Regelmäßigen Lesern wird es wohl schon mal aufgefallen sein, dass ich hin und wieder gern katholische Nachrichtenquellen aus der angloamerikanischen Welt zur Kenntnis nehme. So kam mir unlängst in den Weiten des Internets ein englischsprachiger Artikel vor die Augen, in dem ein katholischer Priester die 1. Lesung zum 3. Sonntag im Jahreskreis (dieses Jahr der 27. Januar) aus dem 8. Kapitel des Buches Nehemia zum Anlass für ein Plädoyer nahm, kleine Kinder NICHT mit in die Heilige Messe zu nehmen.
Ich glaube mit einiger Bestimmtheit sagen zu können, dass mich das schon geärgert hätte, als ich selbst noch kein kleines Kind hatte. Und nun natürlich erst recht.
Der Aufhänger im Lesungstext aus Nehemia besteht übrigens darin, dass zur Verlesung der wiedergefundenen Gesetzesrolle "Männer und Frauen und überhaupt alle, die schon mit Verstand zuhören konnten" versammelt werden -- der Verfasser des Artikels schreibt sogar explizit "those
children old enough to understand", was ich bemerkenswert finde, da ich bei bibleserver.com keine englische Bibelversion gefunden habe, in der an dieser Stelle das Wort children steht. Aber geschenkt. Jedenfalls folgert er aus diesem Satz: "Kleinkinder und Krabbelkinder waren nicht dabei, weil sie einen langen Gottesdienst, der für Erwachsene gedacht war, nicht verstehen konnten."
Davon ausgehend reflektiert der Autor über die seiner Wahrnehmung zufolge typisch katholische Sitte, Kinder jedes Alters in den Gottesdienst mitzubringen, und legt dar, weshalb er es für falsch hält, anzunehmen, das müsse so sein. Letztlich habe ja niemand etwas davon, schon gar nicht die Kinder selbst; viel sinnvoller sei es, parallel zur Messe ein altersgerechtes Kinderprogramm zu veranstalten.
"Manchmal sehe ich Mütter mit ihren Kindern in der vordersten Reihe sitzen -- in der vordersten Reihe, damit die Kinder 'den Altar sehen können' (als ob sie da hinschauen würden). [...] Das Kind [...] wird zu einer Ablenkung für alle, einschließlich der liturgischen Dienste und des Predigers. Ich kann gar nicht sagen, wie unglaublich schwierig es ist, zu versuchen, über das Geschrei eines Babys hinweg zu predigen."
Mein Kind fühlt sich in der Kirche wohl, und das soll auch so bleiben. |
Tatsächlich enthält Florian Mittls Bericht über REBUILT einige Punkte, die mir theoretisch recht sympathisch sein könnten - ich komme noch darauf zurück -, aber mein intuitives Unbehagen beginnt schon damit, dass die Urheber dieses Gemeindeerneurungskonzepts "von einer evangelikalen Kirche und Mega Church
gelernt" haben, "nämlich der Saddleback Church in Kalifornien". Nun wäre ich sicherlich der letzte, der prinzipiell bestreiten würde, dass die katholische Kirche sich in manchen Bereichen eine Scheibe von evangelikalen Freikirchen abschneiden könnte, aber beim Stichwort "Megachurch" kräuseln sich mir schon die Zehennägel. Ein zweiter Blick bestätigt denn auch genau die Vorbehalte, die sich mir da aufdrängen -- dazu wird weiter unten noch mehr zu sagen sein. Hingegen scheinen mir die Kritikpunkte, die Anni Findl-Ludescher vorbringt, tendenziell aus einer Richtung zu kommen, die mich eher noch mehr nervt. Zum Beispiel: Die Church of the Nativity konkretisiert die Zielgruppe, die sie anpeilt, in Gestalt einer fiktiven Figur, die "Timonium Tim" genannt wird:
"Auf diesen fiktiven Tim wird alles ausgerichtet. Er soll sich eingeladen und willkommen fühlen. Ihn möchten sie (wieder) in die Kirche bringen. [...] Tim ist 'gebildet, gut gekleidet und erfolgreich. Tim ist verheiratet und hat Kinder. Er hat ein schönes Haus und einen angenehmen Lebensstil. Er fährt ein tolles Auto. Tim arbeitet die ganze Woche über hart und hat an den Wochenenden gerne frei.'"
An diesem Ansatz gäbe es nun allerlei zu kritisieren, aber was stört Frau Findl-Ludescher daran am meisten? Dass Tim ein Mann ist. Kein Witz. "Dass sie [...] diese konservative
Geschlechtertypologie zementieren, ist selbstoffenbarend", nörgelt sie. Folgerichtig rümpft sie mit Blick auf die Ministranten der Church of the Nativity weniger darüber die Nase, dass diese bezahlt werden, als vielmehr darüber, dass es sich ausschließlich um junge Männer handelt.
(Mir ist durchaus klar, dass die Frage "Messdienerinnen ja oder nein?" für Katholiken in etwa das ist, was der Orang-Utan für die Edgar-Allan-Poe Forschung ist: ein Thema, zu dem man sich nicht äußern kann, ohne sich gewaltig in die Nesseln zu setzen. Deshalb will ich mich hier auch gar nicht lange dabei aufhalten. Meinen eigenen Standpunkt würde ich als relativ moderat einschätzen, aber das heißt ja letztlich auch nur, dass man im Zweifel von zwei Seiten Prügel bezieht. Zumindest jedenfalls würde es mir nicht einfallen, eine Gemeinde dafür zu kritisieren, dass sie nur männliche Ministranten hat -- vorausgesetzt, das führt nicht dazu, dass sie insgesamt zu wenige hat. Hierzulande ist es ja eher das Problem, überhaupt noch Jungen für den Ministrantendienst zu gewinnen, weil dieser vielfach von Mädchen dominiert wird. Aber das betrachtet Frau Findl-Ludescher wohl aus einer feministisch-machtpolitischen Perspektive: Der Ministrantendienst ist quasi eine Bastion, die von Frauen "erobert" wurde, und nun gilt es diese Stellung zu halten.)
Nebenbei beschwert sich Frau Findl-Ludescher dann noch darüber, dass "Papst Franziskus [...] während der gesamten church-conference in den Hauptvorträgen im Plenum nie zitiert" wird. "Zufall?" Gähn.
Nebenbei beschwert sich Frau Findl-Ludescher dann noch darüber, dass "Papst Franziskus [...] während der gesamten church-conference in den Hauptvorträgen im Plenum nie zitiert" wird. "Zufall?" Gähn.
Kehren wir aber erst einmal zum Thema "Kleine Kinder in die Heilige Messe mitnehmen oder nicht?" zurück: Ich war durchaus erfreut, festzustellen, dass Fr. White mit seinem oben angesprochenen Artikel auf jede Menge Widerspruch stieß, nicht zuletzt auf Twitter. Hier einige Beispiele:
"Kleine Kinder nicht in die Messe mitzunehmen, ergibt total Sinn, wenn man nicht an so etwas wie Gnade glaubt."
"Oder wenn man die Messe als eine Performance betrachtet, bei der man Zuschauer ist, und nicht als eine intime Begegnung mit Gott, bei der es nicht auf die eigenen Fähigkeiten ankommt, Ihn wahrzunehmen."
"'Rebuilt-Gemeinde' klingt schon so nach nichtkonfessioneller Megachurch und spiritueller Mogelpackung, und der Name ist noch das geringste Problem."
"Ja klar, aber dafür hat er Kaffee und eine coole Band und eine geile Website, also entspannt euch mal, Leute."
Pointiert zusammengefasst wird die Kritik der katholischen Twitter-Community an Fr. Whites Haltung zum Messbesuch von Kindern in einem Video-Statement von Comedian Jeremy McLellan:
Nun gut: Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein geradezu fundamentalistischer Gegner von "Kinderwortgottesdiensten", "Familienmessen" und überhaupt von so ziemlich allem bin, was in der Kirche üblicherweise unter "kindgerechter Gestaltung" verstanden wird. Aber hier geht es um mehr als das. Im Zuge der erregten Debatte über Fr. Whites Einlassungen zum Thema "Kinder in der Messe" stieß ich auf zwei Beiträge, die dieses konkrete Thema lediglich zum Anlass nahmen, darauf hinzuweisen, dass das ganze "Rebuilt"-Konzept von einem falschen Verständnis des Wesens der Heiligen Messe, von einer falschen Ekklesiologie, ja letztlich von einer ganz falschen Theologie ausgeht: einen Blogartikel von Amy Welborn, einer Pionierin des katholischen Bloggens; und einen Tweet-Strang von Fr. Harrison Ayre, Pfarrer in einer Kleinstadt in der kanadischen Provinz British Columbia. Beide setzen durchaus unterschiedliche Schwerpunkte, aber bei beiden finde ich vieles von dem artikuliert und begründet, was mir an REBUILT bislang eher intuitiv und "vorbewusst" gegen den Strich ging.
Dabei ist zunächst einmal zu betonen, dass beide das grundsätzliche Anliegen dieses Gemeindeerneuerungsansatzes sehr wohl würdigen; was mich wieder darauf bringt, dass, wie ich weiter oben ja schon angemerkt habe, REBUILT durchaus Aspekte hat, die mir an und für sich sympathisch sein müssten. Wie Florian Mittl auf feinschwarz beschreibt, entstand das REBUILT-Programm als Reaktion auf eine Situation in der Gemeinde,
"in der viele Gläubige erwarten, bedient zu werden und sich nicht einbringen, sich jedoch sofort beschweren, wenn etwas nicht ihren Vorstellungen entspricht. Das Höchste der Gefühle in Nativity war es, Pfarrmitglieder dazu zu bewegen, an diversen Angeboten teilzunehmen, aber kaum jemand konnte sich wirklich mit Kirche und Pfarre identifizieren."
Fr. Ayre merkt an, "Rebuilt und andere Erneuerungsbewegungen oder sucherorientierte Bewegungen" hätten Recht damit, einen Kulturwandel in den Gemeinden anzustreben, "weg von einer Konsumentenhaltung gegenüber dem Gemeindeleben und hin zu einer Vision von Jüngerschaft". Zudem merkt er an, die Kirche habe es "allzu lange vernachlässigt, die Glaubenspraxis als etwas anderes als eine Verpflichtung zu vermitteln". Amy Welborn sagt über den Nativity-Pfarrer Michael White: "Dieser Typ führt zum Teil einen Kampf gegen eine geistliche Mentalität, die dazu geführt hat, dass die Kinder zur Taufe und zur Erstkommunion und vielleicht noch zur Firmung kommen und dann verschwinden. Er versucht diese Leute zurückzuholen, er will ihnen helfen, einen bewussteren, entschiedeneren Glauben zu entwickeln. Alles klar."
Das Problem ist, ganz offensichtlich, das Wie dieser Bemühungen.
Ich beginne mal mit einem Punkt, der bei Amy Welborn und Fr. Ayre keine besondere Rolle spielt, den Florian Mittl aber als einen der Grundpfeiler des Rebuilt-Konzepts hervorhebt: das Prinzip "Every member a minister". "Die Pfarrmitglieder werden eingeladen, einen Dienst
(ministry) zu übernehmen". Das finde ich zwar nun nicht sonderlich originell, aber eine Pfarreikultur, in der es als normal gilt, Dienste in der Gemeinde und für die Gemeinde zu übernehmen, anstatt dass dies einer kleinen Schar von "Ehrenamtlichen" überlassen wird, würde ich mir in der Tat auch wünschen. Wie aber wird das in Nativity praktisch gehandhabt? "Alle Freiwilligen, die eine Gruppe bzw. ein Treffen
leiten, bekommen regelmäßig Hinweise für den Ablauf oder sogar ein
ausformuliertes Drehbuch an die Hand", weiß Anni Findl-Ludescher zu berichten. "Daran sollen sie sich halten." Was für ein Gesicht ich angesichts dieser Information mache, möge sich der geneigte Leser selbst vorstellen. "Sicher eine tolle Möglichkeit, in Leitungsaufgaben
hineinzuwachsen", meint die Innsbrucker Pastoraltheologin. "Authentizität zu fördern scheint weniger im
Vordergrund zu sein."
Dass, wie Mittl berichtet, die Reformbestrebungen des "Rebuilt"-Konzepts darauf abzielen, einer "consumer culture" unter den Gemeindemitgliedern entgegenzuwirken, klingt für mich erst einmal gut -- theoretisch. Praktisch habe ich aber weit eher den Eindruck, dass REBUILT darauf abzielt, sämtliche Aktivitäten der Kirchengemeinde, einschließlich der Gottesdienste, zu einem zielgruppenspezifisch optimierten Konsumangebot zu stylen. Wie passt das mit der deklarierten Absicht zusammen, die Konsumentenmentalität der Kirchgänger zu bekämpfen?
Fr. Harrison Ayre teilt meine Skepsis. Am "Rebuilt"-Programm, so meint er, offenbare sich die Gefahr, dass eine Form von Konsumentenmentalität lediglich durch eine andere ersetzt werde -- nämlich indem die Ausrichtung auf die Bedürfnisse einer Zielgruppe durch die einer anderen ausgetauscht werde. Anni Findl-Ludescher bezeichnet "die konsequente Ausrichtung auf 'unchurched people'" als das Leitbild der Nativity Church: "Ein Kernsatz der Pastoral lautet: 'An invitation for the unchurched, a challenge for the churched people'." "Kirchenferne Menschen sollen sich wohl fühlen. Auf ihre Bedürfnisse muss eingegangen werden", beschreibt Florian Mittl diesen Ansatz, und wiederum Findl-Ludescher: "Der Gottesdienst, die Angebote der Pfarre, die Gestaltung der Räume, die Art des In-Beziehung-Tretens, etc.: All das soll attraktiv sein für 'unchurched people' aus dem Stadtteil." Und das sind, wie Mittl hervorhebt, in der Vorstadt Timonium in erster Linie Angehörige "der weißen, gehobenen Mittelschicht", konkretisiert, wie schon gesagt, in der Symbolfigur des Timonium Tim. Während Mittl es "wichtig" findet, "ihn/sie wahrzunehmen und konkret auf seine/ihre Bedürfnisse einzugehen", sieht Findl-Ludescher diesen Ansatz kritischer:
"Was hier geschieht, lässt sich vielleicht als 'milieusensible Pastoral' bezeichnen. Pastoral aber ist ein sich wechselseitiges Durchdringen von Evangelium und Kultur. In Nativity entsteht der Eindruck, dass die Kultur des Tim den Ton angibt."
In der Tat: Solange ich zurückdenken kann, wurde in kirchlichen Strukturdebatten stets der pastorale Grundsatz hochgehalten, man müsse "die Leute da abholen, wo sie stehen". Nur sollte die Vorstellung des "Abholens" normalerweise implizieren, die Leute von dem Ort, wo sie stehen, woanders hinzuführen. Und damit, so scheint es, tut sich die Pastoraltheologie hierzulande zunehmend schwer. Exemplarisch deutlich wird das etwa an der akademischen Kritik am "Mission Manifest": Da argumentieren gestandene Theologen ganz offen, die Vorstellung, Christen seien im Besitz einer Wahrheit, die sie anderen Menschen mitzuteilen hätten, sei überholt und fundamentalistisch, und es gelte vielmehr, die Kirchenfernen mit ihrem ganz anderen Blick auf Gott und die Welt wahr- und ernstzunehmen und von ihnen zu lernen. Angesichts solcher geistlicher Bankrotterklärungen leuchtet es durchaus ein, dass Pastoraltheologen aus dem deutschsprachigen Raum von Modellen wie REBUILT elektrisiert sind: Da gibt es wenigstens noch so etwas wie eine Vision.
Aber ich will nicht zu weit ausholen. -- Das Dilemma der
"sucherorientierten" Pastoral beschreibt Fr. Ayre wie
folgt:
"Das Prinzip ist simpel: Lasst uns die verlorenen Schafe suchen gehen. Probleme entstehen erst bei der Frage nach dem Modus, der zu diesem Ziel angewendet wird. [...] Soviel ich weiß, entstand die Idee der 'sucherorientierten' Pastoral zunächst im Protestantismus, wurde dort aber ab den späten 90ern starker Kritik unterzogen -- und dann sprangen die Katholiken auf den Zug auf und haben die Idee, wie mir scheint, ohne die notwendige theologische Reflexion übernommen."
Wie Florian Mittl
schildert, lautet einer der Grundsätze des "Rebuilt"-Programms
"Prioritize the weekend experience": "Ist die
Sonntagsmesse langweilig, wird Timonium Tim daraus schlussfolgern,
dass wir langweilig sind, schlimmer noch: dass Gott langweilig ist."
Daraus wird die Forderung abgeleitet, die Ressourcen der Pfarrei in
erster Linie darauf zu konzentrieren, die Sonntagsmesse zu einem
anregenden Erlebnis für die Besucher zu machen. -- Diese Idee vom
"Vorrang des Wochenendes" spielt auch in Father James
Mallons "Divine Renovation"-Konzept eine Rolle, und obwohl
ich Letzteres im Ganzen durchaus gut finde (und als erheblich
"katholischer" einschätzen würde als REBUILT), hat mich
dieser Punkt intuitiv schon immer gestört. Ich hätte nicht genau
sagen können, warum; aber ich glaube, inzwischen kann ich es, und
noch besser als ich kann es Fr. Ayre. -- Ein wesentlicher Teil seiner Ausführungen setzt bei der Feststellung an, dass auf der Website der Nativity Church der Begriff "Service" für die Heilige Messe verwendet wird. Zwar bedeutet "service" im Englischen durchaus unter anderem (nämlich als Kurzform für "worship service") "Gottesdienst", aber die primäre Bedeutung des Wortes ist nun einmal "Dienstleistung", und das findet Fr. Ayre ebenso bezeichnend wie problematisch.
"Wir wissen, dass die Messe keine Dienstleistung ist, sondern die höchste Form der Verehrung des Vaters in Christus. Das ist alles andere als eine Dienstleistung. Ich bin sicher, man wird argumentieren 'Aber das ist nun mal eine Sprache, die die verlorenen Schafe verstehen'. Da ist etwas Wahres dran, aber es gibt einen Punkt, an dem die Sprache, die wir benutzen, unsere eigentliche Botschaft untergräbt, und die Messe als 'Service' zu bezeichnen ist definitiv ein solcher Punkt. [...]Wenn man so 'sucherorientiert' wird, dass man darüber die Bedeutung der Liturgie, die Bedeutung des Heiligen aus den Augen verliert, weil 'die Leute das nun mal nicht verstehen', schleicht man sich allmählich weg von dem, was für die katholische Identität essentiell ist."
Anders ausgedrückt: Die
Heilige Messe eignet sich einfach insgesamt schlecht als
"sucherfreundliches" Angebot für "Fernstehende".
Sie kennen den Ablauf nicht, können die Akklamationen nicht
mitsprechen, und dann muss man ihnen womöglich auch noch erklären,
warum sie nicht zur Kommunion gehen dürfen. Kurz gesagt, die Messe
ist nicht "niederschwellig", und jeder Versuch, sie dazu zu machen,
läuft letztlich nur darauf hinaus, sie zu verstümmeln. Nochmals Fr. Ayre:
"Indem sie voraussetze, dass 'die Leute' Sakramentalität nicht kapieren, tendieren sie zur Vision einer Kirche, die weniger sakramental und mehr auf Unterhaltung ausgerichtet ist. [...] Das verrät mangelndes Zutrauen in die Fähigkeit der Liturgie und der sakramentalen Weltsicht, sich selbst mitzuteilen. Wir vermitteln den Leuten: 'Dieser Kram ist nicht wirklich wichtig. Wirklich wichtig ist, dass ihr eine angenehme Sonntagserfahrung habt.' (Das ist eine Formulierung, die diese Bewegung liebt.) Lasst es mich theologischer ausdrücken: Das Konzept der 'Sonntagserfahrung' ist eine allzu subjektive Sicht auf die Messe. Dabei steht im Mittelpunkt, was wir 'davon haben', und nicht, was wir Gott darbringen. Bei der Messe geht es im Wesentlichen nicht um eine angenehme subjektive Erfahrung (auch wenn dieser Aspekt nicht völlig außen vor gelassen werden sollte), sondern um die Verehrung des lebendigen Gottes, der uns von unseren Sünden erlöst hat."
Genau diesen Punkt vertieft Amy Welborn in ihrer Kritik an Fr. Whites Äußerungen über Kinder in der Messe. Fr. White argumentiert,
die katholische Sitte, kleine Kinder in die Messe mitzunehmen, obwohl
sie dort nichts verstehen, lasse auf die Auffassung schließen, "ihre
bloße Anwesenheit im Gottesdienst würde sie auf mühelose, geistig anspruchslose Weise mit Gnaden und anderen Wohltaten [Gottes]
überschütten". In dieser ablehnenden Haltung gegenüber der
Vorstellung einer quasi "automatischen Gnade" stimmt Amy Welborn ihm prinzipiell durchaus
zu:
"Die großen geistlichen Lehrer unserer Tradition erklären uns immer und immer wieder, dass geistliches Wachstum uns viel abverlangt: Die Früchte des sakramentalen und spirituellen Lebens gedeihen durch unsere Mitwirkung."
Und:
"Ja, wir sind dazu aufgerufen, nach Kräften daran mitzuwirken, dass die uns dargebotene Gnade in unserem Leben Wurzeln schlägt und Früchte trägt."
Das heißt jedoch nicht, dass "Gottes Fähigkeit, in uns zu wirken, von dem Maß unseres Verstehens und unserer Tauglichkeit abhängig" wäre. "Es kommt nicht darauf an, wie viel wir mental aufzufassen in der Lage sind." Dass Fr. White so entschieden betont, Kleinkinder seien intellektuell nicht in der Lage, die "Information" der Messe aufzunehmen und zu verarbeiten, veranlasst die Bloggerin zu der Anmerkung, der Priester verwechsle Empfänglichkeit für die Gnade offenbar mit "mentalem Verstehen", wohingegen die Heiligen uns gelehrt hätten, dass diese Empfänglichkeit in der Liebe zu Gott und dem Verlangen nach Einheit mit Ihm bestehe. Fr. White lasse ein "auf tragische Weise verarmtes Verständnis der Messe" erkennen -- als handle es sich dabei lediglich um eine "Bibelstunde mit ein bisschen Gebet und Gesang drumherum". Diese "oberflächliche Vorstellung von der Messe und dem Leben aus den Sakramenten" nennt Amy Welborn "zutiefst verstörend", und zwar nicht zuletzt deshalb, weil sie "abgekoppelt von katholischer Theologie" sei. In Fr. Whites Ausführungen finde "die katholische Lehre über Gnade, Mitwirkung an der Gnade und die Wirkung der Sakramente keinen Ausdruck". "Ich sehe da keine authentisch katholische Sakramententheologie oder Ekklesiologie. Das ist Gnostizismus."
Die Bloggerin kritisiert Fr. Whites Anschauung als "eng" und "zutiefst individualistisch": Die "kosmische Dimension der Liturgie und der Kirche" komme darin "schlicht nicht vor":
"Die fundamentale Realität ist, dass die Messe Handeln Christi ist. Sie ist kosmisch. Es geht nicht um mich und darum, dass ich da sitze. Es geht darum, dass Christus das Universum erlöst."
Letztlich drehe sich alles um die Frage, "was die Messe ist: Handeln Christi oder unser eigenes Handeln?".
"Die Antwort, die man auf diese Frage gibt, bestimmt die Art der Evangelisation, die Präsenz gegenüber den am Rand Stehenden und, ja, auch die Art, wie die Messe gefeiert wird."
Schließlich betont Amy Welborn, die Stärke der katholischen Liturgie liege gerade darin, dass sie - "mit ihren Bildern, ihrer Musik, ihren Düften, ihrer Struktur und Atmosphäre" - "den ganzen Menschen" anspreche und dadurch in der Lage sei, "jeden zu erreichen, auf jedem 'Level'".
Fr. Harrison Ayre sieht voraus, dass jeder Kritik an Modellen wie REBUILT mit dem Hinweis auf ihren Erfolg begegnet werden wird. So meint etwa Florian Mittl: "Die Church of the
Nativity ist heute immer noch katholisch, nur ungefähr viermal so
groß wie früher." Nicht ohne Sarkasmus merkt Fr. Ayre dazu an, eine wesentliche Ursache dafür, dass Gemeindeerneuerungs-Konzepte nach Art von REBUILT in kirchlichen Kreisen so hoch gehandelt werden, liege darin, dass viele "lebenslange Katholiken eine sterbende Kirche vor sich sehen, und das macht ihnen Angst. Deshalb sind sie bereit, alles zu tun, um Hintern in die Kirchenbänke zu bekommen." Gewiss, so räumt er ein, trügen Gemeindeerneuerungs-Initiativen "eine stolze Hoffnung im Herzen, die wohl jeder Katholik verwirklicht sehen möchte: dynamische, aktive, lebendige Katholiken, die für ihren Glauben brennen". Problematisch werde es, wenn dieses Ziel mit Mitteln verfolgt werde, die "den katholischen Glauben eher untergraben als aufrichten". Zudem seien "Zahlen nicht alles": "Vergessen wir nicht, König David wurde von Gott dafür bestraft, dass er eine Volkszählung anordnete. Die entscheidende Frage ist: Kommunizieren wir eine katholische Vision?"
Letztendlich bringt Fr. Anthony Sciarappa, "Pittsburgh's okayest priest", es auf den Punkt:
"Das einzige, was noch gefährlicher ist als eine laue Pfarrgemeinde, ist eine Pfarrgemeinde, die auf weltlichen Erfolg und die selbstzufriedene Bequemlichkeit ihrer Mitglieder setzt."
Neh 8/2 hab ich gerade mal im hebr. nachgeguckt: "und alle die verstanden zu hören"
AntwortenLöschenIch habe die Messe vor ein paar Wochen, bei der diese Lesung vorkam, im Ausland auf Englisch besucht (in einer internationalen kath. Gemeinde) und bin mir ganz sicher, dass es dort explizit "children" hieß. Habe die Stimme der Lektorin noch im Kopf und erinnere mich, dass ich mich beim Zuhören darüber gewundert hatte. Ich weiß nicht, welche Übersetzung dort benutzt wird, gehe aber davon aus, dass sie die Stelle nicht abgeändert haben. Irgendwo scheint es die "Kinder" wohl zu geben.
LöschenLG Jenni
"Sorry, da kann mir keiner was erzählen: Wer so etwas schreibt, ist einfach ein kinderhassender Griesgram."
AntwortenLöschenNun, dann kann ich den guten Fr. Michael White ja nicht alleine lassen mit seinem Hass. Obwohl ich über eine gesunde Portion Humor und Selbsteinschätzung verfüge, nehme ich den Begriff "Griesgram" einfach mal nur zur Kenntnis. Der Mann hat völlig recht. Ich stelle mir gerade vor, Tobias Klein hält einen einstündigen Vortrag über das Buch die "Benedikt Option" und unsere Nachbarin mit ihren vier Kleinkindern gesellt sich zur anwesenden Gemeinde und lässt ihre Kinder (die vier reichen vollkommen aus), auf Gottes Gnade vertrauend, fröhlich im Vortragssaal umher tollen. Tobias Klein hatte Interessantes zu berichten, allerdings konnte ich dem Vortrag nicht folgen, weil die Nachbarin ein "Stillproblem" hatte. Stillen und Stille. LOL! Um den Wind aus den schon ausgespannten Segeln zu nehmen: Nein, die Schriftstelle wo Jesus die Kinder zu sich kommen lässt, passt nicht in diese Situation. Jesus bewundert nicht das Krakelen und Herumtollen der Kleinen, sondern ihre natürliches Verhältnis zum Glauben. Und genau der, wird nicht in dem Besuch einer hl. Messe mit einem brabbelnden Säugling vermittelt. Sondern eher und ich würde sogar sagen zu 99,99% außerhalb derselben. Ich selber habe als Säugling und Kleinkind nie eine Kirche von innen gesehen. Die Info habe ich von meiner Mutter und ich glaube ihr mal einfach. Nicht weil sie sich vor griesgrämigen kinderhassenden Priestern gefürchtet hätte, sondern weil ihr der Sinn in solchem Unternehmen nicht ersichtlich war. An welcher "Krankheit" litt meine Mutter? Was soll ich sagen? Geschadet hat es nicht. Selbst Jesus wurde, die Darstellung im Tempel mal ausgenommen, nicht als Säugling und Kleinkind in den Tempel geschleppt. Als zwölfjähriger, also den Windeln entwachsen, besuchten die Eltern mit ihm den Tempel. Sehen sie den Zusammenhang wenn sie können.
Ich könnte darauf jetzt ruhig ne sachbezogen Antworten, aber ehrlich gesagt habe ich gerade überhaupt keine Lust, mich mit Leuten auseinanderzusetzen, die mir in meinem eigenen digitalen Wohnzimmer ans Bein pissen.
AntwortenLöschenOK, den letzten Satz hätte ich mir sparen können, dafür entschuldige ich mich hiermit. Ein sensibles Thema: Ich selber habe nie Kinder gehabt, (mir fehlte die passende Frau dazu) war aber selbst mal eins und maße mir somit an, einen Kommentar zu schreiben, den sie im übrigen gar nicht veröffentlichen müssen. Ich würde mich auch nicht anpissen lassen wollen.
LöschenMeine Mutter hätte die Worte von Fr. Michael White unterschrieben oder ähnliche Worte benutzt. Da sie mit meinem Vater vier Kinder groß gezogen hat, kann man sie wohl schwerlich in die Rubrik "kinderhassende Griesgrame" stecken. Sie verstehen meine Aufregung? Wenn Sie wollen, eine sachbezogene Antwort würde mir helfen, Ihren Standpunkt, was Kinderhasser und Griesgrame im Bezug auf Kleinkinder im Gottesdienst angeht, besser zu verstehen.
Stimmt, Herr Klein, Sie sind der Hausherr in Ihrem Blog.
AntwortenLöschenAber ich verstehe Gerd Franken nicht so, dass er Sie hier beleidigen wollte.
Er hat nur auf Ihre Pauschalprovokation, die er ja am Anfang seines Beitrags wörtlich zitiert, deutlich geantwortet.
Ich selbst wurde mit bereits unter 3 Jahren regelmäßig sonntags mit in die Kirche genommen; vom Gottesdienst verstanden habe ich NICHTS! Musste still sein und äußerlich trotz Langeweile mitmachen. Wenn es nicht klappte, empfing ich vom Vater auch mal einen Hieb, dann spürte ich.
Ob ich besondere Gnaden empfing, weiß ich beim besten Willen nicht.
Das Verständnis und ein gewisses Interesse kamen erst viel viel später und zwar ausgerechnet(!) bei Kindergottesdiensten!
Ich entsinne mich, dass mich da neben den vorgelesenen Evangelien besonders die Geschichten interessierten, die der Pfarrer in seiner kindgerechten Predigt erzählte. Diese Gottesdienste waren damals übrigens auch bei vielen Erwachsenen beliebt, weil sie sehr verständlich waren und ihnen dort im Gegensatz zu sonst "nicht die Leviten gelesen wurden".
So "süß" das Gebaren mancher Kleinkinder auch sein mag, besonders für die "stolzen" Eltern und nächsten Verwandten: Sie können durch Ihre Unruhe halt auch stören und ablenken und andere Gottesdienstbesucher um ihre Andacht und Aufmerksamkeit bringen.
Ich halte es da für besser, mit dem Kind auch mal außerhalb der Messe die Kirche zu besuchen und es kindgerecht an den Glauben heranzuführen.
Nun, dann also *jetzt* Die sachliche Antwort:
AntwortenLöschenWenn ein Kind in der Messe weint, schreit oder sonstwie massive Unruhe verbreitet, liegt es im Interesse aller Beteiligten - nicht zuletzt des Kindes selbst -, dass ein Elternteil mit ihm rausgeht, bis es sich wieder beruhigt hat. Das würde ich auch so machen.
Das ist aber etwas grundsätzlich anderes als zu behaupten, Kleinkinder hätten in der Messe prinzipiell nichts zu suchen. Erst recht mit der Begründung, sie "hätten ja nichts davon", weil sie nichts "verstehen". Aber das steht ja alles schon im Artikel.
Fr. White legt dar, weshalb er es für falsch hält, anzunehmen, das "müsse" so sein. Da hat der Mann recht. So sehe ich das zumindest. Deshalb ist die Feststellung er sei ein Kinderhasser und Griesgram, sagen wir mal, ein wenig übertrieben. Es ist schon prinzipiell unterschiedlich, ob ein Säugling etwas nicht versteht oder der Erwachsene. Auch auf die Gefahr, dass dieser Vergleich hinkt: Sie können ihr Baby gefahrlos mit ins Kino nehmen und sich einen Film ohne Jugendfreigabe anschauen. Einen Schaden wird der oder die Kleine nicht davon tragen, Ohrstöpsel vorausgesetzt. Nun kann man es nicht zum Prinzip machen, dass Säuglinge nichts im Kino zu suchen haben. Aber besser wäre das.
LöschenMich stören Kinder im Gottesdienst sehr selten, aber zu Anbetungszeit möchte ich gern Ruhe und Stille, um mich auf die Aussetzung und Gegenwart Gottes konzentrieren zu können. Dann empfinde ich Eltern mit ihrem munteren Kleinkind in der ersten Bank wirklich fehl am Platz und sehr störend. Salopp gesagt "stören sie dem HERRN die Show".
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