Donnerstag, 31. März 2016

Das Bistum Münster und das Lehramt der Theologen

Als Gotthold Ephraim Lessing anno 1767-69 in zweimal wöchentlich erscheinenden Fortsetzungen seine Hamburgische Dramaturgie publizierte, warfen ihm einige Leser vor, er ziehe darin in ungebührlicher Weise über seinen Kollegen Voltaire her. Lessings klassische Antwort darauf findet sich im 70. Stück der Dramaturgie, erschienen am Neujahrstag 1768: 
"Ein kritischer Schriftsteller, dünkt mich, richtet seine Methode auch am besten nach diesem Sprüchelchen ein. Er suche sich nur erst jemanden, mit dem er streiten kann: so kömmt er nach und nach in die Materie, und das übrige findet sich. Hierzu habe ich mir in diesem Werke, ich bekenne es aufrichtig, nun einmal die französischen Skribenten vornehmlich erwählet, und unter diesen besonders den Hrn. von Voltaire." 
Nun will ich mich wahrhaftig nicht mit Lessing auf eine Stufe stellen; aber gleichwohl wird es regelmäßigen Lesern meines Blogs schon aufgefallen sein, dass ich mir zum Zwecke der Auseinandersetzung mit der Social-Media-Arbeit kirchlicher Dienststellen vorzugsweise die Facebook-Präsenz des Bistums Münster als Gegner "erwählet" habe. Nur pars pro toto, versteht sich. Es hätte genausogut Osnabrück oder Rottenburg-Stuttgart sein können. Zum Beispiel. Wenn man aber erst einmal damit angefangen hat, sich auf eine spezielle Social-Media-Redaktion einzuschießen, dann geht einem der Stoff nicht so leicht aus

Unlängst allerdings ergab sich ein Anlass, der mich grübeln ließ, ob ich den Kollegen aus Münster nicht womöglich doch ein wenig Abbitte leisten müsse. Nämlich, weil mich plötzlich der Eindruck beschlich, die Neigung der Münsteraner FB-RedakteurInnen, im Zweifel lieber unverbindliche Wohlfühlbotschaften mit Blümchenbildern zu posten als etwelche Beiträge zur Neuevangelisierung im Geiste der katholischen Lehre, könne noch ganz andere Ursachen haben als ich bislang vermutet hatte. 

"Wenn wir Menschen über Fakten reden, ist häufig kein Platz für Gefühle. Der Hauptantrieb Gottes für Ostern war aber ein Gefühl: Liebe.
Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eigenen Sohn gab.
Weil Gott die Menschen liebt – weil Gott Dich liebt -, wurde Jesus stellvertretend für uns – für Dich – gekreuzigt.
Aber wäre das denn nicht auch anders gegangen, fragst Du jetzt vielleicht.
Musste er denn gleich sterben? Nein, es wäre nicht anders gegangen.
Der Himmel ist ein Ort ohne Sünde. Da wir aber tagein, tagaus Dinge falsch machen, also sündigen, können wir unter normalen Umständen nicht in den Himmel kommen. Irgendeiner musste also büßen für unsere Sünden. Entweder jeder einzelne Sünder selbst. Oder ein Stellvertreter, der so mächtig ist, dass er für alle Sünden der Welt eintreten kann. Und jetzt kommt Jesus ins Spiel, Gottes Sohn. Das war seine Aufgabe.
Weil er, weil Gott die Welt und Dich so sehr liebt." 
Nun ist es (natürlich) nicht so, dass ich daran überhaupt nichts auszusetzen gehabt hätte; beispielsweise würde ich einwenden, dass Liebe, anders als es uns etwa Sat 1 oder RTL einreden möchten, mehr ist als ein bloßes Gefühl. Und die Grafik, mit der die Redaktion ihren Morgenimpuls illustrierte, fand ich sooo gelungen nun auch nicht. Aber dass auf dieser Seite tatsächlich mal - wenn auch naturgemäß in recht vereinfachter Form - das stellvertretende Sühneopfer Jesu Christi angesprochen und erläutert wurde, fand ich denn doch ausgesprochen beachtlich. 

Kritik an diesem Beitrag ließ nicht auf sich warten. "Jetzt kommen wir also alle in den Himmel?", motzte ein FB-Nutzer namens Michael Hölscher. "Was ist mit der persönlichen Freiheit eines jeden Menschen, trotzdem sündigen zu können?" Nanu, dachte ich, was ist denn da los? Vom ersten Eindruck her hätte es sich um einen Dunkelkatholen handeln können, der in dem Beitrag die Irrlehre der Apokatastasis (Allerlösung) witterte; nur dass in dem Text aus Münster überhaupt keine Rede davon war, dass dank des Opfertods Christi nun alle in den Himmel kommen - sondern lediglich, dass ihnen die Möglichkeit dazu eröffnet worden ist. Darauf wies ich Herrn Hölscher auch in einer Antwort auf seinen Kommentar hin, aber damit war die Sache noch nicht ausgestanden. "War das wirklich ein offizieller Beitrag des Bistums?", wunderte sich ein Nutzer namens Dieter Bauer; und Hölscher sekundierte: "Das habe ich mich auch sehr ernsthaft gefragt!" Nun konnte ich mich nicht enthalten, anzumerken: "Da gibt's hier aber ganz andere Beiträge, bei denen ICH mich das frage..." Michael Hölscher jedoch legte nach: "Hallo, Bistum Münster? Bitte klärt uns auf, was es mit diesem Text auf sich hat!" Was mich aber endgültig aus den Socken haute, war die Antwort der Redaktion auf diese aggressive Ansprache:
"Lieber Herr Hölscher,
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Wenn Sie Ihre Anmerkungen etwas konkretisieren könnten, dann würde ich das diese Woche in der Redaktionskonferenz zur Diskussion stellen und an das Impuls-Team weitergeben. Bis dahin wünsche ich Ihnen noch gesegnete Ostern und einen friedvollen Tag." 
Unfassbar! Bislang hatte ich den Eindruck gehabt, die FB-Redaktion des Bistums Münster kenne hinsichtlich des Umgangs mit Kritik an ihren Beiträgen ausschließlich die Methoden "Ignorieren", "Bocken" ("Wir finden das aber richtig, was wir machen, und vielen unserer Leser gefällt es") und "Lächerlichmachen des Kritikers"; und nun soll sogar die Redaktionskonferenz darüber beraten, ob es tunlich sei, auf der Facebook-Seite eines katholischen Bistums Glaubenslehren der Katholischen Kirche zu vertreten? Dieses Einknicken dem "lieben Herrn Hölscher" gegenüber konnte ich mir nur damit erklären, von wem die Kritik ausging; also schaute ich mir die Herren Hölscher und Bauer mal ein wenig genauer an. Und richtig: Michael Hölscher ist Dozent für Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz; und Dieter Bauer arbeitet beim Katholischen Bibelwerk als Bildungsreferent und Redakteur biblischer Zeitschriften und zeichnet u.a. für die Bibel in Leichter Sprache verantwortlich

Was diese beiden Herren Diplomtheologen nun daran zu bemängeln hatten, dass die Bischöflich Münsteraner FB-Redaktion sich ausnahmsweise mal in theologische Gefilde wagte, liegt einigermaßen auf der Hand: Die - wie gesagt, recht "niederschwellig" formulierten - Aussagen zum stellvertretenden Sühnetod Christi entsprächen nicht dem Stand der theologischen Wissenschaft. Dass sie hingegen sehr wohl der Lehre der Katholischen Kirche entspricht, wie sie etwa im Katechismus (unter Nr. 601-605) niedergelegt ist, fällt demgegenüber offenbar nicht groß ins Gewicht; so mahnte Michael Hölscher - der Aufforderung Folge leistend, seine Kritik zu konkretisieren - "eine (fundamentaltheologische?) Auseinandersetzung mit der Satisfaktionslehre" an. 

Es liegt wohl einigermaßen nahe, diese Auseinandersetzung im Kontext der "neuerliche[n] Debatte um das Verhältnis der akademischen Theologie zum Lehramt von Papst und Bischöfen" zu sehen, die durch die Schlusserklärung des Internationalen Kongresses "Das Konzil 'eröffnen'" vom 8. Dezember 2015 ausgelöst worden ist. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer antwortete exakt einen Monat später in einer Instructio an die Priesteramtskandidaten der Bistümer Regensburg und Passau auf diese Erklärung, und abermals einen knappen Monat darauf schaltete sich auch der Passauer Bischof Stefan Oster in die Debatte ein - via Facebook. Ich mag den Verlauf der Debatte hier nicht im Einzelnen nachzeichnen; wer Lust und ausreichend Sitzfleisch hat, kann ja den Links folgen und sich selbst ein Bild machen. Ganz ganz knapp zusammengefasst könnte man sagen, die Bischöfe von Regensburg und Passau werfen insbesondere "liberalen" Theologen vor, sie versuchten ein akademisches Gegen-Lehramt zum von apostolischer Autorität getragenen Lehramt von Papst und Bischöfen zu etablieren. Einen Absatz aus der Instructio von Bischof Voderholzer möchte ich hier jedenfalls zitieren: 
"In der 'Schlusserklärung' wird [...] das Thema 'Religionsfreiheit' innerkirchlich gewendet zur Forderung der Anerkennung der Freiheit der Theologie als wissenschaftlicher Reflexionsform. Man fragt sich, wo diese Freiheit denn im Ernst in einem bedrohlichen Maße begrenzt ist! Wo ist denn in den letzten Jahren das kirchliche Lehramt eingeschritten? Bei alldem fehlt vor allem die Anerkennung des Rechtes des bischöflichen Lehramts, qua apostolischer Autorität doch darüber wachen zu dürfen und zu müssen, ob eine bestimmte theologische Lehre noch mit der Lehre der Schrift und der Tradition übereinstimmt. Die Freiheit der theologischen Lehre ist begrenzt durch die Vorgaben, die jedem Theologie-Treiben gegeben sind; an die sich der Theologe und die Theologin, aber eben auch der Bischof treu halten müssen." 
Wie eine Antwort auf Bischof Voderholzers rhetorische Frage, wo denn die "Freiheit der Theologie [...] im Ernst in einem bedrohlichen Maße begrenzt" sei, mutet ein Artikel des "Kölner Stadtanzeigers" vom 22. März an, der aus dem Wächteramt der Bischöfe über die Einhaltung der kirchlichen Lehre einen Skandal zu stricken versucht: "Treueeid verlangt - Erzbistum Köln verschärft Gangart gegenüber Theologen", liest man da. Was ist da passiert? "Erstmals seit Jahrzehnten verlangt Generalvikar Dominik Meiering einen schriftlichen Nachweis über die Ableistung eines speziellen Glaubensbekenntnisses, der 'Professio fidei'. Neue Professoren sollten zusätzlich zu einem 'Treueid' verpflichtet werden", weiß der Kölner Stadtanzeiger zu berichten. "Nicht nur im Erzbistum wird nach dem harten Vorgehen Meierings die Frage laut, wie dieser Kurs zu dem Ruf der Liberalität und Offenheit passe, den sich Kardinal Woelki erworben hat." Schockschwerenot! Hochschullehrer, so heißt es weiter, sähen "ihre wissenschaftliche Freiheit eingeschränkt, wenn sie schwören müssen, dass sie 'alle Lehren meiden werden, die dem Glaubensgut widersprechen' oder 'in christlichem Gehorsam' dem 'Folge leisten werden, was die Bischöfe als authentische Künder und Lehrer des Glaubens vortragen oder als Leiter der Kirche festsetzen'." Weil, schließlich, das fehlte gerade noch! 

Mal im Ernst gesprochen: Natürlich befindet sich die akademische Theologie in einem Dilemma, wenn sie einerseits eine wissenschaftliche Disziplin unter anderen wissenschaftlichen Disziplinen sein will und andererseits im Dienst der Kirche stehen soll. Denn der Wissenschaftsbetrieb verlangt es, ständig "neue Erkenntnisse" zu produzieren - oder zumindest neue Theorien, und die haben es nun einmal an sich, dass sie nur dann "neu" sind, wenn sie bisherigen Lehrmeinungen zumindest tendenziell widersprechen. Die Kirche jedoch geht von ewigen Wahrheiten aus, woraus folgt, das alles, was die Kirche einmal verbindlich als wahr anerkannt hat, ein für alle Mal als wahr zu gelten hat. Insofern gibt es da tatsächlich eine gewisse Einschränkung der Forschungsfreiheit, aber diese resultiert nicht aus bösem Willen, Engstirnigkeit oder "Machtbesessenheit" (oder was man der Kirche sonst noch so alles vorwirft), sondern aus der Verantwortung gegenüber dem depositum fidei

Gleichzeitig fragt Bischof Voderholzer im oben zitierten Absatz aber zweifellos zu Recht: "Wo ist denn in den letzten Jahren das kirchliche Lehramt eingeschritten?" Ich möchte behaupten, alle diejenigen katholischen Theologen, die in den letzten drei, vier Jahrzehnten von deutschen Bischöfen wegen Verstößen gegen die kirchliche Lehre gemaßregelt wurden, sind jedem halbwegs interessierten Beobachter namentlich bekannt und lassen sich an einer Hand abzählen. Oder sagen wir es andersherum: Würden die Hüter des kirchlichen Lehramts tatsächlich mit aller ihnen theoretisch zu Gebote stehenden Strenge und Konsequenz gegen "Dissidenten" an den theologischen Fakultäten vorgehen, woher kämen denn dann die Leute, die solche Manifeste wie die oben angesprochene "Schlusserklärung" oder gar das Memorandum "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" verzapft haben? Tatsächlich sitzen die nämlich an ihren jeweiligen Lehrstühlen oder Assistentenstellen vielfach ziemlich fest im Sattel - was nun wiederum die Frage aufwirft, ob die "Freiheit der Theologie" nicht in Wirklichkeit von ganz anderer Seite bedroht wird, als das ewige Genöle über die ach so autoritäre Kirche es vermuten lässt. Nicht umsonst wirft Bischof Oster in seinem erwähnten Facebook-Beitrag die Frage auf, ob denn auch konservativere, sprich: lehramtstreuere Theologen - derer man unter den Unterzeichnern der "Schlusserklärung" nämlich keine findet -, ob also auch "diejenigen aus dem 'anderen Lager' [...] zum erwünschten 'Lehramt der Theologie' gehören würden – oder ob 'Lehramt der Theologie' nur das sein dürfte, was in der Erklärung von den Unterzeichnern als Stoßrichtung formuliert worden ist". Man könnte hier noch weit schärfer fragen: Birgt nicht die Dominanz "liberaler" Theologen an den Universitäten die Gefahr, dass dem theologischen Nachwuchs eventuell noch vorhandene Neigungen zur Lehramtstreue konsequent ausgetrieben werden - oder dass, wenn das Austreiben nicht gelingt, zumindest dafür Sorge getragen wird, dass die "Konservativen" es im akademischen Betrieb nicht allzu weit bringen? Denn, machen wir uns nichts vor: Was "autoritäre Strukturen" angeht, kann der Wissenschaftsbetrieb es mit der Kirche noch allemal aufnehmen. 

Was das alles mit dem wütenden Widerspruch der Diplomtheologen Hölscher und Bauer gegen einen Beitrag auf der Facebook-Seite des Bistums Münster zu tun hat, wird vielleicht deutlich, wenn man Michael Hölschers (von seinem Kollegen Bauer kräftig be-applaudierte) Forderung nach einer fundamentaltheologischen Auseinandersetzung mit der Satisfaktionslehre mit einer Passage aus der besagten "Schlusserklärung" abgleicht, in der "eine[] grundlegende[] Neubestimmung von Dogmatik und Fundamentaltheologie" gefordert wird - was, auf Hochdeutsch gesagt, auf eine Aushebelung des Dogmas hinausliefe. Denn Dogmen, das haben wir ja bereits festgestellt, stehen ja doch nur der Freiheit der Wissenschaft im Weg. Vergessen wir in diesem Zusammenhang nicht, dass der Wissenschaftsbetrieb nicht zuletzt auch ein Jahrmarkt der Eitelkeiten ist; da kommt es dann schon mal vor, dass die Herren von der theologischen Zunft sich für klüger halten als die gesamte kirchliche Hierarchie nicht nur der Gegenwart, sondern auch der gesamten Kirchengeschichte. Und dann kommen einem irgendwelche Social-Media-Praktikanten mit Sühneopfertheologie. So ein alter Hut. Dabei haben doch schon Wolfgang Huber, Nikolaus Schneider, Eugen Biser und nicht zuletzt Burkhard Müller, ach, geh mir doch weg. Nein, so geht das nicht, da muss eine Redaktionskonferenz einberufen werden! 

Kurz, und um zum Ausgangspunkt meiner Bemerkungen zurückzukehren: So ein bisschen kann ich die Bischöflich Münsteraner FB-Redaktion ja schon verstehen, wenn sie unter solchen Umständen meist lieber auf Gefälliges und Unverfängliches setzt. Nicht jeder eignet sich zum Märtyrer... 



Sonntag, 27. März 2016

Betonkirchen-Triduum

Einen Job zu haben, in dem man auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten muss, bringt, wenn man bekennender Dunkelkathole ist, durchaus gewisse Komplikationen mit sich, und in der Heiligen Woche zwischen Palmsonntag und Ostern wirkt sich das naturgemäß besonders stark aus. Aber in der Großstadt-Diaspora Berlins ist das in den allermeisten Fällen ein lösbares Problem. Zumindest, wenn man ein bisschen Mühe darauf verwendet, Gottesdienstzeiten an verschiedenen Standorten sowie die entsprechenden Verkehrsverbindungen und Fahrzeiten zu recherchieren - und wenn man in ästhetischer Hinsicht etwas kompromissbereit ist. 

Nachdem ich am Palmsonntag in der 8-Uhr-Frühmesse in der Unterkirche von St. Hedwig ("Die 8-Uhr-Frühmesse ist gewissermaßen das zerbrochene Fenster der Hedwigskathedrale", merkte meine Liebste an, die mich dankenswerterweise trotzdem dorthin begleitete) und am Dienstag, an dem ich vormittags frei hatte, am selben Ort (allerdings in der Oberkirche) in der tatsächlich sehr schönen und feierlichen Missa Chrismatis gewesen war, standen mir für die Missa in Coena Domini am Gründonnerstag nur solche Kirchen zur Auswahl, in denen diese Messe erst um 20 Uhr gefeiert wurde und die von meinem Arbeitsplatz aus einigermaßen schnell und unkompliziert erreichbar waren. Meine Wahl fiel auf St. Ansgar im Hansaviertel, eine Kirche, die ich bislang nur von außen kannte. - St. Ansgar, erbaut 1957, ist eine der ersten Betonkirchen Deutschlands und galt seinerzeit als vorbildlich für den "modernen Sakralbau". Heute ist sie - wie viele Betonkirchen der "ersten Generation" - baufällig. Nach noch nicht 60 Jahren, wohlgemerkt. Als Erklärung für diesen Umstand hört man zuweilen, die Architekten hätten das ihnen nicht vertraute Baumaterial nicht richtig einschätzen können. Well. Ich verstehe wenig von Architektur und buchstäblich nichts von Baustatik, aber rein symbolisch betrachtet empfinde ich den Zustand dieser frühen Betonkirchen als irgendwie bezeichnend für den Gesamtzustand der Katholischen Kirche in Deutschland - und dessen Ursachen. Da wollte man den kostbaren alten Wein partout in neue Schläuche füllen, und im Nachhinein zeigt sich, dass das Material dieser Schläuche schlicht ungeeignet ist. 

St. Ansgar gefiel mir von innen allerdings gar nicht so schlecht: 

St. Ansgar im Hansaviertel: Der Innenraum ist schlicht, aber geschmackvoll gestaltet. Als Fasten-Hungertuch eine Foto-Reproduktion des Turiner Grabtuchs zu verwenden, finde ich ausgesprochen gut. 

Durchaus reizvoll gestalteter Kreuzweg in St. Ansgar. 
Die Kirche war, wenn auch nicht direkt proppevoll, doch sehr gut besucht, und zwar von Menschen aller Altersstufen und verschiedenster Herkunft. Das gefiel mir. Und die Zelebration der Gründonnerstags-Liturgie war erheblich würdiger, feierlicher und korrekter, als ich es erwartet hätte.  Eine Fußwaschung gab es nicht; damit konnte ich persönlich ziemlich gut leben. Ein paar Abzüge in der B-Note gab's aber dennoch. So zum Beispiel, dass die Orgel auch nach dem Gloria weiterhin die Gemeindegesänge begleitete. Und zur Kommunion sang der Chor - der insgesamt durchaus gut war - ein recht "neugeistlich" anmutendes Lied, von dessen Text ich zwar nur Bruchstücke verstand, aber diese Bruchstücke genügten schon, um meine Häresie-Sensoren in Alarmbereitschaft zu versetzen. Meine Liebste merkte das sofort und warf mir einen verschmitzten Blick zu. -- Im Nachhinein konnte ich mit Hilfe der wenigen Textpassagen, die bei mir hängen geblieben waren, sowie mit Unterstützung von Onkel Google ermitteln, um was für ein Lied es sich handelte: Es hieß "Tischgebet" und stammte aus der Feder von none other than Huub Oosterhuis. Na klasse.
"Der nach menschlicher Sitte mit einem eigenen Namen genannt wurde, als er in einer fernen Vergangenheit geboren wurde weit von hier: den die Seinen nannten Jesus, Sohn des Josef, Sohn des David, Sohn des Jesse, Sohn des Juda, Sohn des Jakob, Sohn des Abraham, Sohn des Adam, Sohn des Menschen, der auch Sohn von Gott genannt wird, Heiland, Vision des Friedens, Licht der Welt, Weg zum Leben.

Von Jahrhundert zu Jahrhundert wurde er uns überliefert in Sprache und Zeichen, stets geliebt, oft unverstanden. Ein Geheimnis wird er bleiben, eine eigenartige Geschichte, so wie ich ihn kennenlernte – heute nenne ich ihn Bruder.
[...] 

Der so starb für seine Freunde, liegt im Acker wie ein Samen. Und er wartet einen Winter in der Stille seines Todes. Er ist Korn und wird geerntet. Er ist Brot und will verteilt sein, will zum Frieden Gottes werden."
Man weiß nicht recht, was man davon halten soll. Um den Text definitiv als häretisch zu bezeichnen, ist er letztlich einfach zu schwammig - wie so oft bei Oosterhuis. Es bleibt die Frage: Tut das not? Ausgerechnet zur Kommunion am Gründonnerstag?

Nach der Übertragung des Allerheiligsten vom Tabernakel auf einen Seitenaltar wurde der Schmuck im Altarraum nicht einfach nur abgeräumt, sondern der Zelebrant verwüstete den Altarraum geradezu - indem er z.B. die Altardecke zerknüllt liegen ließ und einige der sechs schweren Leuchter zwar nicht umwarf, aber so zu sagen "umlegte". Die symbolische Aussage - wenn der Herr nicht im Tabernakel ist, ist der ganze Altarschmuck nur wertloser Plunder - fand ich durchaus überzeugend; ein bisschen lustig anzuschauen war es derweil, dass die jungen Ministrantinnen sich nicht so recht trauten, sich die Nonchalance, mit der der Pfarrer etwa die Sitzkissen zu Boden fegte, zu eigen zu machen, sondern sich weiterhin recht ehrfürchtig benahmen. 

Soweit also der Gründonnerstag. Ein Besuch der Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag um 15 Uhr ließ sich in diesem Jahr beim besten Willen nicht einrichten. Von der Arbeit frei nehmen? Keine Chance, zwei Kollegen waren im Urlaub und einer krank. Immerhin fand ich heraus, dass es in einer Kirche, die nicht allzu weit von meinem Arbeitsplatz entfernt lag, vor Beginn meiner Arbeitszeit eine Kreuzweg-Andacht gab. Na gut, dachte ich, dann gehe ich da hin - besser als nichts. Diese Einschätzung erwies sich allerdings als falsch... Nun ja, immerhin begleitete mich meine Liebste auch dorthin - in die Kirche St. Judas Thaddäus in Tempelhof. Ebenfalls eine frühe Betonkirche - erbaut 1958/59 -, und ebenfalls baufällig. 

Aus gebührender Entfernung betrachtet, hat die Architektur von St. Judas Thaddäus in Tempelhof durchaus ihren Reiz, irgendwie. 
Aus der Nähe registriert man auch hier die Baufälligkeit. 
Direkt gegenüber dieser Kirche befand sich übrigens ein Lokal namens "Biertempel". Aber ich musste ja noch zur Arbeit. 

Jüngstes Gericht an der Altarwand, rechts eine irritierend stämmige und muskulöse Madonna. Und Sichtbeton bis zum Abwinken! 
Die Kreuzwegandacht war eher schwach besucht, aber das überraschte mich nicht besonders. Eine schmächtige grauhaarige Dame verteilte Heftchen mit den Meditationstexten zum Kreuzweg. Der Einzug wurde angeführt von einem bärtigen, fast schon ein bisschen zu klischeehaft nach '68er-Altlinkem aussehenden Diakon mit einer donnernden Stimme, und ich dachte: wenn der die Meditationstexte vorträgt, mit dieser Stimme, dann wird's anstrengend. Tatsächlich trug aber gar nicht er die Texte vor, sondern die Dame, die die Heftchen ausgeteilt hatte. Und das war nicht unbedingt weniger anstrengend, denn die Dame hatte - was wir ihr nicht persönlich verübeln wollen - keine besondere Befähigung zum Lektorendienst: Sie sprach leiernd und unsicher und verhaspelte sich häufig. Zwischenzeitlich phantasierte ich darüber, sie von ihrem Kreuz zu erlösen, indem ich sie vom Mikrofon wegschubste und den Vortrag der Meditationen selbst übernahm. Ich kam jedoch bald zu dem Schluss, dass sich das nicht lohnte: Dafür waren die Texte nämlich einfach zu schlecht

Immerhin, eins haben wir gelernt: Den wahren Messias erkennt man an seinem (lässig um den Hals geschlungenen) TROMPETENSCHAL!  
Nicht nur, dass sich auf annähernd jeder der 25 Seiten des Heftchens - und mit "annähernd jeder" meine ich: auf jeder außer einer, nämlich Seite 15 - ein bis sieben Rechtschreib-, Grammatik- und Satzbaufehler fanden; hinzu kamen allerlei ungelenke Formulierungen, die semantisch entweder nicht das aussagten, was sie vermutlich aussagen sollten, oder von denen man nicht erkennen konnte, was sie überhaupt bedeuten sollten, und die in vielen Fällen durch Versprecher bzw. Lesefehler der Lektorin noch weiter verballhornt wurden.

Ein paar Beispiele gefällig?
"der uns wieder den Weg zu Kindern Gottes geebnet hat" (S. 1)
"wenn es Abend wird mit seinen verschiedenen dunklen Seiten" (S. 4)
"wo Jesus mit dem Kreuz auf seinen Schultern lang musste" (S. 10)
"Lass alle ein Tuch der Hilfe erfahren, die nicht mehr mit ihrem Leben klar kommen." (S. 11)
"von der Gewalt, die Jesus unerbittlich antreibt" (S. 12)
"vom Fall des Warums aufzustehen" (S. 13)
"Richte alle auf, die mit dem Leben nicht mehr klar kommen und den Suizid vollziehen wollen." (S. 17)
"Entblöße in allen, die meinen, die Welt auszubeuten zu [sic] müssen auf Kosten der Ärmsten dieser Welt, um ihren Reichtum zu mehren, dass das letzte Hemd keine Taschen hat und sie nichts mitnehmen können." (S. 19) 
Bei den Worten "Jesus - Angenagelter" auf S. 20 war ich dann endgültig raus, denn dabei musste ich unwillkürlich an den Otto-Waalkes-Klassiker "Richter Ahrens und der Fall des angesägten Mastes" denken: "Angenagter! Ihnen wird zur Last gelegt, sie hätten an dem Mast gesägt!"

Der kontemplativen Vertiefung in die Passion Christi war all das natürlich nicht gerade förderlich. Da half nur noch Flucht. "Ich hab mich sowieso schon gefragt, wie lange du es da drin aushältst", scherzte meine Liebste, als wir draußen waren. Ich schätze, es war wirklich ein Glück, dass sie mitgekommen war. Auch für die anderen Kirchbesucher. Denn, wer weiß - wenn niemand auf mich aufgepasst hätte, hätte ich womöglich wirklich der Lektorin das Mikrofon weggenommen.

Der Schutzheilige für hoffnungslose Fälle ist als Patron dieser Kirche jedenfalls eine gute Wahl. 
Nun ja: Vielleicht wurden die Meditationstexte von einem Nicht-Muttersprachler verfasst. Oder von einem Legastheniker. In diesem Fall sollte man wohl die gute Absicht honorieren. Aber selbst dann wäre es immer noch eine Zumutung für alle Beteiligten, diese Texte zu verwenden, ohne sie zuvor noch einmal Korrektur lesen zu lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass die sprachliche Form noch lange nicht das einzige Ärgerliche an diesen Kreuzweg-Meditationen war. Sofern man in diesem Geschwurbel überhaupt eine inhaltliche Aussagetendenz erkennen konnte, bestand diese darin, dass Christus sich in Seinem Leiden solidarisch mit dem Leiden der Menschen zeige. Von Ferne winkt die Befreiungstheologie. Die Ladenhüter der gesundheitslatschentragenden Kirchenkritik durften dabei auch nicht fehlen: "Richte uns auf, wenn wir unserer Kirche misstrauen, weil sie auf vielen [sic] Fragen keine Antwort hat", heißt es auf S. 17 - dabei besteht das Problem doch wohl eher darin, dass die Leute die Antworten der Kirche auf ihre Fragen einfach nicht hören wollen. Und gleich darauf, auf S. 18: "Nicht Paläste, nicht weltlicher Reichtum, Prunk und Protz ist [sic] für den Herrn wichtig." Na gut, das muss man wohl sagen in einer so kargen, potthässlichen und abbruchreifen Betonkirche.

Das wäre jetzt, rein kompositorisch gesehen, vielleicht ein ganz stimmiger Schlusssatz, aber ich will doch nicht unerwähnt lassen, dass ich nach diesen eher gemischten Eindrücken schließlich eine sehr schöne Osternacht feiern durfte - in Herz Jesu in Prenzlauer Berg, mit allem Drum und Dran, gut drei Stunden lang. Das versöhnt einen dann doch mit Vielem. Dennoch gibt die Lust der Kirche an der Selbstzerstörung, die sich, wie man gesehen hat, mancherorts selbst und gerade in der Heiligen Woche austobt - viele meiner katholischen Facebook- und Twitter-Freunde berichteten von ähnlichen oder noch schlimmeren Grausamkeiten liturgischer und inhaltlicher Art -, ganz erheblich zu denken...



Dienstag, 22. März 2016

Zoff in Bogenhausen - (k)eine göttliche Dramödie

Knapp eine Woche hat's gedauert, aber am letzten Freitag habe ich mich schließlich doch dazu durchgerungen, die gute alte Braunsche Röhre in der Wohnung meiner Liebsten anzuschließen und in Betrieb zu nehmen. Den Anlass hierfür bot, wie sollte es anders sein, eine Diskussion in der Facebook-Gruppe Ein ungenanntes Bistum: Ein Gruppenmitglied postete einen Ausschnitt aus der TV Spielfilm, mit einem Hinweis auf einen TV-Film im Ersten am selbigen Abend: "Frau Pfarrer und Herr Priester". Schon der Titel provozierte kritische Anmerkungen: 
"'Frau Pfarrer' ist, wenn überhaupt, die Frau vom Pfarrer und 'Herr Priester' gibt es überhaupt nicht. Leutchen, macht eure Hausaufgaben! Wollt ihr mit eurem Titel irgendwas aussagen außer 'wir haben keine Ahnung und uns ist unser eigenes Thema gleich', für das es nicht auch 'Der Pater und die Pfarrerin' täte?" 
Die Frage wird man ehrlicherweise wohl mit "Nein" beantworten müssen, aber ich will mir nicht vorgreifen. "Evangelische Geistliche und katholischer Gottesmann raufen sich zusammen", fasst die TV Spielfilm das Thema des Fernsehspiels zusammen: "Pfarrerin Rieke", beschrieben als "kumpelhafte Alleinerziehende" (ja, so lieben wir unsere evangelischen Geistlichen!), "ist entsetzt,als sie erfährt, dass der katholische Gemeinderat das Jugendhaus abreißen will, das beide Konfessionen gemeinsam in München-Bogenhausen betreiben". Um dies abzuwenden, muss sie sich notgedrungen mit ihrem "neuen katholischen Amtskollegen Toni" auseinandersetzen, und die TV Spielfilm deutet an, dass diese Auseinandersetzung nicht frei von Komplikationen ist. "Langsam nähern sich die beiden Sturköpfe trotzdem an, als sie eine gemeinsame Spendenaktion für Riekes Patenkind Jessica starten, die an Leukämie erkrankt ist..."

Na hallo. Das Gesamturteil der TV Spielfilm über "Frau Pfarrer und Herr Priester" lautet: "Bis auf wenige Ausreißer ins Alberne trifft die Konfessionskomödie immer den richtigen Ton zwischen pointiertem Glaubens- und Geschlechterkrieg und bodenständigem Realismus." Eine Einschätzung, die Schlimmstes befürchten ließ - und davon musste ich mich selbstverständlich persönlich überzeugen. Darüber hinaus fand ich die Genrebezeichnung, die die Zeitschrift zur Kategorisierung dieses Film gewählt hatte, höchst bemerkenswert: Dramödie. Eine Mischung aus "Drama" und "Komödie" also offenbar. Na, immerhin besser als umgekehrt - dann hieße es nämlich Koma. Was allerdings auch irgendwie zur Handlung des Films gepasst hätte. Aber jetzt greife ich mir schon wieder vor.

Also mal der Reihe nach. In der evangelischen Nazarethkirche in München-Bogenhausen unterhält Pfarrerin Rieke sich mit ihrer besten Freundin, Putzfrau Petra, während diese Staub saugt. Worüber die beiden reden? Keine Ahnung, der Staubsauger ist so laut. Gleich darauf schwingt sich die Pfarrerin auf ihren Motorroller (yay, ein Motorroller!) und kachelt zu den Klängen von "Happy" (von, wie heißt er noch, ach ja, Pharrell Williams) zum Jugendzentrum. Typischer Beton-Flachbau, geschmückt mit Graffitti und anderen optischen Hinweisen auf eine Nutzung durch Jugendliche. Soll wohl cool aussehen, wirkt aber mehr so 80er-Jahre-cool. Im Inneren des Jugendzentrums tanzen Jugendliche, und zwar immer noch zu "Happy". Heiße Rhythmen und schwitzende junge Körper in eng anliegenden Sportklamotten bei bläulich schummrigem Licht - und dafür gibt die TV Spielfilm null Punkte im Bereich Erotik? Na ja, im Sinne des TV Spielfilm-Bewertungsschemas ist unter "Erotik" höchstwahrscheinlich Sex zu verstehen. Inklusive Nackichkeit. Und zwar vorzugsweise Sex zwischen den Hauptfiguren. Da kann man dann ja doch einigermaßen froh sein, dass dieser Film im Bereich Erotik null Punkte bekommen hat, denn sie ist eine Schreckschraube und er hat schließlich Zölibat. Doch dazu später. 

Aber ach, mitten in der heißen Tanzszene fällt plötzlich der Strom im Jugendzentrum aus, woraufhin Solotänzerin Jessica - wie man später erfährt, die Tochter der Kirchenputzfrau, Patenkind der Pfarrerin und beste Freundin von deren Tochter - prompt umkippt, so als sei auch ihre Energieleitung gekappt worden. Merken wir uns diese Parallele vor, sie wird später noch wichtig. Pfarrerin Rieke trifft außerhalb des Jugendzentrums zwei Bauarbeiter an und stellt sie zur Rede: "Haben Sie was mit dem Stromausfall zu tun?" - "Ja. Wir richten hier Baustrom ein." Baustrom? Das lässt Schlimmes befürchten, also schwingt die Pfarrerin sich erneut auf ihren treuen Motorroller, um der Sache auf den Grund zu gehen. Zunächst steuert sie die örtliche katholische Kirche an - unschwer als solche erkennbar an einer Marienstatue. Was will Frau Pfarrerin dort? Sie sucht ihren katholischen Amtskollegen, und den sucht sie natürlich erst einmal in der Kirche, nicht etwa im Pfarrbüro oder so. Sehr löblich. Schließlich trifft sie ihn aber doch in seiner Dienstwohnung an, die er offenbar gerade erst bezogen hat: Die Einrichtung wirkt teils karg, teils chaotisch, überall stehen Heiligenfiguren herum. Der Priester - der tendenziell eher noch etwas jünger aussieht als die ach so hippe Pfarrerin - trägt übrigens tatsächlich Soutane - dazu allerdings einen Vacoped-Schuh und eine altertümliche Krücke, so eine, die man sich in die Achselhöhle klemmen muss. Offenbar eine Sprunggelenkverletzung. "Das waren meine Messdiener", erklärt er. "Die grätschen wie die Piusbrüder." 

Die Pfarrerin will mit ihrem Amtskollegen über das Jugendzentrum reden, aber er, der gerade ganz neu in der Pfarrei ist, weiß überhaupt nicht, worum es geht. Das ist praktisch, denn da sie ihm folglich erst einmal die Zusammenhänge erklären muss, erfährt der Zuschauer sie auch gleich. Das Jugendzentrum ist ein ökumenisches Projekt der besonderen Art: Die katholische Pfarrei trägt die Betriebskosten, und die Jugendlichen der evangelischen Gemeinde nutzen das Gebäude. Wofür, möchte der Priester (und mit ihm der Zuschauer) nun gern wissen. "Das bestimmen die Kinder weitgehend selbst", verrät die Pfarrerin. "Das Jugendzentrum ist offen für Alle und Alles." In den dunkelkatholischen Fernsehstuben knallen die Sektkorken, als der junge Priester dies als "antiautoritäres Allerlei" bespöttelt und anmerkt, er stelle sich unter kirchlicher Jugendarbeit etwas Anderes vor. "Bibelkreis und Frohlocken, oder was?", frotzelt die Pfarrerin zurück. 

Damit sind die Fronten geklärt -- und zwar genau so, wie man sich das schon vorstellen konnte: Die evangelische Kirche ist für die Menschen da, die Katholische für Gott. Was das für die Sympathieverteilung bedeutet, liegt auf der Hand. Als der Priester aus nicht ganz ersichtlichem Anlass erwähnt, die Teilnahme an der Heiligen Kommunion erfordere Gewissensprüfung und Umkehr, ätzt die Pfarrerin: "Ach, selber Piusbruder?" (Mit den Piusbrüdern kennt sie sich übrigens aus - also, die Darstellerin, meine ich. Die hat nämlich 2014 in dem Film "Kreuzweg" eine Lehrerin gespielt. Hab ich aber nicht gesehen.) "Ich bin Jesuit", korrigiert der Priester, woraufhin die Pfarrerin spottet: "Oh, die Speerspitze des Glaubens trifft aufs echte Leben." 

Halten wir fest: Der Film benötigt gerade mal sieben Minuten, um den Pater wegen seiner Glaubenstreue in ein schlechtes Licht zu rücken. Mal gar nicht davon zu reden, dass Pfarrerin Rieke und/oder die Drehbuchautoren Sylvia Leuker und Benedikt Röskau die Vorstellung, Jesuiten wären die "Speerspitze des Glaubens", vermutlich aus Schauerromanen des 19. Jhs. haben. Aber geschenkt. Pater Anton ("Toni") Seidl trifft sich als nächstes mit seinem "Gemeinderat", der offenbar Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltungsrat in einem ist und aus gerade mal vier Personen besteht. Pater Toni erklärt den Ratsmitgliedern, er wolle das bislang der evangelischen Nachbargemeinde überlassene Jugendzentrum für seine eigene Jugendarbeit mitbenutzen. An dieser Stelle hätte der Film interessant werden können. Aber der Gemeinderat ist dagegen. "Das ganze Gelände ist ein Schandfleck", heißt es. Schließlich rückt ein gewisser Herr Häusler, der wohl sowas wie der stellvertretende Vorsitzende des Gemeinderats sein soll (denn der Vorsitzende müsste doch wohl der Pfarrer selbst sein, oder?), damit heraus, dass man das Jugendzentrum sowieso abreißen wolle. Auf dem Grundstück - das nämlich ebenfalls der katholischen Pfarrei gehört - wolle "eine Stiftung eine exklusive Seniorenresidenz errichten". Tja, das ist demographischer Wandel. "Das Bistum ist von den Plänen begeistert", lässt Häusler den Pater wissen. Äh, Moment: Welches Bistum? Wir sind doch in München! Da müsste es dann doch wohl Erzbistum heißen. So viel Zeit muss sein! 

Derweil hat Pfarrerin Rieke Besuch von ihrer 19jährigen Tochter Leonie, die in Helsinki Pudding, äh nein, Forstwirtschaft studiert. Leider haben Mutter und Tochter nicht viel Zeit füreinander: Frau Pfarrerin muss eine Taufe vorbereiten, und Leonie will mit ihrer besten Freundin Jessica um die Häuser ziehen. Letztere hat jedoch kaum an der Tür der Pfarrerinnenwohnung geläutet, da bekommt sie auch schon heftiges Nasenbluten und bricht - schon zum zweiten Mal in nicht mal 15 Minuten Handlungszeit - zusammen. Die Pfarrerin fährt sie mit Blaulicht (nein, nicht wirklich) ins Krankenhaus, wobei es auffällt, dass sie einen Rosenkranz am Rückspiegel hängen hat. Was jedoch nichts an der niederschmetternden Diagnose ändert: Leukämie! 

An dieser Stelle klingelte der Pizzabote an der Tür, und danach konnte ich mich dann auch nicht mehr dazu aufraffen, den Film so sorgfältig mitzuprotokollieren wie bisher. Hätte sich aber auch kaum gelohnt. Denn wie es scheint, haben an genau diesem Punkt der Filmhandlung die Drehbuchautoren den Faden verloren: Statt um das Jugendzentrum geht es fortan fast nur noch um Jessicas Leukämieerkrankung; die potentiell interessanten Konflikte um das Jugendzentrum, um die unterschiedlichen Vorstellungen der beiden Geistlichen von kirchlicher Jugendarbeit, treten völlig in den Hintergrund. Zugegeben, es wäre bedeutend anstrengender gewesen, diesem Handlungsstrang weiter zu folgen. Für die Macher, denen es abverlangt hätte, ihr Thema wirklich ernst zu nehmen; aber auch für die Zuschauer, die ihre Rundfunkgebühren schließlich nicht dafür zahlen, dass man sie zum Denken anregt. Das Leben ist schon kompliziert genug, da muss am Freitagabend zur Prime Time leichte Unterhaltung her. -- Äh, Moment mal: Wir reden hier von der potentiell tödlichen Erkrankung eines jungen Mädchens. Ist das Stoff für leichte Unterhaltung? Offenbar ja. Man kann das zynisch finden, aber wer hätte je behauptet, Mainstream-Fernsehunterhaltung wäre nicht zynisch? -- Denn natürlich hätte man auch diesen Handlungsstrang mit dem gebührenden Ernst behandeln können. Aus dem Umstand, dass im Mittelpunkt des Films zwei Geistliche unterschiedlicher Konfessionen stehen, hätte man ja auch und gerade in diesem Zusammenhang etwas machen können: Wie geht der christliche Glaube mit Leid um, was kann kirchliche Seelsorge für Todkranke und deren Angehörige tun, undundund. Doch der Film knüppelt jeden noch so schwachen Ansatz, der in diese Richtung geht, erbarmungslos tot. Pfarrerin Rieke wird zwar ausgiebig dabei gezeigt, wie sie Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld (!) freundschaftlich-mitmenschlichen Beistand zu leisten versucht; sobald aber jemand spezifisch geistlichen Beistand bei ihr sucht, versagt sie. So etwa, als ihre Tochter in die Kirche kommt, während die Pfarrerin gerade dabei ist, Spuren eines Wasserschadens zu beseitigen. "Wird Jessi sterben?", fragt Leonie anklagend - und fügt, mit Blick in Richtung Altar, hinzu: "Und Er schaut einfach zu? Das kann Er doch nicht machen, Mama!" Die evangelische Seelsorgerin erwidert darauf zunächst einmal gar nichts, und dann dies: "Solange Jessica am Leben ist, gibt Er uns die Zeit, etwas für sie zu tun. Das ist jetzt unsere Aufgabe. Daran glauben wir." Na fein. In der nächsten Szene besuchen Rieke und Leonie Jessica im Krankenhaus, und beim Betreten des Krankenzimmers merkt die Pastorentochter leicht spöttisch an: "Sag bloß, du hast in der Bibel gelesen." - "Es gibt hier ja sonst nichts", erwidert Jessica beinahe entschuldigend - und wendet sich sodann an die Pfarrerin: "Kannst du mir was empfehlen?" - "Klar", entgegnet diese - aber just in dem Moment klingelt ihr Handy... Als Pater Toni seine Amtskollegin darauf hinweist, es gebe "ohne Tod kein Leben", meint sie: "Da macht ihr Katholiken es euch aber verdammt einfach." - "Wir akzeptieren einfach nur das Unvermeidliche", beharrt der Jesuit. Als er ausführt "Wir wachsen durch Leid. Wir nehmen es an und schöpfen daraus Hoffnung", erwidert die Pfarrerin: "Ich schöpfe Hoffnung lieber aus einer neuen Therapie für Jessica." 

So eine Therapie kostet aber Geld, und Jessicas Eltern haben keins. Nachdem die Chemotherapie abgebrochen werden musste, weil Jessica sie nicht verträgt, schlägt der behandelnde Arzt eine teure Stammzellentherapie vor - die die Krankenkasse jedoch nicht übernehmen will, weil die Heilungschancen zu schlecht seien. Wie sich herausstellt, ist der zuständige Krankenkassendirektor kein Anderer als Herr Häusler vom katholischen Gemeinderat - derselbe, der das Jugendzentrum abreißen lassen will. Die Welt ist halt sehr klein, besonders in München-Bogenhausen.

Was also tun, wenn die Eltern die Behandlung nicht bezahlen können und die Krankenkasse sie nicht bezahlen will? -- Dann muss die Kirche einspringen. Dafür ist sie schließlich da, oder? Folglich widmet Pfarrerin Rieke nicht nur die Kollekte des sonntäglichen Gottesdienstes Jessicas Behandlungskosten, sondern gestaltet zu diesem Zweck auch gleich ihre Predigt als Spendenaufruf. Und Pater Toni tut gleichzeitig in seiner Kirche dasselbe. Aus ökumenischer Solidarität, und weil die evangelische Kirchengemeinde zu arm ist, um das Geld allein aufzubringen. Die katholische Gemeinde dagegen ist reich. Natürlich. -- "Was soll ich denn tun?", fragt Rieke Toni einmal, wenn auch in anderem Zusammenhang. "Weißt du, wie viele Kirchenaustritte ich im Jahr hab? Keine Kohle, aber immer mehr Bedürftige!" - "Dann musst du mal überlegen, was vielleicht bei euch grundsätzlich so net stimmt", erwidert der Pater; darauf nennt sie ihn ein "arrogantes Arschloch" und tritt im Gehen seine an eine Kirchenbank gelehnte Krücke um.

Unterstellt wird aber, dass nicht nur die evangelische Kirchengemeinde insgesamt ärmer ist als die katholische, sondern auch die einzelnen Mitglieder. Deshalb, zum Beispiel, braucht man für die evangelischen Jugendlichen ein Jugendzentrum, damit sie nicht auf der Straße versumpfen, während die Katholiken es verschmähen, ihre Sprösslinge in diese Bruchbude zu schicken, und ihnen vermutlich lieber Klavierstunden oder Tennisunterricht spendieren.

Da fragt man sich natürlich: Ist es realistisch, dass innerhalb desselben Stadtteils ein solches soziales Gefälle zwischen den Konfessionen herrscht? -- Interessanterweise gibt es die beiden Kirchen, die in dem Film eine Rolle spielen, im Münchner Stadtteil Bogenhausen tatsächlich, und sie heißen auch wirklich so wie im Film. Dadurch lässt sich feststellen, dass die Nazarethkirche in einem Neubaugebiet, der Parkstadt Bogenhausen, steht; und trotz des offenbar absichtsvoll idyllisch wirkenden Namens scheint es sich dabei tatsächlich um eine Ansammlung recht trostloser Wohnsilos zu handeln. Nicht unbedingt vergleichbar mit Berlin-Marzahn oder dem Märkischen Viertel, aber für Münchner Verhältnisse wohl doch vergleichsweise ärmlich. Eine katholische Kirche - St. Johann von Capistran - gibt es in der "Parkstadt" auch, aber die würde sich schon rein baulich nicht gut als Kontrast zur Nazareth-Kirche eignen. Also haben die Macher des Films auf die schmucke Rokoko-Kirche St. Georg zurückgegriffen, die im "besseren" Teil von Bogenhausen steht - allerdings schon seit 1934, anders als im Film dargestellt, keine Pfarrkirche mehr ist, sondern eine Filiale von Heilig Blut. Dort haben übrigens einstmals zwei bedeutende Vertreter des katholischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus, Pater Alfred Delp SJ und Hermann Josef Wehrle, gewirkt, und 1951/52 war der junge Jospeh Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., dort Kaplan; aber das mal nur ganzganz am Rande.

Durch Vermittlung von Pater Toni sammelt schließlich auch noch die örtliche jüdische Gemeinde Geld für Jessicas Therapie; als Gegenleistung soll die Pfarrerin dem Rabbiner Schafkopf beibringen. Allmählich fragt man sich, ob es in ganz Bogenhausen eigentlich keine anderen krebskranken Kinder bzw. Jugendlichen oder sonstwie besonders hilfsbedürftige Personen gibt. Aber wahrscheinlich haben die einfach Pech gehabt, weil sie nicht das Patenkind der Pfarrerin und zugleich die Tochter ihrer besten Freundin und beste Freundin ihrer Tochter sind. The needs of the few outweigh the needs the many, sagte schon Captain Kirk zu Mister Spock; und folglich muss auch die Rettung des Jugendzentrums hinter der Finanzierung der Stammzellentherapie für Jessica zurückstehen. Immerhin kommt das Jugendzentrum am Rande noch ein paarmal vor. Im Zuge dessen behauptet Pater Toni einmal, er habe in dieser Angelegenheit "mit dem Bischof telefoniert". Na klar. Mit Kardinal Marx. Als ob der wegen so einer Lappalie persönlich ans Telefon gehen würde. -- Und überhaupt: Das Grundstück gehört doch der Pfarrei - inwiefern also geht der Fall die Erzdiözese an? Nun wäre ich wohl nicht der Tobi, wenn ich dieser Frage nicht gleich Montag früh mal nachgegangen wäre. Die Telefonnummer des Erzbistums München-Freising steht schließlich im Internet.
"Guten Morgen. Ich bin Blogger und recherchiere gerade für eine Fernsehkritik. Ich hätte da folgende Frage: Angenommen, eine Pfarrei wollte ein Jugendzentrum auf einem ihr gehörenden Grundstück abreißen und stattdessen eine Seniorenresidenz bauen lassen..."  
-- "Da bin ich nicht zuständig", münchnerte die Dame in der Zentrale. "Einen Augenblick, ich verbinde Sie weiter." 
Sekunden später hatte ich die Pressestelle am Rohr und durfte dort meine Frage ohne Unterbrechung zu Ende formulieren:
"...wäre in so einem Fall die Erzdiözese überhaupt involviert, und wenn ja, wer wäre da zuständig?" 
Bei der Pressestelle teilte man mir mit, dergleichen sei ein Fall für das Ressort 2 des Erzbischöflichen Ordinariats, "Bauwesen und Kunst". Dieses Ressort wird geleitet von einem Ordinariatsdirektor, der ein Diplom von einer Fachhochschule sein eigen nennt. Darauf, diesen Herrn anzurufen und ihm den hypothetischen Fall des Jugendzentrums und der Seniorenresidenz zu schildern, verzichtete ich dann aber doch. Ich glaube auch so behaupten zu können, dass ich mit meinem Anliegen nicht bis zum Kardinal weiterverbunden worden wäre.

Der Film selbst ist derweil jedoch sogar bis zum Papst vorgedrungen: Der Darsteller des Paters Toni, Martin Gruber, hat "Papst Franziskus bei einer Generalaudienz in Rom [den] Film auf DVD überreicht". Das erfährt man aus einem Interview, das die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) mit den Hauptdarstellern geführt hat und das auf der Website des Kölner Domradios veröffentlicht wurde. Schauspieler Gruber findet, der Papst habe "echte Rockstar-Qualitäten. Es war fast wie bei einem Konzert mit Robbie Williams - außer, dass keine Schlüpfer flogen, sondern Rosenkränze.". Ob Franziskus den Film jedoch tatsächlich angesehen hat, vermag Gruber jedoch nicht zu sagen. Na, hoffen wir mal das Beste für den sicherlich auch ohnedies schon genug geplagten Heiligen Vater.

Aber ich habe noch gar nicht verraten, wie der Film ausgeht. Das ist schnell erzählt: Jessica bekommt ihre Scheiß-Stammzellentherapie, und das Scheiß-Jugendzentrum wird scheiß-abgerissen. In der letzten Szene wird die interreligiöse Schafkopf-Runde wieder aufgenommen, und diesmal ist, weil man zum Schafkopfen ja eigentlich vier Mitspieler braucht, auch noch der örtliche Imam dabei. "Warum dieses Ende?", fragt die KNA, und Pfarrerinnen-Darstellerin Birge Schade gibt zu Protokoll: "Es ist eine Utopie des Regisseurs." Kollege Gruber sekundiert:  "Ja, es ist das Prinzip Hoffnung: Dass verschiedene Religionsvertreter [...] an einem Tisch sitzen und friedfertig miteinander spielen, das ist doch ein Schritt, von dem die ganze Menschheit im Moment träumt." So, tut sie das. Die Menschheit scheint sehr bescheiden geworden zu sein.

"Immerhin bleibt offen, ob das Mädel wieder gesund wird", sagte ich zu meiner Liebsten, als der Film nach 88 Minuten gnädigerweise zu Ende war; aber meine Liebste war nicht zufrieden. "Das einzige, was den Film hätte retten können, wäre gewesen, wenn sie vor laufender Kamera gestorben wäre." - "Das einzige, was den Film hätte retten können, wäre gewesen, wenn der Imam beim Schafkopfen gegen die Pfarrerin verloren und ihr daraufhin den Stuhl über die Rübe gezogen hätte", entgegnete ich, woraufhin mein Schatz resümierte: "Das einzige, was den Film hätte retten können, wäre gewesen, wenn das Drehbuch nie geschrieben worden wäre."

Dabei muss man anmerken, dass der Film längst nicht so schlimm war, wie er theoretisch hätte sein können. Beinahe erfrischend für eine TV-Produktion dieser Art war es beispielsweise, dass Pater Toni trotz seines nach schwierigem Start zunehmend guten Verhältnisses zu Pfarrerin Rieke in keinerlei Konflikte mit dem Zölibatsgelübde gerät - wenngleich es durchaus ein bisschen "knistert", wie die KNA meint. Fast noch bemerkenswerter ist der Verzicht auf allzu plumpe Schwarzweißmalerei. Selbst Kirchenratsmitglied und Krankenkassendirektor Häusler ist - obwohl strukturell ganz klar der Antagonist - durchaus kein Bösewicht; er hat vernünftige Argumente für seinen Standpunkt und schafft es am Ende sogar, auf eine Weise einzulenken, durch die er nicht sein Gesicht verliert oder als Charakter unglaubwürdig wird. Aber das fällt vermutlich nur den Zuschauern auf, denen auch auffällt, dass Pater Toni in den unvermeidlichen Kabbeleien der beiden Geistlichen über konfessionelle Unterschiede durchweg die überzeugendere Figur macht - und die sich nicht von der verqueren Pseudo-Moral des Drehbuchs einlullen lassen.

Alles in allem würde ich sagen, evangelische Christen müssten von dem Film noch weit mehr angekotzt sein als Katholiken - so, wie ihre Konfession da dargestellt wird... Pfarrerin Rieke jedenfalls - die, wie am Rande erwähnt wird, aus der ehemaligen DDR stammt und bei den Jungen Pionieren war; das passt ins Bild - verkörpert einen Typus evangelischer Geistlicher, die offenbar gar nicht auf die Idee kommen, etwas Anderes sein zu können oder zu sollen als Sozialarbeiter im Talar (bzw. meistens ohne). Die Drehbuchautoren scheinen diese Berufsauffassung aber ganz richtig, ja sogar vorbildlich zu finden und erwarten dies offenbar auch von ihren Zuschauern. Dass der eher konservative Pater Toni dennoch vergleichsweise gut wegkommt, ist ein Tröpfchen Balsam für die dunkelkatholische Seele, aber mal ehrlich: Wenn das so mehr oder minder das Optimum an positiver Darstellung eines konservativen katholischen Glaubensverständnisses ist, das das öffentlich-rechtliche Fernsehen gerade noch hinkriegt, dann möchte ich bitte meine GEZ-Gebühren von der Kirchensteuer absetzen dürfen. Oder umgekehrt.


P.S.: Wem das oben verlinkte KNA-Interview zu blöd ist (und wem wäre es das nicht?), der sei darauf hingewiesen, dass die deutschsprachige Website der Catholic News Agency (CNA) ebenfalls ein Interview mit Darsteller Martin Gruber zu bieten hat - und das ist erheblich lesenswerter. So einen Unterschied kann ein einziger Buchstabe machen...


Mittwoch, 16. März 2016

Caesarea Philippi 2.0: Was sagen denn die Bürger so?

Ostern naht, und dieser Umstand bringt es alle Jahre wieder mit sich, dass auch die säkularen Medien ein gesteigertes Interesse am Christentum zeigen. Oder wenn schon nicht an den Glaubensinhalten des Christentums, so doch zumindest an der Gestalt jenes Jesus von Nazaret, an dessen triumphalen Einzug in Jerusalem und dessen grausamen Tod sich die Welt zwischen Palmsonntag und Karfreitag erinnert. Was war das Besondere an diesem Mann, dass noch nach fast 2.000 Jahren Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt Seiner gedenken? Das ist auch, ja, man könnte sagen: gerade für Nichtchristen eine faszinierende Frage.

Selbstverständlich beschäftigte die Frage "Wer ist dieser Jesus überhaupt?" auch schon Seine Zeitgenossen,  und auch die kamen schon zu sehr unterschiedlichen Antworten. Bekannt ist der Bericht aus Matthäus 16,13-20 darüber, wie Jesus während eines Aufenthalts in der Gegend von Caesarea Philippi - damals Residenz des Tetrarchen Philippus, eine reiche und prächtige Stadt mit mehreren römischen Tempeln - Seine Jünger befragte: "Für wen halten die Leute den Menschensohn?" Dieselbe Frage stellte nun im Vorfeld des diesjährigen Osterfests die evangelikale Nachrichtenagentur idea dem Meinungsforschungsinstitut INSA, das zu diesem Thema eine repräsentative Umfrage durchführte. Antwortmöglichkeiten wie "Johannes der Täufer, Elija, Jeremia oder sonst einer der Propheten" standen dabei allerdings wohl nicht zur Auswahl. Vielmehr wurden die Teilnehmer der Umfrage danach befragt, ob sie der Meinung seien, Jesus sei der "Sohn Gottes", "unser Erlöser" und/oder "ein sozialer Revolutionär"; sowie auch, ob sie der Meinung seien, Jesus habe "wirklich gelebt". Aufgeschlüsselt wurden die Umfrageergebnisse nach Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit, Altersgruppe und parteipolitischer Präferenz der befragten, sowie auch - was nach mehr als einem Vierteljahrhundert immer noch unerlässlich scheint - nach alten und neuen Bundesländern. In einem Artikel auf idea.de wurden die Ergebnisse vorgestellt und kommentiert - allerdings nicht vollständig veröffentlicht, sodass sich ein unscharfes und teilweise widersprüchliches Gesamtbild ergibt. Aber ein paar interessante Einblicke gewährt der Artikel doch.

So hebt idea.de bereits in der Überschrift hervor, dass 40% der Befragten der Meinung seien, Jesus sei Gottes Sohn. Unwillkürlich möchte man da ein "immerhin" hinzusetzen. Im täglichen Leben könnte man ja häufig den Eindruck haben, der Prozentsatz läge wesentlich niedriger. Gleichzeitig sind 40% in einem Land, in dem rund 60% der Bevölkerung christlichen Glaubensgemeinschaften angehören, ja nun nicht gerade viel. Tatsächlich stimmen, den Umfrageergebnissen zufolge, nur 56% der deutschen Katholiken und 54% der Angehörigen der evangelischen Landeskirchen der Aussage zu, Jesus sei Gottes Sohn. Immerhin noch eine Mehrheit, aber knapp. Bei den Angehörigen evangelischer Freikirchen sieht es mit 70% zwar deutlich besser aus, aber im Grunde gibt diese Zahl fast noch mehr zu denken: Dem Selbstverständnis evangelischer Freikirchen zufolge ist für die Mitgliedschaft in einer solchen schließlich eine persönliche Glaubensentscheidung erforderlich - ein bloßes "Kulturchristentum", also das Phänomen, dass die Mitgliedschaft in einer Kirche, unabhängig vom persönlichen Glauben, zum sozialen Leben in einem bestimmten Milieu einfach "dazugehört", sollte es dort der Theorie nach gar nicht geben. Da fragt man sich: Wie kommen die Freikirchen zu 30% Mitgliedern, die nicht an die Gottessohnschaft Jesu glauben? -- Bei der Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei "unser Erlöser", sind die Ergebnisse noch deutlich schlechter. Hier verschweigt idea.de das Gesamtergebnis, führt aber bei den Freikirchlern 60% Zustimmung an, bei Katholiken und Angehörigen evangelischer Landeskirchen sogar nur jeweils 38%. Das ist bedenklich, aber gleichzeitig tut man gut daran, zu berücksichtigen, dass diese Zahlen immer noch weit über dem Prozentsatz der regelmäßigen Gottesdienstbesucher in den großen Kirchen liegen. Dass es demnach eine signifikante Zahl von Christen in Deutschland gibt, die zwar in Jesus Christus ihren Erlöser sehen, es aber dennoch nicht für nötig halten, in die Kirche zu gehen, sollte den kirchlichen Verantwortungsträgern, wenn man es sich recht überlegt, aber wohl mindestens ebensosehr zu denken geben wie der Umstand, dass sich bei vielen ihrer Mitglieder keine Zustimmung zu fundamentalen christlichen Glaubensinhalten finden lässt. Nicht weniger interessant ist die Differenz zwischen den Zustimmungswerten zu den verschiedenen Aussagen über Jesus Christus: Offenbar gibt es unter den befragten Freikirchlern 10%, unter den Landeskirchenangehörigen 16% und unter den Katholiken sogar 18%, die Jesus zwar als Sohn Gottes, nicht aber als ihren Erlöser ansehen. Was ist denn mit denen verkehrt? Gott hat also Seinen Sohn zu den Menschen gesandt, aber nicht, um sie zu erlösen, sondern -- ja, wozu dann? Die Antwort würde ich mir ja gern mal näher erläutern lassen. Oder, ehrlich gesagt, wahrscheinlich doch lieber nicht.

"Je älter die Befragten sind, desto mehr glauben an die Gottessohnschaft Jesu", stellt idea.de fest - und nennt gleich darauf Zahlen, die dieser Aussage zum Teil widersprechen. Zwar ist die Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei der Sohn Gottes, in der Gruppe der Über-65jährigen mit 46% am höchsten; am niedrigsten (36%) ist sie jedoch in der Altersgruppe der 45-54jährigen. Das sind die Geburtsjahrgänge von 1962-1971, die somit zwischen 1968 (!) und 1990 die Schule besucht haben. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren. Für die anderen Altersgruppen legt idea.de zwar keine konkreten Zahlen vor, aber immerhin geht aus den gemachten Angaben hervor, dass im direkten Vergleich mit den 45-54jährigen der Glaube bei den Jüngeren tendenziell wieder zunimmt. Das lässt ja hoffen.

Die Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei "unser Erlöser", wird nicht nach Altersgruppen, dafür aber nach Parteipräferenzen aufgeschlüsselt. Die höchsten Zustimmungswerte - 43% - erhält diese Aussage bei den Anhängern von CDU/CSU, woraus man schließen kann, dass das "C" im Parteinamen - wenn man sich auch zuweilen fragen kann, wo und inwieweit es sich in der praktischen Politik widerspiegele - doch immerhin einen gewissen Einfluss auf das Wahlverhalten gläubiger Christen hat. Nicht viel geringer fällt die Zustimmung zu der besagten Aussage bei den FDP-Wählern (40%) aus; und dann kommt erst mal eine ganze Weile gar nichts. Unter den SPD-Wählern sehen nur 26% in Jesus Christus ihren Erlöser, bei der AfD sind es nur 23%. Gar so groß scheint die gern an die Wand gemalte Nähe zwischen Rechtspopulisten und christlichen Fundamentalisten demnach wohl doch nicht zu sein. Hat auch was Beruhigendes. Noch geringere Zustimmung findet das Bekenntnis zu Jesus als Erlöser bei den Anhängern der Linken (21%) und Grünen (17%).

Letztere liegen hingegen ganz weit vorn, wenn es darum geht, in Jesus einen "sozialen Revolutionär" zu sehen: 52% der Grünen-Anhänger bekennen sich zu dieser Lieblingsthese all Jener, die gern den vermeintlich "historischen" Jesus gegen den Christus des Glaubens auszuspielen versuchen - zu jenem Stoff also, aus dem die kirchenkritischen Bestseller, TV-"Dokumentationen" und Oster-Titelstorys im SPIEGEL sind. Angesichts der Beharrlichkeit, mit der dieses Zerrbild allerorten kolportiert wird, ist es fast schon erstaunlich, dass die Zustimmung zu dieser Aussage im Durchschnitt aller Befragten nur 36% erreicht. Stolze 67% Zustimmung erzielt die These von Jesus als "sozialem Revolutionär" allerdings bei den befragten Juden. Nun gut, das hat eine gewisse Stimmigkeit, wenn man sich die in den Evangelien geschilderten Auseinandersetzungen Jesu mit dem Judentum Seiner Zeit ansieht, die man ja durchaus unter anderem auch unter einem "sozialreformerischen" Aspekt betrachten kann. Und dass die Juden Ihn nicht als Sohn Gottes anerkennen, liegt ja mehr oder weniger auf der Hand, denn täten sie das, dann wären sie ja Christen. - Oder? Hier nun geben die Umfrageergebnisse ein einigermaßen verwirrendes Bild ab: Definitiv abgelehnt wird die Aussage, Jesus sei Gottes Sohn, nämlich nur von 61% der befragten Juden und 67% der befragten Muslime. Die Aussage "Jesus ist unser Erlöser" lehnen 61% der Muslime ausdrücklich ab, bei den Juden sind es nur 46%, also weniger als die Hälfte. Es ist anzunehmen, dass die Umfrage auch die Option "weiß nicht/keine Antwort" anbot und "Nicht-Ablehnung" somit nicht gleichbedeutend mit Zustimmung ist; aber wenn ein derart signifikanter Prozentsatz der Muslime und Juden dem Bekenntnis zu Jesus als Sohn Gottes und Erlöser zumindest nicht ausdrücklich widerspricht - ist das dann nur Höflichkeit, Diplomatie oder gar Indifferenz, oder schlummert da womöglich ein erhebliches missionarisches Potential?

Zu den besonders bemerkenswerten Ergebnissen der Umfrage zählt auch, dass nur gut die Hälfte der Westdeutschen (52%) und nur gut ein Drittel der Ostdeutschen (36%) davon überzeugt sind, dass Jesus wirklich gelebt hat; der gegenteiligen Überzeugung sind im Westen 17% und im Osten ganze 34%, das restliche Drittel ist in dieser Frage offenbar unentschieden. Wirklich interessant wären hier nun die Schnittmengen mit den Antworten auf die anderen Fragen. Also: Wofür halten diejenigen Befragten Jesus, die nicht sicher sind, dass er überhaupt existiert hat, oder sogar überzeugt sind, dass es ihn nie gegeben hat? Wie viele Befragte gaben gleichzeitig an, Jesus sei ein sozialer Revolutionär gewesen und habe nie gelebt? Bei dem derzeit zu beobachtenden Niedergang der Fähigkeit zu logischem Denken und dem gleichzeitig grassierenden religiösen Analphabetismus würde es mich überhaupt nicht wundern, wenn es da ganz erhebliche Überschneidungen gäbe.

Und wer ist schuld an diesem religiösen Analphabetismus? Die Medien? Klar, die sowieso, immer, an Allem. Aber auch und nicht zuletzt die Kirchen selber. Nicht nur, weil sie es offenbar nicht gebacken kriegen, ihre Glaubensinhalte zu vermitteln - nicht einmal der Mehrheit ihrer eigenen Mitglieder, wohlgemerkt! -; mehr noch, sie tragen vielfach sogar aktiv dazu bei, dass den Leuten das - sagen wir mal - "Glaubenswissen" abhanden kommt. Indem sie ihnen den Eindruck vermitteln, es sei gar nicht so wichtig, was sie glauben, solange sie überhaupt irgendwie irgendwas glauben und dabei nett zueinander sind. "Gefühl ist alles, Nam' ist Schall und Rauch", versuchte schon Faust seinerzeit Gretchen weiszumachen, und wir wissen ja, wie die Geschichte ausging.

In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt es die pastorale Projektgruppe "Sinnsucher", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen, die "Gespräche über Gott und die Welt mit anderen [...] führen" möchten, mit "Material und Anregungen" zu versorgen. Wie es den Grundsätzen moderner Pastoral entspricht, geht es dabei mehr darum, Fragen zuzulassen und stehen zu lassen, als Antworten zu geben. In der diesjährigen Fastenzeit gehen die "Sinnsucher" auf ihrer Facebook-Seite der Frage nach: "Wieso starb Jesus von Nazaret?" Dem Abonnenten der Seite wird "[b]is Ostern alle drei Tage eine neue Deutung" angeboten. Soweit ich die bisherigen Antwortvorschläge der Seite verfolgt habe, habe ich - was mich erst einmal positiv überrascht hat - inhaltlich nicht viel an ihnen auszusetzen; außer eben, dass sie lediglich als Antwortvorschläge daherkommen und die Leser geradezu dazu aufgefordert werden, ihnen ihre eigenen Deutungen entgegenzustellen. Und die fallen dann in der Regel eher in die Kategorie "Jesus war ein guter Mann, er hatte einen Umhang an". So las ich unlängst im Kommentarfeld eines auf der Facebook-Seite der Diözese Rottenburg-Stuttgart geteilten "Sinnsucher"-Beitrags die Aussage: "Jesus starb, weil er mit seinen religiösen Ansichten, die er öffentlich verbreitete, der religiösen Elite nicht in die Linie passte." Schon klar: Schlag nach bei Augstein. Insofern: Gähn. Allerdings ist die Dame, die diesen Kommentar verfasst hat, ihrem Facebook-Profil zufolge Gemeindereferentin in der Katholischen Kirche. Auf meine Anregung, einmal zur Kenntnis zu nehmen, was der Katechismus der Katholischen Kirche unter Nr. 599ff. zum Tod Jesu aussagt, reagierte sie mit der Klarstellung:
"Ich pflege, die Bibel heranzuziehen, sowie aktuelle exegetische Auslegungen. Aufschlussreich war hierfür auch eine Schulung, die ich kürzlich besucht ha[b]e und die mich in meiner Bibelkenntnis bestärkt ha[t]." 
Aufschlussreich. In der Tat. Ich unterstelle mal, dass es sich um eine Schulung handelte, die die Dame in ihrer Eigenschaft als Gemeindereferentin besucht hat. Eine Schulung mithin, die von der Kirche organisiert und finanziert worden ist. Und in der den Damen und eventuell auch Herren Gemeindereferent_innen beigebracht wird, dass "aktuelle exegetische Auslegungen" der Bibel etwas völlig Anderes aussagen als die Lehre der Kirche; ja mehr oder weniger sogar das glatte Gegenteil. Ich gehe mal stark davon aus, dass das kein Einzelfall ist - nicht in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und auch darüber hinaus nicht. 

Da muss man sich dann auch über nichts mehr wundern. 



Samstag, 12. März 2016

Wir haben ja Kabel!

Neulich verbrachte ich wieder einmal einen arbeitsfreien Tag bei und mit meiner Liebsten, und wir taten das, was man laut einschlägigen Beziehungsratgebern tunlichst nicht tun sollte: Wir tummelten uns gleichzeitig mit unseren mobilen Endgeräten im Internet. Soziale Netzwerke und so. Immerhin zeigten wir uns gegenseitig unsere Fundstücke und unterhielten uns darüber. Das ist nämlich etwas, was solche Beziehungsratgeber oft völlig ausblenden: dass es in einer Beziehung durchaus auch etwas so Erstaunliches geben kann wie gemeinsame Interessen. So amüsierten wir uns etwa gemeinsam über eine Karikatur, die einen wenig beachteten Nachteil moderner Flachbildfernseher gegenüber den guten alten Röhrenfernsehern hervorhob: Flachbildfernseher bieten keinen gemütlichen Liegeplatz für Katzen. Na gut, wir haben auch gar keine Katze. Trotzdem merkte ich an: "Eines Tages werden wir den guten alten Röhrenfernseher noch vermissen." - "Nein, werden wir nicht!", widersprach meine Liebste. "Wir haben nämlich noch einen!" 

Oh. Tatsächlich, da steht einer in der Wohnung. Hinter dem Wäscheständer. Im Prinzip wusste ich, dass der da steht. Hatte ich nur irgendwie ausgeblendet. Vermutlich, weil er nie benutzt wird. "Na ja", merkte ich an. "Solange er noch da ist, können wir ihn natürlich nicht vermissen." - "Aber er steht uns doch jetzt schon im Weg. Wir benutzen ihn ja sowieso nicht", erwiderte meine Liebste; worauf ich einwandte: "Ja, aber doch nur, weil er kaputt ist." - "Der ist nicht kaputt", widersprach meine Liebste. 

Diese Information durchzuckte mich wie ein Blitz. "Der ist nicht kaputt?" 
"Nein." 
"Der funktioniert?" 
"Ja." 
"Haben wir Kabel?!?" 
"Ja." 
"Ich gehe sofort los und kaufe eine Funk Uhr." 

Damit meinte ich natürlich die gleichnamige Fernsehzeitschrift, oder, wie meine Oma gesagt haben würde, Radiozeitung. Denn, so sagte ich mir: Für einen ollen, stiesieligen Röhrenfernseher braucht man auch eine olle, stieselige Radiozeitung. Nicht so diese neumodischen Hochglanzmagazine wie TV Movie, da stehen ja nur diese ganzen neumodischen HD-Sendungen drin, für die man einen Flachbildschirm braucht. Bilde ich mir jedenfalls ein. Zum Stichwort stieselig muss ich übrigens anmerken, dass ich dieses Wort spontan und völlig unabhängig davon, wie der Duden seine Bedeutung definiert, als ad-hoc-Übersetzung für das englische quaint herangezogen habe. Quaint im Sinne von "auf irgendwie rührende Weise altmodisch". Dafür gibt es nämlich meines Wissens kein brauchbares deutsches Äquivalent. Die Seite dict.cc bietet als Übersetzung für quaint u.a. an:  "idyllisch, malerisch, pittoresk, kurios, bizarr, reizend, originell, goldig, anheimelnd, drollig, wunderlich, schrullig, verschroben, urig". Da kann man mal sehen, was dieses eine Wort für ein Bedeutungsspektrum abdeckt. Wenn ich da ein weiteres Synonym hinzufüge - nämlich "stieselig" -, fällt das ja praktisch kaum auf.  

Tatsächlich hatte der Kaiser's-Supermarkt eine beträchtliche Auswahl an hinreichend altbacken wirkenden Fernsehzeitschriften zu bieten; da fiel die Auswahl nicht leicht, aber schließlich trug in puncto quaintness doch die "mein TV & ich" den Sieg davon, nicht zuletzt dank eines unschlagbaren Gimmicks: "100 nostalgische Oster-Sticker"! Das musste in den Einkaufskorb. 

An dieser Stelle übrigens ein Pro-Tipp: In einer glücklichen Beziehung zu leben, hat unter anderem auch den Vorteil, dass man sich im Supermarkt nicht unbedingt an der Schlange mit der jüngeren und hübscheren Kassiererin anstellen muss. Bei der anderen geht's nämlich zügiger, wahrscheinlich, weil sie mehr Berufserfahrung hat. Oder auch, weil sie nicht ständig von Kunden abgelenkt wird, die mit ihr flirten wollen. So konnte ich meinen Einkauf also recht schnell abschließen, und zwar obwohl vor mir eine alte Frau dran war, die, auf ihren Hackenporsche deutend, mit altfrauentypisch weinerlicher Stimme zur Kassiererin sagte: "Ich hab einen großen Beutel Erde im Wagen." Ich weiß, es ist nicht nett, aber ich dachte spontan: Die sorgt wohl für ihre Beerdigung vor. In meiner Kindheit gab es in Westdeutschland ja noch alte Schlesier, die sich Erde aus ihrem früheren Heimatort über die polnische Grenze schmuggeln ließen, um in Heimaterde begraben werden zu können. Das Heikle daran war, dass es in Polen verboten war, Erde außer Landes zu bringen. Diese Information habe ich, obwohl ich selbst väterlicherseits aus einer schlesischen Familie stamme, allerdings nur aus der Lindenstraße, aber deswegen zweifle ich trotzdem keine Sekunde daran, dass es stimmt. 

Wieder zu Hause bei meiner Liebsten, zeigte sich, dass das Heft neben den Oster-Stickern noch weitere Highlights zu bieten hatte. So zum Beispiel "Die schnelle Nudel-Diät" ("Nudeln sind echte Schlankmacher: 50 g enthalten nur 180 kcal und 1 Gramm Fett") -- die allerdings, enttäuschenderweise, auf den zweiten Blick gar nicht so oll und stieselig ist, wie man hätte denken können: Als noch kalorienärmere Alternative zu echten Nudeln werden da sogar Zucchininudeln, sogenannte "Zoodles" (igitt!) empfohlen. Ein Glück, dass man sich ein paar Seiten später wieder vollfressen darf: mit leckeren Rezepten für den "Sonntags-Brunch" (z.B. "Osterschinken mit Meerrettich-Remoulade") und für "Köstliches Ostergebäck", z.B. "Erdbeer-Sahne-Torte mit Marzipan-Schafen"! Mäh!! Damit nicht genug, bietet das Heft dem geneigten Leser auch Beratung in Sachen Gesundheit ("Erkältungen sanft heilen"), Gartenarbeit ("Unser großer Garten-Planer für das ganze Jahr"), Recht ("Unser Mietrechts-Experte antwortet") und Familie ("Unter einem Dach mit der Schwiegermutter" - "Wir haben oft verschiedene Ansichten"). Die Radiozeitung als verlässlicher Begleiter in allen Lebenslagen - wie damals in den 80ern! Dass es sowas noch gibt! Ich bin ganz gerührt. Am Allerschönsten ist jedoch die Kolumne "Meine Familie, mein TV und ich - Geschichten aus dem wahren Männerleben". Die kommt natürlich nach dem Programmteil, ganz hinten im Heft - nur noch gefolgt von den Rätselseiten und dem Horoskop. In dieser Kolumne berichtet ein 'typischer Familienvater', den man mitsamt Frau Daniela ("47 Jahre, Lehrerin und einfach wunderbar"), Tochter Julia ("17 Jahre, Schülerin, Sonnenschein und Nervensäge") und Hund Dicki ("3 Jahre, ein clever-süßer Pudel-Mix") in den 80er Jahren kryogenisch eingefroren und 30 Jahre später wieder aufgetaut hat, über seine alltäglichen Erlebnisse. In der aktuellen Folge freut er sich, dass es ihm mit Hilfe des neuen "Tischröster[s]" gelungen ist, dem mit dem "Veganer-Wahnsinn" liebäugelnden Töchterlein ("Ich esse eben keine Tiere! Nichts, was Augen hat!") ein Thüringer Bratwürstchen schmackhaft zu machen: "[T]oll, so eine Veganer-Bekehrung. Das eigene Kind aus einer Sekte gerettet!" 

(Ich esse übrigens auch nichts, was Augen hat. Die lasse ich vom Fleischer meines Vertrauens fachkundig entfernen.) 

Ob die Qualität des Fernsehprogramms mit derjenigen der Zeitschrift mithalten kann, bleibt derweil zweifelhaft. Um das herauszufinden, müsste man (und "man" heißt mit hoher Wahrscheinlichkeit: ich) erst mal den guten alten Röhrenfernseher hinter dem Wäscheständer hervorziehen und mit der Kabelanschlussbuchse verbinden. Hm. Ach, vielleicht lese ich lieber doch erst noch ein bisschen in der Zeitschrift. -- Habe ich eigentlich mal erwähnt, dass ich im Alter von 5 Jahren mit Hilfe der Funk Uhr (und der Unterstützung meiner älteren Geschwister) das Lesen erlernt habe? 


Donnerstag, 10. März 2016

Dreifach glauben? Einfach würde mir schon genügen...

Das Fachmagazin für schlechte Katholiken, katholisch.de, teilt derzeit auf seiner Facebook-Seite regelmäßig Visuals der Initiative "dreifach Glauben" - laut Selbstbeschreibung ein "Netzwerk junger katholischer Theolog_innen" mit dem Anliegen, "über Gott zu reden und zwar so, wie er sich uns zeigt und es jeder versteht". Das klingt ja schon mal gruselig genug. Bei der erwähnten Visual-Reihe geht es, wie die FB-Redaktion von katholisch.de auf Anfrage erläuterte, darum, in der Fastenzeit "die sieben christlichen Werke der Barmherzigkeit" vorzustellen: "Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Nackte bekleiden, Kranke und Gefangene besuchen sowie Tote begraben". Na okay. Jüngst war offenbar der Punkt mit den Kranken dran. Und dazu gab's den folgenden Text: 
Gott. 
Ich mag das Gefühl von krank sein nicht.
Dieses darliegen. Nichtstun. 
Auf Andere angewiesen zu sein. 
Aus meinem Alltag rausgerissen zu werden. 
Auf einmal bestimmen andere Faktoren was ich den ganzen Tag tun soll, kann und darf. 
Rechtschreibung und Interpunktion lasse ich einfach mal in voller Schönheit auf den Leser wirken. Wobei ich "darliegen" schön irgendwie hübsch finde. Ich wurde dargelegt, jetzt liege ich dar. Aber Scherz beiseite. Meine erste, spontane Reaktion auf diesen Text war der - noch nicht einmal wertend gemeinte - Gedanke: Komisch, mir geht's da ganz anders. Also, so richtig völlig anders. Manchmal jedenfalls, da genieße ich das richtig. Aus dem Alltag rausgerissen zu werden, auf Andere angewiesen zu sein. Das Da(r)liegen, Nichtstun. Mich um nichts kümmern zu müssen, weil ich mich um nichts kümmern kann. Weil ich krank bin. Manchmal empfinde ich das geradezu als einen Segen, ja, ein Geschenk des Himmels. 

Nun habe ich da zugegeben leicht reden, da ich noch nie wirklich schwer und lange krank war. Außerdem hatte ich bislang immer das Glück, dass sich jemand um mich kümmerte, wenn ich krank war - nicht nur im Sinne medizinischer Versorgung, sondern auch im Sinne menschlicher Anteilnahme. Aber in dem zitierten Text geht es ja auch nicht explizit um schweres Leiden, sondern einfach darum, dass das "Ich" des Textes das Gefühl von Kranksein "nicht mag". Und zwar deshalb, weil es als Verlust von Autonomie erlebt wird. Das scheint mir ein ganz wesentlicher Punkt. Könnte man vielleicht sagen, dass das angesprochene "Gefühl von Kranksein" dem Menschen einfach nur besonders deutlich spürbar macht, dass seine vermeintliche Autonomie letztlich illusorisch ist? Denn irgendwie sind wir doch immer auf Andere angewiesen. Und wenn morgens der Wecker klingelt, weil man zur Arbeit muss, dann wird man doch auch ziemlich brutal aus seiner Selbstgenügsamkeit rausgerissen. Und da ist man dann auch total fremdbestimmt bis zum Feierabend, und "andere Faktoren" bestimmen, was man "den ganzen Tag tun soll, kann und darf". Und schlimmer noch: Irgendwann stirbt man. Und wird so richtig final aus Allem rausgerissen. -- Der bedeutende evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher schrieb dereinst, Religion wurzele im "Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit". Man könnte hinzufügen, dieses Gefühl sei prinzipiell conditio humana, so viel  vermeintliche Autonomie wir auch beanspruchen und uns einbilden mögen.

Die Frage ist: Was lernen wir nun aus Alledem? Betrachtet man den zitierten Text als ein Gebet - denn immerhin wird darin ja Gott angesprochen -, dann stellt sich die Frage: Was will der Beter von Gott? Eine konkrete Bitte wird da ja nicht formuliert. Man könnte sagen, der Beter teilt Gott zunächst einmal einfach mit, wie er sich fühlt. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen. Aber die Macher dieses Visuals müssen sich doch darüber hinaus irgend etwas gedacht haben. Und als in den Sozialen Medien veröffentlichtes Visual Statement richtet sich der Text ja eben doch nicht (nur) an Gott, sondern (auch) an den Leser. Was soll der nun damit anfangen? Nun gut, vielleicht soll er sich erst einmal einfach darin wiederfinden. Hat bei mir ja schon mal nicht geklappt, aber das heißt ja nichts. Vielleicht, wer weiß, geht es den Machern von "dreifach Glauben" sogar explizit darum, dass der Leser sich selbst Gedanken darüber machen soll, wie Gott mit einem solchen Gebet umgehen sollte. Die FB-Redaktion von katholisch.de jedenfalls hat sich Gedanken darüber gemacht - und über das geteilte Visual drübergeschrieben: "Barmherziger Gott. Beschütze mich vor Krankheiten." Das lag nahe. Ein bisschen zu nahe, für mein Empfinden.

Sicher: Wenn ein Kranker um Heilung betet, ist das sehr verständlich und völlig legitim. Auch wenn ein Gesunder darum betet, gesund zu bleiben, ist dagegen grundsätzlich nichts zu sagen. Aber das scheint mir doch - und ich entschuldige mich gleich im Voraus, wenn sich jetzt jemand auf die Füße getreten fühlt - eher die Vorschule, um nicht zu sagen der Kindergarten des christlichen Betens zu sein. Besonders wenn, wie hier, das Problematische am Kranksein wie gesagt im Verlust von Autonomie gesehen wird. Da wendet man sich also an Gott, um Ihn zu bitten, Er möge einem das Gefühl des Angewiesenseins auf Andere ersparen. Was ist denn mit dem Angewiesensein auf Gott?, möchte man da fragen. In dem Moment, in dem der Beter betet, empfindet er dieses Angewiesensein ja offenbar - betet aber gerade darum, es loszuwerden. Im Grunde wird da der zentrale Satz des zu Recht berühmten "Gebets vom Bruder Klaus" auf den Kopf gestellt: "Nimm mich Dir und gib mich ganz zu eigen mir." 

Ich gebe zu, ich übertreibe. Nochmals: Entschuldigung. Aber wenn ich gerade eben von der Vorschule des christlichen Betens sprach, dann muss ich jetzt natürlich auch sagen, was ich mir unter einem geistlich reiferen Gebet vorstellen würde. Die Antwort lautet: Gott zu bitten, Er möge dazu helfen, Krankheit und sonstiges Leiden zu ertragen - und im Idealfall nicht nur zu ertragen, sondern anzunehmen. Anzunehmen etwa als eine Chance, Gott näher zu kommen. Geborgenheit bei Ihm zu finden, gerade durch das Herausgerissenwerden aus dem Alltag, durch den Verzicht darauf, alles selbst zu regeln und zu bestimmen. Durch das Anerkennen der eigenen Hilflosigkeit. Mir kam in diesem Zusammenhang ein, wie ich finde, sehr beeindruckendes Zitat der katholischen Schriftstellerin Flannery O'Connor (1925-1964) in den Sinn, die über mehr als ein Drittel ihrer kurzen Lebenszeit schwer krank war:
"I have never been anywhere but sick. In a sense sickness is a place, more instructive than a long trip to Europe, and it’s always a place where nobody can follow. Sickness before death is a very appropriate thing and I think those who don’t have it miss one of God’s mercies." 
["Ich bin niemals irgendwo gewesen außer krank. In gewissem Sinne ist Krankheit tatsächlich ein Ort, lehrreicher als eine lange Reise durch Europa, und sie ist stets ein Ort, an den einem niemand folgen kann. Krankheit vor dem Tod ist etwas sehr Angemessenes, und ich glaube, wer das nicht hat, dem entgeht eine Gnade Gottes."] 
Wie es sich übrigens fügte, kam mir am selben Tag, an dem katholisch.de das Krankheits-Visual von "dreifach Glauben" teilte, ein im National Catholic Register veröffentlichter Artikel der wundervollen katholischen Bloggerin Simcha Fisher zu Augen, der sich mit einer weiteren typisch katholischen Weise befasste, Leiden zu bewältigen: dem "Aufopfern". Frischgebackene Konvertiten, so betont Simcha Fisher eingangs, wüssten oft nicht, was mit diesem Begriff gemeint sei. Ich möchte hinzufügen, dass es zumindest hierzulande wohl viele "geborene Katholiken" ebenfalls nicht wissen. Also, worum geht's? Kurz gesagt darum, Leiden in etwas Sinnvolles zu verwandeln - oder genauer: verwandeln zu lassen, nämlich durch Gott. Simcha Fisher erläutert: 
"Christ became a man so that He could suffer and die to redeem us, and when He did this, He changed the nature of suffering so that any and all human suffering can be united with His as part of the work of redemption." 

["Christus wurde Mensch, damit Er uns durch sein Leiden und Sterben erlösen konnte, und indem Er das tat, verwandelte Er die Natur des Leidens so, dass jedes und alles menschliche Leiden mit dem Seinen vereinigt und zum Bestandteil seines Werks der Erlösung werden kann."] 
Klingt obskur? Die liebe Simcha hat eine sehr einprägsame Analogie in petto: 
"I was once too broke to bring a gift to a wedding.  A friend of mine had brought an expensive and thoughtful present, beautifully wrapped, and she let me add my name to the card.  ... Jesus allows us to “add our name” to the gift of his sacrifice to the Father—that we can do this every time we suffer, and also any time we attend Mass." 

["Einmal war ich so pleite, dass ich zu einer Hochzeit kein Geschenk kaufen konnte. Ein(e) Freund(in) hatte ein teures und liebevoll ausgewähltes, wunderschön verpacktes Geschenk mitgebracht und erlaubte mir, meinen Namen mit auf die Karte zu schreiben. Jesus erlaubt uns, Seinem Geschenk, Seinem Opfer für den Vater 'unseren Namen hinzuzufügen' - Er erlaubt uns dies zu tun, wann immer wir Leid empfinden, und auch jedesmal, wenn wir die Messe besuchen."] 
Dem aufmerksamen und mitdenkenden Leser wird es nicht entgehen, dass diese Idee des "Aufopferns" etwas mit Buße zu tun hat - sei es für die eigenen Sünden oder die anderer Menschen, beispielsweise der Armen Seelen im Fegefeuer. Da ist es im Grunde nicht sonderlich überraschend, dass diese Lehre heutzutage nicht sehr populär ist. Da ich vorhin sagte, hierzulande sei dieses Konzept wohl sogar "geborenen Katholiken" vielfach fremd, möchte ich noch ergänzen, dass mir das in meiner doch ausgesprochen kirchennahen Kindheit und Jugend auch nie jemand beigebracht hat; ich musste mir das, wie so viele katholische Glaubensinhalte, im Erwachsenenalter aus eigener Initiative nach und nach selbst aneignen. Aber heutzutage gibt es doch das Internet und die Sozialen Medien! Katholische Online-Portale und Facebook-Seiten, so weit das Auge reicht! Die könnten einem sowas doch vermitteln! -- Nein? Nein, anscheinend nicht. Jedenfalls nicht die "offiziellen" Portale. Denen ist das wohl nicht "niederschwellig" genug. Die sind - so jedenfalls mein ganz subjektiver Eindruck - überwiegend so sehr damit beschäftigt, "die Leute da abzuholen, wo sie stehen", dass sie darüber ganz vergessen, die Leute von dort aus irgendwo hinzuführen. Und anstatt ihren Lesern den Reichtum und die Schönheit des katholischen Glaubens zu erschließen, geben sie sich schon damit zufrieden, wenn die Leute überhaupt noch irgendwie an Gott glauben...

Na, Gott sei Dank gibt es ja noch die Blogger. Und das Bistum Gnadensuhl