Montag, 21. Mai 2018

Junge Männer in Soutane

Alexander Santora ist katholischer Priester und Dechant im US-Bundesstaat New Jersey. In einem Leitartikel für das Online-Magazin northjersey.com macht er sich Gedanken über Priesternachwuchs und Priesterausbildung – und kommt dabei unter anderem zu der Einschätzung, die "Ekklesiologie" jüngerer Geistlicher, ihre "Vision von Kirche", sei "beunruhigend für die Laien und die reifere Geistlichkeit". Warum? Weil diese jungen Priester, so meint Fr. Santora, die "Wiederbelebung einer klerikalen Kultur" anstrebten, mit Scheußlichkeiten wie Eucharistischer Anbetung, lateinischen Messen und Novenen. (Man kann sich lebhaft ausmalen, wie der "reife Geistliche" bei diesen Worten angewidert das Gesicht verzieht.) 

Solchen Tendenzen gilt es Einhalt zu gebieten, meint er, und dies müsse schon in den Seminaren geschehen – indem man "sicherstellt, dass die Lehren des II. Vatikanischen Konzils die Grundlage der Priesterausbildung darstellen." (Fun Fact: Das II. Vaticanum hatte, entgegen hartnäckiger anderslautender Gerüchte, überhaupt nichts gegen lateinische Messen. Und gegen Eucharistische Anbetung und Novenen auch nicht. Aber was weiß ich schon.) "Father Santoras Leitartikel dringt darauf, noch weit stärker als bisher auf das 'Disco Stu'-Priesterausbildungsmodell des II. Vaticanums zu setzen", spottet mein Freund Rod auf seinem Blog, "weil das ja so gut funktioniert hat." 


Aber so groß die Versuchung auch sein mag, sich über den hochwürdigen Herrn Dechanten lustig zu machen: Im Grunde ist das eine ernste Angelegenheit. Wenn ein Geistlicher in doch einigermaßen einflussreicher Stellung eine solche Haltung gegenüber dem Priesternachwuchs einnimmt und sich nicht scheut, das öffentlich kundzutun, dann steht er damit offenbar nicht allein da; und dann muss man sich auch nicht wundern, wenn - wie ich es in den letzten Jahren mehrfach aus verschiedenen Orten erfahren habe - junge, liturgisch und dogmatisch eher "konservativ" eingestellte Priester, die in Gemeinden, die über Jahrzehnte von Priestern des Typs "Disco Stu" (oder des Typs "Kaktus-Schamane") geprägt worden sind, Probleme mit den "engagierten Laien" bekommen, in so einer Situation keinen Rückhalt seitens ihrer Vorgesetzten, bis hinauf zum Bischof, erfahren. 

Sinngemäß ganz ähnlich wie Fr. Santora äußerte sich übrigens - einem Bericht der Tagespost zufolge - bei einem Podium des jüngst vergangenen Katholikentags die Religionspädagogin Simone Birkel, ihres Zeichens Lehrkraft für Jugend- und Schulpastoral an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt: "Bei uns heißt es: Hoffentlich kein junger Priester, weil die mit einem klerikalen Anspruch auftreten, der für normale Jugendliche nicht attraktiv ist." Nun könnte man sich sicherlich darüber streiten, was "normal" eigentlich bedeutet, aber wenn man das landläufige Verständnis zugrunde legt, "normal" sei das, was für die meisten gilt bzw. auf die meisten zutrifft, dann würde ich zunächst einmal ganz dreist erwidern: "Normale Jugendliche gehen überhaupt nicht in die Kirche!" Eine unbequeme Wahrheit, aber doch eine, der man ins Auge sehen muss. Das gilt übrigens, wie ich mir habe sagen lassen, sogar für Schüler katholischer Schulen. Bezieht sich Frau Birkel hingegen darauf, was unter denjenigen Jugendlichen als "normal" gilt, die in kirchlichen Strukturen aktiv sind, dann liegt es nahe, zu fragen: Wer prägt denn da das Bild von "Normalität", wenn nicht die kirchlichen  Strukturen selbst?
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Na, lassen wir diesen Gedanken mal einfach so im Raum stehen. Es kommen ohnehin noch andere Fragen hinzu. Woher kommen sie denn, die jungen Priester, die angeblich so schlecht mit den "normalen Jugendlichen" harmonieren? Müssten die, jung wie sie sind, nicht vor verhältnismäßig kurzer Zeit selbst noch jugendlich gewesen sein - und womöglich sogar als Jugendliche ihre Berufungsentscheidung getroffen haben? Und wieso wird eigentlich von denjenigen Jugendlichen, die Frau Birkel für normal hält, offenbar niemand Priester? Irgendwas ist doch faul an der ganzen Geschichte.

Aber – mal als offene Frage an die Leser, die da ja sicherlich ihre eigenen Erfahrungswerte haben – stimmt es denn überhaupt, dass junge Priester und Priesteramtskandidaten in der Gesamttendenz konservativer sind als die aus der allmählich abtretenden Baby-Boomer-Generation? Ich würde sagen, "konservativ" ist vielleicht ein irreführender Begriff. Einige mehr oder weniger kirchenferne, zum Teil ungetaufte Gäste meiner Hochzeit beispielsweise waren sehr angetan von dem Priester, der die Brautmesse zelebrierte, und wären als Außenstehende wohl nicht auf die Idee gekommen, dass das ein konservativer katholischer Geistlicher sei: Unter dieser Bezeichnung hätten sie sich etwas ganz Anderes vorgestellt. Trotzdem setze ich hier jetzt einfach mal als bekannt voraus, was im Sinne "kirchenpolitischer" Positionierungen mit diesem Begriff gemeint ist. Wenn es also stimmt, dass der Priesternachwuchs eher in die konservative Richtung tendiert, dann müsste man davon ausgehen, dass dieser Trend die Kirche längerfristig verändern wird. 

Vor diesem Hintergrund nun wiederum erscheint es doch einigermaßen auffällig, dass sämtliche Rezepte, die landläufig als Lösungen des vielbeschworenen Problems "Priestermangel" gehandelt werden – Gemeindeleitung durch Laien, Ordination von "viri probati", Aufhebung der Zölibatspflicht, Frauenordination – wie dafür gemacht zu sein scheinen, einer "drohenden" Dominanz konservativer Millennial-Priester entgegenzuwirken. Äußerungen wie die von Santora und Birkel tragen dazu bei, den Verdacht zu erhärten: Wo "Priestermangel" als Argument für die Notwendigkeit "progressiver" Reformen in der Kirche eingesetzt wird, da ist in Wirklichkeit womöglich nicht eine objektiv zu niedrige Zahl von Priesteramtsanwärtern gemeint, sondern vielmehr ein "Mangel", der darin besteht, dass der Priesternachwuchs nicht dem Kirchenbild des Gremien- und Verbandskatholizismus entspricht -- und dem der "reiferen Geistlichkeit"...



7 Kommentare:

  1. Gut auf den Punkt gebracht.
    Ich steh ja immer irgendwie heimatlos in der Gegend (was allerdings biblisch begründbar ist), bin im Novus Ordo "zu Hause" und finde eher abschreckend, wenn mal wieder jemand mich deshalb für eine laue Scheinkatholikin hält (was mir mehrmals vorgekommen ist) und bin lehramtstreu. Ordentliche Liturgie finde ich wichtig, Firlefanz in derselben doof und zuweilen geradezu unfromm. Was gegen Anbetung zu sagen ist - also dagegen, daß man mal wenigstens eine Viertelstunde die Schnauze hält und auf Gott schaut - erschließt sich mir absolut nicht. Und Latein - meine Lieblingssprache - kann es gar nicht genug geben. Mit Novenen hab ich es nicht so, aber das liegt an mir, nicht an den Novenen, die eine gute Gebetsform sind.

    Also, kurz und gut: In der Kritik stehen Priester, die von den Sperenzchen, die einem Mißverständnis des Konzils folgen, die Nase voll haben, und die jung, vital und energisch sind. In der Kritik stehen gute Leute.
    Daran müssen sich die guten Leute allerdings gewöhnen, das war in irgendeiner Hinsicht schon immer so. Der sel. Abt Erminold wurde aus ähnlichen Gründen 1121 von einem Klosterbruder erschlagen; so krasse Mittel wenden heutige 68er-Geschädigte glücklicherweise i.A. nicht an.

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    1. Oder unglücklicherweise.

      So ein Martyrium führt ja dazu, daß zum einen der Reformer für sich persönlich alle Sorgen los ist und zum andern die Reform, auf Grund der Zerknirschung der Gesinnungsgenossen des Mörders (und meist dessen selbst), *auch* fast schon in trockenen Tüchern ist.

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  2. Du stellst die Frage, ob es stimmt, daß junge Priester tendenziell konservativer sind?

    Wie will man diese Frage denn noch beantworten? Es fehlt doch einfach an der notwendigen Menge von jungen Priestern, um überhaupt eine belastbare Statistik aufstellen zu können.

    Vorgestern wurden hier in Paderborn 2 (zwei!) junge Männer zu Priestern geweiht. Einen der beiden habe ich mehrfach sonntags in der Messe in der a.o. Form gesehen, den anderen nicht.
    Daraus kann ich aber wohl kaum folgern, daß in Paderborn 50% der jungen Priester konservativ ist.

    Was ich immer sehr aufschlußreich finde, sind die Bilder der liturgischen Geräte, welche die jungen Priester bei der Weihe bekommen.
    Man schaue einfach mal auf die beiden Kelche und Hostienschalen, die der Erzbischof am Freitag gesegnet hat.
    https://www.erzbistum-paderborn.de/38-Nachrichten/23090,Priester-sind-Zeugen-gelebter-Hoffnung.html

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    1. Ehrlich gesagt ist das Bild wirklich sehr eindeutig. Gruß Michael

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  3. Zumindest meiner Erfahrung nach stimmt diese Beobachtung. Von den jungen Kaplänen, die in den letzten Jahren in meiner Pfarrei waren, tragen alle mindestens Kollar, wenn nicht Soutane, feiern die Liturgie buchstabengetreu und andächtig (z. T. sehr andächtig) und predigen klar lehramtstreu. Die paar Priesteramtskandidaten, die ich kenne, sind auch das, was man konservativ nennt; einer geht regelmäßig in die alte Messe.

    - Crescentia.

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  4. Gerade eben flackert mir eine Meldung über den Bildschirm, die man vielleicht mal Frau Birkel zeigen sollte und sie gleichzeig fragen sollte, ob das noch „normal“ sei.

    "Fest der Jugend" in Salzburg mit neuem Besucherrekord zu Ende gegangen

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  5. "Bei uns werden nur noch christlich konservative Männer zu Priestern geweiht, andere haben wir nicht!"
    OT eines mir bekannten Priester aus den Niederlanden. Und das ist schon 6 Jahre her.

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