Samstag, 27. Februar 2021

Viva Punk! - oder: Endlich Chefredakteur

Es hat Ärger gegeben -- Ärger mit bzw. in der Pfarrbriefredaktion. Ich will hier nicht ins Detail gehen, geschweige denn Namen von Beteiligten nennen; es geht mir auch nicht um Schuldzuweisungen. Es mag genügen, festzustellen, dass es innerhalb der Redaktion sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, wofür bzw. wozu ein Pfarrbrief da ist, was in ihn hineingehört und was nicht. Und im Zuge der Endredaktion der soeben erschienenen Ausgabe sind diese Auffassungsunterschiede ziemlich eskaliert. Es spielten auch noch andere strittige Fragen mit hinein, zum Beispiel die, inwieweit das ehrenamtliche Redaktionsteam der hauptamtlichen Pfarreileitung gegenüber verantwortlich ist; aber lassen wir das hier beiseite.

Die entscheidende Lehre, die ich - als noch relativ "neues" Mitglied der Redaktion - aus den Auseinandersetzungen innerhalb des Teams gezogen habe, lautet, dass für eine Reihe wichtiger Themen und Perspektiven unter den derzeit herrschenden Bedingungen kein Platz im Pfarrbrief ist - zum Teil, weil eine relative Mehrheit der Redaktionsmitglieder diese Themen und Perspektiven schlichtweg nicht haben will; zum Teil aber auch, weil - wie ich trotz allem Streit anerkennen muss - der Pfarrbrief tatsächlich nicht das ideale Medium für die Art von Pressearbeit im Pastoralen Raum ist, die mir vorschwebt. 

Nun haben meine Liebste und ich uns aber ja nicht ohne Grund vor knapp fünf Jahren das Motto "Punkpastoral" auf die Fahnen geschrieben. Und die Antwort auf die klassische Frage "Was würde ein Punk tun?" lautet im vorliegenden Fall recht eindeutig: 

Ein eigenes Heft rausbringen. Schnell, billig und mit einfachen Mitteln produziert, aber mit den "richtigen" Inhalten. 

Tja, und genau das haben wir daraufhin gemacht. 

Daran, dass wir das tatsächlich machten und nicht nur darüber phantasierten, es zu tun, hat übrigens auch unsere dreijährige Tochter Bernadette entscheidenden Anteil: An dem Tag, als der Streit innerhalb der Pfarrbriefredaktion so richtig eskalierte, fragte das Kind gegen Abend etwas besorgt, wer mich denn geärgert habe. Ich versuchte ihr den Sachverhalt mit Verweisen auf das (übrigens sehr empfehlenswerte) Kinderbuch "Lola macht Schlagzeilen" von Isabel Abedi zu erläutern, und schloss mit den Worten: "Und jetzt denke ich darüber nach, zusammen mit Mami und noch ein paar anderen Leuten eine eigene Zeitung zu machen. So wie Lola und Flo. Wie fändest du das?" 

Und das Kind antwortete: "Cool." 

(Also auch an Isabel Abedi und ihre Lola-Bücher ein herzliches Dankeschön für die Inspiration...) 

Jedenfalls nahmen meine Liebste und ich uns daraufhin noch einen Tag Zeit, um zu überlegen, ob wir das wirklich, ernsthaft machen wollen, und dann machten wir uns an die Arbeit. Zwei Wochen später war die Druckvorlage für die Erstausgabe fertig, mit Layout und allem. Und weitere drei Tage später sah das Ergebnis so aus: 


Die gedruckte Auflage umfasst vorerst einmal nur bescheidene 100 Exemplare; das hat einerseits mit der Frage der Finanzierung zu tun - dazu später -, aber andererseits denke ich mir auch: Wenn sich unter den Leuten, die in die Kirche kommen und sich dort die Schriftenauslagen ansehen, 100 Leser für unser Heft finden, dann ist das schon viel. Zudem kann man die die Zeitschrift ja auch als PDF-Datei verbreiten - die ist im Gegensatz zur gedruckten Version sogar farbig gestaltet. (Zum Download geht's übrigens hier.) 

Zum Vergleich: Der Pfarrbrief unseres Pastoralen Raums hat eine gedruckte Auflage von 1.900 Stück. Wenn ich mir anschaue, wie viele Exemplare der Ausgabe Dezember '20 - Februar '21 noch kurz vor dem Ende dieses Dreimonatszeitraums in unserer Kirche auslagen, dann kann man sich vielleicht schon die Frage stellen, ob die Auflage nicht (zumindest unter Lockdown-Bedingungen) um Einiges zu groß ist; aber macht ja nichts, kostet ja nur unser aller Geld. 

Und damit wären wir dann doch schon beim Thema Finanzierung angelangt. Wie macht man das, wenn man weder Mittel aus der Kirchensteuer, aus Staatsleistungen oder gar aus der sonntäglichen Kollekte erhält? Nun ja, die Startauflage von 100 Stück haben wir erst mal aus eigener Tasche bezahlt; aber natürlich wäre es wünschenswert, für die Zukunft einen anderen Modus der Finanzierung zu finden, der es gegebenenfalls auch gestattet, die Auflage zu erhöhen und/oder sogar in Farbe zu drucken. -- Gewiss: Wenn man einer Zeitschrift explizit und ganz bewusst die Titel-Unterzeile "Unabhängige Nachrichten für den Pastoralen Raum Reinickendorf-Süd" gibt und,  um Missverständnisse auszuschließen, ins Impressum und zur Sicherheit auch noch auf die Rückseite den Satz schreibt "Die Zeitschrift 'Lebendige Steine' ist keine offizielle Publikation des Pastoralen Raums Reinickendorf-Süd oder der diesem zugehörigen Pfarreien", dann darf man sich weder wundern noch gar beschweren, wenn man keine "institutionelle Unterstützung" erhält. Wär ja auch irgendwie un-punkig. Und dann müsste man sich auch noch die Frage stellen, wie es eigentlich um die redaktionelle Unabhängigkeit steht. 

Was also tun? -- Am liebsten wäre es mir auf mittlere Sicht eigentlich, das Heft per "Crowdfunding" zu finanzieren -- nach dem Prinzip: Die Höhe der gedruckten Auflage richtet sich nach der Höhe der eingegangenen Spenden. Habe aber (noch) keine klare Vorstellung davon, wie man so etwas organisatorisch-technisch am besten löst; na ja, erfahrungsgemäß ist meine Liebste in solchen Dingen findiger und erfinderischer als ich. Aber wenn Du, geschätzter Leser, diesbezüglich eine Idee oder eine Anregung hast, sind wir dafür natürlich durchaus offen. 

Davon abgesehen freue ich mich jetzt schon auf die zweite Ausgabe... und natürlich auf Leserreaktionen! 




Donnerstag, 25. Februar 2021

Neulich im Einkaufsradio

Laith Al-Deen zählt zu den Hauptvertretern einer Musikrichtung, die ich gern "Neue deutsche Larmoyanz (NDL)" nenne und über die ich schon lange mal was schreiben wollte; na, die große systematische Darstellung der geschichtlichen Entwicklung und der Stilmerkmale dieses Genres, die mir eigentlich vorschwebt, wird aus Zeitgründen wahrscheinlich warten müssen, bis die Kinder groß sind, aber einstweilen kann ich hier ja mal ein kleines Appetithäppchen zu diesem Thema servieren. Darauf gekommen bin ich beim Einkaufen, denn die genannte Musikrichtung wird sehr gern in Supermärkten gespielt; mein persönlicher Eindruck ist, dass sie praktisch nur in Supermärkten gespielt wird, aber diesen Eindruck habe ich wahrscheinlich nur deshalb, weil ich zu Hause so gut wie nie Radio höre. Laith Al-Deen also ist wie gesagt ein Hauptvertreter (was zugleich durchaus auch heißt: einer der musikalisch fähigeren Vertreter) dieses Genres, und neulich beim Einkaufen fiel mir ein Song von ihm auf, den ich, obwohl er aus dem Jahr 2004 stammt, bisher nicht kannte: "Das weiß ich". In dem Maße, wie Werke der "Neuen deutschen Larmoyanz" nicht total Scheiße sein können, ist es nicht total Scheiße. Aber das ist nicht der Grund, weshalb es mir auffiel, denn das gilt, ehrlich gesagt, für eine Reihe von Songs von Laith Al-Deen (wie auch von Max Giesinger, Andreas Bourani, Tim Bendzko und wie die sonst noch alle so heißen). Nein, der Grund, weshalb dieser Song mir auffiel, war vielmehr, dass er mich - zunächst und vor allem vom Text her, oder genauer, von der Grundidee oder Prämisse des Texts - an einen anderen Song erinnerte, nämlich das rund sechs Jahre ältere "Someday We'll Know" von den New Radicals

Ich will mit dieser Feststellung nicht etwa auf einen Plagiatsvorwurf hinaus. Kunst ist immer von anderer Kunst inspiriert und beeinflusst; oft - vielleicht in den meisten Fällen - geschieht das wohl sogar unbewusst. Und selbst wenn mit voller Absicht Anleihen bei anderen Werken genommen werden, wäre immerhin zu erwägen, ob man darin nicht eher eine Hommage, ein Zitat, ein Pastiche oder dergleichen, jedenfalls eine respektvolle Verneigung eines Künstlers vor einem anderen, sehen sollte - und nicht "Diebstahl an geistigem Eigentum"

Das ist hier also nicht der entscheidende Punkt. - Sondern was? 

Sondern die Tatsache, dass der Song von den New Radicals einfach unfassbar viel BESSER ist als der von Laith Al-Deen. 

Überzeuge Dich selbst, geschätzter Leser: 



Ich finde das wirklich frappierend, denn, wie schon gesagt, so richtig schlecht ist Laith Al-Deens "Das weiß ich" zunächst mal eigentlich nicht. Erst im direkten Vergleich stellt man fest, dass "Someday We'll Know" einfach in einer ganz anderen Liga spielt. Und wenn ich "andere Liga" sage, dann meine ich nicht "1. und 2. Bundesliga", sondern eher sowas wie "1. Bundesliga und Regionalliga". (Und ehe mit jetzt erzürnte Laith-Al-Deen-Fans aufs Dach steigen, möchte ich betonen, dass ich bewusst "Regionalliga" gesagt habe und nicht 'Kreisklasse".

-- Und was lernen wir daraus? Ein Gedanke, den ich, ohne eine präzise Quelle angeben zu können, zumindest sinngemäß meinem Lieblings-Popmusikkritiker "Todd in the Shadows" verdanke, lautet: Entgegen der Überzeugung von Leuten, die je nach persönlichem Geschmack und Biographie meinen, in den 60ern, 70ern oder 80ern sei die Popmusik insgesamt viel besser gewesen als heute, ist festzuhalten, dass es in jeder Epoche sehr gute und sehr schlechte Popmusik gegeben hat. Wirklich charakteristisch für eine Epoche ist hingegen die große Masse an mittelmäßiger Popmusik, die sie hervorbringt. 

Und ich füge hinzu: Unter anderem deshalb, weil die bevorzugt im Supermarkt läuft. 

Schließen möchte ich mit einem Zitat aus Joe Jacksons "Instant Mash" - von seinem klassischen Post-Punk-Debütalbum "Look Sharp"

"In the supermarket there is music while you're working 
Makes you crazy, sends you screaming for the door 
Work there for a year or two and you can get to like it -- 
I don't work in supermarkets anymore."