Donnerstag, 15. Juni 2023

Ansichten aus Wolkenkuckucksheim #34

Herzlich willkommen zum neuen Wochenbriefing, Leser! Ein herausragendes Ereignis der zurückliegenden Woche war natürlich die gemeinsame Fronleichnamsfeier der Spandauer Pfarreien, und darum fange ich, ohne mich erst lange mit Vorreden aufzuhalten, damit gleich mal an:


Spandau oder Portugal 

Schon am Samstag hatte ich allerlei mit den Vorbereitungen für diese Feier zu tun: Das begann damit, dass ich mich, während der Rest der Familie gründlich ausschlief, am Vormittag auf den Weg nach Spandau machte, um beim Aufbau für das Gartenfest in Maria, Hilfe der Christen mit anzufassen. Ich hätte von diesem Aufbautermin gar nichts gewusst, hätte nicht tags zuvor der Gemeindereferent in einer Mail an mich, in der es in der Hauptsache um ganz andere Themen ging, so nebenbei die Frage fallen lassen, ob ich denn auch zum Aufbau käme. Wie er mir später verriet, hatte er selbst auch nur "zufällig" von dem Termin erfahren. Es kamen aber insgesamt ausreichend Helfer zusammen, um den Aufbau von Biertischen und -bänken innerhalb von vierzig Minuten zu erledigen. 

– Ein bezeichnendes Detail vom Aufbau möchte ich aber noch festhalten: Zu den ersten Helfern, die am Tatort eintrafen, zählte neben mir ein junger Mann von der Neokatechumenalen Gemeinschaft ("jung" für kirchliche Verhältnisse; etwas jünger als ich, würde ich schätzen), und der fragte mich, wie die Tische denn wohl angeordnet werden sollten. Daraufhin wurde mir erst bewusst, dass ich – möglicherweise aufgrund meiner Erfahrungen mit anderen Pfarrfesten – ganz unhinterfragt von Einzeltischen ausgegangen war. Der Helfer meinte nun aber, er fände eine U-förmige Tafel besser, und vom Prinzip her gefiel mir dieser Vorschlag. Durchsetzen konnte er sich damit jedoch nicht: Die Dame, die den Aufbau koordinierte, schmetterte den Hinweis auf den gemeinschaftsstiftenden Charakter des An-einem-Tisch-Sitzens mit dem klassischen Argument "Die reden sowieso alle nicht miteinander" ab. Realistisch betrachtet hatte sie wahrscheinlich Recht. Aber ich kann mich zuweilen des Gedankens nicht erwehren, wie anders es an der kirchlichen Basis möglicherweise aussähe, wenn man mit etwas weniger Pragmatismus und mehr Idealismus an die Dinge heranginge. 

Und übrigens: Wer andern eine Bratwurst brät, hat selbst ein Bratwurstbratgerät!

Wieder zu Hause, buk ich am Nachmittag zusammen mit dem Tochterkind einen Papageienkuchen fürs Büffet (wer's nicht kennt: Das ist ein ganz simpler Rührkuchen, dessen Besonderheit darin besteht, dass der Teig vor dem Backen mit Lebensmittelfarben knallig gelb, rot und grün einfärbt), und abends machte ich noch einen Nudelsalat. Der chronologischen Erzählreihenfolge vergreifend, kann ich gleich mal zu Protokoll geben, dass der Papageienkuchen ratzfatz aufgegessen wurde, ehe wir eine Chance hatten, ihn selbst zu probieren – wohingegen wir von dem Salat die Hälfte wieder mitnehmen durften. Das impliziert aber nicht unbedingt ein Urteil über die Qualität, denn es gab noch mindestens fünf andere Nudelsalate bei diesem Büffet. 

Als wir am Sonntagmorgen vor der Messe unsere Büffet-Beiträge im Gemeindehaus abgaben, geriet ich in eine merkwürdige Gesprächssituation: Der Mann, der die Kuchen- und Salatspenden entgegennahm – für kirchliche Verhältnisse ein Mann "mittleren Alters", also sagen wir: um die sechzig –, ermahnte mich, ich solle aufhören, auf meinem Blog "die rechten Pfadfinder zu unterstützen" (er meinte die KPE). – "Und wer sind Sie?", fragte ich etwas irritiert. – "Ich bin hier aus der Gemeinde." Aha. Später stand er in der Kluft des DPSG-Stamms "Anselm von Havelberg" am Büffet. Das hätte er mir auch gleich sagen können – wenn er bei der DPSG ist, ist es ja kein Wunder, dass er die KPE als "rechts" einordnet

Diese eher unerfreuliche Begegnung wurde kurz darauf mehr als ausgeglichen, als wir Erzbischof Koch begegneten, der zuerst unsere Kinder, dann meine Liebste und mich sehr herzlich begrüßte. "Schön, Sie hier wiederzusehen", sagte er; das fand ich auch. 

Bei der Messe in der annähernd voll besetzten Kirche Maria, Hilfe der Christen war Erzbischof Koch Hauptzelebrant, und soweit ich sehen konnte, war fast die gesamte Geistlichkeit der beiden Spandauer Großpfarreien Heilige Familie und Johannes der Täufer zur Konzelebration am Altar versammelt – "fast", weil Pfarrvikar Ricardo Garcés Sánchez zeitgleich in Dallgow-Döberitz Messe feierte; alle anderen Messen in den beiden Pfarreien fielen an diesem Sonntagvormittag zugunsten der gemeinsamen Fronleichnamsfeier aus. 

Hier im Bild: Erzbischof Koch und die Pfarrer der beiden Spandauer Großpfarreien. 

Auf die Messe folgte die Prozession durch die Spandauer Altstadt, mit Stationsaltären auf dem Markt... 

...an der evangelischen Nikolaikirche, der "Wiege der Reformation in der Mark Brandenburg"... 



...sowie an der Kirche St. Marien am Behnitz und zum Abschluss wieder an der Pfarrkirche Maria, Hilfe der Christen. Ein Facebook-Beitrag des Accounts von Erzbischof Koch sprach von "mehr als 500" Teilnehmern, was ja nach oben hin offen ist; ich selbst bin leider sehr schlecht im Schätzen von Menschenmengen, aber ich muss sagen, als der Prozessionszug den Falkenhagener Platz umrundete, sah das schon recht imposant aus. 

Von Reaktionen unbeteiligter Passanten auf die Prozession bemerkte ich nur wenig: Die Andacht bei der 1. Station auf dem Markt kommentierte ein junger Mann im Vorbeigehen mit feindseligem Grummeln; später kam uns ein Fahrradfahrer entgegen, der die Prozession in erster Linie als massives Verkehrshindernis wahrnahm und seinen Unmut in die Worte "Wat seid denn ihr für Leute?" kleidete. – "Ob man das auch mit Google Lens bestimmen kann?", kommentierte meine Liebste diese Bemerkung grinsend. Ich schätze, das ist ein Insiderwitz, den ich erläutern sollte, also: Vor ein paar Jahren im Urlaub haben das Tochterkind und ich herausgefunden, dass man die Google Lens-App auf meinem Handy hervorragend für Pflanzenbestimmung nutzen kann, und seitdem beauftragt sie mich häufig, allerlei Pflanzen am Wegesrand zu bestimmen. Nun veranlasste mich der scherzhafte Kommentar meiner Liebsten, mal auszuprobieren, was wohl dabei herauskommt, wenn ich Google Lens ein paar Fotos analysieren lasse, die ich am Rande der Prozession gemacht hatte. Und siehe da: Die ersten Ergebnisse lauteten "Wallfahrt" und "Erstkommunion", aber Bilder, auf denen der Baldachin der Sakramentsgruppe deutlich zu sehen war, erkannte die App prompt als "Fronleichnam"

Die Baldachinträger wurde übrigens vom in der Gemeinde St. Markus (Falkenhagener Feld/Staaken) beheimateten Schützenverein St. Hubertus – dem einzigen katholischen Schützenverein in Berlin und Brandenburg – gestellt. Unter den Bannern, die dem Prozessionszug vorangetragen wurden, waren – wie man wohl auf den obigen Fotos bereits erkennen kann – neben solchen des Kolpingverbands und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung auch diejenigen der in den Spandauer Pfarreien beheimateten DPSG-Stämme; die Katholischen Pfadfinder Haselhorst haben hingegen (bisher noch) weder Banner noch Kluft und waren daher im Prozessionszug nicht sichtbar, aber so gab es wenigstens keinen Streit. Zu den DPSG-Pfadfindern übrigens noch zwei anekdotische Anmerkungen: Schon vor Beginn der Messe war mir ein älterer Jugendlicher oder junger Erwachsener aufgefallen, der zu seiner DPSG-Kluft ein Halstuch in Regenbogenfarben trug. Laut "scout-o-wiki" sind die üblichen Halstuchfarben der DPSG Orange für die Wölflinge, Blau für die Jungpfadfinder, Grün für die Pfadfinderstufe von 13-16 Jahren, Rot für die Rover und Grau für Leiter, aber es gibt offenbar auch Spezialhalstücher für verschiedene Zwecke; vielleicht war der junge Mann also der LGBT-Beauftragte seines Stammes, wer weiß. Später, beim Gartenfest, setzten sich zwei Teeniemädchen zu uns an den Tisch, die offenbar miteinander befreundet waren und von denen die eine Pfadfinderkluft trug und die andere nicht; die erstere merkte an, sie hoffe, dass unsere Kinder Pfadfinder werden würden, denn "wir brauchen immer Leute". Ich verzichtete darauf, zu erwähnen, dass sie bereits zur Wichtelgruppe bei den Haselhorster Pfadfindern gehen... 

Übrigens hatte ich im weiteren Verlauf des Gartenfests noch eine weitere Begegnung mit einem eher kritischen Leser meines Blogs, aber darauf näher einzugehen, hebe ich mir wohl lieber für meinen angekündigten Artikel zum Thema "Bloggen als unehrenhafte Form des Journalismus" auf. 


Was sonst noch so los war und ansteht 

Ein anderes signifikantes Ereignis der zurückliegenden Woche war mein Geburtstag. Das Geburtstagsessen fand im Restaurant Dos Pescados in den Hallen am Borsigturm statt, das zum einen durch eine große Kinderspielecke punktet und zum anderen dazu einlud, den großen Burrito-Quervergleich von letzter Woche fortzusetzen. 

Der Burrito Classico im Dos Pescados war laut Speisekarte außer mit Rinderfiletstreifen und Reis mit Gemüse der Saison gefüllt; Saison hatten demnach offenbar gerade Zwiebeln und Auberginen, und ich muss gestehen, Auberginen sind nicht so ganz mein Fall, jedenfalls nicht in größerer Menge. Trotzdem kann ich zu Protokoll geben, dass der Dos Pescados-Burrito im Vergleich mit denen aus dem No Hablo Español in Friedrichshain und dem Centenario in Blankenfelde ganz klar vorn liegt, auch unter Berücksichtigung der Preisunterschiede.

Am kommenden Samstag steht der dritte und letzte Schnuppertermin für die Wichtelgruppe vor der Sommerpause an, und ich habe schon wieder das Gefühl, nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Na, morgen ist ja auch noch ein Tag... (und außerdem Hochfest des Heiligsten Herzen Jesu!)

Für die Rubrik "Währenddessen in Tegel" habe ich aktuell nichts Besonderes auf der Pfanne; dafür gibt's diesmal aber wieder...


Neues aus Synodalien


Pünktlich zu Fronleichnam hat der Berliner Diözesanverband des "Bundes der Deutschen Katholischen Jugend" (BDKJ) eine Pressemitteilung herausgebracht, in der er sich "für Vielfalt in der katholischen Kirche" ausspricht. Die pdf-Datei, die über den Presseverteiler des Erzbistums Berlin ging, trägt zwar den Dateinamen "PM Queere Kirche", aber davon abgesehen kommt der Text vergleichsweise zahm daher: Es werden keine radikalen Forderungen aufgestellt, vielmehr ist allgemein-unverbindlich vom Einsatz "für eine lebendige und zukunftsfähige Kirche" (wer sollte die nicht wollen?), von der "Förderung von Vielfalt, Toleranz und Inklusion" sowie davon die Rede, "den Dialog zu fördern und unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen, um gemeinsam nachhaltige Lösungen zu finden". Bezeichnend fand ich allerdings den von einer "teilnehmende[n] Person" bei einer Veranstaltung zum Thema "queer-feministische Kirche" am 2. Juni geäußerten Satz "Ich wünsche mir eine Kirche, bei der meine Freund*innen mich nicht mehr fragen, warum ich in dieser Kirche bin". Ich sag mal so: Diesen Wunsch kann man menschlich verständlich finden, dem Konflikt, der sich darin ausdrückt, kann und sollte man mit Mitgefühl begegnen; aber das ändert nichts daran, dass dieser Wunsch völlig falsch ist. Eine Kirche, die nicht die Frage provoziert, warum man ihr angehört, braucht kein Mensch. "Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt", schrieb der Apostel Petrus (1 Petr 3,15b); wenn sich die Hoffnung aber nur darauf richtet, dass die Kirche sich endlich ändern, d.h. der Welt angleichen möge (vgl. Röm 12,2), dann läuft offensichtlich etwas falsch.

Derweil fand gestern in Brake/Unterweser, also in der Nähe meines Heimatstädtchens, ein "Gesprächsabend mit Frau Prof.in [!] Dr. Dr. Dorothea Sattler, Münster, zum Synodalen Weg" statt; so habe ich es dem Pfarrblatt "Willehad aktuell" entnommen, in dem die Veranstaltung jedoch nur im Terminteil aufgeführt ist und darüber hinaus nicht weiter beworben wird. Ein Vorbericht der NWZ online ist leider hinter einer Bezahlschranke verborgen, aber die Überschrift "Gibt es eine Erneuerung der katholischen Kirche?" sowie die rhetorische Frage "Befindet sich die katholische Kirche in der Sackgasse oder auf der Zielgeraden?" im Teaser-Absatz sagen wohl schon allerlei aus. Dorothea Sattler ist Professorin für Dogmatik und Ökumenische Theologie und hatte beim Synodalen Weg zusammen mit dem inzwischen zurückgetretenen Osnabrücker Bischof Bode den Vorsitz des Synodalforums "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" inne. Es bleibt abzuwarten, ob ich über die gestrige Veranstaltung in Brake noch Genaueres werde in Erfahrung bringen können, aber wenn ich mir auszumalen versuche, was für Leute sich in der beschaulichen Wesermarsch wohl für eine Veranstaltung zum Synodalen Weg interessieren, sehe ich ein Publikum vor mir, in dessen Mitte sich Frau Sattler mit ihren 62 Jahren so richtig jung gefühlt haben dürfte. 


Was ich gerade lese 
  • zu Studienzwecken: Klaus Hemmerle, Mitten in dieser Welt. Rede zur Eröffnung des 82. Deutschen Katholikentages 1968 in Essen. 
Ich habe lange gezögert, mich an diesen Text heranzuwagen, und ich muss wohl geahnt haben, warum. Klaus Hemmerle (1929-1994) war von 1975 bis zu seinem Tod Bischof von Aachen, zuvor war er allerdings ab 1968 Geistlicher Direktor des "ZdK" und war in dieser Eigenschaft Hauptredner bei der Eröffnungsfeier des Katholikentags 1968. Manfred Plate würdigte Hemmerle in seinem Buch über die Würzburger Synode als "Mann der geistlichen Mitte"; in der Predigt zu seiner Beisetzung rief der damalige DBK-Vorsitzende Karl Lehmann ihm nach, "vielleicht" habe man in ihm einen "heiligmäßige[n] Priester und Bischof zu Grabe getragen [...], ohne dass wir es so recht gemerkt hätten". Das sind, selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes de mortuis nil nisi bene, große Worte, und ein Karl Lehmann hätte sie wohl kaum in den Mund genommen, wenn er nicht darauf vertraut hätte, dass sie für seine Zuhörer eine gewisse Plausibilität besaßen. In seinem Bistum galt Hemmerle als beliebt, und mein subjektiver Eindruck ist, dass ihm durchaus beiderseits der ideologischen Wasserscheide zwischen den innerkirchlichen "Lagern" ein ehrendes Andenken bewahrt wird. Was mich, nachdem ich diese Ansprache erfüllt, mit einer gewissen Ratlosigkeit erfüllt. Hemmerle liefert hier eine wortklauberische Exegese des Katholikentags-Mottos "Mitten in dieser Welt" ab: Zunächst lässt er sich darüber aus wie signifikant es sei, dass es "in dieser Welt" heißt und nicht bloß "in der Welt" ("Gott sei Dank, [...] die Kirche will heraus aus ihrem Ghetto der Gewohnheiten und Überliefertheiten, sie will hinein in diese Welt"); dann warnt er davor, das Wort "mitten" dahingehend misszuverstehen, als sehe sich die Kirche als Mittel- und Angelpunkt der Welt; und dann kommt er auch noch darauf zu sprechen, was in diesem Leitwort "nicht gesagt ist" – so vor allem, dass "das Wörtchen Kirche" darin gar nicht vorkomme: "Kirche soll sich hier verschweigen, verschweigen in den Dienst, [...] verschweigen ins Mitsein, verschweigen ins Unterwegssein". Das Ganze ist unerträglich  redundant und im Tonfall derart moralisierend und salbungsvoll, dass man den Eindruck haben kann, Hemmerle wäre der Rasierpinsel ins Klo gefallen. Ich frage mich ganz ehrlich, was es über die geistige Verfassung der katholischen Kirche in Deutschland aussagt, dass der Verfasser dieser Ansprache in ihr als visionäre und geradezu prophetische Gestalt galt und zum Teil bis heute gilt. – Sagen wir mal so: Ich kann nicht gänzlich ausschließen, dass Klaus Hemmerle tatsächlich eine prophetische Stimme in der Kirche und für die Kirche war und ich das nur deshalb nicht erkenne, weil ich sozusagen die falsche Lesebrille aufhabe. Zumindest bin ich bereit, anzunehmen, dass er sich selbst tatsächlich für einen Propheten hielt, dass er also darin, was er sagt und wie er es sagt, subjektiv aufrichtig ist. Und das ist immerhin schon mehr, als ich einigen heutigen deutschen Bischöfen zubillige. 

  • als Bettlektüre: Astrid Lindgren, Kalle Blomquist lebt gefährlich

Der zweite Teil der "Kalle Blomquist"-Trilogie ist um dreißig Seiten länger als der erste, was sich zunächst in einer breiteren Exposition auswirkt. Zeitweilig hatte ich sogar den Eindruck, die Exposition sei ein wenig zu breit geraten; genauer gesagt: Die Romanhandlung halte sich allzu lange beim "Krieg der Rosen" auf – dem spielerischen Bandenkrieg, mit dem die Kinder sich in den Sommerferien die Zeit vertreiben, dabei aber stets pünktlich zu den Mahlzeiten nach Hause kommen –, ehe endlich ein richtiger Kriminalfall losgeht. Aber in dem Moment, in dem Eva-Lotta beim Spielen eine Leiche – präziser gesagt: ein Mordopfer – entdeckt, wird schlagartig klar, was die erzähltechnische Funktion der vorangegangenen Kapitel gewesen ist: Es geht darum, den Kontrast zwischen dem Spaß an bloß ausgedachten Abenteuern und dem Schock über die Konfrontation mit einem echten Verbrechen zu betonen. Und ich muss sagen, dieser Kontrast ist wirklich krass, gerade für ein Kinderbuch. Im ersten Teil der Reihe war der Tonfall der Erzählung gleichbleibend heiter; selbst wenn die Kinder mit einer Schusswaffe bedroht und ohne unmittelbare Aussicht auf Rettung in einer Ruine eingesperrt wurden, schien der Unterschied zwischen dem kindlichen Abenteuerspiel des "Kriegs der Rosen" einerseits und der Überführung einer Bande von Juwelendieben andererseits nur ein gradueller zu sein. Das ändert sich im zweiten Teil radikal, und das hat durchaus etwas Schockierendes an sich. 

Ein anderer interessanter Aspekt von "Kalle Blomquist lebt gefährlich" ist es, dass die Handlung, wie wiederholt betont wird, in einem sehr heißen und trockenen Sommer spielt. In Schweden. Und im Original ist der Roman 1951 erschienen. Das gibt angesichts des heutigen Klimawandeldiskurses doch einigermaßen zu denken. 


Aus dem Stundenbuch 
Wer vom Heiligen Geist erfüllt ist, redet in vielen Sprachen. Die vielen Sprachen sind ein vielfältiges Zeugnis von Jesus Christus. Solche Sprachen sind: Demut, Armut, Geduld und Gehorsam. In ihnen reden wir, wenn wir sie anderen an uns sichtbar machen. Die Rede hat Leben, wenn die Taten sprechen. Ich bitte: Schluss mit den Worten, die Taten sollen sprechen! Wir sind voll von Worten und leer an Werken und darum von Gott verworfen. Denn er verfluchte den Feigenbaum, an dem er keine Frucht, sondern nur Blätter fand. 
(Antonius von Padua, Über die Aufgaben des Predigers) 

Ohrwurm der Woche 

John Holt: Let Your Love Flow 

Ehrlich gesagt war mein eigentlicher Ohrwurm für einen großen Teil der zurückliegenden Woche "Aufstehn" von Seeed; keine Ahnung, wo der herkam, muss wohl am Wetter gelegen haben. Aber für meinen Blog ist mir Seeed dann doch irgendwie zu prollig. Was also tut man gegen einen unerwünschten Ohrwurm? Man bekämpft ihn mit einem noch hartnäckigeren Ohrwurm! Wie wär's mit einer Reggae-Version von "Ein Bett im Kornfeld"? (Bzw. eigentlich nicht von "Ein Bett im Kornfeld", sondern von dessen englischsprachiger Vorlage.) 


Ich habe den Song meinen Kindern beim Frühstück vorgespielt, sie haben fröhlich im Takt mitgewippt, ich würde sagen, die Nummer ist abgenommen. 


Blogvorschau 

Hier gibt es aktuell nicht viel Neues zu berichten. Der Artikel "Der Traum von der erneuerten Gemeinde" ist in Arbeit, das Dossier "Warum eigentlich 'Punkpastoral'?" ebenso, beide werden aber noch einige Zeit und Mühe beanspruchen, und es ist noch nicht absehbar, welcher von beiden zuerst fertig sein wird und ob das vor dem nächsten Wochenbriefing der Fall sein wird. Auf jeden Fall aber sind am kommenden Montag "100 Tage Comeback" zu feiern, und zu diesem Anlass wird wohl ein kleiner Zwischenbilanz-Artikel fällig. Und dann sehen wir mal weiter! 


2 Kommentare:

  1. Ist das nicht eigentlich von den Bellamy Brothers?

    Thomas

    (Dessen Blog als ungültige Adresse abgelehnt wurde)

    AntwortenLöschen
  2. Wobei die Einzeltische, wenn sie nicht zu groß sind, ja gerade sehr gemeinschaftsstiftend sind… wenn man *will*. Auch wenn sie sie nicht so gut symbolisieren.

    Man muß halt Einsatz zeigen und „Tischlein wechsle dich“ spielen. Und das geht beim Hufeisen eher schlecht, gefühlt zumindest.

    Nebenbei könnte der eine oder andere Kulturpessimist an solchen Situationen erkennen, daß Smalltalk und das zugegeben manchmal nervige Wie-heißt-du-was-machst-du einen ziemlichen sinnvollen Sinn hat. Der natürlich in der Tat nicht in den ausgetauschten Informationen liegt, aber wer sagt denn, daß er ausgerechnet da sein müsse?

    AntwortenLöschen