelkeit und zurück zur Sache: Viel bedeutsamer als die persönlichen Nazi-Verstrickungen einzelner Akteure ist der Umstand, dass in der gesamten Niederdeutschen Heimatbewegung - verstärkt in der Zeit nach dem I. Weltkrieg - ein mythisch überhöhter Begriff von "Volkstum" vorherrschte, der für allerlei völkisch-reaktionäre Ideologisierungen offen war, und diese Affinitäten wurden von den Nazis besonders in der Frühzeit ihrer Herrschaft - etwa bis 1937 - gern propagandistisch bedient und ausgeschlachtet. Es gäbe durchaus Argumente dafür, die Niederdeutsche Heimatbewegung der 1920er und frühen 30er Jahre insgesamt als "präfaschistisch" einzuordnen -- andererseits aber auch wiederum gute Gründe, ein solches Pauschalurteil zu hinterfragen. Inwieweit für die Haltung der Heimatbewegung zum Nationalsozialismus illusorische Hoffnungen, taktisch-opportunistische Erwägungen oder auch Missverständnisse auf beiden Seiten eine Rolle gespielt haben mögen, ist ein äußerst komplexes Thema, umso mehr, als der Nationalsozialismus in ideologischer Hinsicht keinesfalls ein monolithisches Gebilde war, sondern diverse recht disparate und einander zum Teil sogar widersprechende Elemente in sich vereinigte. In meiner Magisterarbeit habe ich einiges an Tinte und Gehirnschmalz auf diese Zusammenhänge verwendet, und auch Tautz geht in seinem Buch durchaus darauf ein; allerdings setzen der Umfang und der thematische Schwerpunkt seiner Arbeit - sowie die Ausrichtung auf ein nicht unbedingt einschlägig vorgebildetes Publikum - einer differenzierten Diskursanalyse verständlicherweise Grenzen.

Gleichwohl ist Tautz' Buch zweifellos eine verdienstvolle Arbeit, und der Rüstringer Heimatbund verdient Lob und Anerkennung dafür, dass er diese Studie in Auftrag gegeben und veröffentlicht hat. Problematisch erscheint es jedoch, dass die durch diese Veröffentlichung angestoßene öffentliche Debatte sich nur allzu bald nahezu ausschließlich auf Erich Lampe und Eduard Krüger konzentrierte, deren heimatkundliche Publikationen Tautz lediglich exemplarisch heranzieht, um NS-nahe Positionen in der Heimatforschung aufzuzeigen. 

Nachdem es in dem weiter oben bereits zitierten NWZ-Artikel hieß, Lampe und Krüger hätten "nach den Recherchen von Joachim Tautz nationalsozialistische Propaganda in ihre Artikel eingeflochten und sich antisemitisch geäußert, ohne dass irgendeine Notwendigkeit oder Zwangslage dazu bestanden hätte", berichtete dieselbe Zeitung gut eineinhalb Monate später, am 5. Januar 2018, unter der Überschrift "Heimatforscher mit brauner Vergangenheit", Rat und Verwaltung der Stadt Nordenham dächten angesichts dieser Forschungsergebnisse über eine Umbenennung von Erich-Lampe-Weg und Eduard-Krüger-Straße nach. Ein Folgeartikel am 12. Januar, nüchtern "Diskussion um neue Straßennamen" betitelt, lässt einige Lokalpolitiker zu Wort kommen, die "die bisherige Namensgebung sehr kritisch" sehen und "vor allem die rassistischen und judenfeindlichen Äußerungen der beiden Heimatforscher" als "nicht akzeptabel" einschätzen. "Ich habe ein großes Problem damit, wenn bekennende Nazis mit Straßennamen geehrt werden", wird etwa der "Nordenhamer SPD-Ratsherr und Geschichtslehrer Nils Humboldt" zitiert.

Das Ärgerliche und Kontraproduktive an dieser Verengung der Debatte liegt darin, dass sie im Grunde nur von den größeren Zusammenhängen ablenkt: Einer ernsthaften Aufarbeitung der NS-Vergangenheit müsste es vor allem darum gehen, Kontinuitäten aufzuzeigen -- also etwa einerseits der Frage nachzugehen, wie agrarromantisch gesonnene Konservative dazu veranlasst werden konnten, mit einer extremistischen und verbrecherischen Bewegung wie dem Nationalsozialismus zu sympathisieren, und sich andererseits der Tatsache zu stellen, dass nach 1945 trotz aller Entnazifizierungs-Bemühungen zahlreiche ehemalige Nazis oder Nazi-Sympathisanten weiter wichtige Positionen in Verwaltung, Wirtschaft, Bildungswesen und anderen gesellschaftlichen Bereichen ausüben und allseits geschätzte und geachtete Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft bleiben konnten. Wer glaubt, man könne durch die Umbenennung von Straßen das Übel bannen, der legt im Grunde ein Geschichtsverständnis an den Tag, das die 12 Jahre der NS-Diktatur lediglich als "Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte" (A. Gauland) betrachtet: als einen Schandfleck, den es durch die symbolische Bestrafung einiger weniger Sündenböcke zu tilgen gilt, damit alle anderen in Ruhe weiterleben können.

"Damnatio memoriae", "Verdammung des Andenkens", nannte man dieses Vorgehen in der Antike. Im alten Ägypten wurde in einigen Fällen sogar die Zeitrechnung geändert, um einen bei der Nachwelt in Ungnade gefallenen Pharao aus der Geschichte hinauszuschreiben. Aber natürlich sind Eduard Krüger und Erich Lampe keine Pharaonen. Diese beiden unwürdigen Straßennamenspatrone spielen eher die Rolle des peinlichen Onkels auf der Familienfeier, der gerade dadurch so peinlich ist, dass er eben zur Familie gehört. Die anderen Familienmitglieder wissen: So sehr ich auch versuchen mag, mich von ihm zu distanzieren -- etwas von ihm steckt auch in mir.

Wenn die Debatte nun jedoch partout auf die persönliche Gesinnung zweier Heimatkundler zugespitzt werden soll, dann erscheint es umso mehr geboten, zwischen Lampe und Krüger zu differenzieren. Nicht nur, weil Erich Lampe bereits 1940 im Alter von nur 38 Jahren starb und somit die grausamsten Resultate des NS-Terrorregimes gar nicht mehr miterlebte, während Eduard Krüger noch bis 1968 lebte und somit reichlich Zeit gehabt hätte, sich von seiner nazi-freundlichen Haltung zu distanzieren -- was er aber offenbar nie getan hat. Dies verhinderte indes nicht, dass er 1957 das Bundesverdienstkreuz erhielt und noch 1962 zum Vorsitzenden des Rüstringer Heimatbundes gewählt wurde. Erst unter seinem Nachfolger Hans Meiners setzten im RHB Bemühungen um einen modernen, von völkisch-reaktionären Vorstellungen befreiten Heimatbegriff ein; exemplarisch deutlich wird dies an dem programmatischen Vortrag "Welt und Heimat", den Meiners bei der 75-Jahr-Feier des Heimatbundes am 7. Mai 1967 hielt und in dem er sich zur Begründung des Werts von Heimat u.a. auf die Philosophen George Santayana und Karl Jaspers beruft und "Gemeinsinn", "Freisinn" und "Rechtsempfinden" als Früchte der "demokratischen Tradition in Friesland" hervorhebt. Einen klaren Bruch mit der Vergangenheit seines Vereins vermeidet er jedoch; sowohl Lampe als auch Krüger werden in der Ansprache lobend erwähnt. Es ist anzunehmen, dass Eduard Krüger bei dem Vortrag anwesend war. 

Den Eindruck, dass man die beiden Heimatforscher hinsichtlich ihrer Einstellung zum Nationalsozialismus nicht gänzlich auf eine Stufe stellen sollte, unterstreicht auch die Lektüre von Joachim Tautz' Buch, das aus Lampes Werken nur einige wenige Belege für eine mit dem NS-Regime und dessen Ideologie symathisierende Haltung anführt; ohne diese Äußerungen etwa beschönigen zu wollen - und trotz der Tatsache, dass Lampe in mehreren nationalsozialistischen Verbänden (NS-Volkswohlfahrt, NS-Kulturgemeinde, NS-Lehrerbund) aktiv und ab 1937 Parteimitglied war -, lässt sich doch feststellen, dass die NS-konformen Äußerungen Eduard Krüger nicht nur zahlreicher, sondern auch inhaltlich erheblich krasser sind. Tautz merkt dies explizit bei seiner Gegenüberstellung antisemitischer Tendenzen in den Aufsätzen "Frühe Judengesetze in Oldenburg" von Lampe (1938) und "Bettler, Landstreicher und Juden" von Krüger (1939) an.

Dass Eduard Krüger in "Bettler, Landstreicher und Juden" unverhohlene antisemitische Hetze betrieb, ist übrigens keine bahnbrechend neue Erkenntnis. Im Jahr 2008 erschien in der NWZ anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Stadtgründung Nordenhams eine Artikelserie zur Stadtgeschichte, und die 16. Folge dieser Reihe - betitelt "Wenn nachts die SA an der Tür klingelt" - drehte sich um die nationalsozialistischen Judenverfolgungen. Schon da wurde Krügers besagter Aufsatz als Beispiel für antisemitische Propaganda in der Lokalpresse herangezogen.

Trotz alledem hat Eduard Krüger in der Straßenumbenennungsfrage einen Vorteil: In "seiner" Straße wohnen Leute. Das heißt, im Fall einer Umbenennung würden sich deren Adressen ändern. So etwas ist aufwändig und kostet Geld. Der Erich-Lampe-Weg hingegen hat keine direkten Anwohner, was eine Umbenennung unter praktischen Gesichtspunkten erheblich unproblematischer machen würde. 

Ich gebe zu, dass ich in dieser Sache nicht unparteiisch bin: Ich hege eine gewisse Sympathie für Erich Lampe, seit ich mich im Rahmen der Recherchen für meine Magisterarbeit mit seinem Leben und Werk auseinandergesetzt habe. Für das Thema meiner Arbeit war er insofern von Belang, als er das mundartliche Laientheater in der nördlichen Wesermarsch als Kritiker, Autor und Bühnenleiter mitprägte. Als Vorsitzender des Turnvereins Abbehausen (ab 1926) baute er eine Theatersparte dieses Vereins auf, mit der er sogar der "Speeldeel" des Rüstringer Heimatbundes, die von einem weiteren Volksschullehrer und späteren NSDAP-Mitglied, Fritz zu Klampen, zu einer "Musterbühne" des plattdeutschen Laienspiels aufgebaut worden war, Konkurrenz machte: 1930 schnappte Lampe der RHB-Speeldeel die Aufführungsrechte für das Erfolgsstück der Saison, August Hinrichs' "Swienskomödi", praktisch vor der Nase weg (obwohl er gleichzeitig auch Vorstandsmitglied im RHB war). Ebenso wie zu Klampen legte Lampe Wert auf ein anspruchsvolles, im Sinne der Heimatbewegung "kulturell wertvolles" Mundarttheater, in scharfer Abgrenzung zu einer Laienspielpraxis, die mit seichter Unterhaltung lediglich dem Anheizen der Stimmung auf Vereinsfeiern dienen sollte. Lampe selbst schrieb mindestens fünf Theaterstücke, von denen drei als Originalmanuskripte im Archiv des Rüstringer Heimatbundes erhalten sind; ich habe sie selbst in der Hand gehabt. Und leichte Unterhaltung ist das wahrlich nicht: Es handelt sich um eine düstere Schicksalstragödie ("De Leewde", 1925), ein historisches Festspiel ("Edo Boling", ebenfalls 1925) und ein märchenhaftes Singspiel mit traurigem Ende ("Waterwiefken", 1928). Alles ein bisschen überambitioniert, sodass die Grenze zur unfreiwilligen Komik - zumindest aus heutiger Sicht - zuweilen nicht sehr fern ist; aber auf jeden Fall sehr eigenwillig und kraftvoll. 

Daneben, und neben seinen von Joachim Tautz untersuchten heimatkundlichen Aufsätzen, verfasste Lampe zahlreiche Gedichte, Erzählungen und Prosaskizzen in hoch- und plattdeutscher Sprache; häufig wiederkehrende Themen sind dabei magisch-dämonische Kräfte in der Natur sowie Wechselwirkungen zwischen Naturkräften und den Abgründen der menschlichen Psyche. Inwieweit gerade seine Vorliebe für das Düstere und Unheimliche und der Glaube an eine "schicksalhafte" Verbindung von Mensch und Natur eine gewisse Anfälligkeit für faschistoide Ästhetik und Propaganda bedingt haben mögen, wäre eine Frage, der detaillierter nachzugehen sich lohnen könnte. Den umfangreichen literarischen Nachlass des Autors besitzt der Rüstringer Heimatbund; ich könnte mir gut vorstellen, daraus eine mit stoff- und motivgeschichtlichen sowie ideologiekritischen Anmerkungen versehene Werkausgabe zusammenzustellen. Der Deutlichkeit halber: Wenn ich sage, ich könnte mir das gut vorstellen, meine ich damit, ich wäre bereit, das zu machen. Vorausgesetzt, der Rüstringer Heimatbund macht dafür ein Stipendium locker. Vielleicht schießt ja auch das Institut für Niederdeutsche Sprache in Bremen etwas zu. Und/oder die Oldenburgische Landschaft. Oder sogar der Turn- und Sportverein Abbehausen

Abschließend: Ob ein Fahrrad- und Wanderweg, den die Einheimischen unter sich üblicherweise ohnehin nur "den Bahndamm" nennen, weiterhin offiziell Erich Lampes Namen trägt, ist an und für sich ziemlich unerheblich. Allerdings befürchte ich, dass ein solcher symbolischer Akt der damnatio memoriae letztlich darauf abzielt, den Namensgeber insgesamt aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen. Und dafür ist Erich Lampe, mitsamt seinen problematischen Charakterzügen und Einstellungen, für mein Empfinden schlichtweg zu interessant


Dienstag, 26. Juni 2018

Gelegen oder ungelegen


Am 25. Mai fand in Irland ein Referendum über die Aufhebung des bisher in der dortigen Verfassung verankerten generellen Verbots von Abtreibung statt. Wenige Tage zuvor war in dem weit überwiegend katholischen Land, wie überall in der westlichen Christenheit, Pfingsten gefeiert worden, und in einigen Pfarreien war dies der Termin für die Feier der Erstkommunion. In einer Kirche, in der dies der Fall war, kam es zu einem Eklat, als der Pfarrer die Predigt dazu nutzte, mit Blick auf das bevorstehende Referendum die Position der katholischen Kirche zu Wert und Würde des ungeborenen Lebens in Erinnerung zu rufen. Mehrere Eltern von Kommunionkindern verließen unter Protest den Gottesdienst, und im Nachhinein hagelte es Beschwerden über den Priester, der es gewagt hatte, den Familien, die sich auf eine schöne Erstkommunionfeier gefreut hatten, derart den Tag zu verderben.
Dies mag ein drastisches Beispiel für eine Haltung sein, die die Sakramente der Kirche lediglich als Dienstleistungen in Anspruch nimmt und dabei nicht wahrhaben will, dass die Zugehörigkeit zur Kirche auch eine grundsätzliche Zustimmung zu ihren Lehren verlangt. Ein Einzelfall ist das jedoch nicht. Erst kürzlich erregte Papst Franziskus Aufsehen, als er bei einer Ansprache vor Vertretern italienischer Familienverbände die Tötung behinderter Kinder im Mutterleib mit scharfen Worten tadelte und diese Praxis mit den Euthanasie-Morden des Nazi-Regimes verglich. In derselben Ansprache betonte er auch, nur die Ehe zwischen Mann und Frau könne eine Familie „nach dem Bilde Gottes“ begründen – was von vielen als Affront gegen homosexuelle Paare aufgefasst wurde. An sich könnte man meinen, diese Äußerungen seien – einmal abgesehen davon, dass Vergleiche mit dem Nationalsozialismus hierzulande stets ein gewisses Empörungspotential haben – von geringem Neuigkeitswert: Was die katholische Kirche über Abtreibung, aber auch über Sexualität, Ehe und Familie lehrt, kann schließlich jeder im Katechismus nachlesen, und auch ein Papst könnte diese Lehren nicht nach eigenem Gutdünken ändern – selbst wenn er es wollte. Zudem hat Papst Franziskus, bei all seiner Vorliebe für unkonventionelles Auftreten und eigenwillige Akzentsetzungen, stets betont, dass er sich in Hinblick auf Fragen der Glaubens- und Sittenlehre als „treuen Sohn der Kirche“ betrachtet. Dennoch lautete der Tenor der öffentlichen Reaktionen auf diese Ansprache: Man sei enttäuscht von diesem Papst, man habe ihn für „liberaler“ und „fortschrittlicher“ gehalten.
Zweifellos geht diese Verwirrung zu einem nicht geringen Teil auf das Konto der Medien, die Papst Franziskus in ihrer Berichterstattung nur allzu gern gegen seine Vorgänger kontrastiert und als „zeitgemäßen“ Neuerer dargestellt haben. Aber daran, dass ein solches Narrativ überhaupt verfangen konnte – und zwar auch unter Katholiken –, ist auch die Kirche selbst nicht unschuldig. Die mehr oder weniger explizite Annahme, bestimmte als unzeitgemäß empfundene Lehren der Kirche seien nicht mehr gültig oder man müsse sie zumindest nicht so ganz ernst nehmen, kann sich im Grunde nur dann ausbreiten, wenn Repräsentanten der Kirche, auf allen Ebenen bis hinunter zur kleinen Ortspfarrei, davor zurückschrecken, sich zu diesen Lehren zu bekennen und sie den Gläubigen zu vermitteln.
Dies betrifft nicht allein Lehren zum Thema Sexualität, aber diese doch in besonderem Maße. Die Gründe dafür sind unschwer einzusehen: Wie wohl kein anderes Thema berührt es in seinen unterschiedlichen Aspekten jeden einzelnen Menschen auf einer zutiefst persönlichen Ebene und ist damit in außerordentlichem Maße emotional aufgeladen; und wohl bei keinem anderen Thema haben sich die gesellschaftlich vorherrschenden Ansichten in den letzten Jahrzehnten so rapide und so entscheidend von der kirchlichen Lehre entfernt. Somit stellt sich einem klaren und unerschrockenen Bekenntnis zu den Aussagen des Katechismus in diesem Bereich ein doppeltes Hindernis entgegen: Die Scheu, anderen Menschen in intimste Bereiche ihres Privatlebens hineinzureden, verbindet sich mit der Angst, für „rückständig“ gehalten zu werden. 

Öffentliche Hinrichtung katholischer Priester und Laien in Bydgoszcz, Polen, 9. September 1939
(Bildquelle hier, gemeinfrei) 

Gerade der letztere Aspekt hat auf höheren Ebenen der kirchlichen Verwaltungsstruktur auch eine strategische Bedeutung. Scharen von Pastoraltheologen, Religionssoziologen und Kommunikationsberatern arbeiten daran, der Kirche ein modernes, weltoffenes und tolerantesImage auf den Leib zu schneidern, weil das die Eigenschaften sind, die die gesellschaftlich tonangebenden Milieus besonders schätzen. Eine Sexualmoral, die weithin in dem Ruf steht, restriktiv, veraltet und obendrein diskriminierend zu sein, passt da herzlich schlecht ins Bild. Der naheliegend scheinende Ausweg besteht darin, diesemschwierigen Thema auszuweichen, Lehraussagen zu verwässern, zurelativieren, ihre Bedeutung herunterzuspielen und sich umso mehr auf Themen zu konzentrieren, bei denen die Kirche auf höhere Zustimmungswerte rechnen darf – insbesondere solche aus dem Bereich der sozialen Gerechtigkeit.
Aber das ist keine Lösung. Der Auftrag der Kirche besteht schließlich nicht darin, den Menschen nur das zu sagen, was sie hören wollen. Nicht selten ist gerade die Botschaft, die die Menschen nicht hören wollen, diejenige, derer sie am dringendsten bedürfen. Die Altphilologin Sarah Ruden betont in ihrem Buch „Paulus unter den Heiden“, die Menschen der Antike hätten die christlichen Lehren über Körper, Geschlecht und Sexualität als befreiend erlebt. Diese Wirkung könnten diese Lehren auch heute noch oder heute wieder haben – in einer Gesellschaft, in der sexuelle Gewalt und Ausbeutung, Prostitution, Pornographiesucht, Narzissmus, Bindungsangst, dysfunktionale Beziehungen und zerbrochene Familien zur Normalität gehören und eine tiefgreifende Verwirrung über sexuelle Identitäten auf dem Vormarsch ist. Damit die christliche Botschaft aber eine solche befreiende Wirkung entfalten kann, ist es notwendig, dass ihre Lehren zum Thema Sexualität nicht als restriktive Verbotsmoral kommuniziert werden, sondern als ein positiver Wert. Was die kirchliche Sicht auf die Sexualität des Menschen von der vorherrschenden weltlichen Sicht unterscheidet, sind nicht Einzelfragen über moralisch richtiges Verhalten, sondern es ist eine grundlegend andere Anthropologie; einfacher ausgedrückt: ein grundlegend anderes Verständnis davon, was der Mensch ist und wozu er auf der Welt ist. Nachdem unserer Gesellschaft jahrzehntelang das Credo der sogenannten sexuellen Revolution gepredigt worden ist, demzufolge Sex eine Angelegenheit der Selbstverwirklichung des autonomen Individuums sei, steht die Kirche vor der Herausforderung, den Menschen zu zeigen, dass die christliche Botschaft ihnen etwas Besseres bieten kann als das.
Das stärkste und glaubwürdigste Zeugnis für den Reichtum und die Schönheit der kirchlichen Lehre über Geschlechtlichkeit, Ehe und Familie stellen ohne Zweifel Familien dar, die authentisch und mit Freude gemäß dieser Lehre leben und sich nicht scheuen, sich offen dazu zu bekennen. Aber solche Familien fallen nicht vom Himmel. In einer Gesellschaft, in der die vermeintlichen „Errungenschaften“ der sexuellen Revolution geradezu im Rang eines weltlichen Dogmas stehen, hat die Kirche als ganze eine Verantwortung, besonders jungen Menschen – aber nicht nur diesen – Orientierung zu bieten. Diese Verantwortung betrifft nicht allein Bischöfe, Priester und hauptamtliche Katecheten, sondern jeden einzelnen von uns. Die christliche Anthropologie und die darin wurzelnden Lehren über die Komplementarität der Geschlechter, über Keuschheit und über die Weitergabe des Lebens gehören in die Firmkatechese, in die Ehevorbereitung und auch in die sonntägliche Predigt, aber sie müssen auch und vor allem im Alltag vorgelebt werden. Wir brauchen Christen, denen es nicht peinlich ist, sich auch und gerade da zu den Lehren der Kirche zu bekennen, wo diese Lehren unpopulär sind und auf Unverständnis stoßen.

Sonntag, 24. Juni 2018

Wenn die Wölfe es geschafft haben, in die Wesermarsch zurückzukehren, wieso sollten es nicht auch die Mönche tun?

In Niedersachsen stehen die Sommerferien kurz bevor, und das Gymnasium Nordenham hat daher zum Ende des Schuljahres eine Projektwoche unter dem Motto "Die Welt der Tiere" angesetzt. Man mag das ein bisschen altbacken finden, aber im Zweifel ist mir das immerhin lieber als eine Projektwoche zum Thema "Transgender". Oder so. Wie dem auch sei, die Ergebnisse der Projektwoche werden an diesem Dienstag im Rahmen eines Schulfests vorgestellt, und vielleicht geh' ich da mitsamt Frau und Kind hin. Lust hätt' ich schon. In einer Pressemitteilung, die von beiden Lokalzeitungen annähernd gleichlautend abgedruckt wurde (hier die Version der Nordwest-Zeitung), heißt es, die Gymnasiasten hätten sich im Laufe der Projektwoche mit Fragen auseinandergesetzt wie: 
"Was steckt in tierischen Lebensmitteln? Wie arbeitet eine Honigbiene? Brauchen wir Wölfe in Niedersachsen? Schmeckt veganes/vegetarisches Essen als Alternative zum Fleischkonsum?" 
Zur Honigbiene vielleicht ein Andermal mehr, aber bei der Sache mit den Wölfen hab' ich gelacht. Man stelle sich mal vor, man würde ein Rudel Wölfe befragen "Brauchen wir Menschen in Niedersachsen?". Wobei es gar nicht auszuschließen ist, dass die Meinungen der Wölfe zu dieser Frage einigermaßen geteilt wären. Denn nur wo Menschen sind, sind auch domestizierte Tiere, und deren Vorhandensein macht den Wölfen die Nahrungsbeschaffung wohl tendenziell eher leichter. Sehr zum Leidwesen der Tierhalter, insbesondere der Deichschäfer

Von dem Wolfsproblem in der Wesermarsch hatte ich meiner Liebsten übrigens schon auf der Fahrt mit der "Regio-S-Bahn" von Hude nach Nordenham erzählt, und in diesem Zusammenhang kam urplötzlich der Satz aus meinem Mund: 
"Wenn die Wölfe es geschafft haben, in die Wesermarsch zurückzukehren, dann könnten es doch vielleicht auch die Mönche tun." 
Das muss ich jetzt natürlich erklären. Wie kam ich in diesem Zusammenhang ausgerechnet auf Mönche? Nun gut, zum Teil hatte das vielleicht damit zu tun, dass es in Hude, wo wir vom Intercity in die "Regio-S-Bahn" umgestiegen waren, eine vergleichsweise gut erhaltene Klosterruine gibt. Die konnte man vom Bahnsteig aus zwar nicht sehen, aber ich wusste halt, dass es sie gibt, und irgendwann werde ich mir mal die Zeit nehmen müssen, sie zu besichtigen.

Die Zisterzienserabtei Portus Sanctae Mariae in Hude wurde 1232 gegründet, erhielt von den Grafen von Oldenburg umfangreiche Schenkungen an Ländereien, die die Mönche sehr erfolgreich bewirtschafteten; das Kloster betrieb u.a. eine Brauerei und eine Ziegelei, und die Klosterkirche beherbergte über zwei Jahrhunderte lang die Grablege der Grafen von Oldenburg. 1482 fiel Hude allerdings zusammen mit der nahen Burg Delmenhorst an das Bistum Münster, und 1536 verfügte der Münsteraner Bischof Franz von Waldeck - eine schillernde Gestalt der Reformationszeit - die Aufhebung des Klosters. Unter dem Oldenburger Grafen Anton I., der Delmenhorst und Hude im Jahr 1547 im Handstreich zurückeroberte, wäre es dem Kloster allerdings auch nicht besser ergangen, denn dieser hatte in seinem Territorium ab 1530 die Reformation eingeführt: Religiös war er zwar eher desinteressiert, sah in der Reformation aber eine günstige Gelegenheit, die Klöster zu enteignen.

Dieser Umstand weist darauf hin, dass es in der damaligen Grafschaft Oldenburg recht umfangreichen klösterlichen Besitz gegeben haben muss. Im benachbarten Ostfriesland gab es vor der Reformation eine der dichtesten Klosterlandschaften ganz Mitteleuropas, und ich möchte mal annehmen, dass die zwischen Ostfriesland und Oldenburg heftig umstrittene Wesermarsch mehr oder weniger mit zu dieser Landschaft gehörte. Professionelle Regionalhistoriker könnten Genaueres darüber sagen; meine eigenen Kenntnisse in dieser Sache sind eher lückenhaft, aber immerhin kann ich mit ein paar Schlaglichtern dienen. So unterhielt allein der Johanniterorden mindestens drei Niederlassungen (Kommenden) auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Wesermarsch, nämlich in Roddens (bei Eckwarden), Inte (bei Stollhamm) und Strückhausen (bei Ovelgönne). Alle drei Kommenden wurden ca. 1531 von Graf Anton I. von Oldenburg enteignet, was einen langwierigen Rechtsstreit nach sich zog. In Atens, heute ein Stadtteil von Nordenham, wurde noch 1505 ein Karmeliterkloster gegründet,  das jedoch 1530 bereits verödet war. Ein Kelch aus dem Besitz dieses Klosters wird noch heute verwendet -- allerdings jetzt von der evangelischen Kirchengemeinde.

Okay, fassen wir zusammen: Vor der Reformation gab es in der Wesermarsch Klöster, und zwar nicht zu knapp; und heute gibt es keine mehr. Aber was hat das nun alles mit den Wölfen zu tun? -- Also, das ist so. Es gibt doch auf YouTube so ein Video darüber, wie im Yellowstone-Nationalpark Wölfe angesiedelt wurden und daraufhin auf staunenerregende Weise das gesamte, zuvor erheblich gestörte ökologische Gleichgewicht des Parks quasi "reparierten". Genau genommen gibt es nicht nur ein Video darüber, sondern diverse, und meine Liebste, die Biologielehrerin von Beruf und aus Leidenschaft ist, sagt, diese Geschichte stehe als Anschauungsbeispiel in so ziemlich jedem zweiten Lehrbuch über Ökologie. Wie dem auch sei, hier ist jedenfalls das Video, durch das ich diese Geschichte kennengelernt habe:


Faszinierend, nicht? Tja, und irgendwie treibt mich jetzt die Phantasie um, würde man wieder Mönche in der Wesermarsch ansiedeln, dann könnten die im geistlichen Sinne eine ähnliche Kettenreaktion in Gang setzen, die letztlich dazu führt, dass die "spirituelle Ökologie" dieses Landstrichs wieder ins Gleichgewicht kommt. Ich habe zwar keine ganz konkreten Vorstellungen davon, wie so eine Kettenreaktion ablaufen könnte, aber ein bisschen träumen bzw. 'rumspinnen kann man ja mal.

Ich gebe zu - und habe es ja auch gelegentlich schon angedeutet bzw. durchblicken lassen -, dass ich mir unter einer Benedikt-Options-Kommune, mit der man ehemalige Bauernhäuser, nicht mehr genutzte Wassertürme oder vom Fortschritt vergessene ländliche Wohnsiedlungen besetzen, äh, mit neuem Leben erfüllen könnte, bislang idealerweise eine Gruppe von Familien oder meinetwegen auch Mehrgenerationen-Wohngemeinschaften vorgestellt hätte. Aber die Bemerkung meiner Liebsten, in dem zum Verkauf stehenden Nordenhamer Wasserturm könne man "ein ganzes Kloster" unterbringen, hat mich ins Grübeln gebracht, und zwar auch über den konkreten Fall dieses Wasserturms hinaus. Könnte es sein, dass ein buchstäbliches Kloster tatsächlich der ideale Kristallisationspunkt für ein #BenOp-Siedlungsprojekt wäre? Bedenken wir, dass beispielsweise die Gemeinschaft der Tipi Loschi, die in Rod Drehers Buch immer wieder als vorbildlich gepriesen wird, in engem Kontakt mit den Benediktinermönchen von Norcia lebt. Bedenken wir beispielsweise auch, dass - wie ich in vor längerer Zeit mal erwähnt habe - die ab 1928 entstandene katholische Wohnsiedlung "Mariengarten" im (übrigens einstmals vom Templerorden begründeten) Berliner Ortsteil Marienfelde gezielt in der Nachbarschaft eines Klosters angelegt wurde.

Stellen wir uns also mal vor, der erste Schritt zur Entstehung einer #BenOp-Community in einer strukturschwachen und religiös weitgehend verödeten Gegend wäre die Begründung eines richtigen, echten Klosters, und im nächsten Schritt würden sich dann die oben angesprochenen Familien und/oder Mehrgenerationen-WGs in der Umgebung dieses Klosters ansiedeln, um regelmäßig am Gebetsleben der Mönche (Stichwort Stundengebet) teilzunehmen, aber zum Teil vielleicht auch gemeinsam mit den Mönchen zu arbeiten. Und diese gewissermaßen an das Kloster angegliederten Laiengemeinschaften tragen dann das lebendige Zeugnis eines radikal christlichen Lebens weiter in die Umgebung hinein -- ein Zeugnis gegenüber Nachbarn, Arbeitskollegen beziehungsweise Geschäftspartnern und natürlich gegenüber anderen Familien. Auf diese Weise ergäbe sich dann vielleicht tatsächlich eine Kettenreaktion à la Yellowstone.

Was nun konkret den alten Nordenhamer Wasserturm angeht, finde ich die Idee, da ein "vertikales Kloster" einschließlich Klosterkirche und Aquaponik-Klostergarten 'reinzubauen, als Idee nach wie vor überaus charmant. Übrigens habe ich mich davon überzeugt, dass der Turm in einer ziemlich oll und ein bisschen heruntergekommen aussehenden Wohngegend steht (Kenner der Nordenhamer Stadtgeschichte mögen mir aushelfen: Ist das die sogenannte "Kabelkolonie", die zwischen 1900 und 1907 von den Norddeutschen Seekabelwerken für ihre Beschäftigten angelegt wurde, oder ist die woanders?), was auch für Schritt 2 des "Kettenreaktions"-Plans keine schlechten Voraussetzungen böte.



Und ein tolles klostermäßig aussehendes Portal hat der Turm auch.


Übrigens liegt die örtliche katholische Pfarrkirche St. Willehad nur ca. sieben Minuten Fußweg vom Wasserturm entfernt.


Realistisch betrachtet ist allerdings wohl anzunehmen, dass jedweder Versuch, den Turm für irgendeine sinnvolle Nutzung umzubauen und dabei gleichzeitig dem Denkmalschutz gerecht zu werden, sich als Millionengrab entpuppen dürfte. Aber na ja, seien wir ehrlich: Abgefahrene Ideen 'rauszuhauen, und zwar ohne Rücksicht auf Fragen der Realisierbarkeit, ist nun mal meine Spezialität; Alternativpläne zu entwickeln, die im direkten Vergleich plötzlich viel realistischer aussehen, kann gern jemand anderes übernehmen. Vielleicht aber ja jemand, der ohne meine Spinnereien gar nicht erst auf so eine Idee gekommen wäre. Das wäre dann ja auch eine Art Kettenreaktion.

Eine heikle Frage ist indessen, wo man in Deutschland eine verlässlich rechtgläubige Ordensgemeinschaft für so ein Projekt finden soll. Was man aus manchen deutschen Klöstern so hört und liest, stimmt mich diesbezüglich wenig optimistisch. Details erspare man mir.

Immerhin ist aber ja in einer ganz anderen Ecke Deutschlands, im Bistum Görlitz, eine Wiedereröffnung des 1817 säkularisierten Klosters Neuzelle durch Zisterzienser aus dem österreichischen Stift Heiligenkreuz in Vorbereitung. Es wird spannend zu beobachten sein, ob die Zisterzienser in der Lausitz tatsächlich ein ähnlich segensreiches Wirken entfalten wie die Wölfe im Yellowstone-Park...



Sonntag, 17. Juni 2018

#einfachkirche ist ganz schön kompliziert

Unlängst wurde ich auf einen Artikel des mir bis dahin unbekannten Blogs juhopma.de mit dem Titel "Ich wünsche mir runde Kirchen!" aufmerksam. Meine erste Assoziation zu dieser Überschrift lautete: "Aufgrund der Erfahrungen mit St. Hedwig in Berlin kann ich davon nur abraten." Ich schaute mir den Artikel dann aber doch mal etwas genauer an und stellte fest, dass die Idee einer Kirchenraumgestaltung, die auf ein Zentrum hin ausgerichtet ist - einschließlich entsprechender, auf diese Raumform abgestimmter Gottesdienstformen -, in den Kontext eines umfassenderen Konzepts gehört, das der Blogbetreiber #einfachkirche nennt. Okay, die Bezeichnung "Konzept" ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Tatsächlich ist #einfachkirche eher ein Bündel unausgegorener Ideen, und das meine ich überhaupt nicht abwertend: Ich halte unausgegorene Ideen prinzipiell für etwas potentiell Fruchtbares und habe, wie meine Leser wohl bestätigen können, selber eine ganze Menge davon. Der juhopma-Blogger selbst schreibt in seinem Einleitungstext zum Blog-Label Einfachkirche
"[I]ch bin mir bewusst: Ich habe nicht die ultimative Weisheit zu bieten. Viele meiner Beiträge werden zu diskutieren sein. Du sieht es vielleicht begründet anders als ich. Vielleicht hast du am Ende auch recht. Daher gilt: Reagiere auf meine Ideen, meine Träume. Meine Kritik. Meine Verbesserungsvorschläge.
Denk mit. Träum mit. Schreib mit." 
Challenge accepted, junger Padawan.

Nachdem ich mich jüngst mit den Thesen des Essays #TeamVolkskirche des Nordkirche-Pastors Philipp Kurowski auseinandergesetzt habe und diese Auseinandersetzung als anregender empfunden habe, als ich es selbst anfangs gedacht hätte, denke ich mir: Warum nicht als nächstes #einfachkirche unter die Lupe nehmen? So ziemlich jeder hat ja heute irgendwelche Ideen, Konzepte, Pläne oder Wünsche, "Kirche" (gern ohne bestimmten Artikel) "neu zu erfinden", und es stimmt ja auch, dass sich etwas ändern muss. Wenn man also nicht will, dass sich am Ende die blödesten Ideen (also sagen wir z.B. die von Erik Flügge) durchsetzen, dann kann es gewiss nicht schaden, sich mal verschiedene Entwürfe anzusehen und darauf zu untersuchen, was da womöglich Brauchbares und Wertvolles drin und dran ist. 

Was man schon auf den ersten Blick feststellen kann, ist, dass #einfachkirche jünger, wilder, radikaler daherkommt als das betont moderat und pragmatisch auftretende #TeamVolkskirche. Das müsste mir ja erst mal gefallen (und tut es zu einem gewissen Grad auch). Gemeinsam ist den Urhebern der beiden Konzepte, dass sie beide im Dienst der Nordkirche stehen: Philipp Kurowski als Gemeindepastor im ländlichen Schleswig-Holstein, juhopma-Blogger Jonas Goebel ist Vikar (das heißt im Sprachgebrauch der evangelischen Kirche: in der Ausbildung zum Pastor) in Hamburg. In einem offenbar nicht ohne Augenzwinkern als "Eine wirklich seriöse Selbstvorstellung" betitelten Text beschreibt er sich hinsichtlich seiner theologischen Ausrichtung als "reformiert-liberalen-evangelikal-charismatischen Lutheraner", der aber obendrein auch "dem aktuellen Papst" "sehr, sehr viel abgewinnen" kann. Somit erscheint sein "persönlicher Glaube" als eine ziemlich bunte Mischung - was mir einerseits gar nicht unsympathisch ist, andererseits aber natürlich auch seine Tücken hat. Gerade wenn, wie er betont, dieser sein "persönlicher Glaube" für ihn "ganz klar" die entscheidende "Motivation und Grundlage" für seine zukünftige Tätigkeit als Pastor ist. Müsste er als Pastor - also als Hirte - seiner Herde gegenüber nicht den Glauben der Kirche vertreten, in deren Dienst er steht? Das hat er, wie er an anderer Stelle ganz explizit bekennt, nicht vor: "Ich möchte nicht Pastor dieser Kirche werden. Ich möchte kein Verteidiger dieser Kirche sein. Ich möchte Anwalt der Frohen Botschaft sein. Ein Pastor für Menschen. Nicht irgendeiner Kirche." An Sendungsbewusstsein mangelt es ihm offenkundig nicht. Woher bezieht er das? Wenn er sich seinen Glauben aus unterschiedlichen Quellen selbst zusammengebastelt hat, müsste er dasselbe Recht nicht auch seinen Schäfchen zugestehen? Was will oder kann er sie dann aber lehren

Aber okay: Was für seine zukünftige Tätigkeit als Pastor ein Problem sein mag, hat für seine Tätigkeit als Blogger zweifellos seine guten Seiten. So zum Beispiel, dass Jonas Goebel keine ideologischen Scheuklappen bzw. Berührungsängste hat. Die hat er sogar so sehr nicht, dass er sich die Souveränität leisten kann, darüber Scherze zu machen. "Neulich war ich bei Pfingstlern zu Besuch", bekennt er beispielsweise zu Beginn des eingangs erwähnten Artikels über runde Kirchen. "Bei einer Richtung der evangelischen Kirche, die von der liberal-landeskirchlichen Front meistens kritisch beäugt wird. Bei den Pfingstlern wird nämlich der Heilige Geist meistens besonders betont. Und mit dem haben wir es in der Landeskirche nicht so." Dennoch geht der Jonas da "immer mal wieder gerne hin", und zwar unter anderem deshalb, "weil es dort Musik gibt, die mir gefällt". Völlig legitimer Grund, finde ich. Also, für den Anfang

Überhaupt gefällt mir an Jonas Goebel, dass er den Mut hat, Gedanken schon auszusprechen, bevor er sie zu Ende durchdacht hat. Das kann natürlich auch mal in die Hose gehen. Sein Artikel "Warum wir alle das Abendmahl katholisch feiern sollten" beispielsweise ist, bei aller erkennbar guten Absicht, eindeutig das Dümmste, was ich bisher zum Thema Interkommunion (bzw., aus protestantischer Sicht, "gemeinsames Abendmahl") gelesen habe. Das ist schade, vor allem um die wie gesagt sehr deutlich erkennbare und glaubwürdige gute Absicht; aber manchmal, wenn auch nur manchmal, ist "gut gemeint" eben tatsächlich das Gegenteil von "gut". Ich komme eventuell zu einem späteren Zeitpunkt noch auf diesen Artikel zurück. 

Stellen wir uns aber erst einmal die bzw. der Frage, was es allgemein und insgesamt mit #einfachkirche auf sich hat. "Kirche ist ein fettes, unsportliches Kind, das den ganzen Tag zuhause sitzt", beginnt der Jonas die Vorstellung seines Konzepts; und das finde ich erst mal cool. Ein starkes und amüsantes Bild. "Es wird Zeit, dass Kirche rausgeht und Sport treibt. Fit wird. Am Leben teilnimmt. Von dieser Kirche träume ich. Über diese Kirche schreibe ich."

Na denn man tau, wie der Norddeutsche so sagt.

Symbolbild: Sieht so die Kirche der Zukunft aus? (VitraHaus in Weil am Rhein, Bildquelle hier.)

Es folgen einige Eckpunkte (bei ihm als Fließtext, das bulletpoint-Layout stammt von mir):

"Ich schreibe über eine Kirche, 
  • die keine Kirchensteuer erhebt 
-- na, hossa. Wohlgemerkt, das schreibt ein angehender Pastor einer Landeskirche. Mutig. Tatsächlich hat er sogar einen ganzen Artikel darüber geschrieben, dass (und warum) er, der angehende hauptamtliche Pastor, sich eine Kirche ohne hauptamtliche Pastoren wünscht. Das wäre ein Thema für sich, aber jetzt mal ganz unabhängig von der Frage, was ich inhaltlich von dieser Forderung halte: Erst mal Respekt.  
  • und in der es keine Pastoren als Flaschenhälse gibt. 
"Flaschenhälse"?!? 
  • Eine Kirche, die demokratisch und ökumenisch ist. 
Na ich weiß ja nich'. Als ich ungefähr 17 und im Pfarrgemeinderat meiner heimatlichen Dorfpfarrei war und einmal etwas übellaunig anmerkte, die Kirche sei nicht sehr demokratisch strukturiert, widersprach mir der Pfarrer: "Doch, die Kirche ist sehr demokratisch strukturiert, aber sie ist keine Demokratie." Das habe ich damals natürlich nicht verstanden; heute verstehe ich es. Im Leben einer Kirchengemeinde gibt es eine Vielzahl von Abläufen und Entscheidungen, bei denen eine quasi-demokratische Mitbestimmung aller Mitglieder sinnvoll und wünschenswert ist, und ich zweifle im Großen und Ganzen nicht daran, dass die Strukturen, die dazu gedacht sind, eine solche Mitbestimmung zu ermöglichen bzw. zu fördern, verbesserungsbedürftig sind. Konkrete Beispiele oder gar Vorschläge habe ich dazu gerade nicht auf Lager, da ich mich im Allgemeinen nicht besonders für Gremienstrukturen innerhalb der Kirche interessiere. Oder allenfalls insofern interessiere, als ich gelegentlich ihre Ineffizienz bestaune, so wie man ein Rokoko-Jagdschlösschen bestaunen würde ("Hm, es ist total geschmacklos, aber irgendwie schon auch imposant"). -- Soweit es aber den Kern ihres Wesens und Auftrags betrifft, ist die Kirche eben keine Demokratie, sondern eine Monarchie. Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in Ewigkeit. Sonst nichts. 

Was indes das Stichwort "ökumenisch" angeht: Gewiss, das "ut unum sint" aus Johannes 17,11 beschreibt einen göttlichen Auftrag, den die Kirche nicht einfach ignorieren oder als vermeintlich unrealisierbar beiseite schieben kann bzw. darf. Als angestrebtes Ziel ist die Einheit der Christen somit schlechthin unaufgebbar; über den richtigen Weg zu diesem Ziel dürften die Ansichten der verschiedenen Konfessionen (und auch innerhalb dieser) ebenso weit auseinandergehen wie die Vorstellungen darüber, wie so eine geeinte Christenheit denn im Ergebnis aussehen soll. Wie Jonas Goebel sich das vorstellt, wird wohl deutlicher werden, wenn man sich einige seiner unter dem Label #einfachkirche versammelten Artikel genauer ansieht.  
  • In deren Mittelpunkt das Abendmahl und die Botschaft eines am Kreuz gestorbenen Jesus steht. 
Das klingt nun wirklich vielversprechend, aber - und das ist das zentrale Problem, das ich insgesamt mit #einfachkirche habe - ich bin mir nicht so recht sicher, was er damit meint. Ich komme darauf weiter unten noch ausführlicher zurück. 
  • Eine Kirche, die aus ihren erstarrten Strukturen ausreißt 
Uff jed'n. Gib mir fünf, Keule. Oder gleich die Faust. Ka-pchiuh
  • und in der weniger Teilnahme wieder mehr ist. 
Also, das verstehe ich ja nun wieder gar nicht - bzw. verstünde es nicht, hätte ich nicht in den einen oder anderen der unter dem Label #einfachkirche versammelten Blogbeiträge schon mal reingeschmult. So habe ich zumindest eine vage Ahnung, in welche Richtung dieser Stichpunkt geht, und die gefällt mir nicht besonders; aber dazu (voraussichtlich) ein Andermal mehr. 
  • Eine Kirche, die Zeit hat in der Welt zu leben. 
Das ist jetzt lustig. Als wohl führender deutschsprachiger Apologet bzw. Interpret der "Benedikt-Option" würde ich ja sagen, die Kirche - verstanden nicht als Organisation bzw. Institution, sondern die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen - braucht mehr Zeit, abseits von der Welt zu leben (vgl. BenOp S. 41). Darüber könnte man sich prima bei 'nem Bier unterhalten, wenn ich mal wieder in Hamburg bin. Oder lieber Tee, Jonas? 
  • Und Menschen zu begegnen."

Uarrrgh. Da ist es wieder, dieses 70er-Jahre-Neue-Innerlichkeits-Pathos, das dem Pastoraltheologenjargon so hartnäckig anhaftet wie Fußpilz. Bist du für so etwas nicht eigentlich zu jung, Jonas? Bei Leuten, die so reden, frage ich mich immer, unter was für einem Felsen die eigentlich leben. Wenn ich Menschen begegnen will, kann ich in eine Kneipe gehen, mich an den Tresen setzen oder gegebenenfalls stellen und „Hi“ sagen. Klappt prima. Dafür brauche ich keine Kirche

Sagen wir's ganz deutlich: Die Kirche ist nicht dazu da, dass in ihr Menschen einander begegnen, sondern dazu, dass sie Christus begegnen. Durchaus auch und nicht zuletzt in der Gestalt des Nächsten, das wohl; das heißt, natürlich ist es ein notwendiger Bestandteil kirchlichen Lebens, dass Menschen einander begegnen, aber das ist nicht der Endzweck „von Kirche“.

Weiter unten legt Jonas Goebel erheblichen Wert darauf, dass
"eine erneuerte Kirche auch zu einer besseren Welt führt. Die Frohe Botschaft, von der ich in der Bibel lese, ist radikal. Revolutionär. Der Beginn einer besseren Welt. Aber die Kirche hat diese Botschaft weichgespült und zugeschüttet. These: Wenn Kirche wieder Kirche ist, dann kann sie auch (wieder) die Welt positiv verändern." 
Ich bin durchaus geneigt, ihm da zuzustimmen. Aber diese Zustimmung steht unter dem Vorbehalt, dass er diese Sätze zumindest ungefähr so meint, wie ich sie gerne verstehen würde. Und da bin ich  mir, wie oben schon angedeutet, unsicher. Das hat auch mit seiner unklaren theologischen Positionierung zu tun (die gleichzeitig aber ja auch gerade den Reiz seiner Perspektive ausmacht): Ist die "Frohe Botschaft, von der [er] in der Bibel [liest]", tatsächlich dieselbe, die beispielsweise ich da lese? Wie kann ich das wissen, ohne mich zunächst durch seinen ganzen, auf unterhaltsame, aber zugleich auch anstrengende Weise unsystematischen Textkorpus zu ackern? (Ich räume ein, dass manch ein Leser sich diese Frage auch bei mir stellen mag, und ich kann in solchen Fällen nur hoffen, dass er sich diese Mühe macht.) 

Zur ersten Orientierung helfen aber vielleicht schon ein paar Stichproben. -- Einige Stichworte in dem zuletzt zitierten Absatz (und nicht nur da) können ja den Verdacht aufkommen lassen, bei #einfachkirche gehe es ebenso wie bei vielen anderen ihrem Selbstverständnis nach "progressiven" Ansätzen zur Erneuerung der Kirche um den Versuch, die Kirche der 1970er-Jahre mit deren eigenen Mitteln zu überwinden. Also indem man die Impulse, mit denen die 68er damals gegen die alte Honoratiorenkirche angetreten sind, über sich selbst hinaus weitertreibt. Noch mehr Politisierung, noch weniger Liturgie (um's mal ganz holzschnittartig zu sagen). Aber dann steht da plötzlich dieser Satz, "im Mittelpunkt" müssten das Abendmahl und das Kreuz stehen. Das lässt aufhorchen. Tatsächlich war es hauptsächlich diese Passage, die mich motiviert hat, das Konzept #einfachkirche überhaupt eines zweiten Blickes zu würdigen. Nur - die Frage klang oben schon an - was meint Jonas Goebel überhaupt mit diesen wohklingenden Worten? 

Die einigermaßen problematische Antwort lautet: Man weiß es nicht. Womöglich weiß er es nicht mal selber. Zum Stichwort "Abendmahl" liest man etwa in dem bereits erwähnten Artikel "Warum wir alle das Abendmahl katholisch feiern sollten" (auf den ich hier und jetzt gleichwohl nicht näher einzugehen gedenke): 
"Ganz klar: Für mich verwandeln sich Brot und Wein nicht in Körper und Blut von Jesus."
Da frage ich mich nun (als Katholik natürlich; aber strenggläubige Lutheraner könnten ihn, der immerhin im Dienst einer lutherischen Landeskirche steht, im Prinzip dasselbe fragen): Wenn das so wäre - wenn Jesus Christus in der Eucharistie nicht leiblich anwesend wäre -, was genau wäre am Abendmahl dann eigentlich so wichtig? Diese Frage beschäftigt Jonas Goebel offenbar schon länger: Im zarten Alter von 25 Jahren hat er sogar ein Buch dazu veröffentlicht. Sollte ich vielleicht mal lesen, was? Na, vielleicht lieber nicht. Ich würde ja auch nicht auf der Basis von Jugendsünden beurteilt werden wollen, die ich mit Mitte 20 verzapft habe. Darf gar nicht dran denken. Im Blogartikel zum Buch jedenfalls erklärt der Verfasser: 
"Glaubt man wichtigen theologischen Nachschlagewerken, dann ist das Abendmahl 'der höchste Ausdruck der Einheit der Kirche' und 'der Höhepunkt und die Quelle der christlichen Glaubensgemeinschaft'. Doch die Realität in den Kirchen unseres Landes sieht häufig anders aus."
Und aus diesem Grund - weil er die Abendmahlspraxis so, wie er sie kennt, eher doof findet - bietet er in seinem Buch 
"sieben Anstöße. Für ein erneuertes Abendmahl, das in seinem Inhalt, seiner Form und seiner Atmosphäre mit dem ursprünglichen bzw. neutestamentlichen Abendmahl wieder vergleichbar wird."
Ich  weiß ja nicht: Letzteres klingt für mich irgendwie eher nach LARP. Wobei mir bewusst ist, dass eine solche Auffassung über Sinn und Funktion von Abendmahl bzw. Eucharistie heutzutage recht verbreitet ist. Zum Teil sogar unter Katholiken. Katechetisch mangelhaft gebildeten Katholiken natürlich, aber wer ist das heutzutage nicht

Halten wir also fest: Das Abendmahl soll im Rahmen von #einfachkirche eine irgendwie ganz doll wichtige Stellung einnehmen, nur welche, das ist irgendwie unklar. Und wie ist es nun mit dem Kreuz? Unter der "Botschaft eines am Kreuz gestorbenen Jesus" kann man schließlich auch eine ganze Menge Unterschiedliches verstehen. Nicht zuletzt auch in Abhängigkeit davon, ob man die Botschaft vom Kreuz von der Auferstehung her versteht oder eben nicht. Dass in der zitierten Passage des #einfachkirche-Minimanifests von Auferstehung keine Rede ist, muss freilich nichts zu bedeuten haben; könnte aber. Folglich habe ich mal "Auferstehung" in die Suchmaske des Blogs eingegeben, und der erste Treffer (von insgesamt nur zweien) war ein Artikel über die erste Beerdigung, der der junge Vikar vorzustehen hatte. Da heißt es: 
"Ich habe – wie ich finde – viel und deutlich über Jesus und die Auferstehung gesprochen. Was ich dabei tunlichst umgehe: Klare Aussagen über exakt den Verstorbenen zu machen. Wo ist er jetzt? Schon bei Gott? Oder noch nicht? Kommen alle Menschen zu Gott? Gibt es ein Gericht? Gibt es eigentlich Himmel und Hölle?
Ich habe eine klare theologische Meinung zu all diesen Themen. Aber hat das seinen Platz auf der Beerdigung? Ich merke: Es ist ein Spagat zwischen tröstenden Worten und theologischen Zweifeln oder Auffassungen." 
Nun wohl: Was den Spagat gegenüber den trauernden Beerdigungsgästen angeht, gebe ich ihm Recht. Aus der Perspektive des Bloglesers hingegen finde ich es, gelinde gesagt, unbefriedigend, dass der Verfasser zwar zu erkennen gibt, "eine klare theologische Meinung" zu haben, diese aber nicht mitteilt? (Ich hatte zuerst "verrät" geschrieben, dann aber festgestellt, dass das doppeldeutig klingt.) Soll so #einfachkirche funktionieren? Dass man sich zu schwierigen, sperrigen Glaubensfragen bedeckt hält und sich stattdessen lieber auf neue Formen des "Kirche-Seins" konzentriert? Es sieht ein bisschen danach aus. 

Trotz alledem habe ich den Eindruck, es könnte sich lohnen, sich mit einigen Aspekten von #einfachkirche näher zu befassen. Ich habe vor, an der Sache dranzubleiben, auch wenn es recht wahrscheinlich ist, dass ich erst nach meiner Reise in die Wesermarsch dazu kommen werde. Eins muss ich aber auf jeden Fall noch loswerden; wenn Jonas Goebel schreibt:
"Ich nenne diese Kirche einfachkirche. Weil sie einfach Kirche ist. Nichts besonderes. Kirche. Nicht mehr und nicht weniger. Einfach Kirche. Und weil Kirche – eigentlich – einfach einfach ist. Nicht kompliziert. Nicht schwer zu verstehen", 
dann muss ich ihm da schon mal widersprechen. Mir erscheint seine Vorstellung von #einfachkirche alles andere als einfach. Ich finde sie ziemlich kompliziert und sehr schwer zu verstehen. Allerdings kann ich vorläufig nicht ausschließen, dass das vielleicht nur daran liegt, dass ich mehr aus diesem Konzept rauszuholen versuche, als in Wirklichkeit drin ist. Wir werden sehen...