Dienstag, 17. Oktober 2017

Eine Art Stockholmsyndrom

Ansgar Mayers Nemesis war ich nie. Zwar hielt er mich für einen Nazi, weil ich das Projekt #EBKHACK nicht so richtig toll fand, aber ich glaube, das haben wir geklärt. Nach dieser Auseinandersetzung folgte er mir sogar zeitweilig auf Twitter, und ich ihm auch - bis zu dieser Geschichte mit dem sächsischen Wahlergebnis und dem tschechischen Atommüll. Sogar da hatte ich noch, bevor die Sache richtig hochkochte, versucht, ihm nahezulegen, er solle seine Äußerung noch einmal überdenken. Er reagierte trotzig, und ein paar Stunden später brach dann der Shitstorm aus. Tja. 

Zu seiner "tollen" Idee mit dem Flüchtlingsboot als Fronleichnamsaltar habe ich mich nie geäußert, und zu der #gutmensch-Graffiti-Kampagne auch höchstens privat. Schaut man sich allerdings die Reaktionen an, die diese und andere von Ansgar Mayer verantworteten PR-Aktionen des Erzbistums Köln bei Anderen hervorgerufen haben, dann wird man wohl sagen können, dass der scheidende Kommunikationsdirektor erheblich dazu beigetragen hat, Kardinal Woelki zu einer Hassfigur bei konservativen Katholiken zu machen. (Bei mir übrigens nicht. Ich schätze Kardinal Woelki nach wie vor, auch wenn ich mir bei manchem, was er sagt und tut, an den Kopf fasse.) 

Angesichts des Schadens, den Ansgar Mayer dem Erzbistum Köln insgesamt und der Person des Erzbischofs im Besonderen mit seiner Tätigkeit als Kommunikationsdirektor zugefügt hat, muss man sich schon sehr wundern, wie entschieden Kardinal Woelki - wenn man einem Bericht des Kölner Stadtanzeigers Glauben schenken darf - bis zuletzt an seinem Mitarbeiter festgehalten hat. "Dem Vernehmen nach", so heißt es da, sei der Erzbischof nach der Affäre um Mayers "Atommüll"-Tweet "entschlossen" gewesen, "seinem obersten Öffentlichkeitsarbeiter die Stange zu halten". "'Das stehen wir gemeinsam durch', soll Woelki zur Kritik gesagt haben." -- Nun gut, zum Teil kann ich nachvollziehen, was für Solidarisierungseffekte da am Werk waren. Unter den negativen Reaktionen, die Kardinal Woelki für diverse Aspekte seiner öffentlichen Selbstdarstellung - etwa die Videoreihe "Wort des Bischofs" - geerntet hat, waren allerlei grobe Beschimpfungen, insbesondere von Leuten, denen erkennbar weniger der Verkündigungsauftrag der Kirche am Herzen lag, sondern die schlichtweg keine Flüchtlinge, keine Muslime oder ganz allgemein keine "Fremden" mögen. Wenn man ständig aus so einer Ecke angepöbelt wird, und dann kriegt der Kommunikationsdirektor Dampf dafür, dass er sich mit der AfD und deren Wählern angelegt hat, dann ist es emotional naheliegend, erst mal zu sagen: Komm, Ansgar, von den Rechten lassen wir uns doch nicht kleinkriegen, das wäre ja noch schöner. 

Das Problem. das hier lauert, ist jedoch - wie man ja z.B. auch an der Unterstellung sieht, wer den #EBKHACK nicht für die beste Idee seit geschnitten Brot hielt, müsse ja wohl ein Nazi sein - die Versuchung, aufgrund solcher Erfahrungen jede Kritik als "rechts" einzuordnen und damit zu delegitimieren. Das ist zur Zeit übrigens gerade in innerkirchlichen Debatten sehr en vogue, ob bei häretisch.de oder bei La Civiltà Cattolica

Nun hat Ansgar Mayer seinen Posten beim Erzbistum aber doch aufgegeben - aus eigenem Entschluss, wie es heißt. Er wolle sich "auf neue Aufgaben in Hamburg konzentrieren". Und verabschiedet wird er mit viel Lob. Im weltlichen Bereich mag das so üblich sein; und noch ehe ich ein "aber" in die Tastatur gehämmert habe, fällt mir auf, dass genau das das Problem ist, das ich mit den Abschiedsworten des Generalvikars Meiering für seinen scheidenden Mitarbeiter habe: Sie sind durch und durch weltlich. "Es tut uns leid, dass Dr. Mayer uns verlässt", heißt es in der Pressemitteilung. "Mit ihm ist es uns gelungen, [...] eine Unternehmenskommunikation auf der Höhe der Zeit aufzubauen". Hört, hört: Unternehmens[!]kommunikation. Höhe der Zeit. Ich sag einfach mal: Identität-Relevanz-Dilemma. Wer öfter liest, was ich so schreibe - sei es hier oder in anderen Publikationen -, wird wissen, was ich meine. (Und wer es nicht weiß, muss abwarten, bis mein Buch zu diesem Thema erscheint. Aber pssst.) Jedenfalls scheint mir die zitierte Einlassung einen Eindruck zu bestätigen, den ich schon öfter hatte: dass Leute wie Ansgar Mayer nicht das eigentliche Problem sind - sondern nur ein Symptom dafür, dass die Entscheidungsträger in den deutschen Bistümern ganz allgemein sehr fragwürdige Prioritäten setzen. 

Illustration:(c) Peter Esser 

Ansgar Mayer selbst wünsche ich für die Zukunft nur Gutes. Ich hoffe, er findet (oder hat bereits?) in Hamburg eine berufliche Perspektive, die seinen Qualifikationen, seinen Fähigkeiten und Neigungen entspricht. Und die möglichst wenig mit der Kirche zu tun hat. 



1 Kommentar:

  1. Ich habs nicht glauben wollen (der Tobi übertreibt mal wieder), aber in den Abschiedsworten für Ansgar Mayer kommt ja nicht mal ein Segenswunsch vor.
    Mir gruselt.

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