Sonntag, 3. Juni 2018

Nochmals Fronleichnam in Berlin

Ich hatte es ja schon erwähnt: Wie in vielen Diözesen, in denen der Fronleichnamsdonnerstag kein gesetzlicher und also arbeitsfreier Feiertag ist, ist es auch in Berlin üblich, dass die "äußere Feier" (wie das liturgisch genannt wird) in den einzelnen Pfarreien am darauffolgenden Sonntag "nachgeholt" wird. Gerade vor dem Hintergrund der aus meiner Sicht - wie berichtet - eher misslungenen zentralen Berliner Fronleichnamsfeier am Donnerstagabend empfand ich die Aussicht, in kleinerem Rahmen noch einmal Fronleichnam feiern zu dürfen, als ausgesprochen tröstlich. Und ich darf gleich vorwegnehmen: Ich wurde nicht enttäuscht. 


Meine Wohnortpfarrei umfasst drei verschiedene Kirchenstandorte, und es ist bei uns üblich, dass im jährlichen Wechsel einer dieser drei Gemeindeteile die Fronleichnamsfeier für die ganze Pfarrei ausrichtet. Im vergangenen Jahr war die Pfarrkirche an der Reihe, die nur wenige Minuten Fußweg von meiner Wohnung entfernt liegt, und ich hatte mich freiwillig als Baldachin-Träger gemeldet. Eine - wenn man die Gepflogenheiten in Pfarreien kennt, wenig überraschende - Folge davon war, dass ich in diesem Jahr erneut gebeten wurde, diesen Dienst zu übernehmen, obwohl ja, wie gesagt, turnusgemäß ein anderer Gemeindeteil für die Organisation zuständig war und das Ganze dementsprechend auch woanders stattfand. Ich sagte trotzdem gern zu. Der Ort des Geschehens war mit dem Bus schnell und leicht erreichbar.

Als ich mit Frau und Kind dort eintraf, wurden im Vorgarten des Kirchengebäudes gerade ein Grill und ein Büffettisch aufgebaut. Das mag erst einmal nicht besonders überraschend klingen, hat aber eine Vorgeschichte, und ich kann leider nicht darauf verzichten, die hier auszubreiten. Schon vor einigen Monaten war in den Gremien der Pfarrei die Rede davon gewesen, dass es im Anschluss an die Fronleichnamsprozession in St. Joseph ein Gemeindefest geben sollte, und eine Konsequenz daraus war gewesen, dass der Lokalausschuss "meines" Gemeindeteils beschlossen hatte, in diesem Jahr auf ein eigenes Patronatsfest zu verzichten, da der Termin dafür zu nah an Fronleichnam läge und man dem Gemeindeteil St. Joseph keine "Konkurrenz" machen wollte. Bei der jüngsten Lokalausschusssitzung hieß es dann aber plötzlich, St. Joseph würde es doch nicht schaffen, ein Gemeindefest auf die Beine zu stellen - woraufhin beschlossen wurde, dann könnten "wir" ja am darauffolgenden Sonntag doch ein Patronatsfest veranstalten. Was angesichts der nun sehr knappen Vorbereitungszeit wohl eine ziemlich übers Knie gebrochene Angelegenheit werden dürfte. Und jetzt stellten wir also zu allem Überfluss fest, dass die Information, es gebe im Anschluss an die Fronleichnamsprozession kein Gemeindefest, offenkundig falsch gewesen war. Tja: Hätten wir das früher gewusst, hätten wir problemlos und mit Vergnügen große Mengen an Gratis-Backwaren dazu beisteuern können. Halten wir fest: Die Kommunikation zwischen den Gemeindeteilen ist... ausbaufähig.

Aber wie dem auch sei: Da wir extra früh am Ort des Geschehens erschienen waren, half ich noch beim Aufbau von Tischen und Bänken mit, ehe ich zusammen mit drei anderen Freiwilligen den Baldachin für die Prozession zusammenbaute und eine kleine Trageprobe machte. Um 10 Uhr begann dann die Messe in der Kirche. Der aus Nigeria stammende Pfarrvikar baute in seine Predigt eine eindrucksvolle und farbenprächtige Schilderung davon ein, wie Fronleichnam in seiner Heimatdiözese gefeiert zu werden pflegt. Da konnte man schon ein bisschen neidisch werden.

Dieses Foto ist, ehrlich gesagt, am Donnerstag auf dem Gendarmenmarkt entstanden. Passt aber, wie ich finde, viel besser in diesen Artikel. 
Die Prozession, die sich an die Messe anschloss, war zwar von eher bescheidenen Ausmaßen - schätzungsweise 50-70 Personen nahmen daran teil, immerhin aber bunt gemischt aus allen Altersgruppen -, aber vielleicht gerade deshalb sehr schön. Sie führte durch eine Wohnsiedlung, die - wie ich bei früherer Gelegenheit schon einmal ausführlicher geschildert habe - in der Zeit der Weimarer Republik eigens von Katholiken für Katholiken angelegt worden war; auf der Strecke gab es drei schön gestaltete Stationsaltäre, die vierte und letzte Station fand dann wieder in der Kirche statt.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass ich die geradezu intime Nähe zum Allerheiligsten, die mir dank meiner Position als Baldachinträger zuteil wurde, als sehr bewegend empfunden habe. Was mich nun wieder darauf bringt, dass und weshalb ich die mangelnde Ehrerbietung gegenüber dem Eucharistischen Leib des Herrn, die (meiner Wahrnehmung zufolge) die zentrale Berliner Fronleichnamsfeier am Donnerstag ausgezeichnet hat, so schmerzhaft empfunden habe. Ich bin nämlich - auch wenn das jetzt einige meiner Leser überraschen mag - meiner eigenen Einschätzung zufolge nicht besonders fromm. Jedenfalls längst nicht so sehr, wie ich es gern wäre. Damit meine ich, dass ich von meinem ganzen Naturell her nicht besonders zur Ehrfurcht geneigt bin. Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb ich so großen Wert auf würdige Liturgie lege: Ich brauche einfach eine Atmosphäre, die es mir leichter macht, in der Gegenwart des Herrn eine angemessen andächtige und ehrfürchtige innere Haltung einzunehmen, und nicht etwa schwerer. Und ich möchte unterstellen, dass es vielen Gläubigen ähnlich gehen dürfte, auch wenn es ihnen teils mehr, teils weniger bewusst sein mag. Schon bei der Kommunionspendung in vielen "ganz normalen" Sonntagsmessen, und bei Anlässen wie dem Pontifikalamt zu Fronleichnam auf dem Gendarmenmarkt umso mehr, werde ich den Gedanken nicht los: Wenn die Leute wirklich verinnerlicht hätten, dass diese Hostie, dieser Wein im Kelch vom Moment der Wandlung an wahrhaftig Leib und Blut Christi sind - dass das Realität ist und nicht nur eine Konvention, so "zu tun als ob" - dann würden sie ganz anders damit umgehen, und damit beziehe ich mich selbst ausdrücklich mit ein.

Abschließend möchte ich übrigens zu Protokoll geben, dass meine an das Erzbischöfliche Ordinariat gerichtete Beschwerde über die Fronleichnamsfeier am Donnerstag ein durchaus unerwartetes Echo hervorgerufen hat. Ich bin mir nicht ganz darüber im Klaren, ob ich mich befugt fühlen sollte, aus den beiden Antwort-Mails, die ich im Laufe des Samstags von zwei verschiedenen Stellen innerhalb des Ordinariats erhalten habe, wörtlich zu zitieren, daher lasse ich es vorerst mal bleiben; aber so viel kann ich doch sagen, dass mich diese Antworten schon ein gutes Stück milder gestimmt haben. Zwar bin ich nach wie vor der Auffassung, dass Ablauf und Gestaltung der Feier wenig dazu geeignet waren, im "Volk" die Ehrfurcht vor dem Allerheiligsten zu stärken - und dass ebendies aber eigentlich das Ziel einer Fronleichnamsfeier sein sollte -; aber es ist doch immerhin ermutigend zu sehen, dass es bei den Verantwortlichen im Erzbistum ein gewisses Problembewusstsein gibt.


1 Kommentar:

  1. "Wenn die Leute wirklich verinnerlicht hätten, dass diese Hostie, dieser Wein im Kelch vom Moment der Wandlung an wahrhaftig Leib und Blut Christi sind"

    Da sind wir schon bei dem problematischem Text des Flyers der w.o. als Fotografie zu sehen ist. Dort lesen wir (natürlich) "Brot des Lebens" und nicht etwa "Leib des Herrn". Wenn Jesus von sich als Brot spricht, dass vom Himmel gekommen ist, dann hat das eine andere Qualität, als seine Worte im Abendmahlssaal, wo er von seinem Fleisch und von seinem Blut redet. Dort ist vom Brot nicht mehr die Rede. Wir können eben nicht mehr verinnerlichen, was man uns nicht (mehr) verkündigt. Stattdessen wird "Brot" verkündigt. Brot, dass man teilt, Brot, dass man bricht, manchmal habe ich den Eindruck die Bäckerei-Innung hat da die Hände im Spiel. Wenn man verinnerlicht hat, dass es eben kein Brot ist, welches wir empfangen und kein Brot ist, welches wir durch die Strassen tragen, dann kommt die Ehrfurcht von ganz alleine. Sie ist sozusagen logische Konsequenz unseres Handelns. Das Geheimnis dahinter können wir eh nicht fassen. Wir können allerdings dieser Fassungslosigkeit unsere Kniebeuge entgegen halten. Und das müssen wir sogar, solange wir in der Lage dazu sind. Nichts hasst der Teufel so sehr, als wenn wir vor den Zeichen(!) Brot und Wein, unserem Glauben bekennen, indem wir uns klein machen und demütig auf Augenhöhe mit Gott sprechen. Dazu braucht es keine spezielle Frömmigkeit-Skala. Knien kann jeder. Die natürliche Haltung des Geschöpfes vor seinem Schöpfer.

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