Um der immer wieder interessanten Frage "Was geht eigentlich so in der Pfarrei St. Willehad?" nachzugehen, war in meinem jüngsten Wochenbriefing kein Platz; dann also jetzt! Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Facebook-Seite der Pfarrei sich über Weihnachten offenbar gründlich von der Sprachlosigkeit erholt hat, die sie angesichts des Wirbels um den neuen Aushilfspriester Michael Kenkel befallen hatte. Zur Sache – nämlich zur Diskrepanz zwischen den Angaben, die im Pfarrbrief und gegenüber der Lokalpresse zum Stand des kirchenrechtlichen Verfahrens gegen P. Kenkel gemacht wurden, und der Richtigstellung des Bischöflichen Offizialats – hat man sich dort immer noch nicht geäußert; umso besser, dass man mit stimmungsvollem jahreszeitlichen Content von dieser Frage ablenken kann, und diese Gelegenheit wurde weidlich genutzt – zunächst mit Krippenbildern aus den Kirchen in Nordenham und Burhave, dann mit einer ganzen Reihe von Beiträgen zur Sternsingeraktion. Sternsinger mit dem Bürgermeister der Gemeinde Butjadingen vor dem Rathaus, Sternsinger im Niedersächsischen Landtag, Sternsinger im Schnee und unter dem Weihnachtsbaum, Sternsinger in der Messe in der Pfarrkirche St. Willehad, Sternsinger im "Boni-Bus" und beim gemeinsamen Neujahrsempfang der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden Nordenhams. Immerhin, das muss der Neid ihnen lassen, haben die Verantwortlichen der Pfarrei es geschafft, eine beachtliche Anzahl von Kindern und Jugendlichen für die Sternsingeraktion zu rekrutieren: 30 sollen es einem Bericht der Nordwest-Zeitung zufolge gewesen, das sind für eine so kleine Diaspora-Pfarrei ganz schön viele, wie ich finde.
Dass bei der Berichterstattung über die Sternsingeraktion gerade die Empfänge bei Politikern im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, ist nun nichts, was speziell die Pfarrei St. Willehad beträfe; im Gegenteil, es ist charakteristisch für den Stil der öffentlichen Selbstdarstellung der "Aktion Dreikönigssingen" des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", zu der bereits seit 1984 auch ein Besuch der Sternsinger im Bundeskanzleramt gehört. Über die "[v]ermaledeite Staatsnähe der deutschen Kirche", die darin zum Ausdruck kommt, habe ich mich schon 2016, noch ehe es Punkpastoral und Benedikt-Option gab, beklagt; ich meinte seinerzeit sogar, "[m]it etwas bösem Willen" könne man "beim Sternsingerempfang im Bundeskanzleramt den unbehaglichen Eindruck einer Anbetung der weltlichen Macht bekommen". Diesen Eindruck vermittelt ein Besuch beim Bürgermeister der Gemeinde Butjadingen nun wohl zugegebenermaßen eher weniger, aber dass es etwas mit dem Sonnen im Glanz einer vermeintlichen gesellschaftlichen Relevanz zu tun hat, wie ich es erst kürzlich anlässlich des Neujahrsempfangs der Pfarrei Heilige Familie Spandau-Havelland kritisiert habe, lasse ich mir nicht so leicht ausreden. Warum liest man eigentlich so selten etwas von Besuchen der Sternsinger in Pflegeheimen, in Notunterkünften für Obdachlose oder gar im Gefängnis? Ich will nicht unterstellen, dass die Sternsinger da nicht hingehen, aber jedenfalls ist es nicht prägend für die Wahrnehmung der Aktion in der Öffentlichkeit.
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Neues gibt es derweil auch von der St.-Willehad-KiTa, wie die Lokalpresse berichtet. In der Nordwest-Zeitung erfährt man unter der Überschrift "In diesem Haus steckt ganz viel Kneipp", dass die von der Pfarrei getragene KiTa bereits seit 2008 "eine vom Kneippverein zertifizierte Einrichtung" ist: "Das bedeutet, dass die fünf Elemente der Lehre von Sebastian Kneipp eine tragende Rolle in der Gestaltung des Kita-Alltags spielen." Abgesehen davon, dass ich das bisher nicht wusste, ist das an sich natürlich keine Neuigkeit; zu einer solchen wird es dadurch, dass die kneippianische Ausrichtung der Kita neuerdings "auch nach außen deutlich sichtbar wird" – durch die Aufstellung von "fünf Stelen aus Stahl [...], die die Elemente der Kneippschen Lehre symbolisieren: Wasser, Bewegung, Ernährung, Kräuter und Lebensordnung". Etwas genauer erfährt man's in der Kreiszeitung Wesermarsch:
"Eine kleine Plakette an jeder Stele informiert den Betrachter über ihre Bedeutung. Die blaue Wassersäule steht für erfrischende Lebensenergie, rot für Bewegung, orange für eine ausgewogene Ernährung, grün für die Kraft der Kräuter und gelb für eine harmonische Lebensordnung. Das zugehörige Element wurde zusätzlich als Schriftzug aus jeder Säule geschnitten."
Und jetzt frage ich mich, bin ich eigentlich der einzige, der findet, dass das irgendwie unangenehm sektenmäßig wirkt?
Ins Wasser fällt ein... na ja, ein Wassertropfen halt. (Symbolbild, Quelle: pxhere.com) |
Ich ahne an dieser Stelle einen Einwand voraus: Sebastian Kneipp (1821-1897) war doch katholischer Priester und wurde in Anerkennung seiner Pionierarbeit im Bereich der Naturheilkunde einige Jahre vor seinem Tod sogar zum Päpstlichen Geheimkämmerer ernannt – also passt Kneipp-Medizin doch irgendwie zu einer katholischen KiTa, oder?
Tja, das könnte man denken.
Der Haken an der Geschichte ist, dass der Kneipp-Bund nicht von Sebastian Kneipp gegründet wurde; er entstand erst nach dem Tod des populären "Wasserdoktors", und auch wenn der Verband sich selbstverständlich auf die Lehren seines Namenspatrons beruft, tut man gut daran, etwas genauer hinzuschauen, was die Kneippianer eigentlich wirklich lehren und praktizieren. Betrachtete Hochwürden Kneipp den ganzheitlichen Ansatz seiner Therapiemethoden noch als im christlichen Glauben verwurzelt, so ist davon heute in der öffentlichen Selbstdarstellung des Kneipp-Bunds abgesehen von schwammigen Gemeinplätzen (à la "christlich-humanistisches Menschenbild") nicht mehr viel zu bemerken. Stattdessen ist der Dachverband heute, wie man mittels einer einfachen Google-Recherche feststellen kann, hochgradig anthroposophisch unterwandert: Man arbeitet eng mit dem Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD) und dem führenden anthroposophischen Arznei- und Körperpflegemittelhersteller Weleda zusammen. Zu sagen "Wo Kneipp draufsteht, ist Rudolf Steiner drin", mag überspitzt sein, aber ein Körnchen Wahrheit steckt wohl doch in dieser Aussage. Jedenfalls wäre ich sehr vorsichtig damit, meine Kinder in eine Kneipp-KiTa gehen zu lassen.
Okay, zugegeben, ich bin bekanntermaßen sowieso kein Fan von KiTa-Betreuung. Aber wenn eine KiTa die ihr anvertrauten Kinder eingestandenermaßen mit esoterischen Lehren und Praktiken indoktriniert, würde ich doch sagen, dass da eine rote Linie überschritten ist. Gerade wenn man bedenkt, dass zweifellos viele katholische Eltern annehmen, wenn sie ihre Kinder in eine katholische KiTa schicken, könnten sie damit nichts falsch machen.
Der Witz an der Geschichte ist, dass die KiTa St. Willehad vermutlich mit sehr viel mehr Kritik seitens der Öffentlichkeit rechnen müsste, wenn sie ihre Arbeit in einem mehr als nur oberflächlichen Maße an der Lehre der katholischen Kirche ausrichtete: Daran würden die Leut' Anstoß nehmen, obwohl es sich bekanntermaßen um eine Einrichtung in Trägerschaft der katholischen Kirche handelt. Setzt man hingegen auf die Karte einer postchristlichen Wellness-Religion unter dem Motto "Uns selbst muss es gut gehen. Das ist das Prinzip der Lebensordnung" (so KiTa-Leiterin Christa Cyriakel in der Kreiszeitung), finden's alle prima.
Nun ist es durchaus nicht so, dass ich etwas dagegen hätte, wenn Kindergartenkinder in einem zur Einrichtung gehörenden Kräutergarten lernen, Kräuter zu "pflanzen, [zu] ernten und [zu] verarbeiten", wie man in der NWZ liest. Das fände ich wahrscheinlich sogar gut – wenn das denn alles wäre. "Ein festes Ritual ist der Kneipp-Tag, der an jedem Freitag in der Einrichtung stattfindet", berichtet das Blatt weiter, und auch hier wieder erklärt es die Konkurrenz von der Kreiszeitung etwas genauer:
"Jeden Freitag wird [...] eine Aktivität aus den fünf Elementen angeboten. Die Kinder können sich massieren lassen, spezielle Armwaschungen kennenlernen oder bei warmem Wetter das Wassertreten nach Kneipp probieren."
Es zeigt sich eben immer wieder, wie recht G.K. Chesterton hatte, als er schrieb: "Wer aufhört, an Gott zu glauben, der glaubt deshalb nicht an nichts; er glaubt vielmehr an alles Mögliche." Oder wie Bloggerkollegin Anna von Katholisch ohne Furcht und Tadel es erst kürzlich formulierte:
"Religiosität boomt [...] in Deutschland. Da sind einmal esoterische und pseudoreligiöse Phänomene: Traumfänger, Engelrufen, Tarot, Ausräuchern mit Salbei, frei schwebende 'Spiritualität'. Synkretistische Tendenzen: Buddhastatuen, ein weit verbreiteter Glaube an Wiedergeburt oder Karma. Und schließlich ersatzreligiöse Tendenzen: [...] Während Christen den Gedanken der Sühne aufgeben, blüht er in der Klimareligion auf. [...] Die Straßen sind also voller Religiosität. Nur die Kirchen sind leer."
Zum Status der St.-Willehad-KiTa als vom Kneippverein zertifizierte Einrichtung gehört es übrigens auch, dass "mindestens die Hälfte" der derzeit 18 in der Einrichtung beschäftigten Erzieherinnen "eine Ausbildung zur Gesundheitserzieherin nach Kneipp absolviert haben" muss. Die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist hingegen optional.
"Katholische" Kitas scheinen zumindest in manchen Pfarreien zu einer Spezies unhinterfragbarer und unantastbarer heiliger Kühe mutiert zu sein.
AntwortenLöschenBesonders in Diasporagemeinden fällt das auf, denn da gibt's mittlerweile oftmals kaum oder gar nichts anderes mehr außer den Kirchenräumen selbst, wodurch die Gemeinden in der Öffentlichkeit als "katholisch" in Erscheinung treten.
Bei uns im Erzbistum Hamburg (EB HH) läuft seit 2022 eine sog. Vermögens- und Immobilienreform (VIR), deren Zweck es ist, überflüssige und finanziell unrentable Immobilien und Vermögen in den Gemeinden aufzuspüren, irgendwie entweder rentabel oder gewinnbringend zu machen oder andernfalls abzustoßen und den finanziellen Erlös für das hochverschuldete EB HH zu generieren.
Es geht dabei offenbar in erster Linie ums Geld, nicht um den geistlich-religiösen Wert für die Menschen in den Großpfarreien und einzelnen Gemeinden - das ist jedenfalls MEIN Eindruck.
Jedenfalls durfte ab Beginn des VIR-Prozesses über alle Immobilien munter diskutiert werden - mit Ausnahme der Kitas, denn die bringen Geld von den Kommunen ein, wenngleich hier in der Diaspora die wenigsten Kinder darin katholisch sind und man dort meint auf die weltanschauliche Herkunft der Mehrheit Rücksicht nehmen zu müssen. Auch dieses geschieht m.E. vornehmlich, um etwaige Konflikte mit den staatlichen Finanzierern zu vermeiden.
Es ist deshalb kritisch zu hinterfragen, inwieweit denn die "katholischen" Kitas der Großpfarrei noch wirklich nennenswertes katholisches Profil haben und kath. Glaubenswahrheiten und -werte vermitteln und so dem Niedergang der kathol. Kirche vor Ort entgegen wirken. Noch schlimmer ist es, wenn statt wahrhaft katholischer andere Werte dort weiter gegeben würden.
Die Augen davor zu verschließen und die Probleme zu leugnen, ist jedenfalls nach meinem Dafürhalten keine ethisch akzeptable Lösung.
Also bei "die Kinder können sich massieren lassen" läuten bei mir in Zeiten der Missbrauchsskandale alle Alarmglocken... Tobi, hast du nicht so eine Schulung zur Prävention von Missbrauch (oder irgendsowas) gemacht? DARF man sowas überhaupt anbieten als Institution, die mit Kindern arbeitet?
AntwortenLöschenDas ist tatsächlich ein heikler Punkt, ich persönlich wäre da auch seeehr vorsichtig. Wenn man allerdings "Kindermassage Kindergarten" (o.ä.) bei Google eingibt, stellt man fest, dass derartige "Angebote" offenbar nicht gerade selten sind. Da es in vorliegenden Fall ja um eine kirchliche Einrichtung geht, wäre es wohl interessant, mal zu prüfen, was die Präventionsrichtlinien des Bistums Münster dazu sagen...
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