Freitag, 22. März 2024

Songs, die es fast zum Ohrwurm der Woche gebracht hätten – Platz 5-1

Nachdem ich unlängst, anlässlich des einjährigen Jubiläums meiner Rückkehr aus der Blogpause, auf die "Ohrwürmer der Woche" aus dem zurückliegenden Kalenderjahr zurückgeblickt, die Idee einer Hitliste derjenigen Songs, die es nicht unter die "Ohrwürmer der Woche" geschafft haben, erläutert und die Plätze 10-6 dieser Hitliste vorgestellt habe, bleibt mir zur Einleitung dieses Artikels wohl nicht viel mehr zu sagen als: Willkommen zu den Top Five! 

5. The Cure: In Between Days 

Ich muss gestehen: Ich und The Cure, das ist ein schwieriges Thema. Als ich Ende der 80er aufs Gymnasium kam, gab es in meiner Altersgruppe ein Häuflein eingefleischter Cure-Fans, die nahezu ausschließlich schwarze Klamotten trugen und sich auch die Haare entsprechend wüst auftoupierten, und wer nicht zu dieser Gruppe gehörte, der fand sie – und by extension dann eben auch The Cure – eher doof. Die damals aktuelle Single "Lullaby" war mir mit meinen noch nicht ganz 13 Jahren zu morbide und das Video dazu fand ich eklig. In den folgenden Jahren kam ich nach und nach dahinter, dass es durchaus einige Cure-Songs gab, die ich ganz gut fand, aber die spezifische Fankultur, die die Gruppe umgab, blieb mir suspekt. – Jahre später arbeitete ich als DJ in einer Bar, und eines Tages lieh mir eine der Kellnerinnen ganze zehn selbstgebrannte CDs mit alphabetisch sortierten Cure-Songs. Ich rechnete damit, dass mir vielleicht 10% der Songs gefallen würden, aber das Ergebnis übertraf meine Erwartungen erheblich: Es war praktisch kein Song dabei, von dem ich gesagt hätte "Gefällt mir gar nicht". – "In Between Days", vom 1985er Album "The Head on the Door", gehörte allerdings auch schon in meiner Zeit auf dem Gymnasium zu meinen Lieblingssongs der Gruppe. Es ist auch auf dem Soundtrack des Films "Sing Street" vertreten, was auf assoziativem Weg dazu führte, dass ich mich in der Woche, als "In Between Days" gute Aussichten auf den Ohrwurm-Titel hatte – nämlich im "Creative Minority Report" Nr. 15 –, schließlich doch für das unverkennbar Cure-inspirierte "A Beautiful Sea" von Sing Street entschied. 


4. Falco: Maschine brennt 

Die zweite Single-Auskopplung aus Falcos Debütalbum "Einzelhaft" war zwar kein solcher Welterfolg wie der Vorläufer "Der Kommissar" und erreichte auch auf längere Sicht nicht dessen Kultstatus, verkaufte sich aber allemal mehr als beachtlich und stellte somit sicher, dass Falco auf dem Internationalen Pop-Markt keine Eintagsfliege blieb. Ich finde die Nummer ausgesprochen stark: den 80er-Jahre-typischen Keyboard-Sound, die funky Gitarren-Licks und dazu deutschsprachiger Rap mit österreichischem Akzent --- ein Gesamtkunstwerk. Fast zum Ohrwurm der Woche avanciert wäre es während des Urlaubs in Ostfriesland, als das unbeständige Wetter mich wiederholt an die Textstelle "Ich seh' es ganz genau, noch ist der Himmel blau, wer weiß, wie lange dieser Segen hält" denken ließ. 


3. Jethro Tull: Too Old to Rock'n'Roll, Too Young to Die 

Der Titel ist ja recht sprichwörtlich; wenn man allerdings bedenkt, dass es die Gruppe Jethro Tull heute immer noch gibt, mag man es zunächst einmal überraschend finden, dass sie diese Nummer zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt ihrer Karriere, 1976, herausbrachten. Zeitgenössische Kritiker betrachteten das gleichnamige Album tatsächlich als Anzeichen einer Schaffenskrise der Band. Schon im Jahr darauf, mit dem Album "Songs from the Wood", gelang es den Prog-Rock-Pionieren indes, sich als Folk-Rock-Band neu zu erfinden. "Songs from the Wood" finde ich von vorne bis hinten hervorragend und kann die Scheibe nur empfehlen, aber ironischerweise enthält sie dennoch keinen einzelnen Song, der in Sachen Ohrwurmpotential mit "Too Old to Rock'n'Roll, Too Young to Die" mithalten könnte. Als ich mir den Song einmal in Gegenwart meiner Tochter anhörte, fragte sie mich, was der Titel bedeute, und als ich ihn ihr übersetzte, meinte sie in aller Unschuld: "Ach so, dann ist das vielleicht so jemand wie du." Tja, Kindermund und so... 


2. Heidi Franke: Die Blumen sind für Sie, Herr Polizist 


In den "Ansichten aus Wolkenkuckucksheim" Nr. 42 erwähnte ich, ich sei "[i]m Zuge meiner Recherchen für ein Buchprojekt – das trotz intensiver Arbeit noch immer nicht so weit gediehen ist, dass ich mich trauen würde, darüber mehr als ein paar Andeutungen an die Öffentlichkeit dringen zu lassen – [...] auf eine 2008 erschienene Compilation-CD mit dem Titel 'Hippies, Hasch und Flower Power – 68er-Pop aus Deutschland' aufmerksam geworden und finde sie ohne Übertreibung sensationell". Von den 25 in dieser Sammlung vertretenen Stücken hätte Heidi Frankes "Die Blumen sind für Sie, Herr Polizist" eigentlich den Titel des Ohrwurms der Woche in dem betreffenden Wochenbriefing verdient gehabt: Was diesen Song so brillant macht, ist die Kombination aus locker-flockigem, vermeintlich harmlosem Schlager-Sound – durchaus vergleichbar mit Evergreens wie "Ich will nen Cowboy als Mann" (Gitte Hænning, 1963) oder "Er hat ein knallrotes Gummiboot" (Wencke Myhre, 1970) – und einem scharf satirischen, auch politisch brisanten Text. Allerdings hatte ich diese Nummer direkt nach dem ersten Hören im Überschwang der Entdeckerfreude auf Facebook geteilt, und als ein paar Tage später das Wochenbriefing anstand, dachte ich, nochmal dasselbe Lied wäre irgendwie langweilig. Daher entschied ich mich dort für ein anderes Juwel von dieser Compilation: Michel Polnareffs "Gammler-Ballade". Jetzt soll aber die gute Heidi zu ihrem Recht kommen! 


1. Kiki Dee: I've Got the Music in Me 


Eher ein Zufallsfund: Diesen exzellenten Song kannte ich zunächst nur in einer live aufgenommenen Coverversion der Gruppe Heart, und Kiki Dee war mir lediglich von ihrem Duett mit Elton John, "Don't Go Breaking My Heart", ein Begriff. Ich muss gestehen, ich wäre von selbst nicht auf die Idee gekommen, beides zusammenzubringen. Inzwischen habe ich aber u.a. gelernt, dass Kiki Dee zu den sehr wenigen weißen Interpreten gehörte, die von dem legendären Motown-Label unter Vertrag genommen wurden. Und was den Song betrifft: Der macht einfach gute Laune. Wobei das eigentlich schon fast untertrieben ist. Wenn man sich mal antriebsschwach, frustriert und allgemein "meh" fühlt, ist dieser Song perfekt geeignet, einen da rauszureißen. Probier' es aus, Leser! 

Und nun als Bonus noch einmal vier Songs, die ebenfalls fast mal Ohrwurm der Woche geworden wären, es aber nicht in die Top Ten geschafft haben. Ich weiß, ich hatte eigentlich fünf versprochen, aber bei nochmaligem Nachzählen waren es dann doch nur vier. 

2 Guys 'N The Parque: Eichhörnchen in der Hose – ja, das ist aus der Cartoonserie "Phineas & Ferb". Die habe ich eigentlich nie gesehen, aber diesen Ausschnitt habe ich irgendwann mal, vermutlich durch einen Facebook-Link, auf YouTube entdeckt und fand den Song witzig. Nicht zuletzt auch dank der unfreiwilligen Dance-Moves. Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zur Reaktion meiner Kinder. Die fahren da total drauf ab. **** Fil: Magnum's Son – ein Stück musikalische Comedy, über die ich mich seit gefühlt 20 Jahren immer wieder beömmeln kann. Die Klage des intellektuellen, zart besaiteten Sohnes über seinen vulgären, aufdringlich selbstverliebten Heavy-Metal-Vater geht gegen Ende in eine sehr gekonnte Cure-Parodie über, womit sich hier ein Kreis schließt. **** Bläck Fööss: Drink doch eine met – diesen Ohrwurm verdanke ich natürlich dem berüchtigten Karnevalsgottesdienst in St. Rita. Immerhin, als kulturhistorisches Dokument ist der Song ganz interessant: Er gilt als der erste kölsche Karnevalsschlager mit Stilelementen zeitgenössischer Rockmusik. Rein musikalisch gefällt er mir tatsächlich gar nicht schlecht, wohingegen mein norddeutsches Gemüt das sentimentale Pathos des Texts schwer erträglich findet. Vermutlich sollte man aber in Rechnung stellen, dass das Lied nicht dafür gemacht ist, angehört zu werden, ehe man selbst die eine oder andere "mitgetrunken" hat. **** Teach-In: Ding-A-Dong war 1975 der Siegertitel beim Grand Prix Eurovision de la Chanson, und zwar für die Niederlande; folgerichtig gibt es auch eine niederländische Textfassung, aber ich bevorzuge die englische – die klingt nicht ganz so albern, und, Hand aufs Herz: "Waterloo" von ABBA, das Grand-Prix-Siegerlied aus dem Vorjahr, hört man sich ja auch nicht ohne Not auf Schwedisch an. – Alles in allem scheint mir die Gruppe Teach-In, ähnlich wie etwa Sonny & Cher, Esther & Abi Ofarim, die CarpentersMiddle of the Road, Tony Orlando & Dawn oder Brotherhood of Man (die im nächsten Jahr mit "Save Your Kisses For Me" den Grand Prix gewannen), ein Beispiel dafür zu sein, wie die Überreste der Hippiekultur im Mainstream-Pop ankamen. Interessant ist auch, dass vor einem halben Jahrhundert der Grand Prix, was popmusikalische Trends anging, auf der Höhe der Zeit war, wohingegen der European Song Contest unserer Tage eine vom sonstigen Popmusikbetrieb völlig abgekoppelte Freakshow ist. 


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