Nach unserer Ankunft in Lourdes, Mittagessen und etwas Ausruhen von der Reise suchten wir erst einmal die Grotte auf - und zogen uns dann für ein Weilchen in die Anbetungskapelle zurück. Mein erster Eindruck vom Heiligen Bezirk: Die ganze Atmosphäre ist bedeutend würdevoller und weniger touristisch, als ich es mir vorgestellt hätte.
Mit Einschränkungen gilt das sogar für den gesamten Ort. Das Sortiment der um den Heiligen Bezirk herum gruppierten Souvenir- und Ramschläden ist nicht durchweg geschmackssicher, aber auch hier kann man sagen, das Ausmaß der Kommerzialisierung ist beiweitem nicht so penetrant, wie man hätte befürchten können. Oder jedenfalls wirkt es nicht so penetrant. Man muss bedenken: Ohne die Marienerscheinungen wäre Lourdes - trotz der landschaftlich durchaus attraktiven Kulisse der Pyrenäen - ein völlig unbedeutendes Kaff, und somit ist es ganz natürlich, dass die gesamte Infrastruktur des Ortes auf die Pilger ausgerichtet ist. Genau deswegen herrscht aber auch eine permanente Volksfeststimmung im Ort, die Leute freuen sich, hier zu sein, und sind einander wohlgesonnen.
Im Gegensatz zum Jakobsweg ist hier auch kaum etwas von einer etwaigen esoterisch-neuheidnischen Vereinnahmung des Heiligtums zu bemerken, die quasi in Konkurrenz zu offiziellen katholischen Lesart des Heiligtums stünde. Vorstellbar wäre so etwas ja: Ebenso wie der Jakobsweg von einschlägigen Kreisen gern als aus heidnischer Zeit stammender "Weg der Sterne" gedeutet wird, dessen eigentlicher und ursprünglicher Zielpunkt nicht das Grab des Apostels Jakobus, sondern ein keltisches Sonnenheiligtum am Kap Finisterre gewesen sei, gibt es sicherlich auch Theorien bzw. Spekulationen darüber, dass die Marienerscheinungen von Lourdes in Wirklichkeit Erscheinungen einer vorchristlichen Gottheit (oder wahlweise eines außeriridischen Astronauten) gewesen seien. Aber davon ist, wie gesagt, vor Ort praktisch nichts zu spüren: Lourdes ist fest in katholischer Hand. In der Altstadt entdeckten wir einen einzigen Esoterik-Laden ("La Fée Cristalle") - und selbst der verkaufte neben Heilsteinen und allerlei sonstigem Schnickschnack auch Rosenkränze...
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Notiz für die Zukunft: Beim Besuch klassischer katholischer Pilgerorte kann es nicht schaden, seinen vollgestempelten Jakobsweg-Pilgerausweis mitzunehmen, Das öffnet Türen. (Im Jakobus-Pilgerbüro von Lourdes hat man uns freundlicherweise auch ohne Ausweis geglaubt, dass wir Jakobsweg-Veteranen sind.)
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"Ich preise Dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil Du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast." (Matthäus 11,25)
"Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen." (1. Korinther 1,27)
Diese Schriftworte passen, wie ich finde, bemerkenswert gut auf Bernadette Soubirous. Aus den überlieferten Worten und Handlungen dieses ungebildeten, von Vielen geradezu für dumm oder geistig zurückgeblieben gehaltenen Mädchens spricht eine Weisheit, die buchstäblich "nicht von dieser Welt" ist, und das treibt mir hier wieder und wieder die Tränen in die Augen.
Haube, Rosenkranz und Holzschuh der Hl. Bernadette Soubirous |
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Als ich auf einem der Mosaike in den Nischen links neben der Rosenkranzbasilika den Schriftzug "Ich verspreche Ihnen nicht, Sie in dieser Welt glücklich zu machen, aber in der künftigen" las - ein Wort Mariens an Bernadette im Zuge der dritten Erscheinung am 18. Februar 1858 -, musste ich ein bisschen weinen.
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Als ein unerwartetes Highlight erwies sich die "Mission de l'Immaculée" in der Rue des Petites Fossés, ganz in der Nähe des "Cachot", in dem Bernadettes Familie einige Jahre leben musste. Ein junger Franziskanermönch erzählte uns - auf Englisch - allerlei über Leben und Werk des Hl. Maximilian Kolbe, der ja weithin fast ausschließlich für die Umstände in Auschwitz bekannt ist. Seine umfangreiche publizistische Tätigkeit im Dienste dessen,was man heute wohl Neuevangelisierung nennen würde, war mir bislang ebenso unbekannt gewesen wie seine Missionstätigkeit in Japan. Bei Gelegenheit muss ich mal in Erfahrung bringen, ob Dorothy Day etwas über Pater Kolbe geschrieben hat - sie waren schließlich Zeitgenossen.
Zum Abschluss unseres Besuchs in der Mission de l'Immaculée erhielten wir in der Kapelle von einem älteren Franziskanerpater einen Segen mit einem Reliquiar des Hl. Maximilian Kolbe. Das Reliquiar enthielt, wie man uns sagte, Barthaare des Heiligen. ("Der Leichnam wurde in Auschwitz verbrannt. Hätte man ihn nicht schon zu Lebzeiten als einen Heiligen angesehen und deshalb beim Haareschneiden immer mal etwas von dem Abgeschnittenen beiseite geschafft, dann hätten wir heute keine Reliquien von ihm.")
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Sehr anrührend an Lourdes finde ich, dass überall - besonders natürlich im Heiligen Bezirk, aber z.B. auch in Lokalen und Geschäften - den Schwerkranken und Behinderten besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge zuteil wird. Es ist auf eine sehr eindringliche Weise spürbar, dass dieser Ort in einem speziellen Sinne ihr Ort ist.
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Noch einmal zurück zu der Feststellung, Lourdes sei "fest in katholischer Hand": Wie schon gesagt, ist Lourdes einzig aufgrund der Marienerscheinungen ein beliebtes Reiseziel, und wenn es auch durchaus denkbar ist, dass ein Teil der Besucher das Wallfahrtsgeschehen lediglich als kulturelles Phänomen interessant findet und eher distanziert betrachtet, dürfte das wohl doch allenfalls auf eine kleine Minderheit zutreffen. Speziell dem umfangreichen Pilger-"Programm" aus Rosenkranzgebet, Messbesuch, Beichte, Kreuzweg, Waschung und Prozessionen wird man sich wohl nicht so leicht aus rein "touristischem" Interesse unterwerfen. Ich möchte daher die These wagen: Die Allermeisten, die nach Lourdes kommen, kommen tatsächlich des Glaubens wegen hierher.
So gesehen stimmen die vielen Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien mit Kindern, die man hier trifft, ausgesprochen hoffnungsvoll. Auffallend ist auch die große Zahl afrikanischer oder zumindest afrikanischstämmiger Pilger. Darunter sind stattliche Frauen mittleren Alters in prachtvollen bunten Kleidern, auf denen Heiligenbilder oder biblische Szenen abgebildet sind, aber auch eine Jugendgruppe, die an einem der ersten Tage unseres Aufenthalts beim Rosenkranzgebet an der Grotte vorbetete. Man muss bedenken, dass Afrika der Kontinent ist, unter dessen Bevölkerung die Katholische Kirche am stärksten wächst. Insofern bekommt man hier einen Vorgeschmack auf die Zukunft der Weltkirche, und mir gefällt das.
So gesehen stimmen die vielen Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien mit Kindern, die man hier trifft, ausgesprochen hoffnungsvoll. Auffallend ist auch die große Zahl afrikanischer oder zumindest afrikanischstämmiger Pilger. Darunter sind stattliche Frauen mittleren Alters in prachtvollen bunten Kleidern, auf denen Heiligenbilder oder biblische Szenen abgebildet sind, aber auch eine Jugendgruppe, die an einem der ersten Tage unseres Aufenthalts beim Rosenkranzgebet an der Grotte vorbetete. Man muss bedenken, dass Afrika der Kontinent ist, unter dessen Bevölkerung die Katholische Kirche am stärksten wächst. Insofern bekommt man hier einen Vorgeschmack auf die Zukunft der Weltkirche, und mir gefällt das.
Ebenfalls auffallend stark vertreten sind Inder und Vietnamesen, außerdem - weniger überraschend - Iren, Polen und Slowaken. Und natürlich Franzosen, Spanier und Italiener. Deutsche hingegen kaum. Vermeintliche Deutsche entpuppen sich auf den zweiten Blick häufig als Österreicher.
So zum Beispiel bei der deutschsprachigen Messe in der Kapelle St. Kosmas und Damian am Montag. "Schon fühlt man sich geistlich wieder nach Deutschland versetzt", meinte meine Liebste augenzwinkernd. Nicht ganz zu Unrecht. Wären wir mal lieber in der französischsprachigen Messe in der Rosenkranzbasilika geblieben... Zur Eröffnung gab's ein NGL der grausigsten Sorte: "Komm her, freu dich mit uns, tritt ein" (Nr. 148 im Gotteslob), und schon fühlte man sich wie in einem Kindergottesdienst für Senioren. Die Predigt enthielt einige gute Gedanken, war aber total "zer-labert". Kniebänke gab es in der Kapelle auch nicht; trotzdem knieten die meisten Teilnehmer während der Wandlung und beim Empfang der Kommunion. Ganz so deutsch war's also doch nicht.
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Am selben Tag dann deutschsprachige Beichte in der dem Hl. Pfarrer von Ars geweihten "Kapelle der Versöhnung". Die beiden deutschsprachigen Beichtväter hatten bei der Messe am Vormittag konzelebriert, einer von ihnen war ein Inder. Gutes Beichtgespräch; das Beeindruckendste an der Beichte ist aber immer der Moment, in dem der Beichtvater seine seelsorgerischen Anmerkungen oder Ratschläge beendet hat und zur Absolution übergeht. Man kann - mir geht das jedenfalls immer wieder so - ganz deutlich spüren, dass der, der da spricht, nicht mehr derselbe ist wie zuvor. Der Priester kann "als er selbst" gute und hilfreiche geistliche Anregungen geben und auch eine angemessene Buße für die gebeichteten Sünden festlegen, aber die Sünden vergeben, das kann er nicht "als er selbst": Das kann er nur in persona Christi. Und somit ist es Christus selbst, der die Absolution ausspricht - der Priester leiht ihm nur seine Stimme.
Nach der ersten Teilnahme an der allabendlichen Lichterprozession stellte ich fest, dass die Prozession auf den Fotos, die ich von ihr gemacht hatte, eindrucksvoller aussah, als ich sie empfunden hatte. Also mussten wir ein paar Tage später noch einmal daran teilnehmen.
Bei unserer zweiten Lichterprozession gerieten wir mitten in den deutschen Pilgerblock - der im Wesentlichen aus einer Reisegruppe von "Grimm-Reisen" zu bestehen schien. Ein Banner informierte darüber, dass die Grimm-Pilger aus den Diözesen Freiburg, Mainz und Speyer kamen - durchweg recht liberale Diözesen, was sich auch darin äußerte, dass die Mitglieder dieser Reisegruppe offenbar kein Latein konnten. -- Das muss ich wohl erläutern. Während der Lichterprozession wird der Rosenkranz gebetet (wobei zwischen den einzelnen Gesätzen Lieder eingeschoben werden, damit man nicht zu schnell fertig ist). Dabei werden die Ave Marias von Pilgern unterschiedlicher Herkunft in ihrer jeweiligen Muttersprache vorgebetet, aber die anderen Teile des Rosenkranzes werden auf Latein gebetet. Das Credo - und zwar das große, also das Nizäno-Konstantinopolitanum - beteten die Grimm-Pilger überhaupt nicht mit (obwohl es auf die bunten Papierschirmchen für die Kerzen aufgedruckt war), das Vaterunser hingegen stur auf Deutsch. Mir kam das schon ein bisschen demonstrativ vor. Um sie zu schockieren, schloss ich ab dem zweiten Rosenkranz-Gesätz an das (gesungene) "Gloria Patri et Filio..." jeweils noch das Fatima-Gebet ("O mein Jesus...") an. Suse machte mit.
Der Hl. Pfarrer von Ars vor der ihm geweihten Beichtkapelle. |
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Nach der ersten Teilnahme an der allabendlichen Lichterprozession stellte ich fest, dass die Prozession auf den Fotos, die ich von ihr gemacht hatte, eindrucksvoller aussah, als ich sie empfunden hatte. Also mussten wir ein paar Tage später noch einmal daran teilnehmen.
Bei unserer zweiten Lichterprozession gerieten wir mitten in den deutschen Pilgerblock - der im Wesentlichen aus einer Reisegruppe von "Grimm-Reisen" zu bestehen schien. Ein Banner informierte darüber, dass die Grimm-Pilger aus den Diözesen Freiburg, Mainz und Speyer kamen - durchweg recht liberale Diözesen, was sich auch darin äußerte, dass die Mitglieder dieser Reisegruppe offenbar kein Latein konnten. -- Das muss ich wohl erläutern. Während der Lichterprozession wird der Rosenkranz gebetet (wobei zwischen den einzelnen Gesätzen Lieder eingeschoben werden, damit man nicht zu schnell fertig ist). Dabei werden die Ave Marias von Pilgern unterschiedlicher Herkunft in ihrer jeweiligen Muttersprache vorgebetet, aber die anderen Teile des Rosenkranzes werden auf Latein gebetet. Das Credo - und zwar das große, also das Nizäno-Konstantinopolitanum - beteten die Grimm-Pilger überhaupt nicht mit (obwohl es auf die bunten Papierschirmchen für die Kerzen aufgedruckt war), das Vaterunser hingegen stur auf Deutsch. Mir kam das schon ein bisschen demonstrativ vor. Um sie zu schockieren, schloss ich ab dem zweiten Rosenkranz-Gesätz an das (gesungene) "Gloria Patri et Filio..." jeweils noch das Fatima-Gebet ("O mein Jesus...") an. Suse machte mit.
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Am Sonntag große internationale Pilgermesse in der unterirdischen Basilika St. Pius X., zelebriert Vom Bischof von Grenoble-Vienne, Guy de Kerimel. Anwesend waren noch mindestens acht weitere Bischöfe, darunter einer im Rollstuhl. Die Basilika selbst ist natürlich in erster Linie ein Zweckbau:
"Hm, wir haben nicht genug Platz, um mit all den vielen Pilgern die Heilige Messe zu feiern, aber wir wollen auch nicht den ganzen Heiligen Bezirk mit Gebäuden vollstellen."
"Wir könnten unterirdisch eine große Basilika anlegen!"
"Interessante Idee, aber wird die dann auch wunderschön prächtig?"
"Das könnte eher schwierig werden."
"Och nö, dann lassen wir's lieber" -- said no one ever.
Aber obwohl ich im Großen und Ganzen nicht unbedingt ein Freund von Betonkirchen und insgesamt kein großer Freund der "abstrakten Moderne" bin, finde ich, der Raum strahlt auf seine Art durchaus Würde und Feierlichkeit aus. Die Beton-Rippen an Decke und Wänden erinnern an das Unterdeck eines Schiffes, was ja auch eine schöne Symbolik hat.
Gedanken in der Warteschlange zu den Bädern: Das Wasser von Lourdes heilt an und für sich niemanden. Untersuchungen haben gezeigt, dass es normale Trinkwasserqualität hat. Die Heilungen von Lourdes werden nicht durch das Wasser bewirkt, sondern durch den Glauben.
Gleichzeitig und andererseits ist aber schon die Tatsache, dass es diese Quelle gibt, ein Wunder. Als die Heilige Jungfrau bei der 9. Erscheinung am 25. Februar 1858 Bernadette anwies, "von der Quelle zu trinken und sich zu waschen", war an der Stelle, auf die die Jungfrau wies, gar keine Quelle zu sehen, sondern nur ein bisschen feuchte Erde. Aber Bernadette gehorchte, und nachdem sie den Boden mit den Händen ein bisschen aufgegraben hatte, trat mehr und mehr Wasser an die Oberfläche - wodurch kurz darauf die Quelle entdeckt und freigelegt wurde, die noch heute sprudelt.
So gesehen ist die Quelle von Lourdes ein Symbol für einen Glauben, der so unbedingt ist, dass er dazu befähigt, Gott auch dann zu gehorchen, wenn es sinnlos scheint.
Dass in Lourdes die Kranken und Behinderten in Allem Vorrang haben, bekam ich auch in den Bädern ganz konkret zu spüren: Kurz bevor ich theoretisch an der Reihe gewesen wäre, wurde ein alter Mann in einem der Lourdes-typischen blauen Rollstühle hereingeschoben - und kam vor mir dran. Er war offenbar körperlich und geistig behindert, und es war ihm augenscheinlich peinlich, sich ausziehen zu lassen - zumal er auch eine Windel trug, die ihm ebenfalls abgenommen und nach dem Bad durch eine frische ersetzt wurde. Angst hatte er wohl obendrein, er weinte und jammerte unartikuliert, und als er ins Wasser getaucht wurde, brüllte er das Ave Maria auf Französisch. Als er wieder herausgeschoben wurde, wirkte er gelöst und zufrieden.
Übrigens hatte auch ich wohl so etwas wie Angst vor dem Besuch der Bäder, oder jedenfalls einen starken inneren Widerstand dagegen. Aber meine Liebste bestand darauf, das gehöre zu einer Pilgerreise nach Lourdes dazu. Gut von ihr. Oft sind ha die Erfahrungen, vor denen man sich am meisten scheut, am Ende die besten. So auch hier. Ich kann oder mag es nicht näher beschreiben; jedenfalls: Es war toll!
An unserem letzten Abend in Lourdes gingen wir essen im New Orleans Café ganz in der Nähe des Hotels. Unser Kellner, ein Belgier, war außerordentlich nett und erkundigte sich nach Suses (inzwischen recht unübersehbaren) Schwangerschaft. Bevor wir gingen, rief der Kellner den Küchenchef herbei und machte ihn darauf aufmerksam, dass eine "future maman" anwesend sei - woraufhin der Küchenchef uns wundertätige Medaillen und einen Zettel mit einem Gebet schenkte. Das passiert einem wohl auch so leicht an keinem anderen Ort!
Und nun sind wir, nach sechs Tagen Lourdes sozusagen randvoll aufgeladen mit Segen, weitergereist nach Nordenham. Von dort wird es auch noch allerlei zu berichten geben...
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Gedanken in der Warteschlange zu den Bädern: Das Wasser von Lourdes heilt an und für sich niemanden. Untersuchungen haben gezeigt, dass es normale Trinkwasserqualität hat. Die Heilungen von Lourdes werden nicht durch das Wasser bewirkt, sondern durch den Glauben.
Gleichzeitig und andererseits ist aber schon die Tatsache, dass es diese Quelle gibt, ein Wunder. Als die Heilige Jungfrau bei der 9. Erscheinung am 25. Februar 1858 Bernadette anwies, "von der Quelle zu trinken und sich zu waschen", war an der Stelle, auf die die Jungfrau wies, gar keine Quelle zu sehen, sondern nur ein bisschen feuchte Erde. Aber Bernadette gehorchte, und nachdem sie den Boden mit den Händen ein bisschen aufgegraben hatte, trat mehr und mehr Wasser an die Oberfläche - wodurch kurz darauf die Quelle entdeckt und freigelegt wurde, die noch heute sprudelt.
So gesehen ist die Quelle von Lourdes ein Symbol für einen Glauben, der so unbedingt ist, dass er dazu befähigt, Gott auch dann zu gehorchen, wenn es sinnlos scheint.
Fenster in der Basilika zur Unbefleckten Empfängnis: Die 9. Erscheinung. |
Hinter Glas: Die Quelle in der Grotte Massabielle |
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Dass in Lourdes die Kranken und Behinderten in Allem Vorrang haben, bekam ich auch in den Bädern ganz konkret zu spüren: Kurz bevor ich theoretisch an der Reihe gewesen wäre, wurde ein alter Mann in einem der Lourdes-typischen blauen Rollstühle hereingeschoben - und kam vor mir dran. Er war offenbar körperlich und geistig behindert, und es war ihm augenscheinlich peinlich, sich ausziehen zu lassen - zumal er auch eine Windel trug, die ihm ebenfalls abgenommen und nach dem Bad durch eine frische ersetzt wurde. Angst hatte er wohl obendrein, er weinte und jammerte unartikuliert, und als er ins Wasser getaucht wurde, brüllte er das Ave Maria auf Französisch. Als er wieder herausgeschoben wurde, wirkte er gelöst und zufrieden.
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Übrigens hatte auch ich wohl so etwas wie Angst vor dem Besuch der Bäder, oder jedenfalls einen starken inneren Widerstand dagegen. Aber meine Liebste bestand darauf, das gehöre zu einer Pilgerreise nach Lourdes dazu. Gut von ihr. Oft sind ha die Erfahrungen, vor denen man sich am meisten scheut, am Ende die besten. So auch hier. Ich kann oder mag es nicht näher beschreiben; jedenfalls: Es war toll!
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An unserem letzten Abend in Lourdes gingen wir essen im New Orleans Café ganz in der Nähe des Hotels. Unser Kellner, ein Belgier, war außerordentlich nett und erkundigte sich nach Suses (inzwischen recht unübersehbaren) Schwangerschaft. Bevor wir gingen, rief der Kellner den Küchenchef herbei und machte ihn darauf aufmerksam, dass eine "future maman" anwesend sei - woraufhin der Küchenchef uns wundertätige Medaillen und einen Zettel mit einem Gebet schenkte. Das passiert einem wohl auch so leicht an keinem anderen Ort!
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Und nun sind wir, nach sechs Tagen Lourdes sozusagen randvoll aufgeladen mit Segen, weitergereist nach Nordenham. Von dort wird es auch noch allerlei zu berichten geben...