Dienstag, 20. Dezember 2016

War On Christmas

Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust, etwas über den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz zu schreiben. Aber gleichzeitig würde es sich auch irgendwie falsch anfühlen, es nicht zu tun. 

Meine Liebste hatte gestern einen sehr anstrengenden (und langen) Arbeitstag und musste heute wieder sehr früh raus; deshalb wollte sie, als sie gestern Abend nach Hause kam, möglichst sofort schlafen gehen, und ich schloss mich dem an. Dachte mir, das könnte mir auch mal gut tun. 

Heute morgen gegen fünf Uhr stellte ich dann fest, dass 15 Personen sich über Facebook erkundigt hatten, ob ich in Sicherheit sei. Erst dadurch bekam ich mit, was überhaupt passiert war. Jemand hatte einen LKW ungebremst auf das Gelände des Weihnachtsmarkts am Breitscheidplatz gesteuert, hatte mehrere Marktbuden niedergewalzt und zwölf Menschen getötet. Rund 50 weitere wurden zum Teil schwer verletzt. 

Man erwarte jetzt bitte keine eingehende und wohlabgewogene Analyse von mir. Dafür ist die Informationslage im Moment noch zu schlecht und ich emotional noch zu aufgewühlt. Auch wenn, soweit ich es bis jetzt überblicken kann, von meinen Berliner Freunden und Bekannten niemandem etwas passiert ist. 

Nachdem meine Liebste zur Arbeit gefahren war, ging ich zum Frühstücken in eine Bäckerei. Dort lief Radio. Ein Privatsender. Geschwätzige Betroffenheitsroutine, unterbrochen von Werbeblöcken (klar, der Sender muss ja Geld verdienen) und seichter Popmusik. Unversehens erinnerte ich mich an den 11. September 2001, und wie die Medien da reagiert hatten; verglichen damit erschien mir das Radioprogramm an diesem Morgen erschreckend banal. Obwohl es sich doch diesmal um einen Anschlag vor der eigenen Haustür handelt. Einerseits zeigt das wohl, wie sehr wir uns in den letzten 15 Jahren an Terror gewöhnt haben. Im Grunde wäre es ja mehr als naiv gewesen, anzunehmen, dass es nicht irgendwann auch Berlin treffen würde. Gleichzeitig war in den Wortbeiträgen des Radiosenders der mehr oder weniger verzweifelte Versuch zu spüren, sich an die Vorstellung zu klammern, es handle sich möglicherweise nicht um einen Terroranschlag. Also bitte. Was denn sonst

Und zwischendurch verkündete die Moderatorin, der Sender werde heute keine Weihnachtslieder spielen. Na super. Backstreet Boys, Phil Collins und diese super-grässliche "Sound Of Silence"-Coverversion von Disturbed, alles kein Problem, aber Weihnachtslieder sind ein No-Go an diesem Tag. Das soll mir mal einer erklären. Was für ein Signal man damit senden will. 

Man kann vielleicht der Meinung sein, wenn wenige Tage vor Weihnachten ein Weihnachtsmarkt angegriffen wird, dann habe das nicht mehr und nichts anderes zu bedeuten, als dass der Täter eben möglichst viele Menschen habe treffen wollen. Ich glaube aber, das ist zu kurz gedacht. Ein Terroranschlag richtet sich nie nur gegen die Menschen, die unmittelbar physisch davon getroffen werden. Er hat immer auch Symbolcharakter. Und dafür ist die Auswahl des Ziels alles andere als unerheblich. Ein Angriff auf einen Weihnachtsmarkt ist ein Angriff auf Weihnachten. Ob damit in erster Linie das christliche Hochfest der Geburt des Herrn gemeint ist oder das säkulare Hochfest des Konsums, darüber mag man diskutieren und spekulieren. So oder so wäre es die denkbar falscheste Reaktion auf diesen Anschlag, Weihnachten gewissermaßen abzusagen

Aus christlicher Sicht sollte es auf der Hand liegen, dass die Hoffnung, die das Weihnachtsfest verkörpert - die Hoffnung auf die Ankunft des Herrn - genau das ist, was wir in Zeiten des Terrors mehr denn je brauchen. Dass landauf, landab über politische Konsequenzen aus diesem Anschlag debattiert wird, ist sicher unvermeidlich und innerhalb gewisser Anstandsgrenzen auch legitim, ja notwendig. Noch viel notwendiger - für Christen zumindest - ist es jedoch, auf Gott zu vertrauen und zu beten. Sehr eindringlich auf den Punkt gebracht hat dies Elizabeth Scalia in einem Beitrag für das englischsprachige Online-Portal Aleteia, den ich hier verlinken möchte:  


In der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale wird es heute um 12 Uhr ein Gebet für die Opfer des Anschlags und für deren Angehörige geben. Die Einladung zu diesem Gebet richtet sich ausdrücklich an alle Berliner, unabhängig von Konfession oder Weltanschauung. Ich habe überlegt, hinzugehen, nehme aber an, die Kathedrale wird aus allen Nähten platzen. Daher gehe ich wohl lieber zum Angelusgebet und zur Eucharistischen Anbetung in St. Clemens. Auch andere Kirchen sind zum Gebet geöffnet. 


O Schlüssel Davids
und Zepter des Hauses Israel,
du öffnest und niemand kann schließen,
du schließest und niemand vermag wieder zu öffnen.
Komm, o Herr, und befreie aus dem Kerker die Gefangenen,
die da sitzen in Finsternis
und im Schatten des Todes.


Amen. 



1 Kommentar:

  1. Der Entschluss keine Weihnachtslieder mehr zu spielen, offenbart die schreckliche Hilflosigkeit der Gesellschaft auf das Böse, was sich mehr und mehr in Form von Terror ins ehemals christliche Abendland bricht. Dabei wird geflissentlich übersehen, (oder aus vollkommener Unwissenheit), dass Krippe und Kreuz untrennbar miteinander verbunden sind. Das süße Jesulein, wird seinen Jüngern als Erwachsener entgegen schleudern: "Ihr werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.", als sie nach dem Grund für ein Unglück fragen. Ja, seine Rede ist hart, wer kann sie hören? Die Betroffenheitlawine, die sich jetzt über die rat-und orientierungslose Gesellschaft ergießt, ist zwangsläufig das Ergebnis totaler Ahnungslosigkeit über die Situation unserer Welt, die immer noch in Geburtswehen liegt, solange der Herr nicht wiederkommt und Gericht hält.

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