Ostern naht, und dieser Umstand bringt es alle Jahre wieder mit sich, dass auch die säkularen Medien ein gesteigertes Interesse am Christentum zeigen. Oder wenn schon nicht an den Glaubensinhalten des Christentums, so doch zumindest an der Gestalt jenes Jesus von Nazaret, an dessen triumphalen Einzug in Jerusalem und dessen grausamen Tod sich die Welt zwischen Palmsonntag und Karfreitag erinnert. Was war das Besondere an diesem Mann, dass noch nach fast 2.000 Jahren Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt Seiner gedenken? Das ist auch, ja, man könnte sagen: gerade für Nichtchristen eine faszinierende Frage.
Selbstverständlich beschäftigte die Frage "Wer ist dieser Jesus überhaupt?" auch schon Seine Zeitgenossen, und auch die kamen schon zu sehr unterschiedlichen Antworten. Bekannt ist der Bericht aus Matthäus 16,13-20 darüber, wie Jesus während eines Aufenthalts in der Gegend von Caesarea Philippi - damals Residenz des Tetrarchen Philippus, eine reiche und prächtige Stadt mit mehreren römischen Tempeln - Seine Jünger befragte: "Für wen halten die Leute den Menschensohn?" Dieselbe Frage stellte nun im Vorfeld des diesjährigen Osterfests die evangelikale Nachrichtenagentur idea dem Meinungsforschungsinstitut INSA, das zu diesem Thema eine repräsentative Umfrage durchführte. Antwortmöglichkeiten wie "Johannes der Täufer, Elija, Jeremia oder sonst einer der Propheten" standen dabei allerdings wohl nicht zur Auswahl. Vielmehr wurden die Teilnehmer der Umfrage danach befragt, ob sie der Meinung seien, Jesus sei der "Sohn Gottes", "unser Erlöser" und/oder "ein sozialer Revolutionär"; sowie auch, ob sie der Meinung seien, Jesus habe "wirklich gelebt". Aufgeschlüsselt wurden die Umfrageergebnisse nach Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit, Altersgruppe und parteipolitischer Präferenz der befragten, sowie auch - was nach mehr als einem Vierteljahrhundert immer noch unerlässlich scheint - nach alten und neuen Bundesländern. In einem Artikel auf idea.de wurden die Ergebnisse vorgestellt und kommentiert - allerdings nicht vollständig veröffentlicht, sodass sich ein unscharfes und teilweise widersprüchliches Gesamtbild ergibt. Aber ein paar interessante Einblicke gewährt der Artikel doch.
So hebt idea.de bereits in der Überschrift hervor, dass 40% der Befragten der Meinung seien, Jesus sei Gottes Sohn. Unwillkürlich möchte man da ein "immerhin" hinzusetzen. Im täglichen Leben könnte man ja häufig den Eindruck haben, der Prozentsatz läge wesentlich niedriger. Gleichzeitig sind 40% in einem Land, in dem rund 60% der Bevölkerung christlichen Glaubensgemeinschaften angehören, ja nun nicht gerade viel. Tatsächlich stimmen, den Umfrageergebnissen zufolge, nur 56% der deutschen Katholiken und 54% der Angehörigen der evangelischen Landeskirchen der Aussage zu, Jesus sei Gottes Sohn. Immerhin noch eine Mehrheit, aber knapp. Bei den Angehörigen evangelischer Freikirchen sieht es mit 70% zwar deutlich besser aus, aber im Grunde gibt diese Zahl fast noch mehr zu denken: Dem Selbstverständnis evangelischer Freikirchen zufolge ist für die Mitgliedschaft in einer solchen schließlich eine persönliche Glaubensentscheidung erforderlich - ein bloßes "Kulturchristentum", also das Phänomen, dass die Mitgliedschaft in einer Kirche, unabhängig vom persönlichen Glauben, zum sozialen Leben in einem bestimmten Milieu einfach "dazugehört", sollte es dort der Theorie nach gar nicht geben. Da fragt man sich: Wie kommen die Freikirchen zu 30% Mitgliedern, die nicht an die Gottessohnschaft Jesu glauben? -- Bei der Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei "unser Erlöser", sind die Ergebnisse noch deutlich schlechter. Hier verschweigt idea.de das Gesamtergebnis, führt aber bei den Freikirchlern 60% Zustimmung an, bei Katholiken und Angehörigen evangelischer Landeskirchen sogar nur jeweils 38%. Das ist bedenklich, aber gleichzeitig tut man gut daran, zu berücksichtigen, dass diese Zahlen immer noch weit über dem Prozentsatz der regelmäßigen Gottesdienstbesucher in den großen Kirchen liegen. Dass es demnach eine signifikante Zahl von Christen in Deutschland gibt, die zwar in Jesus Christus ihren Erlöser sehen, es aber dennoch nicht für nötig halten, in die Kirche zu gehen, sollte den kirchlichen Verantwortungsträgern, wenn man es sich recht überlegt, aber wohl mindestens ebensosehr zu denken geben wie der Umstand, dass sich bei vielen ihrer Mitglieder keine Zustimmung zu fundamentalen christlichen Glaubensinhalten finden lässt. Nicht weniger interessant ist die Differenz zwischen den Zustimmungswerten zu den verschiedenen Aussagen über Jesus Christus: Offenbar gibt es unter den befragten Freikirchlern 10%, unter den Landeskirchenangehörigen 16% und unter den Katholiken sogar 18%, die Jesus zwar als Sohn Gottes, nicht aber als ihren Erlöser ansehen. Was ist denn mit denen verkehrt? Gott hat also Seinen Sohn zu den Menschen gesandt, aber nicht, um sie zu erlösen, sondern -- ja, wozu dann? Die Antwort würde ich mir ja gern mal näher erläutern lassen. Oder, ehrlich gesagt, wahrscheinlich doch lieber nicht.
"Je älter die Befragten sind, desto mehr glauben an die Gottessohnschaft Jesu", stellt idea.de fest - und nennt gleich darauf Zahlen, die dieser Aussage zum Teil widersprechen. Zwar ist die Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei der Sohn Gottes, in der Gruppe der Über-65jährigen mit 46% am höchsten; am niedrigsten (36%) ist sie jedoch in der Altersgruppe der 45-54jährigen. Das sind die Geburtsjahrgänge von 1962-1971, die somit zwischen 1968 (!) und 1990 die Schule besucht haben. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren. Für die anderen Altersgruppen legt idea.de zwar keine konkreten Zahlen vor, aber immerhin geht aus den gemachten Angaben hervor, dass im direkten Vergleich mit den 45-54jährigen der Glaube bei den Jüngeren tendenziell wieder zunimmt. Das lässt ja hoffen.
Die Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei "unser Erlöser", wird nicht nach Altersgruppen, dafür aber nach Parteipräferenzen aufgeschlüsselt. Die höchsten Zustimmungswerte - 43% - erhält diese Aussage bei den Anhängern von CDU/CSU, woraus man schließen kann, dass das "C" im Parteinamen - wenn man sich auch zuweilen fragen kann, wo und inwieweit es sich in der praktischen Politik widerspiegele - doch immerhin einen gewissen Einfluss auf das Wahlverhalten gläubiger Christen hat. Nicht viel geringer fällt die Zustimmung zu der besagten Aussage bei den FDP-Wählern (40%) aus; und dann kommt erst mal eine ganze Weile gar nichts. Unter den SPD-Wählern sehen nur 26% in Jesus Christus ihren Erlöser, bei der AfD sind es nur 23%. Gar so groß scheint die gern an die Wand gemalte Nähe zwischen Rechtspopulisten und christlichen Fundamentalisten demnach wohl doch nicht zu sein. Hat auch was Beruhigendes. Noch geringere Zustimmung findet das Bekenntnis zu Jesus als Erlöser bei den Anhängern der Linken (21%) und Grünen (17%).
Letztere liegen hingegen ganz weit vorn, wenn es darum geht, in Jesus einen "sozialen Revolutionär" zu sehen: 52% der Grünen-Anhänger bekennen sich zu dieser Lieblingsthese all Jener, die gern den vermeintlich "historischen" Jesus gegen den Christus des Glaubens auszuspielen versuchen - zu jenem Stoff also, aus dem die kirchenkritischen Bestseller, TV-"Dokumentationen" und Oster-Titelstorys im SPIEGEL sind. Angesichts der Beharrlichkeit, mit der dieses Zerrbild allerorten kolportiert wird, ist es fast schon erstaunlich, dass die Zustimmung zu dieser Aussage im Durchschnitt aller Befragten nur 36% erreicht. Stolze 67% Zustimmung erzielt die These von Jesus als "sozialem Revolutionär" allerdings bei den befragten Juden. Nun gut, das hat eine gewisse Stimmigkeit, wenn man sich die in den Evangelien geschilderten Auseinandersetzungen Jesu mit dem Judentum Seiner Zeit ansieht, die man ja durchaus unter anderem auch unter einem "sozialreformerischen" Aspekt betrachten kann. Und dass die Juden Ihn nicht als Sohn Gottes anerkennen, liegt ja mehr oder weniger auf der Hand, denn täten sie das, dann wären sie ja Christen. - Oder? Hier nun geben die Umfrageergebnisse ein einigermaßen verwirrendes Bild ab: Definitiv abgelehnt wird die Aussage, Jesus sei Gottes Sohn, nämlich nur von 61% der befragten Juden und 67% der befragten Muslime. Die Aussage "Jesus ist unser Erlöser" lehnen 61% der Muslime ausdrücklich ab, bei den Juden sind es nur 46%, also weniger als die Hälfte. Es ist anzunehmen, dass die Umfrage auch die Option "weiß nicht/keine Antwort" anbot und "Nicht-Ablehnung" somit nicht gleichbedeutend mit Zustimmung ist; aber wenn ein derart signifikanter Prozentsatz der Muslime und Juden dem Bekenntnis zu Jesus als Sohn Gottes und Erlöser zumindest nicht ausdrücklich widerspricht - ist das dann nur Höflichkeit, Diplomatie oder gar Indifferenz, oder schlummert da womöglich ein erhebliches missionarisches Potential?
Zu den besonders bemerkenswerten Ergebnissen der Umfrage zählt auch, dass nur gut die Hälfte der Westdeutschen (52%) und nur gut ein Drittel der Ostdeutschen (36%) davon überzeugt sind, dass Jesus wirklich gelebt hat; der gegenteiligen Überzeugung sind im Westen 17% und im Osten ganze 34%, das restliche Drittel ist in dieser Frage offenbar unentschieden. Wirklich interessant wären hier nun die Schnittmengen mit den Antworten auf die anderen Fragen. Also: Wofür halten diejenigen Befragten Jesus, die nicht sicher sind, dass er überhaupt existiert hat, oder sogar überzeugt sind, dass es ihn nie gegeben hat? Wie viele Befragte gaben gleichzeitig an, Jesus sei ein sozialer Revolutionär gewesen und habe nie gelebt? Bei dem derzeit zu beobachtenden Niedergang der Fähigkeit zu logischem Denken und dem gleichzeitig grassierenden religiösen Analphabetismus würde es mich überhaupt nicht wundern, wenn es da ganz erhebliche Überschneidungen gäbe.
Und wer ist schuld an diesem religiösen Analphabetismus? Die Medien? Klar, die sowieso, immer, an Allem. Aber auch und nicht zuletzt die Kirchen selber. Nicht nur, weil sie es offenbar nicht gebacken kriegen, ihre Glaubensinhalte zu vermitteln - nicht einmal der Mehrheit ihrer eigenen Mitglieder, wohlgemerkt! -; mehr noch, sie tragen vielfach sogar aktiv dazu bei, dass den Leuten das - sagen wir mal - "Glaubenswissen" abhanden kommt. Indem sie ihnen den Eindruck vermitteln, es sei gar nicht so wichtig, was sie glauben, solange sie überhaupt irgendwie irgendwas glauben und dabei nett zueinander sind. "Gefühl ist alles, Nam' ist Schall und Rauch", versuchte schon Faust seinerzeit Gretchen weiszumachen, und wir wissen ja, wie die Geschichte ausging.
In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt es die pastorale Projektgruppe "Sinnsucher", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen, die "Gespräche über Gott und die Welt mit anderen [...] führen" möchten, mit "Material und Anregungen" zu versorgen. Wie es den Grundsätzen moderner Pastoral entspricht, geht es dabei mehr darum, Fragen zuzulassen und stehen zu lassen, als Antworten zu geben. In der diesjährigen Fastenzeit gehen die "Sinnsucher" auf ihrer Facebook-Seite der Frage nach: "Wieso starb Jesus von Nazaret?" Dem Abonnenten der Seite wird "[b]is Ostern alle drei Tage eine neue Deutung" angeboten. Soweit ich die bisherigen Antwortvorschläge der Seite verfolgt habe, habe ich - was mich erst einmal positiv überrascht hat - inhaltlich nicht viel an ihnen auszusetzen; außer eben, dass sie lediglich als Antwortvorschläge daherkommen und die Leser geradezu dazu aufgefordert werden, ihnen ihre eigenen Deutungen entgegenzustellen. Und die fallen dann in der Regel eher in die Kategorie "Jesus war ein guter Mann, er hatte einen Umhang an". So las ich unlängst im Kommentarfeld eines auf der Facebook-Seite der Diözese Rottenburg-Stuttgart geteilten "Sinnsucher"-Beitrags die Aussage: "Jesus starb, weil er mit seinen religiösen Ansichten, die er öffentlich verbreitete, der religiösen Elite nicht in die Linie passte." Schon klar: Schlag nach bei Augstein. Insofern: Gähn. Allerdings ist die Dame, die diesen Kommentar verfasst hat, ihrem Facebook-Profil zufolge Gemeindereferentin in der Katholischen Kirche. Auf meine Anregung, einmal zur Kenntnis zu nehmen, was der Katechismus der Katholischen Kirche unter Nr. 599ff. zum Tod Jesu aussagt, reagierte sie mit der Klarstellung:
Da muss man sich dann auch über nichts mehr wundern.
Selbstverständlich beschäftigte die Frage "Wer ist dieser Jesus überhaupt?" auch schon Seine Zeitgenossen, und auch die kamen schon zu sehr unterschiedlichen Antworten. Bekannt ist der Bericht aus Matthäus 16,13-20 darüber, wie Jesus während eines Aufenthalts in der Gegend von Caesarea Philippi - damals Residenz des Tetrarchen Philippus, eine reiche und prächtige Stadt mit mehreren römischen Tempeln - Seine Jünger befragte: "Für wen halten die Leute den Menschensohn?" Dieselbe Frage stellte nun im Vorfeld des diesjährigen Osterfests die evangelikale Nachrichtenagentur idea dem Meinungsforschungsinstitut INSA, das zu diesem Thema eine repräsentative Umfrage durchführte. Antwortmöglichkeiten wie "Johannes der Täufer, Elija, Jeremia oder sonst einer der Propheten" standen dabei allerdings wohl nicht zur Auswahl. Vielmehr wurden die Teilnehmer der Umfrage danach befragt, ob sie der Meinung seien, Jesus sei der "Sohn Gottes", "unser Erlöser" und/oder "ein sozialer Revolutionär"; sowie auch, ob sie der Meinung seien, Jesus habe "wirklich gelebt". Aufgeschlüsselt wurden die Umfrageergebnisse nach Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit, Altersgruppe und parteipolitischer Präferenz der befragten, sowie auch - was nach mehr als einem Vierteljahrhundert immer noch unerlässlich scheint - nach alten und neuen Bundesländern. In einem Artikel auf idea.de wurden die Ergebnisse vorgestellt und kommentiert - allerdings nicht vollständig veröffentlicht, sodass sich ein unscharfes und teilweise widersprüchliches Gesamtbild ergibt. Aber ein paar interessante Einblicke gewährt der Artikel doch.
So hebt idea.de bereits in der Überschrift hervor, dass 40% der Befragten der Meinung seien, Jesus sei Gottes Sohn. Unwillkürlich möchte man da ein "immerhin" hinzusetzen. Im täglichen Leben könnte man ja häufig den Eindruck haben, der Prozentsatz läge wesentlich niedriger. Gleichzeitig sind 40% in einem Land, in dem rund 60% der Bevölkerung christlichen Glaubensgemeinschaften angehören, ja nun nicht gerade viel. Tatsächlich stimmen, den Umfrageergebnissen zufolge, nur 56% der deutschen Katholiken und 54% der Angehörigen der evangelischen Landeskirchen der Aussage zu, Jesus sei Gottes Sohn. Immerhin noch eine Mehrheit, aber knapp. Bei den Angehörigen evangelischer Freikirchen sieht es mit 70% zwar deutlich besser aus, aber im Grunde gibt diese Zahl fast noch mehr zu denken: Dem Selbstverständnis evangelischer Freikirchen zufolge ist für die Mitgliedschaft in einer solchen schließlich eine persönliche Glaubensentscheidung erforderlich - ein bloßes "Kulturchristentum", also das Phänomen, dass die Mitgliedschaft in einer Kirche, unabhängig vom persönlichen Glauben, zum sozialen Leben in einem bestimmten Milieu einfach "dazugehört", sollte es dort der Theorie nach gar nicht geben. Da fragt man sich: Wie kommen die Freikirchen zu 30% Mitgliedern, die nicht an die Gottessohnschaft Jesu glauben? -- Bei der Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei "unser Erlöser", sind die Ergebnisse noch deutlich schlechter. Hier verschweigt idea.de das Gesamtergebnis, führt aber bei den Freikirchlern 60% Zustimmung an, bei Katholiken und Angehörigen evangelischer Landeskirchen sogar nur jeweils 38%. Das ist bedenklich, aber gleichzeitig tut man gut daran, zu berücksichtigen, dass diese Zahlen immer noch weit über dem Prozentsatz der regelmäßigen Gottesdienstbesucher in den großen Kirchen liegen. Dass es demnach eine signifikante Zahl von Christen in Deutschland gibt, die zwar in Jesus Christus ihren Erlöser sehen, es aber dennoch nicht für nötig halten, in die Kirche zu gehen, sollte den kirchlichen Verantwortungsträgern, wenn man es sich recht überlegt, aber wohl mindestens ebensosehr zu denken geben wie der Umstand, dass sich bei vielen ihrer Mitglieder keine Zustimmung zu fundamentalen christlichen Glaubensinhalten finden lässt. Nicht weniger interessant ist die Differenz zwischen den Zustimmungswerten zu den verschiedenen Aussagen über Jesus Christus: Offenbar gibt es unter den befragten Freikirchlern 10%, unter den Landeskirchenangehörigen 16% und unter den Katholiken sogar 18%, die Jesus zwar als Sohn Gottes, nicht aber als ihren Erlöser ansehen. Was ist denn mit denen verkehrt? Gott hat also Seinen Sohn zu den Menschen gesandt, aber nicht, um sie zu erlösen, sondern -- ja, wozu dann? Die Antwort würde ich mir ja gern mal näher erläutern lassen. Oder, ehrlich gesagt, wahrscheinlich doch lieber nicht.
"Je älter die Befragten sind, desto mehr glauben an die Gottessohnschaft Jesu", stellt idea.de fest - und nennt gleich darauf Zahlen, die dieser Aussage zum Teil widersprechen. Zwar ist die Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei der Sohn Gottes, in der Gruppe der Über-65jährigen mit 46% am höchsten; am niedrigsten (36%) ist sie jedoch in der Altersgruppe der 45-54jährigen. Das sind die Geburtsjahrgänge von 1962-1971, die somit zwischen 1968 (!) und 1990 die Schule besucht haben. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren. Für die anderen Altersgruppen legt idea.de zwar keine konkreten Zahlen vor, aber immerhin geht aus den gemachten Angaben hervor, dass im direkten Vergleich mit den 45-54jährigen der Glaube bei den Jüngeren tendenziell wieder zunimmt. Das lässt ja hoffen.
Die Zustimmung zu der Aussage, Jesus sei "unser Erlöser", wird nicht nach Altersgruppen, dafür aber nach Parteipräferenzen aufgeschlüsselt. Die höchsten Zustimmungswerte - 43% - erhält diese Aussage bei den Anhängern von CDU/CSU, woraus man schließen kann, dass das "C" im Parteinamen - wenn man sich auch zuweilen fragen kann, wo und inwieweit es sich in der praktischen Politik widerspiegele - doch immerhin einen gewissen Einfluss auf das Wahlverhalten gläubiger Christen hat. Nicht viel geringer fällt die Zustimmung zu der besagten Aussage bei den FDP-Wählern (40%) aus; und dann kommt erst mal eine ganze Weile gar nichts. Unter den SPD-Wählern sehen nur 26% in Jesus Christus ihren Erlöser, bei der AfD sind es nur 23%. Gar so groß scheint die gern an die Wand gemalte Nähe zwischen Rechtspopulisten und christlichen Fundamentalisten demnach wohl doch nicht zu sein. Hat auch was Beruhigendes. Noch geringere Zustimmung findet das Bekenntnis zu Jesus als Erlöser bei den Anhängern der Linken (21%) und Grünen (17%).
Letztere liegen hingegen ganz weit vorn, wenn es darum geht, in Jesus einen "sozialen Revolutionär" zu sehen: 52% der Grünen-Anhänger bekennen sich zu dieser Lieblingsthese all Jener, die gern den vermeintlich "historischen" Jesus gegen den Christus des Glaubens auszuspielen versuchen - zu jenem Stoff also, aus dem die kirchenkritischen Bestseller, TV-"Dokumentationen" und Oster-Titelstorys im SPIEGEL sind. Angesichts der Beharrlichkeit, mit der dieses Zerrbild allerorten kolportiert wird, ist es fast schon erstaunlich, dass die Zustimmung zu dieser Aussage im Durchschnitt aller Befragten nur 36% erreicht. Stolze 67% Zustimmung erzielt die These von Jesus als "sozialem Revolutionär" allerdings bei den befragten Juden. Nun gut, das hat eine gewisse Stimmigkeit, wenn man sich die in den Evangelien geschilderten Auseinandersetzungen Jesu mit dem Judentum Seiner Zeit ansieht, die man ja durchaus unter anderem auch unter einem "sozialreformerischen" Aspekt betrachten kann. Und dass die Juden Ihn nicht als Sohn Gottes anerkennen, liegt ja mehr oder weniger auf der Hand, denn täten sie das, dann wären sie ja Christen. - Oder? Hier nun geben die Umfrageergebnisse ein einigermaßen verwirrendes Bild ab: Definitiv abgelehnt wird die Aussage, Jesus sei Gottes Sohn, nämlich nur von 61% der befragten Juden und 67% der befragten Muslime. Die Aussage "Jesus ist unser Erlöser" lehnen 61% der Muslime ausdrücklich ab, bei den Juden sind es nur 46%, also weniger als die Hälfte. Es ist anzunehmen, dass die Umfrage auch die Option "weiß nicht/keine Antwort" anbot und "Nicht-Ablehnung" somit nicht gleichbedeutend mit Zustimmung ist; aber wenn ein derart signifikanter Prozentsatz der Muslime und Juden dem Bekenntnis zu Jesus als Sohn Gottes und Erlöser zumindest nicht ausdrücklich widerspricht - ist das dann nur Höflichkeit, Diplomatie oder gar Indifferenz, oder schlummert da womöglich ein erhebliches missionarisches Potential?
Zu den besonders bemerkenswerten Ergebnissen der Umfrage zählt auch, dass nur gut die Hälfte der Westdeutschen (52%) und nur gut ein Drittel der Ostdeutschen (36%) davon überzeugt sind, dass Jesus wirklich gelebt hat; der gegenteiligen Überzeugung sind im Westen 17% und im Osten ganze 34%, das restliche Drittel ist in dieser Frage offenbar unentschieden. Wirklich interessant wären hier nun die Schnittmengen mit den Antworten auf die anderen Fragen. Also: Wofür halten diejenigen Befragten Jesus, die nicht sicher sind, dass er überhaupt existiert hat, oder sogar überzeugt sind, dass es ihn nie gegeben hat? Wie viele Befragte gaben gleichzeitig an, Jesus sei ein sozialer Revolutionär gewesen und habe nie gelebt? Bei dem derzeit zu beobachtenden Niedergang der Fähigkeit zu logischem Denken und dem gleichzeitig grassierenden religiösen Analphabetismus würde es mich überhaupt nicht wundern, wenn es da ganz erhebliche Überschneidungen gäbe.
Und wer ist schuld an diesem religiösen Analphabetismus? Die Medien? Klar, die sowieso, immer, an Allem. Aber auch und nicht zuletzt die Kirchen selber. Nicht nur, weil sie es offenbar nicht gebacken kriegen, ihre Glaubensinhalte zu vermitteln - nicht einmal der Mehrheit ihrer eigenen Mitglieder, wohlgemerkt! -; mehr noch, sie tragen vielfach sogar aktiv dazu bei, dass den Leuten das - sagen wir mal - "Glaubenswissen" abhanden kommt. Indem sie ihnen den Eindruck vermitteln, es sei gar nicht so wichtig, was sie glauben, solange sie überhaupt irgendwie irgendwas glauben und dabei nett zueinander sind. "Gefühl ist alles, Nam' ist Schall und Rauch", versuchte schon Faust seinerzeit Gretchen weiszumachen, und wir wissen ja, wie die Geschichte ausging.
In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt es die pastorale Projektgruppe "Sinnsucher", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen, die "Gespräche über Gott und die Welt mit anderen [...] führen" möchten, mit "Material und Anregungen" zu versorgen. Wie es den Grundsätzen moderner Pastoral entspricht, geht es dabei mehr darum, Fragen zuzulassen und stehen zu lassen, als Antworten zu geben. In der diesjährigen Fastenzeit gehen die "Sinnsucher" auf ihrer Facebook-Seite der Frage nach: "Wieso starb Jesus von Nazaret?" Dem Abonnenten der Seite wird "[b]is Ostern alle drei Tage eine neue Deutung" angeboten. Soweit ich die bisherigen Antwortvorschläge der Seite verfolgt habe, habe ich - was mich erst einmal positiv überrascht hat - inhaltlich nicht viel an ihnen auszusetzen; außer eben, dass sie lediglich als Antwortvorschläge daherkommen und die Leser geradezu dazu aufgefordert werden, ihnen ihre eigenen Deutungen entgegenzustellen. Und die fallen dann in der Regel eher in die Kategorie "Jesus war ein guter Mann, er hatte einen Umhang an". So las ich unlängst im Kommentarfeld eines auf der Facebook-Seite der Diözese Rottenburg-Stuttgart geteilten "Sinnsucher"-Beitrags die Aussage: "Jesus starb, weil er mit seinen religiösen Ansichten, die er öffentlich verbreitete, der religiösen Elite nicht in die Linie passte." Schon klar: Schlag nach bei Augstein. Insofern: Gähn. Allerdings ist die Dame, die diesen Kommentar verfasst hat, ihrem Facebook-Profil zufolge Gemeindereferentin in der Katholischen Kirche. Auf meine Anregung, einmal zur Kenntnis zu nehmen, was der Katechismus der Katholischen Kirche unter Nr. 599ff. zum Tod Jesu aussagt, reagierte sie mit der Klarstellung:
"Ich pflege, die Bibel heranzuziehen, sowie aktuelle exegetische Auslegungen. Aufschlussreich war hierfür auch eine Schulung, die ich kürzlich besucht ha[b]e und die mich in meiner Bibelkenntnis bestärkt ha[t]."Aufschlussreich. In der Tat. Ich unterstelle mal, dass es sich um eine Schulung handelte, die die Dame in ihrer Eigenschaft als Gemeindereferentin besucht hat. Eine Schulung mithin, die von der Kirche organisiert und finanziert worden ist. Und in der den Damen und eventuell auch Herren Gemeindereferent_innen beigebracht wird, dass "aktuelle exegetische Auslegungen" der Bibel etwas völlig Anderes aussagen als die Lehre der Kirche; ja mehr oder weniger sogar das glatte Gegenteil. Ich gehe mal stark davon aus, dass das kein Einzelfall ist - nicht in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und auch darüber hinaus nicht.
Da muss man sich dann auch über nichts mehr wundern.
Dank für die treffsichere Analyse dieser seltsamen Umfrage.
AntwortenLöschenFür mich ist durchaus nachvollziehbar, dass auch bei Freikirchlern Menschen mit Glaubenszweifeln gibt, zumal auch ich in meiner Phase als Suchender mal Kontakt mit diesen Gruppen hatte. Auch heute, nachdem ich wieder in die katholische Kirche zurückgekehrt bin und den Glauben ernsthaft praktizieren möchte, kenne ich die Kämpfe im innerlichen Leben und weiß, dass ich um die Gabe des Glaubens beten und etwas dafür tun muss. Hilfreich ist hierbei besonders die Beichte, die uns im Glauben stärkt.
AntwortenLöschenBefragugssoziologisch sind wohl die Schnittmengen von Antworten, die sich logisch gegenseitig ausschließen, am interessantesten. Neben Denjenigen, die überzeugt sind, dass es Jeus nie gegeben hat, und gleichzeitig angeben, Jesus sei ein sozialer Revolutionär gewesen, gibt es da noch weitere Antworten, die sich gegenseitig ausschließen, aber doch zugleich gegeben werden. Man könnte daraus wohl einen objektiven (objektiv weil: die Betreffenden müssen sich dessen nicht subjektiv bewußt sein) Lügenfaktor berechnen. Und aus der Schnittmenge von "Jesus ist nicht der Erlöser", "... nicht Sohn Gottes" etc. einerseits und Zugehörigkeit zu einem christlichen Bekenntnis andererseits könnte man wohl eine Glaubensfestigkeitsquote (oder so ähnlich) errechnen.
AntwortenLöschen