Mittwoch, 10. Juli 2024

Im Tal von Achor

Das Tal Achor, das im Westjordanland etwas südöstlich von Jericho lokalisiert wird (und wir wissen ja: Zwischen Jericho und Jerusalem liegt der Weg der Barmherzigkeit), wird im Alten Testament fünfmal erwähnt; die Mehrzahl dieser Erwähnungen findet sich im Buch Josua und steht somit im Zusammenhang mit der Landnahme des Volkes Israel. Als nach der Eroberung Jerichos ein Mann namens Achor einen Teil der Beute für sich behält und damit den Zorn Gottes auf das ganze Volk heraufbeschwört, wird er im Tal Achor gesteinigt und verbrannt (vgl. Josua 7); der Name des Tales wird als "Unheil" oder "Betrübnis" gedeutet. Gerade dieser Umstand scheint wesentlich dafür zu sein, dass das Tal Achor in den Prophetenbüchern, bei Jesaja und Hosea, in einem ganz anderen Kontext erwähnt wird – als ein Ort der Hoffnung und der Verheißung. "Dann wird die Scharonebene zur Schafweide / und das Achortal zum Lagerplatz der Rinder, / für mein Volk, das mich sucht", heißt es in Jesaja 65,10, und in Hosea 2,17b: "Das Achor-Tal werde ich für sie zum Tor der Hoffnung machen". 

"Im Tal vom Achor" ist außerdem der Titel eines deutschen Independent-Western aus dem Jahr 2022, aber darum soll es hier nicht gehen.

Vor einigen Wochen ging ich mit meinem Jüngsten um die Mittagszeit zum S-Bahnhof Tegel, in der Absicht, meine Liebste abzuholen, wenn sie von der Arbeit kam. Allerdings kam sie eine oder zwei Bahnen später als erwartet – was insofern eine interessante Fügung war, als ich während der Wartezeit ein interessantes Gespräch hatte. Ich wurde von einer Frau angesprochen, die vor Jahren ein paarmal bei unserem "Büchertreff" in Herz Jesu Tegel gewesen war, sich daher an mich erinnerte und nun von mir wissen wollte, ob es diese Veranstaltungsreihe noch gebe. Das musste ich ja nun verneinen, hielt mich, was die Gründe anging, indes einigermaßen bedeckt und wies stattdessen darauf hin, dass neuerdings der Förderverein von Herz Jesu in unregelmäßigen Abständen ein geselliges Beisammensein nach der Sonntagsmesse veranstalte, meines Wissens auch mit ein bisschen "Kulturprogramm", und die Bücher seien ebenfalls noch da. Die nächste Veranstaltung dieser Art sei am 9. Juni. Da könne sie nicht, erklärte die Dame: Da sei sie bei einem Arbeitseinsatz auf einem Hof im Kreis Teltow-Fläming, der von einer christlichen Initiative zu einer Begegnungsstätte und einem "Ort kirchlichen Lebens" (wie das im Pastoralkonzept des Erzbistums Berlin genannt wird) aus- und umgestaltet werde. Das fand ich ja nun ausgesprochen spannend; viel mehr konnte mir die Dame dazu zwar nicht sagen – sie war wohl selbst noch nie dort gewesen und war lediglich von einer Freundin zu diesem Arbeitseinsatz eingeladen worden –, aber anhand der Stichworte, die sie genannt hatte, wurde ich im Internet fündig. Was ich fand, war die Website des Vereins Achor e.V., der in Märkisch Wilmersdorf, einem Ortsteil von Trebbin, Teile eines denkmalgeschützten Dreiseitenhofs instandgesetzt hat (und an anderen Teilen des Gebäudeensembles weiterhin arbeitet) und dort, wie es auf der Website heißt, einen "lebendigen Ort der Begegnung" betreibt – mit Gästezimmern und Seminarräumen, einer großen Gemeinschaftsküche, einem Gottesdienstraum, einer Anbetungskapelle und einem Blumen-, Obst- und Gemüsegarten. Kurz, auf den ersten Blick sah das stark danach aus, als sei da Manches von dem verwirklicht, was meiner Liebsten und mir seit ein paar Jahren als Projektidee/Vision/Lebensmodell unter dem Arbeitstitel "Pfarrhausfamilie" im Hinterstübchen herumgeistert; oder zumindest, dass das Projekt "Achorhof" ausreichend Ähnlichkeit mit unserer Vision hat, dass man sich da einige Anregungen erhoffen konnte. Als ich meiner Liebsten davon erzählte, zeigte sie sich – sehr pragmatisch – vor allem an der Frage interessiert, wie dieses Projekt sich eigentlich finanziert. Wie man der Website entnehmen kann, erhält der Achorhof sowohl vom Bonifatiuswerk als auch vom Land Brandenburg Fördermittel; da wär's schon spannend zu erfahren, wie der Verein das eigentlich geschafft hat. 

Zunächst einmal wollte ich aber die ausgeprägte Vorliebe unseres Jüngsten für Ausflüge mit der Regionalbahn dazu nutzen, mir den Achorhof bei Gelegenheit mal persönlich anzusehen. Die Gelegenheit ergab sich am 24. Juni, dem Hochfest der Geburt Johannes des Täufers – einem Montag, an dem wir nicht, wie sonst montags üblich, bei meinen Schwiegermüttern eingeladen waren, da diese verreist waren. Schönes Wetter war obendrein; also fuhren wir, nachdem wir das Tochterkind zur Schule gebracht hatten, mit der S-Bahn zum Potsdamer Platz und von dort aus mit der Regionalbahn nach Thyrow (ebenfalls ein Ortsteil von Trebbin). Von dort aus hätte man mit dem Bus weiterfahren können, aber mir war eher danach, zu Fuß zu gehen. Ein Stück des Weges führte an der Landesstraße 795 entlang, und da gab es keinen Fußweg; das war etwas strapaziös, aber schon bald zweigte rechter Hand ein idyllischer Feldweg ab, und von da an flogen auf der gesamten rund zwei Kilometer langen Strecke Schmetterlinge vor uns her. 

Als wir schließlich das Gelände des Achorhofes erreichten, sahen wir auf einer Art Veranda vor einem Gebäude, an dem offenbar Umbau- oder Renovierungsarbeiten im Gange sind, zwei Männer sitzen und Mittagspause machen; ich meinte, es wäre wohl sinnvoll, diese Männer anzusprechen, woraufhin mein Jüngster kurzerhand beschloss, ihnen die Kuscheltiere vorzustellen, die er auf diesen Ausflug mitgenommen hatte – einen Hund, einen Roboter und ein Alien. Die Männer reagierten darauf freundlich amüsiert; als ich erklärte, wir seien hier, weil wir sozusagen gerüchteweise von diesem Hof und der Gemeinschaft, die ihn betreibt, gehört hätten und nun Genaueres zu erfahren hofften, erklärten sie allerdings, dazu könnten sie uns gar nicht viel sagen: "Wir arbeiten nur hier." Wir dürften uns aber gern auf dem Gelände umsehen, meinten sie, und einer fügte hinzu: "Es gibt hier eine Frau – die wohnt sogar hier, glaub' ich –, die kann euch alles zeigen. Die müsste jetzt auch da sein." 


Die besagte Frau – sie hieß Claudia – trafen wir tatsächlich recht bald, und sie zeigte sich überaus erfreut über unseren unangekündigten Besuch und unser Interesse. Zunächst berichtete sie ausführlich über die laufenden Restaurierungsarbeiten an einem rund 250 Jahre alten Fachwerkhaus an der Südseite des Hofes; das war durchaus interessant, aber andere Aspekte des Projekts Achorhof interessierten mich dann doch noch mehr. So etwa, dass es in der ehemaligen Scheune des Hofes eine Gemeinschaftsküche mit "Geschirr für 100 Personen" gibt – 

– und am anderen Ende der Scheune eine große Bühne – 


– und nicht zu vergessen einen Gottesdienstraum im ehemaligen Pferdestall.


Auch im Garten gab es allerlei zu entdecken – z.B. eine "Vogel-Lausch-Station" –, und wir durften Stachelbeeren und Schwarze Johannisbeeren direkt vom Strauch naschen. 






Insgesamt nahm die gute Claudia sich fast zwei Stunden Zeit, um uns auf dem Hof herumzuführen, und wir unterhielten uns dabei ausgesprochen gut. Als eine bemerkenswerte Fügung kann man es übrigens auch betrachten, das unser spontaner Besuch just auf den 3. Todestag der Gründerin des Achor-Vereins fiel; ihrem Grab auf dem bebachbarten Dorfkirchhof statteten wir ebenfalls einen kurzen Besuch ab, die Dorfkirche selbst war allerdings verschlossen. 

Insgesamt würde ich sagen, das war ein rundum gelungener Erstkontakt; wir kommen definitiv wieder, das nächste Mal möglichst zu viert. Eventuell gäbe es in den Sommerferien sogar mal Gelegenheit, bei den in Haus und Garten anfallenden Arbeiten mitzuhelfen... Ich werde berichten! 


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