Mittwoch, 8. Mai 2024

Immer wieder mittwochs – spezial: Hl. Josef der Arbeiter

So kann's kommen, Leser: Kaum habe ich – im Creative Minority Report Nr. 26 – "versuchsweise" die Wochenbriefing-Rubrik "Immer wieder mittwochs" eingeführt, da wächst diese Rubrik auch schon über den Rahmen des Wochenbriefings hinaus und beansprucht einen eigenständigen Artikel. Was zugegebenermaßen wesentlich daran liegt, dass der vergangene Mittwoch kein "ganz normaler" Mittwoch war, sondern der 1. Maiweltlich ein in der Tradition der Arbeiterbewegung verwurzelter Feiertag, kirchlich seit 1955 ein dem Hl. Josef gewidmeter Festtag. Zum Hl. Josef, dem Beschützer und Ernährer der Heiligen Familie, habe ich ja eine besondere Affinität, seit ich selbst Familienvater bin, und zudem ist er der Patron unserer "Wahlgemeinde" in Siemensstadt. Dort gingen wir folgerichtig an diesem Mittwoch zur Messe – wobei ich mich ein wenig fragte, ob die Senioren in St. Marien Maternitas in Heiligensee, wo ich sonst gern mittwochs mit meinem Jüngsten zur Messe und zum anschließenden Frühstück gehe, uns wohl vermissten. Dafür, dass uns das Gemeindefrühstück in Heiligensee entging, wurden wir allerdings mehr als vollwertig entschädigt, denn im Anschluss an die Messe in St. Joseph Siemensstadt feierte der örtliche Pfarrvikar im Pfarrsaal seinen 60. Geburtstag nach, der in die Karwoche gefallen war. Aber mal der Reihe nach: 

In seinen Begrüßungsworten zur Messe führte der Pfarrvikar aus, der offizielle Patroziniumstag der Kirche St. Joseph Siemensstadt sei zwar der 19. März, das Hochfest des Hl. Josef; angesichts der Geschichte dieses Gotteshauses könne man aber durchaus meinen, das Fest Hl. Josef der Arbeiter wäre eigentlich das passendere Patrozinium. Warum? Weil es eine Arbeiterkirche ist, die von Siemens für die aus dem Rheinland und Süddeutschland angeworbenen katholischen Arbeiter seiner Firma gestiftet wurde. 

Altarbild des ehemaligen Hochaltars von St. Joseph Siemensstadt, jetzt an einer Seitenwand des Kirchenschiffs angebracht. 

Nach der Verlesung des Evangeliums kündigte der Pfarrvikar an, "nur ein paar Worte" über den Tagesheiligen und die Bedeutung seines Fests sagen zu wollen, aber tatsächlich wurde dann eine Predigt von fast einer Viertelstunde Länge daraus. Worüber ich mich jedoch keineswegs beklagen möchte, denn die Predigt war nicht nur lang, sondern auch sehr gehaltvoll – weshalb hier nun die Zwischenüberschrift 


Predigtnotizen 

folgen möge. – Die Gestalt des heiligen Josef zu betrachten, lade dazu ein, über Vaterschaft nachzudenken, betonte der Pfarrvikar einleitend; das schließe auch verschiedene Formen geistlicher Vaterschaft ein: "Wir alle haben sozusagen eine geistliche Elternschaft für die Menschen, die Gott uns anvertraut hat." Wie man es von seinen Predigten kaum anders gewohnt ist, gewann er diesem Ausgangsgedanken eine ganze Reihe bemerkenswerter Aspekte ab, von denen ich hier nur eine Auswahl ansprechen kann und will. 

So hob er mit Blick auf die 1. Lesung – aus dem "Priesterlichen Schöpfungsbericht" des Buches Genesis – hervor, die Signifikanz der Aussage, Gott habe den Menschen "männlich und weiblich" erschaffen (Gen 1,27b), liege darin, dass Gott Seine Liebe "in unsere Körper eingeschrieben" hat: eine "schöpferische Liebe", eine "Liebe, die fruchtbar wird". – Eine weitere Passage der Predigt, die mich aufhorchen ließ, lautete: 

"Josef fragt nach dem Willen Gottes. Das ist der Christ jeden Tag in der Früh, wenn er aufsteht. Er fragt sich: Lieber Gott, was möchtest du heute von mir, was ist heute dran, was hast du heute vorbereitet für mich?" 

Dass ich mich davon so angesprochen – und durchaus auch irgendwie "erwischt" – fühlte, hat mit der Erkenntnis zu tun, wie leicht man im Alltag der Versuchung erliegt, diese Frage gerade nicht zu stellen: Weil ja vermeintlich sowieso schon klar ist, was man zu tun hat (in meinem Fall: aufstehen, duschen, anziehen, die Kaffeemaschine anstellen, Frühstück für die Kinder vorbereiten, die Kinder wecken und so weiter, bis man die Große in der Schule abgeliefert hat; und dann hat man vielleicht mal Zeit, innezuhalten und sich selbst und das kleinere Kind zu fragen "Was machen wir heute?"). Also, ich nehme mir das mal als Hausaufgabe mit. 

Ein großer Teil der Predigt drehte sich darum, die Seligpreisungen der Bergpredigt als "Schlüssel für Elternschaft" zu betrachten, und zwar vorrangig die erste: "Selig, die arm sind vor Gott" (Mt 5,3). Auch das erwies sich als ausgesprochen relevant für mein tägliches Leben. "Um Eltern zu sein, muss man die eigene Armut annehmen", stellte der Pfarrvikar fest und fügte hinzu: "Das gilt nicht nur für Eltern, das gilt auch für mich als Priester." Diese Armut äußere sich etwa darin, dass man seine "Zeit, die Kräfte, die Energie" nicht mehr für sich selbst habe: Elternschaft erfordere, 

"sich loszulösen von den eigenen Plänen, von den eigenen Vorstellungen. Wenn Sie Kinder haben, dann wissen Sie: Man kann nichts mehr planen. Zumindest wenn sie klein sind. Das heißt: Ein anderer wird unser Meister, und das sind die Kinder. Das erfordert eine große Armut. Wenn wir nur unsere Pläne, unsere Vorstellungen sehen, werden wir den Kindern nicht gerecht. Dasselbe gilt auch für uns Priester." 

"Die eigene Armut anzunehmen" und "sich loszulösen von sich selbst" bedeute unter anderem, "die eigenen Interessen nicht an die erste Stelle zu setzen", sondern sie denen des Ehepartners und der Kinder unterzuordnen. "Vater sein ist kein Besitz; Priester sein ist auch kein Besitz. Sondern es ist ein Widerspiegeln der Elternschaft Gottes, die großzügig ist." Daneben und darüber hinaus gebe es aber auch 

"noch eine zweite Armut: Nicht nur, dass die Kinder unsere Pläne, unsere Zeit, unser Geld und so weiter in ihren Dienst nehmen, sondern sie führen uns auch an unsere Grenzen. Und das ist sehr schwierig anzunehmen, wenn Kinder uns an unsere Grenzen führen." 

Die eigenen Grenzen zu sehen, bedeute etwa, "den Mangel an Sanftmut zu sehen, den Mangel an Barmherzigkeit zu sehen; dass man sieht, dass man manchmal zornig wird und dass man nervös wird. [...] Man sieht, man müsste dieses und jenes tun, und man sieht die Unmöglichkeit." – Und wie kann es gelingen, diese eigenen Unzulänglichkeiten anzunehmen? Mit Demut

"Demut sagt uns, dass Gott auch noch existiert. Dass wir nicht die Erlöser von allem sind – das gilt auch für uns Priester –, sondern dass Gott existiert und dass Er mit den Kindern das tun wird, den Weg führen wird, den Er möchte. Und Demut zieht Gnade an. Eine Familie, die aus der Gnade lebt – das heißt, mit Freude, mit einem Klima der Dankbarkeit und der Großzügigkeit –, das spricht von Gott. Wenn alles perfekt sein muss, dann wird es eng, dann wird es hart. Deswegen: Die eigene Armut anzunehmen, die eigene Unzulänglichkeit anzunehmen, ist Demut, aber auch Gnade – denn es öffnet die Tür für den Herrn." 

Abschließend betonte der Prediger mit Blick auf das Patrozinium der Siemensstädter Kirche die "große Gnade, dass der heilige Josef unser Patron ist": "Der heilige Josef ist ein guter Nährvater. Er wird auch in der Zukunft für uns sorgen." Und schließlich: "Die Fürsprache des heiligen Josef für uns, für unsere Familien ist immer eine Gnade, eine Stärkung und ein Geschenk." 


Schwein gehabt 

Am Ende der Messe wurden dem Pfarrvikar Geburtstagsgeschenke überreicht, der Pfarrer, der zuvor noch eine Messe im Seniorenheim St. Elisabeth gehalten hatte, aber noch rechtzeitig in St. Joseph eingetroffen war, um bei der Eucharistiefeier zu konzelebrieren, hielt eine kleine, herzliche Ansprache, und aus der Gemeinde heraus wurden zwei Geburtstagsständchen angestimmt, eins davon auf Polnisch. Insgesamt war es schön zu sehen, wie beliebt der Pfarrvikar in der Gemeinde ist, in der er bis zur Pfarreifusion Anfang 2023 Pfarrer war. In seinen Dankesworten lud er die anwesende Gemeinde zu einem Geburtstagsschmaus im Pfarrsaal ein und betonte, zu essen gebe es genug: "Gott ist wieder einmal großzügig gewesen, nehme ich an." 

Das erwies sich als richtig.  

Die Kinder ließen sich die Überzeugung nicht ausreden, bei dem Spanferkel handle es sich um ein "Wildschwein".

Wir hatten auch etwas zum Büffet beigesteuert, nämlich einen mediterranen Pastasalat – von dem wir aber leider einen großen Teil wieder mitnehmen mussten, da die Gesamtmenge des aufgetischten Essens einfach zu groß war

Da es im Pfarrsaal ziemlich voll und draußen schönes Wetter war, sicherten wir uns einen Tisch auf der Terrasse, die Kinder spielten zeitweilig im Garten mit den Töchtern einer KiWoGo- und Wichtelgruppen-Teamkollegin. Am Tisch bekamen wir Gesellschaft von einer Frau, die in der Messe Geige gespielt hatte, und ihrer Tochter, die am darauffolgenden Sonntag Erstkommunion hatte. Wir unterhielten uns ausgesprochen gut, unter anderem über das Thema Schule (wie sich zeigte, war die Frau mit der Geige Lehrerin), und dem Mädchen legte ich augenzwinkernd nahe, es dürfe gern auch nach der Erstkommunion weiter zum Kinderwortgottesdienst kommen. 


Währenddessen in Tegel 

Wir verließen die Feier gegen 13:30 Uhr, da wir noch zum "Patronats- und Siedlungsfest" von St. Joseph Tegel wollten – wo, wie schon im vorigen Jahr, eine ganze Menge geboten wurde: 


Meine Liebste, deren Widerwille gegen die Aussicht auf ein Wiedersehen mit Leuten, die uns seinerzeit die aktive Mitarbeit in der Tegeler Pfarrei verleidet haben, noch deutlich ausgeprägter ist als mein eigener, war zunächst sehr skeptisch gewesen, ob sie zu diesem Fest mitkommen wollte, aber Coffee-Bike und Crêpe-Stand waren schon starke Argumente – während für die Kinder schon die Hüpfburg als Anreiz völlig ausreichend war. Zumindest theoretisch. Als wir in Siemensstadt aufbrachen, erwiesen sich die Kinder als aufgekratzt, launisch und müde zugleich – eine explosive Mischung. Für den Jüngsten war ohnehin eigentlich Mittagsschlafzeit, und meine Liebste stellte fest, dass sie sich am liebsten ebenfalls für ein paar Stunden zu Hause aufs Ohr legen würde. Dass der Rückweg von Siemensstadt nach Tegel wiederum von verpassten Bussen geprägt war und sich folglich ziemlich (oder eher unziemlich) in die Länge zog, machte die Gesamtsituation nicht gerade besser, und so stand es zwischenzeitlich ziemlich auf der Kippe, ob wir es überhaupt noch nach St. Joseph Tegel schaffen würden. Nach einigem Hin und Her entschieden sich aber doch beide Kinder dafür, mit mir zu dem Fest zu gehen, und meine Liebste durfte sich zu Hause ausruhen. 

Als wir ankamen, war es schon fast halb Vier; kurz vorher war der Kleene im Wagen eingeschlafen, die Große stürzte sich direkt auf die Hüpfburg, und ich hatte Zeit, mich umzusehen. 

Auf den ersten Blick drängte sich mir noch stärker als im vorigen Jahr den Eindruck auf, dieses Fest habe mit der örtlichen Kirchengemeinde überhaupt nichts zu tun. Okay, natürlich kann es sein, dass sich die Zusammensetzung dieser Gemeinde in den letzten Jahren – also seit meine Liebste und ich nicht mehr in der Tegeler Pfarrei aktiv sind – erheblich verändert hat; aber so sehr dann wohl doch nicht, dass das Erscheinungsbild dieser vor wenigen Jahren noch überalterten und akut vom Aussterben bedrohten Gemeinde plötzlich von jungen Familien dominiert würde. Wie ich schon im vorigen Jahr notiert habe, ist es wohl eher so, dass der Aufschwung geselliger Aktivitäten in der Gemeinde St.Joseph Tegel wesentlich auf das Engagement einer kleinen Gruppe von KiTa-Eltern zurückzuführen ist – und nach dem Prinzip "Gleich und gleich gesellt sich gern" eben auch ein entsprechendes Publikum anzieht. Davon abgesehen heißt das Dingens ja nicht von ungefähr seit letztem Jahr "Patronats- und Siedlungsfest", richtet sich also ausdrücklich auch an die Nachbarn, und es könnte durchaus sein, dass einige der Häuser in der St.-Josephs-Siedlung in dem letzten Jahren an jüngere Leute vererbt oder verkauft wurden. – Nun kann man natürlich sagen: Ist doch gut, wenn auf diese Weise mal wieder "Leben in die Bude kommt"; zumal das womöglich die Chancen erhöht, diesen Kirchenstandort zu erhalten, dem Schrumpfungskurs des Erzbistums zum Trotz. So gesehen würde ich diese Entwicklung gern begrüßen – wenn, ja wenn sie einherginge mit Bemühungen um eine geistliche Erneuerung der Gemeinde, um so etwas wie Neuevangelisierung. Davon ist aber nicht viel zu bemerken. Okay, neben der regelmäßigen Vorabendmesse und einer wöchentlichen Werktagsmesse (die, wie berichtet, erst kürzlich von der Pfarrkirche Herz Jesu hierher verlegt worden ist) gibt es in St. Joseph Tegel ungefähr einmal im Monat eine Familienandacht; da sollte man vielleicht mal hingehen, wenn sie nicht gerade mit dem Kinderwortgottesdienst in St. Joseph Siemensstadt kollidiert. Im Ganzen habe ich aber eher den Eindruck, dass die Kirchengemeinde sich zu einem bloßen Anhängsel der KiTa entwickelt – ein Phänomen, das wohl auch andernorts nicht ganz selten ist

Diese aus einem alten Baumstumpf geschnitzte, mit einem Kreuz in der Rückenlehne verzierte Sitzgelegenheit wird allmählich von Ameisen zersetzt. Ist das symbolisch für irgendwas? Und wenn ja, wofür?

Wie dem auch sei: Bei meinem ersten Rundgang über das Festgelände sah ich nur eine einzige Person, die ich "von früher" kannte, und das war eine alte Frau, die schon "damals" bei so gut wie keiner Veranstaltung der Pfarrei gefehlt hatte – was auch beinhaltete, dass sie regelmäßig an unserem "Dinner mit Gott" und sogar an unseren Lobpreisandachten teilnahm. Von den Hauptamtlichen der Pfarrei, und ebenso den ehrenamtlichen "Erzlaien", war derweil keine Spur zu entdecken. Zunächst dachte ich, es gäbe vielleicht irgendwo etwas abseits vom gemeinen Pöbel einen "Honoratiorentisch", aber das war nicht der Fall; wahrscheinlich waren die Honoratioren der Gemeinde schon wieder gegangen. (Der Pfarrer tauchte später kurzzeitig noch einmal an der Bierbude auf, aber wir hatten keinen direkten Kontakt zueinander. War vielleicht auch besser so.) 

Ein heikles Thema bei Pfarrfesten ist ja immer die Frage der Bezahlung für Speis und Trank, besonders wenn man es vermeiden will, dass die ganze Veranstaltung umsatzsteuerpflichtig wird. Beim "Patronats- und Siedlungsfest St. Joseph" war das schon im vorigen Jahr so gelöst worden, dass alle Speisen und Getränke nicht gegen Geld, sondern ausschließlich gegen Wertmarken ausgegeben wurden, die man an einem separaten Stand kaufen musste. Das war auch diesmal wieder so, und zu meiner Überraschung erstreckte sich das sogar auf das Coffee-Bike

Noch schlechter als letztes Jahr war die Musik. Statt eines graubärtigen DJs mit Bierbauch und Sonnenbrille gab es diesmal einen Jugendlichen mit Laptop, und ich kann ernsthaft nur hoffen, dass er die Playlist, die er abspielte, nicht selbst zusammengestellt hatte, denn sie umfasste fast ausschließlich Stücke aus dem Grenzbereich zwischen Deutschpop und Deutschem Schlager. Ein bisschen aus dem Rahmen fiel "Ein Kompliment" von Sportfreunde Stiller, davon abgesehen musste man Grönemeyer, Nina und Klaus Lage schon als die Highlights des Programms bezeichnen. Als ich zwischendurch mal ins Gemeindehaus ging, um meinem inzwischen wach gewordenen Jüngsten die Windel zu wechseln, drang durchs offene Fenster "Musik nur, wenn sie laut ist" herein, und ohne dass es mir bewusst gewesen wäre, muss ich wohl laut mitgesungen haben, denn auf dem Weg zurück nach draußen kam mir eine junge Frau entgegen, die sehr freundlich lächelnd zu mir sagte: "Grönemeyer singen und dabei das Kind wickeln, das war schön."

Zu diesem Detail meines Berichts möchte ich anmerken, dass ich schon öfter die bemerkenswerte Erfahrung gemacht habe, wie sehr eine einzige nette Begegnung, eine einzige freundliche Anrede die Stimmung komplett drehen kann. So ist der Mensch offenbar gestrickt. (Es funktioniert leider auch in umgekehrter Richtung, und das ist gerade im kirchlichen Kontext häufig ein Problem, z.B. beim Messbesuch mit Kindern; aber das mal nur am Rande.) Bis zu dem hier geschilderten Moment hatte ich mich gelangweilt, mich fehl am Platze gefühlt und gehofft, nicht allzu lange bleiben zu müssen; aber jetzt gefiel es mir plötzlich recht gut auf diesem Fest, und ich überwand mich sogar, ein paar Wertmarken zu kaufen, um für mich und die Kinder etwas zu trinken zu besorgen. Auch der Eindruck, die alteingesessene örtliche Kirchengemeinde sei auf diesem Fest praktisch nicht vertreten, relativierte sich ein wenig: Außer dem Pfarrer sah ich auch die bei früherer Gelegenheit schon gewürdigte pensionierte Gemeindereferentin (an einem Stand, an dem der Förderverein Spenden für die offenbar gerade in Arbeit befindliche Erneuerung des Kirchendaches sammelte), und dann hatte ich sogar ein ausgesprochen nettes Gespräch mit einer Frau, die ich aus meiner Zeit im Pfarrgemeinderat kannte.

Die Kinder hatten derweil sowieso Spaß; dafür sorgte nicht allein die Hüpfburg, sondern auch der Umstand, dass zur Feier des Tages der Spielplatz der Kita frei zugänglich war. Das Tochterkind freundete sich bei dieser Gelegenheit übrigens mit einem vielleicht zwei bis drei Jahre älteren Mädchen an, das, wie sich herausstellte, die Tochter eines der Organisatoren des Fests war. Vielleicht sollte man mal versuchen, den Kontakt zu halten bzw. auszubauen – könnte spannend werden...

Als ich die Kinder zwischendurch fragte, ob wir mal in die Kirche reinschauen wollten, bejahten sie fröhlich. Wir zündeten Opferkerzen an, und ich war nicht gerade überrascht, dass der Jüngste – wohl schon aus Gewohnheit – fragte, ob wir Musik anmachen könnten. Ich sagte jedoch, daß würde wohl nicht gehen, zumal draußen ja andere Musik gespielt würde. Wobei ich ehrlich sagen muss, Lust gehabt hätte ich eigentlich schon, der penetranten Schlagermucke etwas Lobpreis entgegenzusetzen. 

Diese Madonnenfigur entdeckten meine Kinder im Gebüsch am Rande des Kirchengrundstücks. Ich war verblüfft.

Am Ende war es so, dass die Kinder – nachdem ich sie zunächst überhaupt nur mit Mühe hierher gekriegt hatte – von diesem Fest gar nicht mehr weg wollten. Auch nicht, nachdem aus der Hüpfburg die Luft rausgelassen worden war. Um nochmals auf die Musik zurückzukommen: Als das Festgelände sich allmählich leerte, ging der jugendliche DJ dazu über, quasi als "Rausschmeißer" die Art von Musik zu spielen, die er vermutlich privat hört; das war dann eben auf andere Art Scheiße. Der Song "Wildberry Lillet" von Nina Chuba lief sogar zweimal; den kannte ich bisher gar nicht, aber meine Tochter meinte, sie kennt das Lied aus der Schule. Na, was soll man sagen. Sympathiepunkte gibt's übrigens dafür, dass, als der Grillstand abgebaut wurde, die fertigen, aber nicht verkauften Würste gratis ausgegeben wurden. Insgesamt war es ein wirklich gelungenes Fest, und ich muss gestehen, ich habe erhebliche Zweifel, ob das Pfarrfest in Maria, Hilfe der Christen im Anschluss an die Spandauer Fronleichnamsprozession auch nur halb so gut wird. Okay, vielleicht erlebe ich diesbezüglich eine Überraschung; aber mich beunruhigt ein wenig die Vorstellung, es gebe womöglich einen tieferen Zusammenhang zwischen der Qualität des Tegeler St.-Josephs-Fests und der Tatsache, dass es nicht in erster Linie von und für "church people" organisiert wurde. Diesen Gedanken gilt es sicherlich noch zu vertiefen – und zu überprüfen. Ich komme darauf zurück, wenn die Spandauer Fronleichnamsfeier über die Bühne gegangen ist... 


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