Was bisher geschah: Der Großteil der zurückliegenden Woche fiel tatsächlich in die Kategorie "Ruhe vor dem Sturm", abgesehen davon, dass das Kind einen Tag lang (nämlich Dienstag) ein bisschen kränkelte, aber wirklich dramatisch war auch das nicht. Am Donnerstag habe ich beim Pfarrbüro meine Kandidatur für den Pfarrgemeinderat angemeldet. Ja, echt. Aber dazu vielleicht bei Gelegenheit mehr. Außerdem wurde uns im Laufe der Woche ein zusammenklappbarer Bollerwagen geliefert, den meine Liebste im Internet bestellt hatte.
Erstmals zum Einsatz kam der Wagen am Freitagabend bei einer Foodsaving-Aktion in einem Biomarkt; währenddessen ging ich mit dem Kind in die Abendmesse, um der koreanischen Märtyrer zu gedenken. Am Samstag erlebten wir eine Premiere der unerfreulichen Art: Unser fünfter Krabbelbrunch war tatsächlich die erste unserer Veranstaltungen in dieser Pfarrei in gut zweieinhalb Jahren, zu der außer uns selber niemand kam. Da könnte man jetzt lang und breit lamentieren und Fehleranalyse betreiben, aber vielleicht lag's auch einfach am spätsommerlich schönen Wetter. Ein Gutes hatte die Sache jedenfalls: Da wir gleich am folgenden Tag im selben Raum noch eine weitere Veranstaltung hatten, konnten wir uns das Aufräumen größtenteils sparen und auch die fürs Büffet herangeschafften Lebensmittel größtenteils weiterverwenden. -- Am Ende der für den Krabbelbrunch veranschlagten Zeit stand es eine Weile auf der Kippe, ob das Kind Mittagsschlaf machen würde oder nicht, und als das Pendel schließlich recht eindeutig in Richtung "eher nicht" ausschlug, entschieden wir uns, dass wir dann ja auch alle zusammen zum ökumenischen Abschlussgottesdienst des Marschs für das Leben auf dem Platz der Republik gehen könnten. Eine Entscheidung, die wir nicht zu bereuen hatten. Die Atmosphäre war klasse, Weihbischof Wörner (Augsburg) predigte exzellent, und die Musik war auch gut. Anschließend gingen wir noch mit einigen Marsch-Teilnehmern - darunter der Journalist und Bloggerkollege Peter Winnemöller, kath.net-Chefredakteur Roland Noé und der Landesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben, Stefan Friedrich - in einen nahe gelegenen Biergarten (mit Kinderspielplatz). -- Der Büchertreff am Sonntag war vergleichsweise gut besicht und insgesamt eine sehr schöne Veranstaltung, somit war die Gesamtbilanz des Wochenendes, trotz des Krabbelbrunch-Misserfolgs, positiv. Am Ende waren wir aber ganz schön geschafft, nicht zuletzt deshalb, weil die Liebste mit einer Erkältung zu kämpfen hatte und daher von vornherein nicht gerade in Top-Form war.
Ist das das neue #BenOp-Mobil, oder was? |
Was ansteht: Nach diesem Wochenende darf es gern erst mal ein bisschen ruhiger werden, und die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Meine Liebste hat in dieser Woche "Kennenlerntage" mit ihren Elftklässlern; das heißt, an drei der fünf Schultage findet kein normaler Unterricht statt, sondern es werden Exkursionen gemacht, bei denen die Schüler nach Möglichkeit Spaß haben sollen: Stadtrallye, Kanufahren, Kletterpark. Am Dienstag - also morgen - hält Bloggerkollegin Claudia in der Arche in Potsdam, einer Bildungseinrichtung der Pfarrei St. Peter und Paul, einen Vortrag zum Thema "Warum es keine katholischen Priesterinnen gibt". Nach Möglichkeit will ich da hin, davon abgesehen möchte ich denjenigen Lesern, die nicht allzu weit weg wohnen, die Veranstaltung herzlich empfehlen. Es wird sicher spannend! Am Donnerstag stünde natürlich wieder die Möglichkeit im Raum, zur Community Networking Night im Baumhaus zu gehen, wenn ausreichend Zeit und Muße vorhanden sind. Am Freitag habe ich mein achtjähriges Bloggerjubiläum, da wäre vielleicht mal wieder ein Jubiläumsartikel fällig, nachdem es letztes Jahr keinen gab. Am Samstag gibt es bei unseren Nachbarn in der Ökumene, nämlich in der evangelischen Dorfkirche Alt-Tegel, ein Chorfestival, da sollte man wohl mal vorbeischauen, zumal der Eintritt frei ist. Und dann ist schon wieder Sonntag -- und da wird in unserer Kirche Erntedank gefeiert. Mal sehen, wie das wird.
aktuelle Lektüre: Mit der im vorigen Wochen-Briefing vorgestellten Leseliste geht es flott voran, sodass ich recht optimistisch bin, sie im Laufe der Woche abgearbeitet zu bekommen und mir fünf neue Bücher vorknöpfen zu können. Im zweiten Abschnitt von Heike Behrends "Die Zeit des Feuers" geht es schwerpunktmäßig um Initiationsriten, mit denen die jungen Tugen zu Männern oder Frauen "gemacht" werden. Ein gefundenes Fressen für Gender-Theoretiker, aber wie schon erwähnt, ist eine Bewertung oder Interpretation der geschilderten Riten nicht Bestandteil der Studie. Nebenbei erwähnt die Autorin, dass Versuche, die traditionelle weibliche Genitalverstümmelung staatlicherseits zu unterbinden, auf erhebliche Widerstände stoßen -- nicht nur seitens der Ältesten, die über die Einhaltung der Tradition wachen, sondern auch seitens der jungen Frauen selbst, da sie befürchten, ohne Beschneidung niemals als erwachsen anerkannt zu werden, nicht heiraten zu können und so weiter.
In John Dos Passos' "Manhattan Transfer" konzentriert sich die Handlung - nachdem der Autor, wie an anderer Stelle geschildert, den armen Bud Korpenning um die Ecke gebracht und sich damit einen Handlungsstrang vom Hals geschafft hat, von dem man bis dahin geglaubt hatte, er würde noch wichtig werden - zunehmend auf Ellen Thatcher alias Elaine Oglethorpe und die diversen Männer, die sich aus Liebe zu ihr ein Bein ausreißen. Dadurch wird der Roman konventioneller, aber auch lesbarer. Gleichzeitig muss ich feststellen, das nicht nur die Zerstückelung der Handlung in fragmentarische Momentaufnahmen (die, wie gesagt, im zweiten Teil nachlässt) diesen Roman schwer verdaulich macht, sondern mindestens ebensosehr der Umstand, dass sich in all den zahlreichen Handlungssträngen das untrügliche Gefühl aufdrängt: Das wird kein gutes Ende nehmen. Und dann tun einem all diese Leute leid. Also, alle vielleicht nicht, aber von den gefühlt 300 Romancharakteren tun einem mindestens hundert leid, und daran ändert es auch nichts, dass sie mehr oder weniger selbst schuld an ihrem Unglück sind. Das schlaucht. Gleichwohl könnte man sagen, gerade der Umstand, dass das Schicksal der Charaktere einem so zu Herzen geht, zeigt, dass es ein guter Roman ist. Wovon ich am Anfang ja ganz und gar nicht überzeugt war.
Schöne Dialogpassagen hat das Buch auch zu bieten, wie zum Beispiel:
"Vielleicht können Sie mir sagen, Stan, warum hierzulande kein Mensch etwas tut. Kein Mensch schreibt Musik, kein Mensch macht Revolution, kein Mensch verliebt sich. Was machen die Leute?" (S. 161)
Und sogar ein Kommentar zur Selbstsäkularisierung der Kirche(n) findet sich:
"Aber ich finde, Mr. Lourton ist eben so ganz anders als die meisten Geistlichen. Er hat so moderne, so vernünftige Anschauungen! Es erinnert einen wirklich mehr an einen äußerst interessanten Vortrag als an eine übliche Predigt, wenn Sie verstehen, was ich meine." (S. 166)
Von Dorothy Days "The Long Loneliness" bin ich immer mehr hingerissen; übrigens ist es, wie die Autorin selbst betont, nicht ganz zutreffend, das Buch als eine Autobiographie zu bezeichnen:
"I have never intended to write an autobiography. I have always wanted instead to tell of things that brought me to God and that reminded me of God." (S. 94)
Im zweiten Teil des Buches geht es sehr wesentlich um die Konversion der Autorin zum Katholizismus, beziehungsweise um den langwierigen Prozess der Annäherung an den Glauben, der in dieser Konversion gipfelt. Das ist in vielfacher Hinsicht eindrucksvoll; aber auch unabhängig vom explizit religiösen Gehalt liebe ich den Humor und die Warmherzigkeit, die aus Dorothys Schilderungen spricht. Besonders gilt das für das Kapitel "Man Was Made For Happiness", in dem die Autorin das anarchisch-idyllische Leben in ihrem Strandhaus auf Staten Island und den Umgang mit ihren dortigen liebenswert-exzentrischen Nachbarn schildert.
Ein anderer Aspekt von Dorothy Days Erinnerungen, der mich stark anspricht, betrifft die Darstellung ihrer Aktivitäten sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Zirkeln - der "radikalen Bewegung", wie sie das nennt. Ich denke da immer ein bisschen wehmütig an meine eigenen (vergleichsweise entschieden harmloseren) Kontakte zur linksradikalen Szene -- und folglich auch daran, dass und warum ich mich seit einigen Jahren unter dem Label "Punkpastoral" mit der Frage befasse, inwiefern christliche Neuevangelisation etwas von den Vernetzungs- und Selbstorganisations-Methoden dieser Szene zu lernen haben könnte. In Dorothy Days Schilderungen erscheint die "radikale Bewegung" als außerordentlich gut vernetzt: Obwohl es sich um eine kleine und gesellschaftlich mehr oder weniger geächtete Gruppe handelt, haben ihre Anhänger keine Schwierigkeiten, überall, wo sie hinkommen, Gleichgesinnte und Unterstützer zu finden. So ähnlich stelle ich mir die frühe Kirche zur Zeit der Apostelgeschichte und der Paulusbriefe vor. Und heute? Heute, so sollte man denken, müsste die Kirche doch erst recht in der Lage sein, ein solches Netzwerk zu bilden -- nur zeigt sich leider, dass zumindest in den hiesigen volkskirchlichen Strukturen viele Schlüsselstellen mit Leuten besetzt sind, die, um's mal zurückhaltend zu formulieren, in entscheidenden Fragen eher keine Gleichgesinnten sind.
Aber zurück zu Dorothy Day: Eine interessante und irgendwie auch lustige Querverbindung zu einem in früheren "Kaffee & Laudes"-Folgen besprochenen Buch findet sich in der Erwähnung eines Freundes, der Dorothy in der Zeit ihrer allmählichen Annäherung an den katholischen Glauben Pascal und Dostojewskij nahe brachte, James Joyce hingegen verabscheute -- und der ihr eines Tages, als sie in der Hochbahn "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann" las, das Buch aus der Hand nahm und es aus dem Fenster des Waggons warf. Auch wenn ich den Roman durchaus mochte, glaube ich, das war eine kluge Aktion; denn für jemanden, der sich gerade auf dem Weg zum Katholizismus befindet, könnte dieser Roman geradezu Gift sein.
Zu der vor einer Woche bereits angedeuteten Querverbindung zu John Dos Passos habe ich ebenfalls etwas gefunden: Auf S. 114 erinnert sich Dorothy an eine Diskussion zwischen Malcolm Cowley, Kenneth Burke und Dos Passos, "which stood out especially in my memory because I could not understand a word of it". Das ist mir sehr sympathisch.
Davon abgesehen habe ich in diesem Buch einige zitierwürdige Äußerungen der Autorin zu Themen gefunden, die bis heute nichts an Aktualität eingebüßt haben und die mich hier in meinem Blog auch sonst beschäftigen, wie zum Beispiel Kinderkatechese, Gartenbau und die nicht tot zu kriegende Frage "Kann man nicht auch ohne Kirche an Gott glauben?". Das Problem ist, wenn man einmal damit anfängt, Passagen aus dem Buch 'rauszuschreiben, kommt man zu keinem Ende, so gut ist das Buch. Ich werde mir die entsprechenden Stellen merken müssen, um bei passender Gelegenheit darauf zurückzukommen.
Simon Becketts "Obsession" nimmt zur Mitte hin erheblich an Spannung zu, und auch in anderer Hinsicht hat mein Interesse an diesem Buch zugenommen, nachdem ich festgestellt habe, dass die letzte Woche festgehaltene Beobachtung, sämtliche Charaktere kämen irgendwie unsympathisch rüber, alles andere als banal ist. Die Leute sind nicht einfach irgendwie unsympathisch, sie sind auf eine krankhafte Weise egoistisch, leben in dysfunktionalen Beziehungen, in denen sie sich sich gegenseitig emotional ausbeuten, und es scheint nicht einmal die Möglichkeit auf, dass es auch anders sein könnte. Insofern ist das Gesellschaftspanorama, das dieses Beckett-Frühwerk entwirft, auf eine wahrscheinlich unbeabsichtigte Weise sehr illustrativ: Es ist eine Gesellschaft ohne Gott. Hin und wieder scheint es, dass der Autor einen Zusammenhang zwischen der Trostlosigkeit in den zwischenmenschlichen Beziehungen und dem (Ver-)Schwinden des Christentums zumindest erahnt. So wird beiläufig erwähnt, dass die Spezialschule für autistische Kinder, die der sechsjährige Jacob besucht, "auf dem Gelände eines alten Pfarrhauses" steht, das "schon lange abgerissen" worden ist (S. 69); an anderer Stelle macht Protagonist Ben sich Gedanken über sein Alter und stellt fest:
"Einen Monat zuvor war er dreiunddreißig geworden. In dem Alter hatte Jesus die Welt verändert und war gekreuzigt worden. Ben schätzte seine Chancen, eine Religion zu gründen, nicht hoch ein" (S. 151).
Abermals etwas später erinnert Ben sich, wie er einmal mit seiner verstorbenen Frau "bei einem Glas Wein über den Tod gesprochen" hat:
"Sarah hatte ihm erzählt, dass sie beerdigt werden wollte. Ben hatte gesagt, dass er verbrannt werden wolle, abgesehen von seinem besten Stück, das sie als Andenken aufbewahren könne" (S. 168).
Witzig? Wie man's nimmt; mir zumindest erscheint es nicht ganz abwegig, diese Stelle im Zusammenhang mit der bemerkenswerten Aufmerksamkeit zu betrachten, die der Autor den Erektionsproblemen seines Protagonisten widmet. Erstmals ist davon auf S. 152f. die Rede: Sarah ist seit gut vier Monaten tot, und ihrem Witwer fällt auf, dass er in dieser ganzen Zeit keine Erektion gehabt hat. Zwar redet er sich zu, er sei ohnehin "noch nicht so weit, mit einer anderen Frau zu schlafen" (S. 153), aber die Vorstellung, dazu, falls er es doch wollte, körperlich nicht in der Lage zu sein, macht ihm schwer zu schaffen -- so schwer, dass auf S. 194f. erneut die Rede davon ist, und diesmal noch erheblich ausgiebiger. "Es war, als wäre seine sexuelle Seite abgestumpft", und der trauernde Witwer fürchtet, "dass er für immer von der Hüfte abwärts tot sein könnte". Davon, ob er womöglich darauf hofft, in einer zukünftigen Beziehung leibliche Kinder zu haben, ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede; interessant ist allerdings, was auf S. 167 über Bens Motivation gesagt wird, den Kontakt zu Jacob aufrecht erhalten zu wollen: Würde der autistische Junge ihn nämlich "vielleicht irgendwann" vergessen, dann "würden sich Bens Erinnerungen an seine Ehe mit Sarah und an die Familie, die er einmal für die seine gehalten hatte, schließlich als wertlos erweisen, in Staub auflösen und davonwehen". All das unterstreicht für mein Empfinden, wie sehr Ben - ebenso wie die meisten anderen Charaktere des Romans - von dem Bedürfnis getrieben ist, ein Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit zu überwinden oder zumindest zu betäuben.
Irgendwie bezeichnend erscheint mir in diesem Zusammenhang auch eine Passage darüber, warum Ben Fotograf geworden ist: In seiner Zeit an der Kunsthochschule "verstand er die Kamera als ein Medium, mit dem man ein Objekt ohne die verzerrende Wahrnehmung eines Künstlers darstellen konnte. Er glaubte, dass er mit der Kamera wahrhaftigere und unverfälschtere Bilder erzeugen konnte als mit Pinsel und Leinwand" (S. 84). -- Also sorry, ich verstehe nicht, was für einen Sinn es haben sollte - selbst wenn es möglich wäre, was es offenkundig nicht ist -, die Realität "objektiv" abzubilden und damit quasi zu verdoppeln. Was ist das für ein Kunstverständnis? Für Ben jedenfalls stellt die Erkenntnis, "dass die Fotografie genauso subjektiv war wie die Malerei" (ebd.), einen künstlerischen Sündenfall dar, er wird "zynisch" (S. 85) und verkauft sein Talent an die Werbebranche. Wie dichtete doch Erich Kästner 1946 (!) unter der Überschrift "Die Jugend hat das Wort":
"Wir hatten falsche Ideale?
Das mag schon stimmen, bitte sehr.
Doch was ist nun? Mit einem Male
besitzen wir selbst die nicht mehr!"
Was Mely Kiyaks "Ein Garten liegt verschwiegen" betrifft, habe ich meinem ersten Eindruck nicht viel hinzuzufügen: Es hätte ein gutes Buch werden können, aber dazu hätte jemand anderes es schreiben müssen. Die tantigen Spötteleien der Autorin werden allmählich immer unerträglicher. Ich meine, hallo: Die Frau ist so alt wie ich, aber sie hat den Humor einer angeschickerten Mittsechzigerin im Operncafé. Wirklich schade um das interessante Thema.
Linktipps:
Auf diesen gut drei Jahre alten Artikel wurde ich unlängst via Twitter aufmerksam, und ich würde mal sagen, er hat an Aktualität nichts eingebüßt -- eher im Gegenteil. Der Religionswissenschaftler Matthew Rose erinnert an eine im April 1966 im Time Magazine erschienene Titelstory über die Idee einer "Theologie ohne Gott" und geht der Frage nach, was seither eigentlich aus dieser theologischen Richtung und ihren Vorkämpfern geworden ist. Er stellt fest, dass die seinerzeit im Time Magazine vorgestellten Vordenker einer "Gott-ist-tot-Theologie" zwar auf heftigen Widerspruch stießen und ihre fachwissenschaftlichen Karrieren sich davon nie wieder richtig erholten, dass ihre Ideen aber trotzdem einflussreich waren. Sein Fazit: Als Weltanschauung hat der liberale Protestantismus hat in den 50 Jahren von 1966 bis 2016 einen beispiellosen Siegeszug durch die westlichen Gesellschaften vollzogen, dabei aber sich selbst als institutionelle Religion überflüssig gemacht und nahezu abgeschafft. Seine Ausführungen hierzu erscheinen mir durchaus plausibel -- und lassen es umso rätselhafter erscheinen, wieso auf katholischer Seite so viele Leute zu glauben scheinen, sie könnten die Institution gerade dadurch retten, dass sie sich der Weltanschauung des liberalen Protestantismus angleichen...
Noch ein älterer Artikel, auf den ich eher zufällig bzw. aus Versehen gestoßen bin; und auch hier geht es um ein Thema, das in absehbarer Zeit an aktueller Relevanz (leider) kaum verlieren, sondern eher noch gewinnen dürfte. Es geht um Kirchenschließungen im Erzbistum Berlin, oder, präziser gesagt, um die Frage, was aus nicht mehr genutzten Kirchengebäuden wird. Die Kirche St. Bernhard in Brandenburg an der Havel wird offenbar nicht zuletzt wegen der Skurrilität des Umstands, dass das Erzbistum seinerzeit via eBay nach einem Käufer für die Immobilie suchte, als Fallbeispiel herangezogen; erwähnt werden aber auch andere Fälle, auch aus anderen Bistümern (in Mönchengladbach etwa sei eine ehemalige Kirche zur Kletterhalle umfunktioniert worden), und Erzbistums-Pressesprecher Förner äußert sich zu allgemeinen Richtlinien für die Nachnutzung früherer Gotteshäuser: "Eine Disco werde es nicht"; in Polen habe "ein Kirchenkritiker [...] ein Gotteshaus über Mittelsmänner gekauft und zum Bordell gemacht [...] -- auch so etwas wolle das Erzbistum nicht zulassen". Unschwer zu bemerken ist, dass der Artikel von Sachverstand, geschweige denn von Wohlwollen gegenüber der katholischen Kirche weitgehend unbeleckt ist. Gleich zu Beginn heißt es: "Die Zahl der Katholiken sinkt stetig" -- so als wäre das ein Naturgesetz; bezeichnenderweise wird in diesem Satz auch nicht präzisiert, wo das so sein soll; global gesehen ist tatsächlich das Gegenteil der Fall, aber was interessiert das die Berliner Morgenpost? "Die meisten Gottesdienste des Erzbistums Berlin bleiben somit fast unbesucht" -- das halte ich dann ja doch für übertrieben. Zumindest erweckt es einen falschen Eindruck; bedenkt man, dass die Mehrzahl der Gottesdienste Werktagsmessen sein dürften, dann mag es wohl stimmen, dass "die meisten" davon nur eine recht überschaubare Besucherzahl aufweisen, aber für Sonntagsmessen gilt das wohl kaum; und was genau heißt eigentlich "fast unbesucht?" -- Weiter unten erfährt der staunende Leser, in der "Stahlarbeitersiedlung", in der St. Bernhard stehe, hätten sich "zumindest die Älteren eine fast [?] volkskirchliche Frömmigkeit bewahrt": "Hier haben alte Rituale überlebt, die es in vielen modernen Gemeinden nicht mehr gibt". Nanu, was für alte Rituale mögen das wohl sein? Man höre und staune: Es handelt sich um Eucharistische Anbetung. Und die gibt es angeblich "in vielen modernen Gemeinden nicht mehr"? Sollte es mich mal in so eine "moderne Gemeinde" verschlagen, werde ich den Leuten aber was husten! Wobei, mit einer "modernen Gemeinde", wie die säkulare Presse sie sich vorstellt, hätte ich vermutlich noch ganz andere Probleme. -- Interessant ist aber ja nun doch, was wirklich aus St. Bernhard in Brandenburg an der Havel geworden ist. Das geht aus dem Artikel natürlich nicht hervor, aber Google hilft: Heute wird das Gebäude von der "Gemeinschaftskirche Brandenburg e.V." genutzt. "Was immer Sie von Gott denken, was immer Sie von Kirche halten, hier sind Sie willkommen", heißt es auf der Website. "St Bernhard bietet Raum zur Begegnung für alle Menschen gleich welcher Herkunft, Religion, Geschlecht und Alter und regt zur gemeinsamen, unterstützenden Lebensgestaltung an." Soweit, so obskur. Was sind das für Leute? Wer finanziert die, und warum? Und kommen jetzt wirklich mehr Leute in die Kirche als früher? Fragen über Fragen. Eventuell muss ich da mal hin.
Heilige der Woche:
Heute, Montag, 23. September: Hl. Pio von Pietrelcina (1887-1968), Ordenspriester, Mystiker. Bauernsohn aus Kampanien, trat im Alter von 16 Jahren in den Kapuzinerorden ein und wurde 1910 zum Priester geweiht. Galt schon zu Lebzeiten als Wundertäter; ab 1916 trug er die fünf Wundmale Christi an seinem Körper, zudem verfügte er laut Augenzeugenberichten auch über die Gabe der Levitation und der Bilokation. Meist schlicht "Pater Pio" genannt, zählt er zu den wohl populärsten Heiligen des 20. Jahrhunderts.
Dienstag, 24. September: Hll. Rupert und Virgil, Bischöfe und Glaubensboten. Rupert (ca. 660-718) stammte wohl aus fränkischem Adel, wurde gegen Ende des 7. Jahrhunderts zunächst Bischof von Worms, missionierte in Bayern, gründete 696 das Stift St. Peter in Salzburg und das Frauenkloster auf dem Nonnberg und wurde erster Erzbischof von Salzburg. Virgil (ca. 700-784) war gebürtiger Ire, kam 743 als Missionar ins Frankenreich und 745 nach Bayern, wurde 749 oder 755 Erzbischof von Salzburg. Er war ein bedeutender Gelehrter, der neben Theologie und Philosophie auch Geschichtsschreibung, Mathematik und Astronomie betrieb.
Mittwoch, 25. September: Hl. Nikolaus von der Flüe (1417-1487), Einsiedler, Mystiker. Schweizer Bergbauer, der 1467 seine Familie verließ und Einsiedler wurde. Entfaltete als Seelsorger und geistlicher Berater erheblichen, auch politischen Einfluss. Wird als Schutzpatron der Schweiz verehrt. Bekannt ist das "Gebet vom Bruder Klaus", das er in seiner Einsiedelei jeden Tag gebetet haben soll:
Mein Herr und mein Gott,
nimm alles von mir,
was mich hindert zu Dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir,
was mich führet zu Dir.
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir
und gib mich ganz zu eigen Dir.
Donnerstag, 26. September: Hll. Kosmas und Damian, Ärzte und Märtyrer. Der Überlieferung zufolge waren Kosmas und Damian Brüder, die im 3. Jahrhundert in Kilikien (im Süden der heutigen Türkei) als Ärzte praktizierten und durch ihre kostenlose medizinische Hilfe viele Menschen zum christlichen Glauben bekehrten, bis sie im Zuge der Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian das Martyrium erlitten.
Freitag, 27. September: Hl. Vinzenz von Paul (1581-1660), Priester und Ordensgründer. Im Jahr 1600 zum Priester geweiht, 1605 von türkischen Piraten entführt und in Tunis als Sklave verkauft, gelangte jedoch 1607 wieder in Freiheit. Widmete sich als Pfarrer intensiv der Armenfürsorge und Krankenpflege, insbesondere auch der Betreuung schwer erziehbarer Jugendlicher und Geisteskranker. Gründete 1625 den Missionsorden der Lazaristen. Auch der Frauenorden der "Töchter der christlichen Liebe" sowie die Vinzentiner-Kongregation von Malabar (die in der St.-Clemens-Kirche in Berlin-Kreuzberg das "Exerzitienzentrum der göttlichen Barmherzigkeit" betreibt) berufen sich auf ihn.
Samstag, 28. September: Hl. Lioba (ca. 700-782), Missionarin und Ordensfrau. Kam aus dem angelsächsischen Königreich Wessex um 735 als Mitarbeiterin des Hl. Bonifatius ins heutige Deutschland, wurde erste Äbtissin des Klosters Tauberbischofsheim. Hl. Wenzel (ca. 907-929 od. 935), Märtyrer. Ab 921 Fürst eines böhmischen Stammesverbands in der Region um Prag, bis 924/25 unter Vormundschaft. Musste sich ca. 929 der Oberherrschaft des ostfränkischen Königs Heinrich I. unterwerfen und fiel einer von seinem Bruder Boleslaw angeführten Verschwörung zum Opfer. Wurde schon bald nach seinem Tod im Volk als Heiliger verehrt und gilt heute als Nationalheiliger Tschechiens. Hl. Laurentius Ruiz und Gefährten, Märtyrer. Lorenzo Ruiz (ca. 1605-1637) wurde in Binondo auf den Philippinen geboren, wurde Ministrant in einem Dominikanerkonvent und schloss sich 1636, um einer Mordanklage zu entkommen, einer Gruppe spanischer Missionare auf dem Weg nach Japan an. Da das Christentum in Japan streng verboten war, wurde die Schiffsbesatzung unmittelbar nach der Landung auf der Insel Okinawa festgenommen, nach Nagasaki gebracht und dort hingerichtet. Ruiz, die mit ihm zusammen hingerichteten Missionare sowie zehn weitere Märtyrer, die in en Jahren 1633/34 in Japan für den Glauben starben, wurden 1981 von Papst Johannes Paul II. selig- und 1987 heiliggesprochen.
Aus dem Stundenbuch:
Leite mich, Herr, in deiner Gerechtigkeit, † meinen Feinden zum Trotz; * ebne deinen Weg vor mir! (Psalm 5,9)
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