Dienstag, 26. November 2024

Hasch mich, ich bin die Zukunft

Vor längerer Zeit hatte ich mal in Aussicht gestellt, ich wollte etwas über den aktuellen Pfarrbrief der Pfarrei St. Klara Reinickendorf-Süd schreiben; nun kommt schon bald die nächste Ausgabe oder ist vielleicht sogar schon erschienen, also wird's wohl langsam Zeit, dass ich diese Ankündigung wahr mache. 

Dass ich diese Aufgabe so lange vor mir hergeschoben habe, hat allerdings wohl nicht unwesentlich damit zu tun, dass ich bei nochmaligem Durchblättern des Hefts festgestellt habe, dass da gar nicht besonders viel Interessantes drinsteht. Nicht dass das eine überraschende Erkenntnis wäre. Ich bin geneigt zu sagen, seit die Redaktionsmitglieder an einer Fortbildung teilgenommen und eine Leserbefragung durchgeführt haben, ist der Pfarrbrief noch banaler und nichtssagender geworden als vorher. Die praktisch einzige Ausnahme stellt ein Artikel über die Pfarreipatronin Klara von Assisi dar; den hat die Frau geschrieben, die mich mal zur moralischen Unterstützung zu einem Konfliktgespräch mit der Redaktion mitgenommen hat. Es ist, sofern ich nichts übersehen habe, der längste Text im Heft – und zugleich der einzige, der den Leser zu einer stärkeren Reaktion als einem bedächtigen Nicken herausfordert. Aber über diesen Artikel wollte ich hier und jetzt nicht schreiben – dazu komme ich vielleicht ein andermal. Ich wollte auf einen anderen Beitrag in diesem Pfarrbrief eingehen, der mir ins Auge gefallen ist: die Ankündigung einer "Zukunftswerkstatt", von der es hieß, sie solle am 14. September von 11-17 Uhr in St. Rita stattfinden. Das habe ich ja nun wohl verpasst. Ha ha. Als ob die mich da hätten mitmachen lassen, selbst wenn ich ernsthaft gewollt hätte. 

Aber schon allein die Bezeichnung "Zukunftswerkstatt" hat bei mir eine Fülle von Assoziationen und Erinnerungen ausgelöst; und, nicht zuletzt: Augenrollen. Einmal habe ich tatsächlich an einer Zukunftswerkstatt teilgenommen, Anfang 1996 beim Zivildienstlehrgang in Bad Oeynhausen; das hat sogar Spaß gemacht, wenn auch hauptsächlich deshalb, weil ich in einer Gruppe gelandet war, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das Konzept der Zukunftswerkstatt zu "dekonstruieren", und Sätze auf das Metaplan-Flipboard schrieb wie "Der Mond ist Käse – Deutschland is(s)t Wurst". Mit dabei war, wie ich mich erinnere, der Leadgitarrist der Gruppe The Jinxs aus Hannover, von der ich mir später auch mal ein Konzert anhörte. Aber ich schweife ab. – Später im selben Jahr unterstützte ich im niedersächsischen Kommunalwahlkampf eine frisch gegründete Gruppe namens "Grüne Liste Zukunft Butjadingen", obwohl ich bei der Gründungsversammmung Einwände gegen den Namen erhob – mit dem Hinweis, "Zukunft" sei im politischen Diskurs "ein CDU-Wort". Diese Einschätzung stieß damals auf Unverständnis und würde es heute wahrscheinlich erst recht, obwohl: Das "Begehbare Parteiprogramm" der CDU im Bundestagswahlkampf 2017, auch genannt "FEDIDWGUGL-Haus", war ja im Grunde auch eine Art Zukunftswerkstatt. – Okay, so langsam nehmen die Abschweifungen aber echt überhand. 

Also mal zur Sache: Was ist eigentlich eine Zukunftswerkstatt? – Tante Wikipedia definiert sie als "eine von den Zukunftsforschern Robert Jungk, Rüdiger Lutz und Norbert R. Müllert begründete Methode, die Phantasie anzuregen, um mit neuen Ideen Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu entwickeln", und als "eine Methode, die sich im Rahmen einer bestimmten Fragestellung um Ideensammlungen und Problemlösungen bemüht. Gemeinsam werden Zukunftsentwürfe, Ziele und Maßnahmen für Organisationen entwickelt", und zwar typischerweise in Stufen, die mit "Beschwerde/Kritik", "Phantasie/Utopie" und "Verwirklichung/Praxis" überschrieben sind. 

– Okay, und was habe ich nun dagegen? Na ja, an und für sich nix, außer dass ich gruppendynamische Psychospiele und "ritualisierte Gespräche" generell nicht mag; ich frage mich dann immer "Kann man nicht einfach ganz normal miteinander reden?", aber manch einer mag sowas ja brauchen. Ehrlich gesagt bin ich grundsätzlich schon skeptisch gegenüber pädagogischen Konzepten, die einen bestimmten Namen haben – das wirkt auf mich so sektenartig, auch wenn in der Praxis der Name oft das einzige ist, was von dem Konzept übrig bleibt. Womit ich sagen will: Ob das, was da am 14. September in St. Rita ablief, eine "echte" Zukunftswerkstatt nach Jungk et al. war oder sich nur so nannte, weil irgendjemand fand, das hätte vom Begriff her mehr Pepp als ein bloßer "Ideenaustausch", weiß ich nicht, und ich weiß auch nicht, was von beidem ich blöder fände. 

An dieser Stelle noch eine letzte Abschweifung – von der ich allerdings der Meinung bin, dass es gar keine ist: Als ich noch im Pfarrgemeinderat von Herz Jesu Tegel saß, kam der Pastoralausschuss, der die Fusion der Pfarreien des damaligen Pastoralen Raums Reinickendorf-Süd vorbereiten sollte, auf die glorreiche Idee, die einzelnen Gemeinden und "Orte kirchlichen Lebens" im Bereich der zukünftigen Großpfarrei eine "SWOT-Analyse" durchführen zu lassen. Nun ist eine SWOT-Analyse allerdings ein Werkzeug, das auf ein konkretes, klar definiertes und messbares Unternehmensziel ausgerichtet ist und, wenn man nicht zuvor ein solches Ziel definiert, gar nicht sinnvoll anwendbar ist; aber als ich darauf hinwies, stieß ich allseits auf taube Ohren. Nicht dass mich das überrascht hätte. Eine "Zukunftswerkstatt" ist in dieser Hinsicht erheblich flexibler; dennoch nennt der Pfarrbriefartikel, um den es mir hier geht, für die Zukunftswerkstatt in St. Rita sehr wohl eine Art strategische Zielvorgabe, nämlich: 

"Wir wollen uns zusammensetzen und überlegen, was uns in unserer Pfarrei fehlt, um für Jugendliche attraktiv zu sein, zu bleiben oder zu werden." 

Wie finde ich das, was halte ich davon? Erst einmal fällt auf, dass dieser Satz so formuliert ist, dass er sich um eine klare Aussage über den Ist-Zustand herumdrückt. Entweder die Pfarrei ist bereits attraktiv für Jugendliche, dann muss es darum gehen, dass sie es bleibt; oder sie ist es nicht, dann muss sie es werden. Beides gleichzeitig geht nicht. Aber ich habe noch einen viel gravierenderen Einwand, und der lautet: Dass die Pfarrei für Jugendliche attraktiv sein soll, greift als Zielvorgabe erheblich zu kurz – und zwar auf eine für das "post-volkskirchliche" Milieu leider sehr charakteristische Weise: Damit wird nämlich die Frage nach dem prinzipiellen Daseinszweck der Pfarrei ausgeklammert, bzw. die Frage, ob sie überhaupt einem anderen Zweck dient als dem, sich als institutionelle Struktur selbst zu erhalten. Das ist natürlich ein Thema, über das ich mir den Mund fusselig geredet bzw. die Finger wund geschrieben habe, als ich noch im Pfarrgemeinderat war. Wie ich damals formulierte, bin ich der Auffassung, der prinzipielle Daseinszweck einer Pfarrei sollte es sein, den Menschen in ihrem Einzugsbereich die Begegnung mit Jesus Christus in Wort und Sakrament zu ermöglichen. Sämtliche Aktivitäten der Pfarrei sollten auf dieses Ziel ausgerichtet sein. Natürlich ist die Jugendarbeit dabei ein ganz wichtiger Baustein, und natürlich kann man sagen, wenn die Pfarrei es nicht schafft, auf Jugendliche attraktiv zu wirken, dann kann sie sie Jugendlichen auch nicht zu Jesus führen. Das heißt aber: Ein Veranstaltungsangebot für Jugendliche, das auf diese attraktiv wirkt, ist nur ein Mittel und nicht der eigentliche Zweck. Und es ist stets fatal, wenn das, was eigentlich bloß ein Mittel sein sollte, unversehens zum Zweck wird. 

Übrigens heißt es in der Ankündigung der Zukunftswerkstatt auch, man wolle "gern konkrete Ziele festlegen und Ideen für Veranstaltungen sammeln". Was das angeht, könnte man den Eindruck haben, diese Zukunftswerkstatt habe bemerkenswert schnell zu sehr beachtlichen Ergebnissen geführt; denn als ich Ende September, gerade mal zwei Wochen nach diesem Zukunftswerkstatts-Termin, ausnahmsweise einmal in der zur Pfarrei St. Klara gehörenden Kirche St. Bernhard im Tegel-Süd in die Messe ging, fiel mir dort ein Flyer in die Hände, der für ein neues und dem ersten Eindruck nach recht umfangreiches Jugendprogramm der Pfarrei warb. Die Vorstellung, das wären tatsächlich schon Ergebnisse der Zukunftswerkstatt in dem Sinne, dass dieses neue Jugendarbeitskonzept im Laufe eines sechsstündigen Brainstormings ausgeheckt und daraufhin sofort "implementiert" wurde (wie das im Apparatschik-Sprech so unschön heißt), halte ich indes für äußerst unrealistisch. Eher könnte ich mir vorstellen, dass die Leute vom Jugendausschuss des Pfarreirates, oder wer sonst dafür verantwortlich ist, dieses Konzept fertig zu der von ihnen selbst anberaumten Zukunftswerkstatt mitgebracht haben, um es dort wie ein Kaninchen aus dem Hut zu zaubern. Was natürlich eigentlich die Frage "Was soll das?" nahelegen müsste, aber ich schätze, das ist eine Frage, die man sich in der Gremienarbeit ziemlich bald abgewöhnt. 

Dem besagten Flyer war unter anderem auch zu entnehmen, dass die Pfarrei St. Klara inzwischen wirklich einen Instagram-Account hat; im Gespräch war das schon vor gut drei Jahren gewesen, allerdings war das Projekt damals im Sande verlaufen, weil allzu viele Leute innerhalb der Pfarrei allzu fest mit beiden Füßen auf der Bremse standen. Wie genau es dazu gekommen ist, dass es nun doch einen solchen Account gibt – der, wie es scheint, seit Mitte August des laufenden Jahres aktiv ist –, weiß ich natürlich nicht, aber man muss immerhin zugeben, dass dieser Instagram-Auftritt sich im Rahmen dessen, was die Verantwortlichen der Pfarrei sich vermutlich davon versprechen oder erhoffen, ganz gut entwickelt. Als ich Ende September erstmals draufguckte, hatte der Account 49 Follower, inzwischen sind es immerhin schon 94. Auch die graphische Gestaltung der Beiträge kann sich durchaus sehen lassen. Inhaltlich ist es indes nicht viel mehr als ein Terminkalender. Man könnte sagen: Der Account informiert darüber, was in der Pfarrei so alles los ist, aber er kann denen, die sich dafür nicht schon von sich aus interessieren, nicht erklären, warum sie sich dafür interessieren sollten. – Anders gesagt, diesem Instagram-Auftritt fehlt es an einer Vision, die über die rein institutionelle Gestalt der Pfarrei hinauswiese. Das ist nicht besonders überraschend, da dasselbe ja, wie bereits festgestellt, auch insgesamt für diese Pfarrei (und sicherlich nicht nur diese) gilt; schade ist das aber deshalb, weil der junge Mann, der die Idee eines Instagram-Accounts für die Pfarrei ursprünglich ins Gespräch gebracht hat, sehr wohl eine Vision damit verband, von der nun allerdings so gut wie nichts übrig geblieben ist. Ich schätze, man kann das als ein Paradebeispiel dafür betrachten, wie Innovation in handelsüblichen volkskirchlichen Pfarreien funktioniert bzw. gerade nicht funktioniert: 

1. Schritt: Jemand – in der Regel ein "Außenseiter" innerhalb der Pfarrei – hat eine innovative Idee, die er mit Kreativität und Enthusiasmus vertritt. 

2. Schritt: Die Entscheidungsträger der Pfarrei wissen erst mal nicht so richtig, was sie von der Idee halten sollen, also wird zunächst mal ein Arbeitskreis gegründet. 

3. Schritt: In diesem Arbeitskreis sitzen neben dem eigentlichen Initiator und güngstigstenfalls noch ein, zwei Leuten, die seine Vision teilen und/oder sich von seinem Enthusiasmus mitreißen lassen, auch Leute, die nur halbherzig hinter dem Projekt stehen oder nicht so richtig verstehen, was das Ganze eigentlich werden soll. Das führt dazu, dass die ursprüngliche Vision im Zuge der Tätigkeit des Arbeitskreises verwässert, verflacht und verzerrt wird. 

4. Schritt: Die Gremien und/oder die hauptamtlichen Mitarbeiter der Pfarrei haben auch gegen die verwässerte Version des Projekts noch Einwände und/oder bringen Änderungswünsche vor, durch die das Projekt sich noch weiter von der ursprünglichen Vision entfernt. 

5. Schritt: Das Projekt wird mehrmals zwischen dem Arbeitskreis und den Gremien der Pfarrei hin- und hergereicht und dabei immer weiter verstümmelt, bis das Ganze schließlich im Sande verläuft. 

6. Schritt: Einige Zeit später kommt einigen Leuten – in der Regel denselben, die dem Projekt bisher nur Steine in den Weg gelegt hatten – plötzlich die Erkenntnis, dass das ja doch eine ganz gute Idee war, und nun versuchen sie sie ohne den ursprünglichen Initiator zu verwirklichen, der sich inzwischen ohnehin frustriert zurückgezogen hat. 

7. Schritt: Da der Schwung und der Enthusiasmus der ursprünglichen Vision im vorangegangenen Prozess restlos aufgebraucht worden ist und das Projekt nun zudem in den Händen von Leuten liegt, die im Grunde nichts davon verstehen, kommt dabei einigermaßen zwangsläufig etwas ziemlich Lahmes und Uninteressantes heraus, trotzdem beglückwünschen sich die Verantwortlichen der Pfarrei zu der gelungenen Innovation. 

Aber noch einmal zurück zum konkreten Fall dieses Instagram-Auftritts: Mit Blick auf generationsspezifisches Mediennutzungsverhalten ist es wohl einigermaßen konsequent, dass die Beiträge einen spürbaren Schwerpunkt auf die Jugendarbeit der Pfarrei legen, und damit kann ich hier thematisch den Bogen schließen. Am 5. November erschien auf Instagram nämlich ein Beitrag über "Die neue 'Jugend-Reihe' und was dahinter steckt"; darin erfährt man so allerlei über die konzeptionelle Ausrichtung der auch auf dem weiter oben angesprochenen Flyer aufgeführten Veranstaltungsangebote für Jugendliche. Zum Teil liest sich das durchaus vielversprechend; so heißt es es unter "Jugend kocht"

"Zum Jugend-kocht werden wir immer ein Motto festlegen, Rezepte vorbereiten, einkaufen, gemeinsam kochen und natürlich gemeinsam essen. Anschließend ist immer noch genug Zeit für einen gemütlichen Abend im Jugendraum." 

Und unter "Jugend reist"

"Wir fahren weg, mal weiter weg, mal bleiben wir auch in der Umgebung von Berlin-Brandenburg, aber immer bleiben wir zumindest für 2‐7 Nächte verreist. Zeit mal nur mit Leuten im gleichen Alter verbringen, ohne Eltern, mit Lagerfeuer, Gitarre, singen, spielen, schwimmen gehen, Fahrrad fahren..." 

Das Veranstaltungsformat "Jugend kreativ" finde ich persönlich nicht so attraktiv, aber ich bin ja sowieso nicht die Zielgruppe – also, wer's mag...: 

"Basteln ist nicht nur was für Kleinkinder, auch als Jugendliche/r, sogar als Erwachsene/r möchte man vielleicht mal kreativ sein, mit Acryl-Malerei Postkarten herstellen, Leinwände bemalen, Perlenschmuck herstellen, einen Lebensbaum oder Adventsgestecke basteln. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt." 

Und dann gibt's auch noch "Jugend allein zu Haus", und abgesehen von dem durchaus nicht unwitzigen Titel liest sich das Konzept dazu ziemlich genau so, wie man "Jugendarbeit" in "post-volkskirchlichen" Gemeinden so vorstellt

"Das werden unsere gemütlichen Abende sein, Spielenachmittage, DVDs gucken, Pizza machen, Kickern oder auch mal ein Videospiel oder Karaoke." 

Den einen oder anderen meiner Leser wird es wahrscheinlich freuen, dass ich gegenüber "rein geselligen" Veranstaltungen in kirchlichem Rahmen nicht mehr ganz so streng eingestellt bin wie "früher mal". Gerade im Jugendbereich – aber auch nicht nur dort – haben Veranstaltungen, die darauf setzen, das Gemeinschaftsgefühl dadurch zu stärken, dass man gemeinsam Dinge tut, die den Gruppenmitgliedern Spaß machen, durchaus ihren Sinn und Wert; und sei es nur der, zu verhindern, dass bei den Jugendlichen der Eindruck entsteht, Spaß haben könnten sie nur außerhalb der Kirchengemeinde. Der Vorteil, den es hat, die Jugendlichen in ihrem Freizeitverhalten an die Kirchengemeinde zu binden, relativiert sich natürlich stark, wenn – wie es geradezu der "post-volkskirchliche" Normalfall zu sein scheint – die Gemeinde sich nicht mehr vorrangig als Glaubensgemeinschaft versteht. Diesen Punkt gälte es wohl mal an anderer Stelle zu vertiefen; halten wir indes fest, dass das neue Jugendprogramm der Pfarrei St. Klara – was dem gedruckten Flyer nicht zu entnehmen war – durchaus auch ein Format "Jugend glaubt" gibt. Dieses wird in dem Instagram-Beitrag wie folgt beschrieben: 

"Manchmal wird es auch thematisch, innehalten, in sich selbst spüren, zu einem besonderen Event wie Nightfever gehen, einen eigenen Gottesdienst vorbereiten, Taizé Lieder singen, sich ein Worship-Konzert anschauen oder sich mal auf die Spuren der Bibel begeben." 

Na toll. 

– Ja, ich gebe zu, ein differenzierteres und begründeteres Urteil als "Na toll" wäre wünschenswert, aber das wäre ggf. Stoff für einen Folgeartikel. Da wäre dann wohl auch näher auf das Format "Jugend aktiv unterwegs" einzugehen, über das es in dem Instagram-Beitrag heißt: 

"Dieser Baustein bietet sehr viele Möglichkeiten. Von der Teilnahme an der 72h-Aktion des BDKJ, über sportlich aktiv sein, Billard oder Bowling spielen gehen, bei den Sternsingern unterstützen, tanzen gehen oder Stadtpilgern – eben einfach aktiv sein." 

Bei aller (bisher größtenteils nur angedeuteten) Kritik ist immerhin festzustellen, dass die für dem Aufgabenbereich Jugendarbeit zuständigen Leute in der Pfarrei St. Klara sich eine Menge vorgenommen haben, und diese ambitionierte Herangehensweise nötigt mir ja durchaus Respekt ab. Das entscheidende Wort lautet hier allerdings "vorgenommen": Was tatsächlich daraus wird, bleibt noch abzuwarten. Unter den Terminen, die auf dem mir in Papierform vorliegenden Flyer aufgeführt sind, sind nur zwei, die von heute aus gesehen bereits in der Vergangenheit liegen: ein "Jugendtag" in St. Rita am 12. Oktober, dessen Programm ein Tischtennisturnier und eine Jugendmesse umfasste, und "Jugend kocht italienisch", ebenfalls in St. Rita, am 9. November. Weiterhin angekündigt sind für das laufende Jahr noch eine "Jugend allein zu Haus"-Adventsfeier am 7. Dezember sowie eine Silvesterfeier im Anschluss an einen Jahresabschlussgottesdienst am 31. Dezember; die nächste "Jugend allein zu Haus"-Veranstaltung soll am 25. Januar stattfinden, das nächste "Jugend kocht"-Event am 22. Februar, alles übrigens in St. Rita. "Jugend reist" ist erstmals für den 30.4.-04.05. geplant; eine aktualisierte Version des Flyers, die am 12. November auf Instagram veröffentlicht wurde, führt für den 23. März einen "Jugend-aktiv-zu Haus"-Termin mit "Billard & Co." im Jugendheim von St. Marien Reinickendorf auf. Bei solchen zeitlichen Abständen zwischen den einzelnen Terminen sieht das neue Jugendprogramm der Pfarrei schon gar nicht mehr sooo üppig aus; ehrlich gesagt frage ich mich sogar, ob ein derart weitmaschiges Programm überhaupt geeignet ist, eine stabile Gruppe aufzubauen, die ein Gefühl von Zugehörigkeit und Identität vermittelt. Oder ist das vielleicht gar nicht gewollt? Okay, es gibt durchaus auch noch andere Angebote für Jugendliche in der Pfarrei, zum Beispiel einen "Jugendclub" in St. Marien Reinickendorf, der sich ebenfalls einmal im Monat trifft. Aber gerade bei einem Format wie "Jugend allein zu Haus", dessen Konzept ja im Wesentlichen auf "zusammen abhängen" hinausläuft, frage ich mich, warum man das nicht jede Woche (oder mehrmals pro Woche) anbietet. Okay, ich ahne die Antwort: Die Jugendlichen haben schließlich auch noch was anderes zu tun. Da sind wir wieder bei meinem pet peeve-Thema "entfremdete Kirchlichkeit". So sehr das neue Jugendprogramm der Pfarrei St. Klara den Anschein von Ambitioniertheit erweckt, so wenig trauen die Verantwortlichen ihrem Angebot in Wirklichkeit zu, attraktiver zu sein als andere, nicht-kirchliche Angebote. Was möglicherweise (zumindest zum Teil) daran liegt, dass sie den Jugendlichen tatsächlich nichts anzubieten haben, was sie nicht auch woanders, und dort wahrscheinlich besser, vorfinden könnten. Damit bin ich jetzt schon mittendrin in dem, was eigentlich das Thema des oben angedachten Folgeartikels sein sollte, und deshalb höre ich hier und jetzt erst mal auf. Ich werde mich aber auf jeden Fall bemühen, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten. 


P.S.: Erst nachdem ich die erste Fassung dieses Artikels auf Patreon veröffentlicht hatte, las ich auf dem Instagram-Account der Pfarrei St. Klara die Ankündigung einer neuen Serie:  "Impulse". Nachdem ich die erste Folge dieser Serie – einen Impuls zum Hochfest Christkönig – gesehen und gehört habe, muss ich sagen, ich wünschte, sie hätten das gelassen. Aber auch darauf wird wohl bei späterer Gelegenheit zurückzukommen sein. 


3 Kommentare:

  1. >>Bei solchen zeitlichen Abständen zwischen den einzelnen Terminen sieht das neue Jugendprogramm der Pfarrei schon gar nicht mehr sooo üppig aus.

    Jepp. - Bei aller Respekt fürs Engagement und die guten Absichten, aber: das wird nicht funktionieren.

    Einmal monatliche Termine können schon funktionieren, setzen dann aber (zumindest bis eine gewisse Größe erreicht ist) voraus, daß die Teilnehmer so committed (sorry für den Jargon) sind, daß sie jedesmal kommen und auch quasi ihren Terminkalender darumherumbauen.

    Im übrigen sind wöchentliche Termine besser, die dann mit *ausdrücklichem* "und wenn man ab und zu kommt is's auch in Ordnung" garniert werden sollten.

    Es ist nämlich tatsächlich so, daß die Leute auch noch was anderes zu tun haben (dazu und warum das per se nicht von Übel ist noch ein eigener Kommentar); aber *gerade deswegen* ist ein wöchentlicher Termin (mit einer gewissen Abwesenheitstoleranz besser) besser; denn bei "einmal im Monat" müßte man dann wirklich immer kommen, und das noch ohne Routine.

    Und vollends: einmal im Monat - und dann am Samstag? Am, freaking, Samstag??? Für Jugendliche?????

    Wie soll denn das bitte gehen?

    Der Samstag ist ja praktisch der "freie" Tag, zumal für Jugendliche, die im Haushalt noch nicht so viel, und das nicht-so-viele auf Kommando ohne sich dazu aufraffen zu müssen, machen; am Sonntag ist Messe, Festessen, Spaziergang oder sonstige familiäre Aktivitäten und (die Menschen sind, wie sie sind, und außerdem ist das tatsächlich entgegen anderslautenden Gerüchten moralisch unproblematisch) Hausaufgaben und Lernen für den Montag angesagt...

    Am Samstag will die Familie zusammen einkaufen, Gartenarbeit und dergleichen machen und doch ein bißchen Haushalt, vielleicht einmal einen Ausflug; und vor allem gibt es dann auch noch Freunde, die wollen auch etwas machen. Und man hat dann auch Zeit. Auch wieder Ausflüge; Sport; Spieleabende; Kino; Konzerte; Discobesuche (na gut, vielleicht eher bei, wie sie das Strafrecht nennt, Heranwachsenden, und dann jungen Erwachsenen [letzteres geht gefühlt ab 21 erst los]).

    Geht man da auch in die Kirche? Überraschenderweise ja; unter Jugendlichen, die das an sich tun (den anderen nicht, versteht sich) ist genau ein kirchliches "Angebot" ganz erstaunlich beliebt. Die haben schon irgendwo ein diffuses Gefühl von einer Sonntagspflicht, was genaugenommen fast schon ein Wunder ist, denn ihnen hat nie jemand etwas von einer Sonntagspflicht gepredigt; deswegen gehen sie gar nicht so ungern in eine, gern recht früh am Abend, angesetzte, Vorabendmesse. Um dann lange weggehen und am Sonntag lange schlafen zu können.

    Und da will man sie, *am Samstag*, versuchen, mit einmalmonatlichen Veranstaltungen für etwas anderes als die Vorabendmesse zu begeistern?

    Möglicherweise noch während in der Kirche die Vorabendmesse zelebriert wird?

    Und selbst wenn einer da mal Zeit haben sollte - wissen die eigentlich, wie Jugendliche ticken? Wenn die da ihre Freunde treffen, die sie *bereits anderweitig* kennengelernt haben, okay... aber ansonsten: ein Jugendlicher kann, vielleicht, dahinterkommen, wie cool es ist, in eine gelesene Werktagsmesse zu gehen oder in eine gesungene Vesper (wenn denn irgendwo Vespern gesungen würden). Aber zu einer geselligen Abendveranstaltung, bei der die coolen Leute aus Termingründen *alle fehlen*, weil *die* nämlich beim sagen-wir Bowling sind und danach in die Disco gehen? Ein bereits-religiöser Mensch mag es als Opfer auf sich nehmen, ein noch opfersinnigerer sogar öffentlich dazu stehen, aber wie soll das bitte jemanden *begeistern*?

    Denken die denn gar nicht mit?

    (wird noch etwas fortgesetzt)

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  2. (Teil 2)

    Okay, to be fair: die haben mitgedacht:

    "am Wochentag haben die keine Zeit, denn da haben die Training, Musikschule, Nachhilfe usw., jedenfalls immer einige, einen Termin für alle freischaufeln, zumal nicht bereits committete, wird schwierig". Gewiß, gewiß. Um dem beiden gerecht zu werden, böte sich zum Einstieg der Sonntag an, nach dem Hochamt. Aber wenn (und das ist ja an sich ehrenwert) man über den Sonntag hinausgehen will:

    dann ist schon bezeichnend, daß einem dann die unter elterlicher Direktion stehende Selbstoptimierung der Jugendlichen so tabu ist, daß man lieber mit der Freizeit der Jugendlichen konkurriert. Statt umgekehrt.

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  3. Übrigens: jetzt sehe ich erst das auf dem Bild. „Fete“? Echt jetzt, „Fete“? Ist das ein Berlin-Slsng oder redet die heutige Jugend wieder wie ihre Großeltern? - Kann ja beides sein, aber wenn nicht, wieso nennen die das nicht so, wie es schon zu meiner Zeit hieß, nämlich „Party“?

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