Freitag, 1. Dezember 2017

Wenn Kulturkatholiken sich radikalisieren

Irgendwie, keine Ahnung wieso, scheint der Herbst die Jahreszeit zu sein, in der die Presse ihr Herz für brave Christen entdeckt, die sich in der atheistischen Metropole Berlin nicht so richtig wertgeschätzt und anerkannt fühlen. Letztes Jahr Ende Oktober war es der Berliner Tagesspiegel, der sich des Themas annahm, und ich schrieb seinerzeit eine recht ungnädige Erwiderung auf den Artikel. Heuer hat es das Thema Ende November sogar in die FAZ geschafft. Meine spontane Reaktion auf den Artikel, der wie schon der letztjährige eifrig von christlichen Freunden auf Facebook geteilt wurde: Kopfschmerz. Gefolgt von unfassbarem Angeödetsein. Allein diese Überschrift: "Mama, das ist doch normal, dass wir beten, oder?" Nein, Kind, das ist NICHT "normal". Leb damit. 

Inzwischen hat sich das Angeödetsein allerdings einigermaßen gelegt. Ich finde nach wie vor Vieles, ja eigentlich das Meiste an diesem Artikel ärgerlich, aber einige interessante Denkanstöße enthält er doch. In gewissem Sinne lässt sich beides sogar kaum voneinander trennen. 

Seh'n Se, dit is Berlin. 
Fangen wir also mit dem Ärgerlichen an - der Artikel selbst tut es ja schließlich auch. "Die leidvollen Erfahrungen einer katholischen Mutter" - "[a]ufgezeichnet von Julia Schaaf", wie man am Ende erfährt, also nicht wortwörtlich so von der Betroffenen selbst verfasst, was wir zu ihren Gunsten im Hinterkopf behalten wollen - heben an mit der Versicherung: "Ich bin nicht strenggläubig in dem Sinne, dass ich Wort für Wort glaube, was der Pfarrer sonntags predigt. Es ist wichtig, kritisch zu sein. Aber ich komme aus Bayern" - und das erklärt natürlich so ziemlich alles. (Es erklärt tatsächlich einiges, aber nicht in einem Sinne, dass meine bayerischen Leser sich jetzt auf den Schlips getreten fühlen müssten. Ich erkläre das gleich, vorerst wollte ich nur einen wohlfeilen Brüller "mitnehmen".) Im Ernst: Ob es ein Kriterium für "Strenggläubigkeit" ist, "Wort für Wort" zu glauben, "was der Pfarrer sonntags predigt", hängt ja wohl sehr stark vom Pfarrer und seiner Art zu predigen ab. Aber so weit differenziert die hier zu Wort kommende katholische Mutter gar nicht erst - weil es ihr lediglich darum geht, den Verdacht der Strenggläubigkeit von vornherein nicht aufkommen zu lassen und weil sie zudem ohnehin nicht so genau weiß, was das ist bzw. wäre. Weil, wie im weiteren Verlauf deutlich wird, die inhaltliche Seite des Glaubens sie herzlich wenig interessiert. 
"Ist da eine Kraft in uns, die aktiviert wird, oder gibt es wirklich eine höhere Macht? Eigentlich ist das egal. Glauben macht ein gutes Gefühl."
"In stressigen Zeiten schicke ich manchmal ein 'Danke' los, weil ich das Gefühl habe, da hat jemand seine schützende Hand über mich gehalten."
"Ich habe festgestellt, dass der Glaube Menschen Halt und Orientierung gibt. Und ich mag die Traditionen, die damit verbunden sind."
"Ich komme aus Bayern." 
Darum geht's. So ein bisschen Religion ist doch nett fürs Gemüt, besonders wenn man Kinder hat. Das könnten die doofen Berliner ruhig auch einsehen. Außerdem ist sie das von zu Hause her so gewohnt, dass man in die Kirche geht und dass es ganz viel religiös geprägtes Brauchtum gibt, das ist eben auch ein Stück Heimat, das ihr in Berlin einfach fehlt

Das, worum es hier geht, kann man in einem Wort als "Kulturkatholizismus" bezeichnen. Und es ist gewiss kein Zufall, dass gerade ein solcher Fall als Beispiel herangezogen wurde, um den sonst so toleranten Berlinern ("Wir sind tolerant gegenüber Frauen, die Kopftücher tragen. Endlich [!] dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Im Berliner Alltag sieht man buddhistische Mönche und trifft auf totale Freizügigkeit") ihre religiöse Intoleranz um die Ohren zu hauen; denn das war letztes Jahr im Tagesspiegel auch schon so ähnlich. Die offenkundige Botschaft lautet: Kommt schon, Leute, so was könntet ihr aber echt tolerieren, das ist doch harmlos. Toleranz gegenüber Katholiken einzufordern, die die Lehren ihrer Kirche ernst nehmen - sogar da, wo sie womöglich nicht völlig deckungsgleich mit dem sind, "was der Pfarrer sonntags predigt" -, wäre eine erheblich größere Zumutung. 

Hier berührt sich das Ärgerliche an diesem Artikel nun allerdings eng mit dem, was dennoch interessant daran ist. Der Erfahrungsbericht der katholischen Mutter zeigt nämlich, dass auch "Kulturkatholiken" und "Halbgläubige" nicht davor gefeit sind, in einer säkularistischen Umgebung auf feindselige Reaktionen zu stoßen. Diese mögen im Vergleich dazu, dass Christen anderswo auf der Welt für ihren Glauben lebendig verbrannt werden, ein eher unspektakuläres Ausmaß annehmen, aber dennoch steckt darin eine Lehre für die Betroffenen: nämlich, dass die Strategie, sich mit einer "Ich bin zwar Christ, aber trotzdem ganz normal"-Haltung durch den unvermeidlichen Konflikt zwischen christlichem Glauben und glaubensfeindlicher Umwelt "durchzumogeln", nicht aufgeht. Daraus folgt, dass in einer Atmosphäre zunehmend radikaler Glaubensfeindlichkeit - und man kann wohl davon ausgehen, dass Berlin in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle innerhalb Deutschlands zukommt - ein reiner Kulturkatholizismus (oder auch ein angepasster, "liberaler" Glaube, was nicht zwingend dasselbe ist) keine besonders rosigen Zukunftsaussichten hat. Denn es liegt auf der Hand, dass man für einen Glauben, von dem man selbst nicht richtig überzeugt ist, den man lediglich als "nice to have" ansieht und vor allem für seine folkloristisch-dekorativen Elemente schätzt, kaum bereit sein wird, Nachteile in Kauf zu nehmen, selbst wenn es "nur" soziale sind. 

Und an genau diesem Punkt nimmt der Bericht der katholischen Mutter in der FAZ eine bemerkenswerte Wendung. Statt nämlich angesichts des Gegenwinds ganz vom Glauben abzufallen, verspürt die Mutter bei sich eine "Trotzreaktion": "Ich möchte meinen Glauben und die damit verbundenen Traditionen ausleben und an meine Kinder weitergeben. Diese Haltung ist in Berlin sogar stärker geworden. Weil ich hier auf diese gefühlte Intoleranz gestoßen bin, sage ich: Jetzt erst recht." Was wir hier sehen, ist, dass ein religions- und insbesondere christentumsfeindliches Klima die mehr-oder-weniger-Gläubigen zu einer Entscheidung drängt: dem Druck nachzugeben und sich vom Glauben abzuwenden oder ihn im Gegenteil umso ernsthafter und bewusster zu praktizieren und zu bekennen. Die Frau im FAZ-Artikel hat sich für den letzteren Weg entschieden: "Man könnte fast von Radikalisierung sprechen", meint sie. Die Früchte dieser gefühlten Radikalisierung muten zwar bis auf Weiteres recht bescheiden an, aber Ansätze sind da. 

Die Geschichte endet übrigens damit, dass die Mutter mit ihrer Familie zurück nach Bayern zieht. Das ist durchaus eine "radikale" Entscheidung -  allerdings könnte man vermuten, dass damit die Radikalisierung dann auch schon wieder ein Ende hat, denn nun lebt sie ja wieder in einem Umfeld, in dem das Maß an religiöser Praxis, das ihr erstrebenswert erscheint, als "normal" gilt. Das muss jedoch nicht das Ende der Geschichte sein. Immerhin sagt sie, sie habe durch ihre Erfahrungen in Berlin "feinere Antennen bekommen". Möglicherweise wird sie feststellen, dass es auch in einem vermeintlich unproblematischen Milieu ein höheres Maß an Unverständnis und Intoleranz gegenüber gläubigen Christen gibt, als sie bisher angenommen hat. 

Nicht zuletzt verweist diese "Flucht" nach Bayern auf einen Umstand, der gar keine besonders originelle Erkenntnis darstellt, aber trotzdem nicht oft genug betont werden kann: Christsein funktioniert - wenn man nicht gerade die sehr seltene Berufung zum Eremiten hat - auf Dauer nur in Gemeinschaft. Die hat diese Frau in Berlin nicht gefunden. Warum nicht? Was hätte anders sein müssen, damit sie es hier "ausgehalten" hätte? 

"Die Leute aus der Nachbarschaft, die Eltern aus der Schule trifft man im Supermarkt, beim Bäcker, auf dem Schulweg, auf dem Wochenmarkt. Nur in der Kirche sehe ich die nie", berichtet die katholische Mutter. "Ich habe mich schon gefragt, woran das liegt." Nun, diese Frage kann ich ihr zumindest ansatzweise beantworten. In Berlin sind 9,3% der Bevölkerung katholisch; davon wiederum gehen laut Statistik der Deutschen Bischofskonferenz (Stand: 2016) 9,9% regelmäßig in die Kirche. Die statistische Wahrscheinlichkeit, jemanden, den man in seinem Berliner Wohnumfeld in einem nicht-kirchlichen Zusammenhang kennenlernt, in der katholischen Sonntagsmesse anzutreffen, liegt somit bei unter einem Prozent. Anders sieht es natürlich aus, wenn man gezielt Kontakte innerhalb der Pfarrgemeinde knüpft. Ich jedenfalls begegne beim Einkaufen oder bei sonstigen Gängen durch meinen "Kiez" ständig Leuten, die ich aus der Kirche kenne. 

Hier wäre also Eigeninitiative gefragt, und an der mangelt es häufig, wenn man ein Umfeld gewohnt ist, in dem sie nicht nötig ist. Weil alles irgendwie von alleine funktioniert. Das spricht auch aus der indignierten Verwunderung der Mutter darüber, dass an den Berliner Schulen "Religion [...] überhaupt nicht unterstützt" wird. Sicherlich wäre es aus Sicht christlicher Eltern wünschenswert, dass dies der Fall wäre; ich wäre aber nicht auf die Idee gekommen, das von einer staatlichen Schule zu erwarten. Vielleicht liegt das daran, dass ich schon länger in Berlin lebe. -- Wie dem auch sei: Immerhin hat die Mutter in diesem Fall die richtige Konsequenz aus ihrer Beobachtung gezogen. Mit Blick auf die Vermittlung von Kenntnissen über christliche Traditionen ("Die Bedeutung von Weihnachten oder von Ostern zum Beispiel. Christi Himmelfahrt, das heute nur noch Vatertag ist.") sagt sie: "Hier in Berlin, wo die Schule das kaum unterstützt, übernehme zunehmend ich die Vermittlung." Was doch eigentlich prima ist. So haben nicht nur ihre Kinder etwas davon, sondern sie selbst auch. 

Aber Eigeninitiative hin oder her: Woran es offenkundig fehlt, sind Netzwerke für das Christsein im Alltag. Und der Bedarf für solche Netzwerke wird desto dringlicher, je schlechter es um die Akzeptanz des christlichen Glaubens in der Mehrheitsgesellschaft bestellt ist. Der Begriff klingt vielleicht ein bisschen hochtrabend, aber zunächst einmal geht es dabei um nicht mehr und nicht weniger als darum, ein soziales Umfeld zu schaffen, in dem Christen das Bewusstsein vermittelt wird, mit ihrem Glauben nicht allein zu sein. Man könnte nun einwenden, ein solches Netzwerk gebe es doch bereits, nämlich in Gestalt der Ortspfarreien. Zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Aber obwohl es in vielen Pfarreien eine große Bandbreite von Kreisen und Gruppen für unterschiedlichste Interessengebiete gibt, gibt es offenkundig immer noch eine signifikante Zahl von Menschen, die da keinen Anschluss finden - obwohl sie es wollen. Eine Patent-Antwort auf die Frage "Wie kommt das?" habe ich nicht anzubieten; umso wichtiger erscheint es mir, die Frage erst einmal zu stellen. Sind Gemeindekreise und -gruppen offen für Außenstehende, oder neigen sie dazu, sich zu geschlossenen Zirkeln zu entwickeln? Welche Angebote fehlen womöglich in unseren Pfarreien? Was tue ich persönlich dafür, Menschen einzubinden, die in der Kirchengemeinde Anschluss suchen, aber vielleicht zu schüchtern sind, dabei selbst die Initiative zu ergreifen? 

Die für mich vielleicht überraschendste Erkenntnis aus diesem FAZ-Artikel war, dass solche "Netzwerke für das Christsein im Alltag" auch und gerade für die lediglich "mehr-oder-weniger-Gläubigen" wichtig sind. Wenn man die nicht einbindet, wird man sie ganz verlieren; wenn man sie aber einbindet, gibt es eine ganz passable Chance, dass ihr Glaube wächst. Möglicherweise braucht es dafür Gruppen, die nicht in einem solchen Maße ostentativ fromm sind, dass eher mäßig religiöse Menschen sofort denken würden "da gehöre ich nicht hin". Und schließlich - und das meine ich nun wirklich vor allem als Ermahnung an mich selbst - ist davon abzuraten, allzu auffällig genervt mit den Augen zu rollen, wenn in solchen Kreisen mal jemand etwas Doofes sagt wie "Ich nenne Jesus nicht gern 'Herr', das klingt so autoritär und patriarchalisch" oder "Anselm Grün ist ja sooo spirituell!" (Diese Beispiele sind, wohlgemerkt, frei erfunden). Wenn man verhindern will, dass die Leute entweder wasserscheu bleiben oder ertrinken, dann braucht man wohl auch ein Nichtschwimmerbecken. 

Und somit habe ich aus diesem Artikel, der mich anfangs so angeödet hat, zu guter Letzt also doch noch etwas gelernt... 



11 Kommentare:

  1. >>Nein, Kind, das ist NICHT "normal".

    Doch, das ist normal.

    Genauer, das *wäre* normal.

    Natürlich ist das zugespitzt gesagt in dem Sinn, daß letztlich nur das Paradies (das irdische) *normal* für den Menschen ist; aber auch das ist ja so.

    AntwortenLöschen
  2. Zum Thema Religionsunterricht:

    Daß der Staat den unterstützt, ist im Grundgesetz - der Bundesrepublik, nicht des Freistaates Bayern - so verpflichtend vorgesehen.

    Berlin ist lediglich eines der - wenigen - Bundesländer, auf das "zufällig" eine an sich für den konfessionsübergreifenden und daher vom Staat und nicht der Kirche organisierten Religionsunterricht der Hansestadt Bremen geschaffene Ausnahmeregelung gilt (der Art. 141 GG).

    AntwortenLöschen
  3. Zum Thema "Netzwerke der Christen für den Alltag":

    Natürlich habe ich ein Patentrezept ebensowenig wie Du.

    Ich gebe allerdings zu bedenken, daß man schon bei den ganz klassischen "Pfarrei-Angeboten" ein wenig in die Röhre schaut, wenn man eine vergleichsweise junge Familie ist, die eindeutig und insbesondere wegen der Kinder aus der eigenen Jugend rausgewachsen, teilweise auch die übliche magische Zahl 35 überschritten hat -

    andererseits aber, wenn man ehrlich sein will, *auch* nicht unbedingt Lust hat, seine Freizeit mit rüstigen Jungrentnern und geschäftigen Jungrentnerinnen zu verbringen, und auch nicht unbedingt für den Pfarrgemeinderat kandidieren will (zumal die Arbeit darin ja teils Arbeit, teils anstrengendes Herumgeplänkel, aber nicht wirklich einfach ein freundschaftliches Netzwerk ist).

    AntwortenLöschen
  4. Einerseits verstehe ich Deinen Grimm gut - andererseits sehe ich die Sache etwas milder. Vielleicht, weil mir immer noch zeitweise peinlich ist, daß ich mal genau so lauwarm war. Dennoch: Die Frau ist eine aktive Christin - auch wenn ihre Aktivität in einigem nicht besonders ausgereift ist. (Aber Himmel... wie ausgereift bin ich denn? Nuja...)

    Ich habe dort kommentiert:

    Schade, daß sie nicht geblieben ist.
    Denn Berlin kann mehr aktive Katholiken gut brauchen. Aber verstehen kann ich sie, bei solchen Erfahrungen vor allem des Kindes. Ich bin nicht mehr so jung, das befreit sehr - die blöden Sprüche anderer Leute über meinen Glauben werden mir zunehmend egal, und die Kirche wird mir immer wichtiger. Aber ich weiß noch allzu gut, wie es war, als ich - Berlinerin von Geburt - begann, mich für die katholische Kirche zu begeistern. Leicht hat meine Heimat Berlin (atheistische Familie eingeschlossen) es mir damals nicht gemacht. Dennoch ist die katholische Kirche in Berlin keine Nischenexistenz. Ich kann hier täglich entscheiden, ob ich morgens, mittags oder abends zur Messe gehe, und in welcher von drei fußläufig erreichbaren Kirchen ich anbeten möchte. Das ist in zahlreichen bayerischen Dörfern und Kleinstädten nicht möglich. Normal ist Beten übrigens nicht. Normal - vom Menschen zur Norm gemacht - ist Sünde. Dafür kann aber auch Berlin nichts, die Urschuld ist ein bißchen länger her.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Entschuldigung, daß ich da zu letzterem Nebenpunkt widersprechen muß, aber daß ist meines Erachtens genau der Unterschied zwischen der richtigen und der falschen Lehre von der Erbsünde:

      Wenn, wie die Calvinisten glauben, die menschliche Natur aufs äußerste verderbt wäre, *dann* wäre die Sünde das Normale.

      Wenn, wie die katholische Kirche und wie z. B. der hl. Paulus in Röm 7,19 lehrt, die Natur des Menschen *nicht* verderbt wurde, "es nur nicht mehr klappt" (salopp gesagt), dann ist eben das Beten normal und das Sündigen *nicht* normal für den Menschen. Und das Problem mit der ganzen Erbsünde eben, daß wir uns auf Grund ihrer Folgen andauernd so unnormal aufführen.

      Löschen
    2. Stimmt, Dank für die Berichtigung.
      Aber vielleicht meinen wir mit dem Wort “normal“ Verschiedener. Ich meine: von Menschen ohne Blick auf Gott zur Norm gemacht. Du meinst (wenn ich Dich recht verstehe): Von Gott für den Menschen vorgesehen.

      Löschen
    3. Sorry für die späte Antwort.

      Nö, ich bin kein Skotist, wenn Du das meinst (so klingt "von Gott für den Menschen vorgesehen"). Ich meine, in dem Wesen, der Natur der Sache usw. liegend und natürlich insoweit auf Gott zurückgehend, als Der das alles geschaffen hat.

      Eben normal.

      Und das kann die Sünde nie sein.

      "Von den Menschen zur Norm gemacht" kann *die* Sünde als solche auch nicht werden, jedenfalls nicht, solange irgendetwas im menschlichen Zusammenleben noch Bestand hat - dazu ist sie einfach viel zu destruktiv. Gewiß: *einzelne* Sünden können durchaus das werden, das wir (wohl etwas vereinfachend) eine gesellschaftliche Norm nennen. Leider. Das wohl öfters mißbrauchte Wort von der strukturellen Sünde hat hier vielleicht seinen sinnvollen Einsatz.

      Aber der Mensch, auch der gefallene, macht nicht "die Sünde zur Norm" schlechthin - ob das überhaupt geht (etwa in den letzten Tagen unter dem Antichristen), sei einmal dahingestellt, aber jedenfalls war es bisher, soweit man das sieht, nicht der Fall (wobei, den Zustand unmittelbar vor der Sintflut kennt man nicht so genau), und wenn ja, dann dürfte darauf jedenfalls über kurz oder lang der Untergang der jeweiligen Gesellschaft folgen.

      Löschen
    4. Dann sag ich jetzt auch mal was dazu :)
      Tatsächlich denke ich, dass man hier bezüglich des Verständnisses von "normal" differenzieren muss. Im einleitenden Absatz des Artikels habe ich "normal" im Sinne von "allgemein üblich" (oder präziser: "gesellschaftlich als allgemein üblich anerkannt") verwendet, und in diesem Sinne scheint es mir auf der Hand zu liegen, dass in dem im FAZ-Artikel beschriebenen Berliner Umfeld der Familie - also zum Beispiel eben unter den Mitschülern des Sohnes - Beten NICHT "normal" ist.

      Versteht man "normal" hingegen als "in der gottgegebenen Natur des Menschen liegend", ist es klar, dass man zu einer anderen Einschätzung kommt.

      Ebenso würde ich Claudias Aussage, *Sünde* sei "normal", verstehen - in dem Sinne, dass sie sozusagen zur alltäglichen Praxis gehört, aber nicht in dem Sinne, dass Sünde *an und für sich und als solche* zur Norm erhoben würde. Im Gegenteil wird durch die "Normalisierung" von Sünden gerade bestritten, dass sie welche seien (das hatten wir ja neulich bei der sündigen Pfarrerin).

      Löschen
  5. slightly off topic:
    Hach, Bayern, ich mag Dich! <3

    AntwortenLöschen
  6. Wenn man Wikipedia Glauben schenken soll bezeichnet der Begriff "Kultur (von lateinisch cultura ‚Bearbeitung‘, ‚Pflege‘, ‚Ackerbau‘) im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur." Wie ich das verstehe, ist es undenkbar den katholischen Glauben mit dem Begriff der Kultur zu vermengen oder sogar gleich zu stellen. Denn zu glauben ist etwas anderes als einen Acker zu bestellen oder den Urwald zu roden. Das kann ein Atheist genau so gut oder schlecht wie ein Katholik. Mich beschleicht in so mancher stillen Stunde der Verdacht, dass Gott dieser Kulturkatholiken überdrüssig geworden ist, oder besser noch, es schon immer war. Schlaflose Nächte beschäftige ich mich mit der Frage, warum meine Großeltern jeden Sonntag in der Kirche zu sehen waren, den Pastor als unantastbaren Heiligen verehrten und dabei eine Diktatur erlebten, und teilweise gut geheißen haben, die die Welt bis dato noch nie gesehen hatte. Zum vorläufigen Schluss bin ich gekommen, dass es nicht reicht z.B. die Sonntagspflicht zu erfüllen (oder auch nicht), nur weil dies gerade zu einer wie immer gearteten Kultur gehört. Christ ist man eben nur dann, wenn man versucht den Willen Gottes zu erkennen, ihn zu erfüllen um in den Himmel zu gelangen, oder wie es Augustinus auf den Punkt brachte: "Liebe und tue was du willst."

    AntwortenLöschen
  7. Ich muss sagen, dass mich diese präventiven Versicherungen, eigentlich gar nicht so richtig gläubig zu sein, zutiefst deprimieren. Ganz besonders, da wir brexitbedingt ernsthaft überlegen, aus dem UK nach Deutschland zurückzukehren. Bei ersten Gesprächen mit dem Leiter einer katholischen Schule (der sehr nett und hilfsbereit war) hat sich ziemlich schnell herauskristallisiert, dass ein Kind wie mein Sohn, ein im besten Sinne frommer Mensch, sich dort komplett unbehaust fühlen wird. Als ich erzählte, dass er nur aus der Londoner Schulmesse nur die Mundkommunion kennt, regelmäßig den Rosenkranz betet und zur Beichte geht, traf das auf großes Erstauenen. "Hier wird das Zweite Vatikanum sehr ernst genommen", wurde mir (fast entschuldigend) gesagt. Das zeigte mir doch die klaftertiefen Abgründe auf, die zwischen der bisherigen katholischen Erziehung meines Sohnes und deren potentieller Fortführung in Deutschland liegen. Wie soll das funktionieren, wenn man durch das Bemühen, den eigenen Nachwuchs mit katechetischer Ernsthaftigkeit zu erziehen, unweigerlich in direkten Konflikt mit den dominanten Tendenzen innerhalb des deutschen Katholikentums kommt? Daher finde ich gerade die Beobachtung, "dass es auch in einem vermeintlich unproblematischen Milieu ein höheres Maß an Unverständnis und Intoleranz gegenüber gläubigen Christen gibt", als man erwarten könnte, ebenso treffend wie bedrückend.

    AntwortenLöschen