Mittwoch, 11. Februar 2015

Schrödingers Katze will jetzt Journalistin werden

Das Wichtigste zuerst: Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wird nun - in absehbarer Zeit zumindest - wohl doch nicht Erzbischof von Berlin. Das ist zwar schade für die nach Protz und Prunk lechzende Metropole mit dem Faible für überdimensionierte Bauprojekte, aber davon abgesehen hat das neue Betätigungsfeld, das sich dem ehemaligen Limburger Oberhirten stattdessen eröffnet, ohne Zweifel Manches für sich. Als Delegat im Päpstlichen Rat für Neuevangelisation ist er fortan für das Thema Katechese zuständig, und wie man hört bzw. liest, ist er für diese Aufgabe bestens qualifiziert; ja, er gilt (oder galt, bevor sein Name in der Öffentlichkeit praktisch nur noch im Zusammenhang mit Limburger Skandalen und Skandälchen genannt wurde) als ausgewiesener Experte für dieses Thema. Gleichzeitig und andererseits ist dies ein in seiner Außenwirkung vergleichsweise unauffälliger Posten, sehr viel unauffälliger jedenfalls als derjenige eines Diözesanbischofs, und auch das kann nur von Vorteil sein für jemanden, zu dem die Presse ein so ausgesprochen problematisches Verhältnis pflegt. 

Würde man heute, fast ein Jahr nach TvEs Rücktritt als Bischof von Limburg, hundert zufällig ausgewählte Menschen fragen, was er sich in diesem Amt eigentlich genau hat zu schulden kommen lassen, würde man vermutlich hundert unterschiedliche Antworten bekommen, die sich allenfalls im Ausmaß ihrer Ungenauigkeit gleichen. Gut, da war diese Sache mit dem Erster-Klasse-Flug nach Indien, den er dann auch noch geleugnet hat. Daran erinnert sich sicher noch Mancher. Und dann diese Sache mit dem oft verkürzt als "Bischofsresidenz" bezeichneten Diözesanen Zentrum St. Nikolaus, das so viel teurer geworden ist als ursprünglich geplant und bei dessen Finanzierung es so allerlei Unregelmäßigkeiten gab. Was genau Tebartz-van Elst im Zuge dieses Bauprojekt alles - salopp ausgedrückt - verbockt hat und wem dadurch welcher Schaden entstanden ist, könnte man, wenn man die Zeit und Geduld hätte, detailliert in einem über hundert Seiten starken Prüfbericht nachlesen und würde dabei vermutlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Vergehen des damaligen Diözesanbischofs an Verwerflich- und Abscheulichkeit doch ein wenig hinter, sagen wir mal, Völkermord zurückbleiben. Das Problem ist, so genau will es kaum Jemand wissen. Es genügt zu wissen, dass TvE ein Böser ist. Das stand schließlich in allen Zeitungen. Er hat sich eine Luxusresidenz bauen lassen, während die einfachen Limburger Katholiken hungernd und frierend am Boden herumkrochen und nach den Brosamen von des Bischofs üppiger Tafel haschten. Irgendwas war auch noch mit Koi-Karpfen, einer Badewanne und einem Adventskranz. Wie genau das alles zusammenhing, ist letztlich nebensächlich. Jedenfalls ist der Tebartz ein ganz übler Gesell. Nach dem im Jahre 2010 ans Licht gekommenen Missbrauchsskandal ist TvE der zweitgrößte Verursacher von Kirchenaustritten, sogar auch aus der evangelischen Kirche. Völlig undenkbar, dass die Kirche so jemandem jemals wieder ein Amt anvertraut, geschweige denn ein wichtiges. Erst recht unter Papst Franziskus, dem Robin-Hood-Papst, der's den Reichen nimmt und den Armen gibt, der Protz und Prunk verabscheut und Korruption erst recht. Der wird diesen Tebartz doch nie und nimmermehr unter seine Augen treten lassen. 

(Ich erinnere mich lebhaft, wie auf dem Höhepunkt des Skandals um das Diözesane Zentrum St. Nikolaus im Berliner Kurier eine Karikatur erschien, in der ein sichtlich ergrimmter Papst Franziskus Bischof Tebartz-van Elst mit einem Kruzifix den nackten Hintern versohlt. Merken wir uns einstweilen diese Bildsprache, wir werden sie noch für später brauchen.) 

Nach all der zu seinen tatsächlichen Verfehlungen in keinerlei nachvollziehbarem Verhältnis stehenden Hetze gegen Bischof Tebartz-van Elst, die in den Medien zu beobachten war und bis heute beispielsweise bei den Nutzern sozialer Netzwerke ihre Früchte trägt, erscheint es halbwegs verständlich - wenn auch nicht unbedingt klug -, dass der Vatikan die bereits am 05. Dezember 2014 erfolgte Ernennung des emeritierten Bischofs zum Delegaten im Päpstlichen Rat für Neuevangelisation lieber nicht an die große Glocke hängen wollte. Tatsächlich bekam die breite Öffentlichkeit erstaunlich lange nichts davon mit. Erst am 23. Januar 2015, also rund sieben Wochen nach der Ernennung, bekam eine deutsche Zeitung Wind davon - und zwar, wer hätte es gedacht, die BILD. Die berichtete, der "Protz-Bischof" solle "jetzt den Posten eines Sekretärs" im Rat für Neuevangelisation einnehmen; eine offizielle Bestätigung für dieses Gerücht konnte man jedoch nicht vorweisen, auch TvEs Sprecherin Eva Demmerle verweigerte eine Stellungnahme. Es blieb also ein Gerücht, das zwar von zahlreichen anderen Zeitungen und Nachrichtenagenturen aufgegriffen wurde, vom Hohen Rat der Wikipedia hingegen als unbelegt und somit unseriös zurückgewiesen wurde. Tage gingen ins Land, die Sache schien im Sande zu verlaufen. Bis zum 04. Februar, an dem Rom-Korrespondent Jörg Bremer auf den Seiten der alten TvE-Erbfeindin FAZ verbreiten ließ: "Papst zeigt Tebartz-van Elst die kalte Schulter". Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Es mag ja, so suggerierte Bremer, Kreise im Vatikan geben, die Tebartz gern zu einer Stellung verhelfen würden -- aber Franziskus, dieser Papst zum Knutschen, macht solchen Bestrebungen einen fetten Strich durch die Rechnung! "Ich denke gar nicht daran!", soll er angeblich gesagt haben. Diese Meldung wurde von T-Online, FOCUS und anderen Medien dankbar übernommen, und wie in alten Zeiten wetteiferte man in hämischer Wortwahl gegen den ehemaligen Bischof von Limburg. Tags darauf jedoch, am 05. Februar, las man in der Passauer Neuen Presse wiederum ganz und gar Gegenteiliges: TvE habe nicht nur seine Ernennungsurkunde längst erhalten - das Datum, der Unterzeichner (Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin) und die einleitende Formulierung Summum Pontifex Franciscus nominavit wurden genannt -, sondern habe seine neue Tätigkeit sogar bereits angetreten. 

Im Blätterwald, zumal dem digitalen, machte sich Verwirrung breit. Auf der Nachrichten-Suchmaschine GoogleNews konnte man das seltene Spektakel beobachten, wie einander diametral widersprechende Schlagzeilen verschiedener Periodika zum selben Thema einträchtig untereinander aufgelistet wurden - wobei die Nachbeter der FAZ-Version, Papst Franziskus habe TvEs Ambitionen eine Abfuhr erteilt, vorläufig noch dominierten. Bei dem Bild, das man von TvE einerseits, von Papst Franziskus andererseits hatte (und an dem man selber kräftig mitgebaut hatte), schien das wohl einfach die glaubwürdigere Variante.

Nun, wir wissen, wie die Sache ausging. Die Meldung der Passauer Neuen Presse stellte sich Punkt für Punkt als richtig heraus, allerdings dauerte es noch bis zum 07. Februar, bis dies "aus sicherer Quelle" bestätigt wurde. Dies berichtete nun auch die FAZ - ohne jedoch in irgendeiner Form zu ihrer drei Tage zuvor veröffentlichten Falschmeldung, der Papst habe TvE "die kalte Schulter gezeigt", Stellung zu nehmen oder sich gar dafür zu entschuldigen. Im Gegenteil, diese Falschmeldung blieb abstruserweise weiterhin online, sodass man bei entsprechenden Sucheinstellungen in der Online-Ausgabe der FAZ beide einander widersprechenden Meldungen direkt untereinander sehen konnte. Man fühlt sich an Schrödingers Katze erinnert: Der Papst hat TvE zum Delegaten ernannt, und er hat ihn nicht ernannt. Solange man die Kiste nicht aufmacht und nachsieht, kann man nicht wissen, was nun wirklich stimmt; problematisch wird es dann, wenn man trotzdem eine Aussage über den Inhalt der Kiste machen will.

(Kann man sich angesichts solcher Vorkommnisse noch ernsthaft darüber wundern oder wahlweise beschweren, dass immer mehr Menschen hierzulande den Medien prinzipiell nichts mehr glauben (wollen)? -  "Lügenpresse", das Unwort des Jahres 2014, ist wahrhaftig ein unschönes Wort, und es widerstrebt mir, es zu benutzen; aber vielleicht könnte man sagen, die Medien kreieren eine... alternative Realität?)

In die Phase der Verwirrung über Bischof Tebartz-van Elsts Ernennung oder Nichternennung fügte sich passgenau ein anderer großer Pressehype mit kirchlicher Thematik ein: die Affäre um den "Prügelpapst". Wer einen Hang zum Verschwörungsdenken hat, könnte angesichts der Gleichzeitigkeit der Ereignisse auf die Idee kommen, nachdem die Gerüchte sich verdichteten, dass der Papst dem bösen, bösen "Protzbischof" doch eine Stelle im Vatikan gegeben hat, habe die Presse beschlossen, Franziskus sei fortan kein Guter mehr, und sich auf die erstbeste Gelegenheit gestürzt, dem Pontifex so richtig eins reinzudrücken. -- Was aber war geschehen?

In seiner Katechese bei der Generalaudienz am Mittwoch, dem 04. Februar, hatte Papst Franziskus über die Rolle der Väter in den Familien gesprochen. Dabei war er, wie man es mittlerweile von ihm kennt, vom vorbereiteten Manuskript abgewichen und hatte eine Anekdote eingestreut - über einen Vater, der ihm gesagt habe, manchmal müsse er seinen Sohn "ein bisschen verhauen" - "aber nie ins Gesicht, um ihn nicht bloßzustellen". Franziskus kommentierte: "Wie schön! Das ist der Sinn der Würde. Er muss ihn bestrafen, macht es richtig und schreitet so voran." Die Website von Radio Vatikan gab diese Aussage in ihrem Bericht über die Generalaudienz wider, ohne auch nur den Versuch zu machen, sie irgendwie zu erläutern und dadurch abzumildern. Das Skandalisierungspotenzial dieser Sätze wurde offenbar nicht erkannt. Und zunächst einmal passierte auch gar nichts. Zwei Tage später jedoch sah das ganz anders aus. "Franziskus gibt Erziehungsratschläge - Papst: Kinder schlagen ist in Ordnung" titelte etwa der FOCUS, während die taz fröhlich über den "Prügelpapst vom Petersplatz" alliterierte - garniert mit einem Bild, auf dem ein lachender Franziskus die Wange eines Kleinkinds mit der Hand berührt, was der geneigte Leser offenbar als Ohrfeige interpretieren soll. Und auch sonst verbreiteten landauf, landab allerlei Blätter und Blättchen, der Papst habe das Schlagen von Kindern gutgeheißen, ja sogar gelobt. Auch Politikerinnen wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und, gähn, Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth standen nicht an, den Papst für seine Worte scharf zu tadeln.

Na gut: Sicherlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das sehr wesentlich von den Medien geprägte Bild vom ultraliberalen Wohlfühlpapst Franziskus - dem "gay loving, tree hugging, easy going 'hippie Frank'", wie der bloggende Priester Dwight Longenecker ihn jüngst nannte - Risse bekommen würde. Aber die Art und Weise, wie dies jetzt geschieht, ist schon bemerkenswert - und der Anlass, frei heraus gesagt, etwas tragikomisch. Liest man die Katechese vom 04. Februar im Zusammenhang, dann kann man sich nur die Augen reiben darüber, wie man sie auf die vermeintliche Kernaussage "Manchmal ist ein bisschen Haue schon in Ordnung" reduzieren kann. Aber anscheinend können unsere Damen und Herren Qualitätsjournalisten einfach nicht anders, als einzelne, gern spontane, etwas unglückliche bzw. undurchdachte Aussagen des Papstes aus dem Zusammenhang zu reißen, aufzubauschen und über- bzw. gezielt fehlzuinterpretieren. Erst haben sie auf diese Weise zu seiner Popularität gerade in kirchenfernen Kreisen beigetragen, und nun reißen sie das Gebäude eben auf dieselbe Weise ein, wie sie es errichtet haben.

Festzuhalten bleibt allerdings, dass Papst Franziskus in seiner Anekdote über den Vater, der auch beim Schlagen seiner Kinder deren Würde achtet, keinerlei Missbilligung für das Schlagen von Kindern hat erkennen lassen. Und dieser Umstand stellt alle jene, die den Papst gern gegen die nun über ihn hereinbrechende übertriebene, teilweise ausgesprochen ätzende Kritik verteidigen möchten, vor einige Schwierigkeiten. Vereinfacht gesagt habe ich in den vergangenen Tagen drei verschiedene Verteidugungsstrategien, oder sagen wir: drei Abstufungen der Kritik an der Kritik beobachtet:

A) "Der Papst hat gar nichts Falsches gesagt. Es geht hier schließlich nicht darum, Kinder mit Gürteln, Hosenträgern, Kleiderbügeln oder Schlimmerem grün und blau zu prügeln. Das wäre selbstverständlich zu verurteilen. Aber ein kleiner Klaps zur rechten Zeit schadet einem Kind sicher weniger als manche andere, vermeintlich 'gewaltfreien' Erziehungsmaßnahmen - und erst recht als zu wenig Strenge in der Erziehung."
-- Diese Argumentationslinie findet sich hier und da in Diskussionsbeiträgen in sozialen Netzwerken, stößt dort aber in der Regel umgehend auf massiven Widerspruch und wird als Verharmlosung alltäglicher Gewalt gegen Kinder verurteilt. Zwar können die Verfechter dieser Auffassung dadaruf verweisen, dass auch die Bibel - und zwar Altes und Neues Testament - durchaus zustimmend bzw. lobend über körperliche Züchtigung als Erziehungsmittel spricht (vgl. z.B. Sprüche 13,24 u. Hebräer 12,6); andererseits stehen sie aber im Widerspruch zur geltenden Rechtslage, denn in Deutschland wie auch in 38 anderen Ländern der Erde (darunter etwa Schweden, der Südsudan und Turkmenistan) ist nicht nur brutales Verdreschen von Kindern verboten, sondern jegliche Gewalt gegen Kinder. Dass der Papst in seinen Generalaudienzen zur ganzen Welt spricht und dass in vielen Teilen der Welt Schläge als Erziehungsmaßnahme nicht nur erlaubt, sondern gang und gäbe sind, macht die Sache aus Sicht seiner Kritiker nicht besser - gerade weil das so sei, täte er besser daran, sich gegen das Schlagen von Kindern auszusprechen, anstatt Diejenigen, die ihre Kinder schlagen, auch noch darin zu bestärken.

B) "Der Papst ist missverstanden worden. Seine Äußerung zielte nicht darauf ab, das Schlagen von Kindern gutzuheißen, sondern hervorzuheben, dass die Würde des Kindes unter allen Umständen zu achten sei. Ausgerechnet einen Vater, der seine Kinder zwar 'manchmal ein bisschen haut, aber nicht ins Gesicht', als positives Beispiel heranzuziehen, war wohl eine etwas ungeschickte und nicht gut durchdachte Wahl, aber das Ausmaß der öffentlichen Empörung hierüber sieht schon stark nach absichtlichem Missverstehenwollen aus. Außerdem muss man sich nur mal anschauen, wie lieb der Papst immer mit Kindern umgeht. Wie könnte man da auf die Idee kommen, er würde das Schlagen von Kindern befürworten?"
-- Das ist, beispielsweise, so in etwa die Argumentationslinie des offiziellen Vatikansprechers Pater Lombardi, den man um die Aufgabe, ständig erklären zu sollen, was der Papst denn nun wieder mit dieser oder jener locker-flapsig hingeworfenen Bemerkung gemeint hat, wahrlich nicht beneiden möchte. Den Einwand, der Papst hätte, wenn er vor aller Weltöffentlichkeit über das Schlagen von Kindern spricht, dieses unmissverständlich verurteilen sollen bzw. müssen, kann allerdings auch diese Verteidigungsstrategie leider nicht entkräften.

C) "Die Aussage des Papstes war tatsächlich ein ärgerlicher Fauxpas - schon allein, weil sie den Eindruck erwecken konnte, der Papst billige oder lobe leichte Formen körperlicher Züchtigung. Möglicherweise denkt er sogar tatsächlich so - dann wäre ihm zu widersprechen, was übrigens, da es sich ja nicht um eine lehramtliche Aussage handelte, Jedem zusteht, auch jedem noch so gläubigen und kirchentreuen Katholiken. - ABER: Die übertriebene Skandalisierung dieser Äußerung ist noch erheblich schlimmer als die Äußerung selbst. Die potentielle Gefährlichkeit der inkriminierten Sätze, die darin liegt, dass schlagende Eltern sich durch den Papst bestätigt fühlen könnten, wird durch die einseitige und überzogene Deutung, die die Medien den Papstworten beilegen, eher noch verstärkt. Zudem verstellt die ganze künstlich aufgeblasene Empörung über eine nebenbei in die Ansprache des Papstes eingestreute Anekdote den Blick auf sehr viel größere Probleme, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das gewollt ist. In der Kritik an den Worten des Papstes steckt ein gerüttelt Maß an Heuchelei, insbesondere wenn sie von Leuten wie Schwesig und Roth kommt, die mit ihrer familienfeindlichen Politik Kindern wesentlich Schlimmeres antun."

-- Ich gebe zu, die Grenzen zwischen diesen drei Standpunkten, besonders zwischen B) und C), sind recht fließend; und meine eigene Sicht der Dinge schwankt je nach Tagesform mehr oder weniger stark zwischen allen dreien. Zur weiteren Orientierung möchte ich hier ein paar, wie ich finde, ausgesprochen lesenswerte Stellungnahmen verlinken:

- "Papstwort über Erziehungsklapps pusht bewährte Pressespielchen" (Petra Lorleberg auf kath.net
- "Kippen durch klapsen" (Peter Winnemöller auf katholon.de)
- "Entwürdigend" (Bastian Volkamer auf Echo Romeo).

-- Was aber hat das nun alles mit der Personalie Tebartz-van Elst zu tun? - Nun, ursächlich vielleicht gar nichts, das weiß man nicht so genau. Aber beide Fälle illustrieren recht eindringlich, was dabei herauskommt, wenn einflussreiche Medien mehr Wert auf Stimmungsmache als auf korrekte Information legen. Und welche Macht sie haben, den Einen zum Schurken und den Anderen zum Helden zu stempeln oder im Bedarfsfalle auch aus einem Helden einen Schurken zu machen. Dass ich zuweilen den Eindruck habe, dies werde besonders gern bei Kirchenthemen praktiziert, mag zum Teil daran liegen, dass ich die Berichterstattung zu anderen Nachrichtenfeldern weniger aufmerksam verfolge; aber müsste ich meinen Eindruck "Wenn's um die Kirche geht, kann man der Presse nichts glauben" zu "Man kann der Presse überhaupt nichts glauben" revidieren, würde ich mich auch nicht unbedingt besser fühlen.

Einen eher unerwarteten Zusammenhang zwischen der Personalie Tebartz-van Elst und der Affäre um den "Prügel-Papst" stellt übrigens Dirk Schümer in einem Kommentar für die Welt am Sonntag her. Unter der Überschrift "Von der Faust des Heiligen Vaters" bemüht sich Schümer offenkundig, das seit der "Watschn-Rede" merklich ins Schwanken gekommene Charakterbild des Papstes in der Öffentlichkeit zusammenzuhalten: Zwar passt das neue Image des "Prügel-Papsts" nicht recht zum alten des allzeit jovialen, herzlichen, toleranten und fortschrittlichen Papa Franz, wohl aber - mit ein bisschen gutem Willen - zum Bild des entschlossen und tatkräftigen Kirchenreformers. Und im Zusammenhang mit der Reformbedürftigkeit der Kirche, speziell des Klerus, muss natürlich wieder der Name Tebartz-van Elst fallen. Schümer erklärt:
"Geistliche im maßgeschneiderten Habit, die sich in römischen Sterne-Restaurants die Klinke in die Hand geben, verachtet der Papst ebenso unverhohlen wie den deutschen Exbischof Tebartz-van Elst, der nach einem Skandal um seine luxuriöse Limburger Residenz abgesetzt wurde und von Franziskus seitdem ostentativ keine neue Aufgabe zugeteilt bekommt." (Hervorhebung von mir.) 
Hier gilt es sich an die oben angesprochene Karikatur aus dem Berliner Kurier zu erinnern: Kinder darf der Papst zwar nicht verprügeln, Protzbischöfe aber sehr wohl. Das Peinlichste an diesen an Peinlichkeiten nicht armen Zeilen Schümers ist jedoch, dass sein Kommentar am 08. Februar erschien - zu einem Zeitpunkt also, zu dem bereits allgemein bekannt war, dass Bischof Tebartz-van Elst eben doch vom Papst eine "neue Aufgabe zugeteilt" bekommen hat...

Aber keine Bange: Der Gipfel des Irrsinns ist damit noch nicht erreicht. Wenn du denkst, absurder geht's nicht mehr, kommt von irgendwo "Wir sind Kirche" daher. Am 09. Februar veröffentlichte der Deutschlandfunk ein Interview mit Christian Weisner, dem Bundessprecher der so genannten "Kirchenvolksbewegung". In diesem Interview erklärt Weisner der staunenden Öffentlichkeit, was der Papst gesagt habe, sei nicht schlimm, und zwar weil es eben Franziskus gesagt habe. Der sei nun mal ein Guter und könne daher gar nichts Schlimmes sagen. Hätten Johannes Paul II. oder Benedikt XVI. das gesagt, dann wäre es schlimm gewesen.

So kann man es natürlich auch sehen.



2 Kommentare:

  1. Das trifft jetzt natürlich überhaupt nicht den Kern Deines ausgezeichneten Beitrags, aber vielleicht findest Du es dennoch interessant:

    Frank the Hippie Pope kommt nicht ursprünglich von Father Longenecker, sondern von den ganz ausgesprochen guten Leuten bei der Lutheran Satire.

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