Freitag, 26. Mai 2017

Die freudigen Christen und die Sektenmentalität

Heute morgen - ich war noch nicht ganz wach - las ich auf Twitter die folgenden Sätze
"Am frühen Morgen so viele glückliche Christen um einen rum. Dabei will ich nur Kaffee." 
Den Urheber dieses wohl scherzhaft gemeinten Tweets kenne ich aus dem Real Life. Er sagt von sich selbst, dass er "von Religion nichts versteht", und ich teile diese Einschätzung. Daher dachte ich mir, ich sag mal was dazu, und antwortete: 
"Christen, die glücklich über den #dekt2017 sind? Mindestens eins von beidem würde ich anzweifeln." 
Im Rückblick sehe ich ein, dass das ungeschickt war. Das sieht so nach "Christsein-Absprechen" aus, und wir wissen ja alle: Wer Anderen das Christsein abspricht, der ist selbst kein... öh, jetzt wird's paradox. Jedenfalls hatte ich in dem Moment, als ich das schrieb, überhaupt nicht auf dem Schirm, dass es Leute geben könnte, die sich davon persönlich angegriffen fühlen. Tja, war dumm von mir. Natürlich gibt's die. Und wie es die gibt. Ehe ich's mich versah, wurde mir eine 
"Mischung von traditionellem Katholizismus und evangelikaler Sektenmentalität" 
attestiert. Nicht dass ich mich damit nun gänzlich falsch charakterisiert fühlte, aber der Ausdruck "Sektenmentalität" ärgerte mich dann doch. Sollte er allerdings wohl nicht. Meist wird dieser Vorwurf ja von dem Lauen und den Laschen dazu genutzt, ihre eigene Lauheit und Laschheit als etwas Positives darzustellen. (Disclaimer: Das meine ich als allgemeine Feststellung und nicht persönlich auf den Verfasser des betreffenden Tweets bezogen.) - Die "Sektenmentalität", so wurde mir weiterhin beschieden, zeige sich, 
"wenn man lieber stänkern will, damit andere sich aufregen, um sich dann erst recht bestätigt zu fühlen". 
Parallel dazu regte ein anderer Twitterer an, ich solle doch 
"einfach frei raussagen, dass du uns nicht für Christen hältst. Kann ich mit leben, ist mir dann auch wurscht." 
Auf Nachfrage, wer denn mit "uns" gemeint sei, erfuhr ich
"Uns, die wir uns über den #dekt17 freuen und glücklich darüber sind." 
Hm. Was würde wohl passieren, wenn ich dieses Wir-Verständnis kurzerhand mit "Sektenmentalität!" kommentieren würde? 

Im Ernst: Dass der liberale Mainstream innerhalb der großen Kirchen mit dem Anspruch auftritt, wer nicht seiner Meinung ist, müsse sich dafür rechtfertigen, ist vielleicht ein Phänomen, das bei allen Mainstream-Positionen zu allen Zeiten und in allen Milieus auftritt. Aber wenn die Leute so überzeugt von ihrem Standpunkt sind und sich dabei auch noch als die Mehrheit, ja geradezu als die "Sieger der Geschichte" zu wissen meinen, wieso reagieren sie dann eigentlich so extrem empfindlich, wenn ihnen doch mal jemand widerspricht? Das gibt zu denken, scheint mir. 

Klar ist: Wenn Leute sich über ein Ereignis freuen und man selber tut es nicht - und hat für diese Freude kein Verständnis -, dann steht man schnell als Miesepeter da, und das ist keine sehr sympathische Rolle. Aber es liegt tatsächlich jenseits meiner Vorstellungskraft, was an diesem Kirchentag - oder schränken wir redlicherweise ein: an dem, was ich von diesem Kirchentag gesehen habe - für einen Christen Grund zur Freude sein sollte. Für mein Empfinden verkörpert diese Veranstaltung vielmehr exemplarisch den Niedergang des christlichen Glaubens nicht nur in der Gesellschaft als Ganzer, sondern auch und gerade innerhalb der großen Kirchen selbst. Klaus Kelle schreibt dazu in The GermanZ
"Die evangelische Amtskirche EKD hat ein Problem mit Gott. Nein, kein Problem, sie braucht Gott nicht mehr, sie hat Götzen und Propheten wie Obama und Käßmann, die selbst für banalste Aussagen frenetisch bejubelt werden. Es erfüllt sich, was der frühere Bundesverteidigungsminister Hans Apel von der SPD in seinem Buch 'Volkskirche ohne Volk' über den Niedergang des deutschen Protestantismus aufschrieb, von Pastoren, die nicht an Gott glauben, von Geistlichen, die Kirchen mit Anti-Nato-Gottesdiensten und schrägen Klampfenklängen entweihten. [...] Damit ich nicht falsch verstanden werde: Der Zustand der katholischen Kirche in Deutschland ist keinen Deut besser, angepasste Bischöfe ohne jeden Mut, dem Zeitgeist entgegenzutreten, ein Kardinal, der mit eine Sprühdose übers Kölner Straßenpflaster kriecht, um dem Wort 'Gutmensch' einen besseren Klang zu verschaffen. Man kann sich diesen Irrsinn gar nicht ausdenken." 
Gegen Kelles Einschätzung, "der Zustand der katholischen Kirche" sei "keinen Deut besser" als der der evangelischen, also exakt genauso schlecht, wird man aus katholischer Perspektive vielleicht mancherlei einwenden wollen und können, aber gut ist er jedenfalls auch nicht. -- Hätte ich ins Fazit meiner gestrigen Fotoreportage vom Kirchentag, wie ich zwischenzeitlich beabsichtigt hatte, den Satz "Und deshalb brauchen wir die Benedict Option!" eingebaut, dann hätte mich das wohl die uneingeschränkte Zustimmung von Leser Imrahil gekostet, und das wäre schade drum gewesen; aber dennoch bin ich entschieden dieser Meinung. Auf institutioneller Ebene - gerade auf der Ebene der Lauen-, äh: Laienverbände - sind unsere großen Kirchen dermaßen verkorkst, dass einem wirklich nicht mehr viel Anderes übrig bleibt, als von der lokalen Basis her eine Gegenstruktur aufzubauen. (Disclaimer für treue Katholiken: Nein, keine Gegenstruktur zur in der Nachfolge der Apostel stehenden kirchlichen Hierarchie. Aber zu dem vom emeritierten Papst Benedikt XVI. wiederholt, zuletzt in seinen "Letzten Gesprächen" mit Peter Seewald, beklagten "Überhang ungeistlicher Bürokratie".) 

Wenn Klaus Kelle den Evangelischen Kirchentag im Einleitungssatz seines Artikels allerdings als "eine Art frommes Woodstock" bezeichnet, dann muss mein innerer Hippie doch Protest anmelden. Diesen Vergleich hat Woodstock nicht verdient. In Woodstock war die Musik besser, die Menschen waren geschmackvoller gekleidet, und als ein linker Polit-Aktivist das Wort ergreifen wollte, wurde er von Pete Townshend mit der Gitarre von der Bühne geprügelt...


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(Ach ja, und abschließend hat mein innerer Hippie noch eine Musik-Empfehlung. Sähe der Evangelische Kirchentag so aus wie die Bilder im Video, würde ich das schon mal als erhebliche Verbesserung betrachten.) 


12 Kommentare:

  1. Disclaimer:

    ich spreche mich selbstverständlich *nicht* dagegen aus, eine Art Gegenstruktur aufzubauen, die die Pfarrgemeinde- etc. Räte zwar als solche zur Kenntnis nimmt, aber kein Problem damit hat, ihnen zu widersprechen oder sie gar - wo ihnen nicht von Kirchenrechts wegen Befugnisse zustehen - einfach zu ignorieren.

    Das sind übrigens Strukturen, die wir momentan tatsächlich gottlob schon *haben* (wenn etwa bei der Fronleichnamsprozession die jüngeren Anhänger der Petrusbruderschaft hinter der Jugend-2000-Fahne herlaufen, weil, man kennt sich, und dahinter am besten gleich die Emmanuels mit Fahne, weil, man kennt sich ebenfalls.

    Das läuft momentan größtenteils unter "informell", ob man sie stärker formalisieren sollte, kann man erörtern.

    Was ich bis jetzt immer noch bestreite, ist nur, daß man dazu ein Schlagwort importieren muß, dessen dahinterstehendes Konzept (was ich unter dem passenden Beitrag - dem von wegen der Normalität der Christen - wohl noch erklären werde) mir bislang scheint, in der (zugegeben im allgemeinen unerörterten, nur impliziten, nicht hinterfragten) vom katholischen "gratia ex consuetudine supponitur naturâ" in RIchtung dessen abweicht, was Msgr. Knox Ultrasupernaturalismus genannt hat, und das auf in der Form *auch* wieder falsche oder *zumindest* jedenfalls ganz und gar nicht offensichtliche Zivilisationsuntergangsvoraussagen gestützt ist und ohne diese in der Luft hängt. Und nebenbei eine, die eine "Laienorganisation" prinzipiell verlangt, während mE eine solche nur eine absolute Notlösung in Ermangelung kooperationswilliger Priester sein kann und eine solche Notlage nicht vorliegt, es gibt genügend Priester, die sich freuen, wenn jemand noch klassisch katholisch sein will.

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    1. in der (zugegeben ...) : da fehlt ein Substantiv, wollte wohl "Hinterhand" oder "Theorie" schreiben.

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    2. Danke für die differenzierte Stellungnahme! :D

      (Inhaltlich bin ich da übrigens im Wesentlichen ziemlich einverstanden, ich verstehe die "Benedict Option" wohl einfach nur um diverse Nuancen anders. -- Und dabei geht's mir gar nicht darum, wer sie nun *richtig* versteht; im Zweifel bekenne ich mich zu einer "produktiven Fehlaneignung" ;) )

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    3. "produktive Fehlaneignung"! Köstlich!

      Wie kommt man auf so geniale Wortspiele?

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    4. Den Begriff "produktive Fehlaneignung" habe ich tatsächlich im Studium gelernt. Klassisches Beispiel dafür war Lessings Aristoteles-Rezeption. Salopp zusammengefasst: Lessing hat Aristoteles zwar komplett falsch verstanden, aber was dabei rauskam, war trotzdem sehr bemerkenswert :D

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  2. Nun, ich fühle mich durch den Tweet eigentlich nicht persönlich angegriffen. Wie auch, war ich doch noch nie auf einem Kirchentag. Nicht so sehr, weil ich die Veranstaltung per se schlecht finde, aber das, was dort geboten wird, interessiert mich offensichtlich nicht genug, um irgendwelche Strapazen auf mich zu nehmen. Theologisch ist da einfach wenig geboten und der Personenkult geht mir sowieso auf die Nerven.

    Ich finde es allerdings immer wieder ausgesprochen schade, wenn die konservativen und traditionsbewussten Stimmen, die beide Kirchen ja brauchen, sich nur in ihren Schmollecken zusammenrotten, als Verfolgte des liberalen Mainstreams selbst bemitleiden, ihre Lieblingsthemen (die alle irgendwas mit Sex zu tun haben) hin und her wälzen und dann eben mal einen bissigen Tweet schreiben, in dem man dann halt anderen das Christsein abspricht oder auch nicht oder zumindest ein bisschen. Hauptsache, "wir" gegen "die".

    Das verstehe ich unter Sektenmentalität. Kann man als Adelstitel umdeuten, "Wir sind die, die es verstanden haben, die es ernst meinen, die noch Nachfolge leben..." usw.

    Oder man kann es als das sehen, was es meines Erachtens ist: die etwas larmoyante Art zu verarbeiten, dass man den Menschen offensichtlich auch wenig der Tiefe traditionell-christlicher Frömmigkeit anzubieten hat, die bei Veranstaltungen wie dem Kirchentag offensichtlich zu kurz kommt.

    Kein Wunder, dass dann ein Papst als positives Beispiel herangezogen ist, der ein bisschen doziert, sich an den Gestaltungsaufgaben die Zähne ausgebissen, dann hingeschmissen und sich in sein Palazzo zurückgezogen hat.

    Mit seinerseits bissigen, aber zugleich dennoch geschwisterlich verbundenen Grüßen

    Tobias Graßmann
    (@luthvind)

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    1. Erst mal herzlich willkommen auf meinem Blog und danke für die Stellungnahme!

      Zunächst mal stelle ich fest, dass unsere Wahrnehmungen so weit auseinander gehen, dass es an ein Wunder grenzt, wenn wir *überhaupt* miteinander kommunizieren können. Und das allein verdient schon mal Wertschätzung. :)

      Ich würde sagen, das Bild des larmoyanten, selbstmitleidigen, im Schmollwinkel verschanzten Konservativen mit seinen "Lieblingsthemen", die "alle etwas mit Sex zu tun haben", ist im Wesentlichen ein Strohmann. Sicher wird man immer mal wieder jemanden finden, auf den das zutrifft, aber mit den meisten mir bekannten "konservativen" Christen (geschweige denn mir selber) hat das nicht viel zu tun. Vollends bizarr finde ich Dein Urteil über Papst em. Benedikt XVI. - aber vielleicht war das ja auch nur dem Streben nach "Biss" geschuldet.

      Jedenfalls freue ich mich auf weitere Twitter-Debatten. Ganz unironisch.

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  3. (Irgendwie scheint mein Kommentar verloren gegangen zu sein. Also noch ein Versuch. Ansonsten wähle einfach einen der beiden Kommentare aus.)

    Mein Urteil über Benedikt XVI. ist sicher polemisch überspitzt. Aber ich meine doch, dass sein Pontifikat, gerade gemessen an seinem Anspruch und den Erwartungen an ihn, als Scheitern bewertet werden muss. Vielleicht wird das aber erst der nächste Papst zeigen.

    Für einen Strohmann ist das gezeichnete Bild leider zu erfahrungsgesättigt. Wir haben da einige Altbischöfe, Glaubensinitiativen, pietistische Splittergruppen von der Sorte. Kenne das auch aus meiner Familie. Und ich habe Gründe, auf der katholischen Seite Ähnliches zu vermuten. Aber vielleicht habe ich das allzu stereotyp gezeichnet.

    Ich würde Dir nun aufgrund deiner Tweets und Blogartikel, die ich ja schon einige Zeit immer wieder mal verfolge, auch nicht unterstellen wollen, dass bei Dir dieser Typus des schmollenden Konservativen verwirklicht ist -- dazu nehme ich zu viel ehrlichen Eifer, zu viel Lust an der Auseinandersetzung mit anderen Standpunkten, auch zu viel Witz wahr. (Ein emeritierter Professor mit dem Ruf eines lutherischen Hardliners gab mir ja mal den Rat mit auf den Weg, Häretiker aus Gründen der Effizienz immer mit Witz zu bekämpfen, nie mit polternder Rechtgläubigkeit.) Aber manchmal meine ich, bedenkliche Symptome dieses "Syndroms" zu entdecken. Dessen Ausbruch ich, wie gesagt, schade fände.

    Freue mich ebenfalls auf künftige Debatten!
    Beste Grüße aus Göttingen,
    T.G.

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    1. >>Häretiker aus Gründen der Effizienz immer mit Witz zu bekämpfen, nie mit polternder Rechtgläubigkeit.) Aber manchmal meine ich, bedenkliche Symptome dieses "Syndroms" zu entdecken.<<

      "Manchmal" ist ja nicht "oft"! Wenn man den Witz auf diesem Blog sucht, wird man ganz schnell fündig. Das mal ganz generell gesprochen.

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  4. Diasporakatholik26. Mai 2017 um 23:58

    T. Graßmann sieht Benedikt XVI. Pontifikat als Scheitern an.
    Dem kann ich nicht folgen: Selbst wenn es stimmte, dass er an seinen Gestaltungsaufgaben komplett gescheitert wäre [was nach meinem Urteil keineswegs zutrifft], so hätte er immerhin etwas ungemein Wichtiges erstmalig in sein Pontifikat eingebracht: Den Rücktritt eines Papstes aus gesundheitlichen Gründen und das Vorbild, wie er als Emeritus neben seinem gewählten Nachfolger weiter lebt.

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  5. Themen, die alle irgendwie mit Sex zu tun haben: ja klar. Da wir Menschen durch Sex entstanden sind, hat alles, was mit Menschen zu tun hat, mit Sex zu tun.

    Bottom line: Nein, Abtreibung ist kein "Thema, das irgendwie mit Sex zu tun hat".

    Ich kenne überhaupt nicht viele aus der von Tobias Graßmann intendierten Richtung, die sich in öffentlichen Diskussionen übermäßig viel mit Sex beschäftigen - im Schlafzimmer mit der Frau um so mehr, nehm' ich mal an.

    Das ist auch kein Hexenwerk, sondern hat einen ganz bestimmten Grund: Bei den Themen, die mit Sex zu tun haben, ist eigentlich katholisch alles klar. Man kann sich daran halten wollen oder nicht, man kann falls ersteres das schaffen oder nicht, aber es gibt eigentlich nichts hin- und herzuwälzen.

    Und deshalb wird da auch nichts hin- und hergewälzt. Man debattiert schließlich immer nur über die nicht klaren - zumindest nicht so klaren - Sachen.

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  6. >>Kein Wunder, dass dann ein Papst als positives Beispiel herangezogen ist, der ein bisschen doziert, sich an den Gestaltungsaufgaben die Zähne ausgebissen, dann hingeschmissen und sich in sein Palazzo zurückgezogen hat.

    Erstens hat Benedikt XVI. in der Tat "ein bißchen doziert", man sollte dabei aber nicht übersehen, wie sehr notwendig unsere heutige Welt *gerade* schlüssiger, durchdachter christlicher Lehre bedarf, nämlich deutlich mehr als irgendeines Aktionismus.

    Dabei sind die Werke, die Benedikt XVI. als Papst verfaßte, sehr häufig tatsächlich große Würfe geworden, so etwa die Enzykliken Deus caritas est (nein, keine gefühlvolle Predigt und auch nicht bloß eine Antrittsenzyklika, sondern der grundlegende Text zur Rolle konkreten caritativen Wirkens in der Kirche), Spe salvi (Caritas in veritate? vielleicht auch, die kenne ich nicht so gut), die Rede von Regensburg oder die formell als Privattheologe verfaßten Jesus-Bücher, in denen er auf unnachahmlich respektvolle Weise die historischen Kritiker in die Schranken gewiesen hat.

    "sich an den Gestaltungsaufgaben die Zähne ausgebissen": Bei dem Papst, der trotz seiner persönlichen dozierenden Natur so gewagte gestalterische Schritte gegangen ist wie, daß er Summorum pontificum erlassen hat. Damit hat er offensichtlich die Kirche auf Jahre hinaus gestaltet. Auch daß die Piusbruderschaft jetzt unter Papst Franziskus zu einer institutionell in die katholische Amtskirche eingegliederten Gemeinschaft wenn auch noch mit dem Facebook-Status "es ist kompliziert" geworden ist, ist doch schließlich letztlich auf Papst Benedikts Exkommunikationsaufhebungsdekret zurückzuführen.

    Von seinem in der Tat noch als Glaubenspräfekt geschehenen fähigen Einschreiten gegen den Mißbrauch zu schweigen.

    >>hingeschmissen

    Er hat sich nicht mehr fähig gehalten, den körperlichen Anforderungen des Papsttums gerechtzuwerden - und ja, das Papsttum *hat* körperliche Anforderungen. Ob man dazu unbedingt, wie kolportiert wird, die Teilnahme an Weltjugendtagen in fernen Kontinenten rechnen müßte (oder sagt, das könnte auch ein Kardinallegat) sei einmal dahingestellt. Es hat nie jemand behauptet, man könne nicht zu anderen Einschätzungen als Papst Benedikt kommen. Jedenfalls aber hat es sich um eine rationale Überlegung gehandelt (und in den letzten Wochen vor seinem Rücktritt hat er auf Fernsehbildern auch wirklich alt ausgesehen, nicht daß das irgendwas sagt, aber es ist mir damals aufgefallen).

    >>und sich in sein Palazzo zurückgezogen hat.

    Ja, okay. "Palazzo" heißt soviel wie "Gebäude".

    Dennoch wäre für Leute, die nicht so gut italienisch können, anzumerken, daß es sich vielmehr um ein mehr oder weniger klösterliches Austragskammerl handelt.

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