Donnerstag, 31. Dezember 2015

Lemmy und die Jungfrauengeburt

Lemmy Kilmister, einstiger Bassist der Space-Rock-Gruppe Hawkwind und dann und vor allem Kopf und Herz der Heavy-Metal-Band Motörhead, ist tot. Das musste ja so kommen, könnte man da sagen, oder auch: Eigentlich ein Wunder, dass er überhaupt so alt geworden ist. Immerhin 70 nämlich. Seit 15 Jahren litt er an Diabetes, seit über zweieinhalb Jahren trug er wegen Herzproblemen einen implantierbaren Defibrillator. Geschafft hat ihn schließlich eine erst wenige Tage vor seinem Tod diagnostizierte Krebserkrankung. Die Apotheken-Umschau widmete ihm einen wirklich reizenden Nachruf auf Twitter
"Lemmy Kilmister ist tot. Er hat immer genau das Gegenteil von dem gemacht, was die Apotheken-Umschau empfohlen hat. Dafür liebten wir ihn!" 
In meinem persönlichen Social-Media-Umfeld löste die Nachricht von Lemmys Tod viel Betroffenheit und Trauer aus, andererseits aber auch Reaktionen wie "Jetzt kriegt euch mal wieder ein" oder sogar "Wer ist eigentlich dieser Lemmy, von dem hier alle reden?" 

Nun gut, letztere Frage haben wir oben im Grunde schon geklärt; nicht aber die Frage, warum er so vielen Menschen so viel bedeutet hat, dass sein Tod so intensiv betrauert wurde. Was war das Besondere an Lemmy? Ich glaube, das Beste, was ich tun kann, um dies begreiflich zu machen, ist, aus der eMail eines guten alten Freundes zu zitieren, die ich heute morgen erhielt: 
"Was Lemmy so einzigartig machte, ist, dass er Jenes, was man mit dem etwas pubertären, unangepassten Image von Rock'n'Roll verbindet, auf derartige Weise in sich vereint, dass es fast an Parodie grenzt - wenn es nicht vollkommen echt gewesen wäre.

Es gibt da - in Manchen mehr, in Manchen weniger - etwas, sagen wir mal, Animalisches in uns, das uns auch dann und wann mal richtig auf die Kacke hauen lassen möchte. Alles auf die Kante geben.

Das ist kindisch und natürlich völlig unerwachsen. Unvernünftig. Und überhaupt: Wie sähe das denn aus?

Lemmy hat das gemacht. Ganz echt. In unser aller Namen. Ohne Auftrag (Lemmy braucht keinen fucking Auftrag from bloody nobody), aber mit unserer heimlichen Zustimmung. Hat er das gemacht.

Und wir haben das genossen. Da ist einer, da draußen, der macht das. Der hält die Fahne hoch, und beide - er und die Fahne - werden dabei schmutzig und schäbig und sind schlicht und echt."
Soweit verständlich? Nun ja, sicher für den Einen mehr, den Anderen weniger. Für manch Einen vielleicht auch gar nicht, aber das Schöne ist: Das wäre Lemmy egal gewesen. 

Anlässlich seines Todes kursierten in den Sozialen Netzwerken neben Nachrufen sämtlicher namhafter Presseorgane nicht nur diverse Videos von Hawkwind- und Motörhead-Performances, sondern auch allerlei Lemmy-Zitate, die zumeist Interviews entnommen waren. Beträchtlicher Beliebtheit erfreute sich dabei Lemmys Antwort auf eine Frage des SPIEGEL: "Sind Sie religiös?": 
"Dünne Geschichte, die christliche Religion. Jungfrau wird schwanger von einem Geist, bleibt aber Jungfrau. Sagt zu ihrem Mann, ich bin schwanger, Darling, aber mach dir keine Sorgen, ich bin ja immer noch Jungfrau. Menschen, die sich so benehmen, verdienen es, in einem Stall übernachten zu müssen." 
Nun ja. Seien wir ehrlich: Das hat bestenfalls mittelprächtiges Witzbuchniveau. Aber jemandem, der sein Leben so kompromisslos der Trias Sex, Drugs & Rock'n'Roll geweiht hat, wollen wir mal nicht verübeln, dass er mit dem Konzept der Jungfräulichkeit eher wenig anfangen kann. Zudem kann man sich gut vorstellen, dass er selbst mehr als einmal in einem Stall hat schlafen müssen. Vor allem aber sollte man berücksichtigen, dass die Sache mit der Jungfrauengeburt auch ganz Andere nicht kapieren. Diese eine Pastorin aus Bremen zum Beispiel. 

In meinem vor-vorigen Artikel "Wir schaffen Weihnachten!" hatte ich mich darauf beschränkt, die Ausführungen von Pastorin Isabel Klaus über das Weihnachtsevangelium als "Glaubensmärchen" (sic!) lediglich zu zitieren, ohne näher darauf einzugehen; einerseits, um den Artikel nicht zu sehr ausufern zu lassen (ein bisschen was habe ich eben doch von Klaus Kelle gelernt), andererseits aber auch, weil ich fand, dieser Schwachsinn sei gar nicht kommentarwürdig. Es lohnt sich aber, das Doppel-Interview des Bremer Weser-Kuriers mit der Pastorin der evangelischen Remberti-Kirche und dem russisch-orthodoxen Erzpriester Alexander Bertash in Gänze zu lesen. Es hat durchaus eine gewisse Komik, zu beobachten, wie die beiden Geistlichen im Verlauf des Gesprächs mehr und mehr befremdet voneinander sind. Was meine Einschätzung betrifft, ein Kommentar zu Frau Klaus' Einlassungen erübrige sich, musste ich mich allerdings eines Besseren belehren lassen. Ein geschätzter Freund und regelmäßiger Huhn meets Ei-Leser, seines Zeichens evangelischer Christ, schrieb mir, er könne "nicht verstehen", was ich an der zitierten Aussage "Dabei weiß jedes Kind, dass Maria keine Jungfrau war und der Heilige Geist nicht für ihre Schwangerschaft verantwortlich ist" auszusetzen hätte. Er argumentierte: 
"Die Jungfrauengeburt ist ein typisches Narrativ der Antike, damit wurden besonders herausgehobene Personen noch besonderer gemacht. Im Altertum wurde die Jungfrauengeburt über Alexander den Großen behauptet und über Julius Cäsar [...]. Für die Griechenchristen war das also wichtig.

Die Judenchristen dagegen haben mehr Wert auf die direkte Abstammung von König David gelegt, die ebenfalls im Evangelium steht, aber genauso wenig ernstzunehmen ist wie die Jungfrauengeburt. Auch sie kennzeichnet Jesus als besonderen Menschen.

Die historisch-kritische Forschung weiß das seit langem. Diese Details zu kennen und zu benennen schmälert die Heilsgeschichte Jesu Christi meines Erachtens überhaupt nicht, nimmt aber den Feinden der christlichen Religion, die sich genau an solchen Details immer wieder hochzuziehen, den Wind aus den Segeln." 
Nun finde ich es vom Ansatz her problematisch, zu behaupten, dass die historisch-kritische Forschung etwas "weiß". Wobei, ganz so kann man das wohl nicht sagen. Die historisch-kritische Forschung kann durchaus wissen, dass es Mythen über die jungfräuliche Geburt von Heroen schon in vorchristlicher Zeit in verschiedenen Kulturkreisen gegeben hat. Das ist auch gar keine besonders originelle Erkenntnis; auch Joseph Ratzinger, der heutige emeritierte Papst Benedikt XVI., spricht in seiner "Einführung in das Christentum", S. 257, davon. Daraus aber den Schluss zu ziehen, das frühe Christentum habe die Idee der Jungfrauengeburt aus dem Hellenismus übernommen und auf Jesus Christus übertragen, um dessen göttliche Sendung für ein hellenistisch geprägtes Publikum plausibel zu machen, ist weder "historisch" noch gar "kritisch", sondern schlicht spekulativ. Oder, wie Professor Ratzinger es schon 1968 formulierte, "für den historisch Denkenden ein absurdes Gemälde, auch wenn es heute scharenweise seine Gläubigen findet" (S. 202). - Ich will gar nicht bestreiten, dass die historisch-kritische Methode viel Wertvolles zu einem vertieften Verständnis biblischer Texte beitragen kann (oder könnte); leider sieht sie jedoch ihre Aufgabe nur allzu oft darin, die biblischen Texte zu dekonstruieren, sie ihrer inneren Stimmigkeit und Wahrheit zu berauben. Das passiert, wenn Theologen nicht im Glauben verwurzelt sind, könnte man seufzend oder achselzuckend hinzufügen. Aber es ist nicht nur das. Wenn eine Pastorin Isabel Klaus vollmundig verkündet "Wir [...] wissen, was an dieser Geschichte wahr ist und was nicht", dann ist das, unabhängig davon, wie man zum christlichen Glauben steht, auch aus wissenschaftlicher Perspektive vor allem arrogant und dumm. 

Im weiteren Verlauf der Diskussion verschärfte mein Freund den Ton etwas:
"Die Angst, die theologische Dimension und Tiefe zu verlieren, wenn man nicht an antiken Narrativen und mittelalterlichem Brauchtum festhält, kann ich nicht nachvollziehen. Jesus Christus ist Gottes Sohn und am Kreuz für die Sünden der Menschen gestorben. Durch ihn kommt das Heil in die Welt. Wenn ich daran festhalte, brauche ich keine Jungfrauengeburt und keine Marienwunder, keine Männer in bunten Gewändern und keinen Weihrauch in der Kirche, der zu früheren Zeiten verwendet wurde, um den Gestank zu überdecken. Solus Christus, sola fide, sola scriptura - mehr braucht es nicht, und was es nicht braucht, ist in Glaubensdingen schädlich." 
Nun gut - die Polemik gegen bestimmte, als "mittelalterliche[s] Brauchtum" belächelte Charakteristika des Römischen Ritus lasse ich meinem evangelischen Freund durchgehen, auch wenn ich sie in diesem Kontext etwas deplatziert finde. Viel entscheidender finde ich es an dieser Stelle, dass die Frage, ob der Glaube an die Jungfrauengeburt notwendig sei, völlig an der Frage vorbeigeht, ob er wahr ist. Um nochmals Professor Ratzinger zu zitieren: 
"Es sollte eigentlich keiner eigenen Erwähnung bedürfen, dass all diese Aussagen [über die Jungfrauengeburt] Bedeutung nur haben unter der Voraussetzung, dass das Geschehen sich wirklich zugetragen hat, dessen Sinn ans Licht zu heben sie sich mühen. Sie sind Deutung eines Ereignisses; nimmt man dies weg, so werden sie zu leerem Gerede, das man dann nicht nur als unernst, sondern auch als unehrlich bezeichnen müsste." (S. 262) 
Dass es die jungfräuliche Geburt nicht bräuchte, um Jesus Christus als den Sohn Gottes zu legitimieren, räumt auch Professor Ratzinger ein (vgl. S. 258). Wenn es Gott aber nun einmal gefallen hat, Seinen Sohn auf diese Weise zur Welt kommen zu lassen - als "Neuschöpfung" (ebd.), "nicht aus dem Eigenen der Menschheit kommend, sondern aus Gottes Geist" (S. 262) -, dann kann man alle Einwände dagegen im Grunde nur noch mit den Worten Jesu an Simon Petrus aus Johannes 21,22 beantworten: "Was geht's dich an?" 

Und warum bereitet von allen christlichen Glaubensaussagen gerade die Jungfrauengeburt dem modernen Menschen solche Schwierigkeiten, ja, solches Unbehagen? Weil sie biologisch gesehen unmöglich ist? - Ich will mich hier gar nicht damit aufhalten, darüber zu debattieren, ob die Naturwissenschaft Recht hat mit der Annahme, dass Parthenogenese beim Menschen, anders als bei manchen Tier- und Pflanzenarten, beim Menschen nicht möglich sei bzw. dass durch Parthenogenese lediglich ein genetischer Klon der Mutter, nicht aber ein andersgeschlechtliches Kind entstehen könne. Sagen wir getrost: Der Sinn, die Bedeutung der jungfräulichen Geburt erschließt sich nur, wenn man sie nicht als natürliches, sondern als übernatürliches Ereignis versteht - als Wunder. (Vgl. Ratzinger, S. 260: "Es kann einen freilich etwas betrübt stimmen, dass man eigens sagen muss, dass die Ebene der Metaphysik nicht diejenige der Biologie ist.") Ohne den Glauben an Übernatürliches, an Wunder aber wird der christliche Glaube rissig bis ins Fundament hinein. Mein evangelischer Freund bekennt sich ausdrücklich dazu, dass "Jesus Christus [...] Gottes Sohn und am Kreuz für die Sünden der Menschen gestorben" sei: "Durch ihn kommt das Heil in die Welt." Wer im Stande ist, das zu glauben - sollte der nicht auch glauben können, dass "durch Gottes ew'gen Rat" - wie es im Weihnachtslied "Es ist ein Ros entsprungen" heißt - eine Jungfrau ein Kind gebären konnte? Interessant auch, dass mein Freund sich im gleichen Atemzug, in dem er ein durch zwei Evangelien explizit bezeugtes Ereignis leugnet, auf den urprotestantischen Grundsatz sola scriptura beruft. Wenn man alle diejenigen Aussagen der Bibel verwirft, an die man "als aufgeklärter Mensch" nicht glauben zu können meint - was bleibt dann vom sola-scriptura-Prinzip noch übrig? - Schlag nach bei Thomas Jefferson.

Was aber machen wir mit dem Argument, Glaubenssätze wie jener von der Jungfrauengeburt machten es "den Feinden der christlichen Religion" allzu leicht, den christlichen Glauben als naiv, versponnen und vernunftwidrig zu verlachen? Das oben zitierte SPIEGEL-Interview unseres Freundes Lemmy scheint ja in der Tat ein schlagender Beleg für diese These zu sein. Doch selbst ganz abgesehen davon, dass solche Erwägungen kein allzu großes Gewicht haben können bzw. dürfen, wenn man davon ausgeht, dass dieser Glaubenssatz schlicht wahr ist: Das Phänomen, dass Christen für ihren Glauben verlacht und für dumm gehalten werden, ist so alt wie das Christentum selbst. Deshalb Glaubenssätze aufzugeben, um bei der nichtgläubigen Welt weniger Anstoß zu erregen, widerspräche jedoch allem, was Jesus Christus selbst und Seine Apostel gelehrt haben. "Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat", erinnert Jesus Seine Jünger in Johannes 15,18, und in Matthäus 11,25 betet Er: "Ich preise Dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil Du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast". Im 1. Brief an die Korinther (1,23) sagt der Apostel Paulus von dem zentralen christlichen Glaubenssatz, der Erlösung der Menschen durch den Kreuzestod Christi, dieser sei "für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit"; und im selben Brief (4,10) sagt er über sich und die anderen Apostel: "Wir stehen als Toren da um Christi willen".

Lemmy, das alte Rock'n'Roll-Kampfschwein, hat, wie wir oben gesehen haben, zeitlebens nie zu den "Weisen und Klugen" gehört; dennoch spiegelt seine flapsige Bemerkung über die Jungfrauengeburt das wider, was die "Weisen und Klugen", die modernen Theologen nämlich, aus diesem Glaubenssatz gemacht haben. Nichts gibt einen Glaubensinhalt mehr der Lächerlichkeit preis, als wenn selbst die Theologen ihn nicht mehr für wert halten, ernst genommen zu werden - wenn sie so lange an ihm heruminterpretieren und ihn zu "minimalisieren", "ins Symbolische ab[zu]schieben" suchen (Ratzinger, S. 257), bis nur noch eine Karikatur von ihm übrig bleibt - eine Vogelscheuche, die beim ersten Windstoß umkippt. Schon im 1968 verfassten Vorwort seiner Einführung in das Christentum (S. 27f.) verglich der spätere Papst Benedikt XVI. "die theologische Bewegung des letzten Jahrzehnts" mit der "alte[n] Geschichte vom 'Hans im Glück'":
"Hat unsere Theologie in den letzten Jahren sich nicht vielfach auf einen ähnlichen Weg begeben? Hat sie nicht den Anspruch des Glaubens, den man allzu drückend empfand, stufenweise herunterinterpretiert, immer nur so wenig, dass nichts Wichtiges verloren schien, und doch immer so viel, dass man bald darauf den nächsten Schritt wagen konnte? Und wird der arme Hans, der Christ, der vertrauensvoll sich von Tausch zu Tausch, von Interpretation zu Interpretation führen ließ, nicht wirklich bald statt des Goldes, mit dem er begann, nur noch einen Schleifstein in Händen halten, den wegzuwerfen man ihm getrost zuraten darf?" (ebd.)
Und diese Geschichte passt ja, finde ich, irgendwie ganz gut zu Lemmy. Das Leben so leben, dass von dem Goldklumpen, den man einmal besessen hat, am Ende nur ein Schleifstein übrig bleibt - und den dann auch noch wegzuwerfen - das ist Rock'n'Roll.

Rock on, Lemmy. Und möge die Allerseligste Jungfrau dich behüten.


 


Dienstag, 29. Dezember 2015

Der Tropeneiland-Skeptiker

Irgendwann im Laufe der Adventszeit stellte meine Liebste fest, sie habe bis zum Ende des Jahres noch "Geld zum Verballhornen" übrig. Eigentlich meinte sie "Verballern", aber die Formulierung "Geld verballhornen" gefiel mir irgendwie. Und erst recht gefiel es mir, dass sie dieses Geld dafür zu verwenden beabsichtigte, zwischen Weihnachten und Silvester zusammen mit mir "was Schönes" zu unternehmen. 

Auch als sie schließlich auf die Idee verfiel, auf www.ueberteuerte-poebelbespassung.de zwei Tagestickets für das Tropeneiland, ein Freizeit-Resort in der Brandenburgischen Steppe irgendwo zwischen Königs Wusterhausen und Lübbenau, zu buchen, bemühte ich mich zunächst, das für eine gute Idee zu halten. Zwar habe ich, der ich in einem Badeort aufgewachsen bin, eine bis zum körperlichen Ekel reichende Aversion gegen jedwede Erscheinungsform von Massentourismus und betrachte den Begriff "Spaßbad" als einen Widerspruch in sich; zudem wird mein innerer Waldschrat in der Advents- und Weihnachtszeit ohnehin regelmäßig von Jahresend-Misanthropie befallen und möchte sich am liebsten irgendwo verkriechen, bis der ganze Trubel vorbei ist. Aber andererseits sagte ich mir: Hey, ein Indoor-Regenwald in der Brandenburgischen Steppe, das ist so skurril, das muss man doch mal erlebt haben! Und außerdem, wenn mein Schatz bei mir ist, kann es ja nur gut werden. 

Aber je näher der 28. Dezember - der Tag der unschuldigen Kinder, ausgerechnet - rückte, umso mehr nahm meine Skepsis zu. Was wohl auch dadurch noch verstärkt wurde, dass ich - erstmals die Weihnachtstage nicht im beschaulichen Nordenham verbringend - vom frühen Nachmittag des 24. bis zum Abend des 27. Dezember einen wahren Marathon aus Essenseinladungen, Gesellschaftsspielen und Kirchgängen zu absolvieren hatte und dabei kaum mal eine Stunde am Stück Zeit hatte, meinen inneren Waldschrat zu päppeln. Man verstehe mich nicht falsch: Das Essen war gut, die Geselligkeit fröhlich und die Gottesdienste erbaulich - es war eigentlich alles total schön. Nur einfach zu viel von allem. 

Aber das half nun alles nichts. In aller Frühe brachen wir auf, ausgestattet mit zahlreichen Handtüchern, Badekleidung, Duschgel, Schreibzeug, etwas Lesestoff (darunter das Johannesevangelium auf Plattdeutsch - ein Weihnachtsgeschenk meines Managers - und die Enzyklika Deus caritas est) und Kisten voller buntem Tand für die Eingeborenen. Bargeld hatte ich keins dabei, aber meine Liebste zählte in der S-Bahn ihr Geld und erklärte, das reiche für ein Frühstück am Gesundbrunnen und einige Extras im Tropeneiland, die nicht im Eintrittspreis enthalten wären. "Und ansonsten kann man da bestimmt auch mit Karte zahlen." 
"Wie, Karte? Ich dachte, man besticht die Eingeborenen einfach mit ein paar Glasperlen, Messerklingen und Angelsehnen, und schon bringen sie einem die Früchte des Landes." 
"In dem letzten Freizeitpark dieser Art, in dem ich war, sprachen die Eingeborenen alle sächsisch." 

Nun ja. Trotz dieses leichten Rückschlags in Sachen Erwartungshaltung spekulierte ich darüber, was für nicht im Eintrittspreis enthaltene Extras das Tropeneiland wohl so zu bieten haben würde. "Da kann man sich bestimmt schön von den Eingeborenen mit einer Wurzelbürste den Rücken schrubben lassen", meinte ich, doch meine Liebste entgegnete: "Ich glaube nicht. Und wenn doch, dann heißt es: Wurzelbürste ausleihen 15 Euro, Rücken schrubben lassen 50 Euro." Ach, die Welt ist einfach nicht mehr das, was sie mal war. 

Am Gesundbrunnen, wo wir uns ein mobiles Frühstück am Backwarenkiosk besorgt hatten und in die Regionalbahn umsteigen wollten, stellte sich heraus, dass die Bahnverbindung, die meine Liebste mit Hilfe einer Apple-App ermittelt hatte, veraltet war: Der Zug fuhr gar nicht über Gesundbrunnen. Stattdessen fuhr er etwa zeitgleich am Bahnhof Friedrichstraße ab, und folglich hatten wir ihn, als wir dies herausfanden, bereits verpasst. Glück gehabt, dachte mein innerer Waldschrat: Schon mal eine Stunde gewonnen, die wir nicht im Tropeneiland verbringen müssen. Wir fuhren also mit der S-Bahn zur Friedrichstraße, kauften uns frischen Kaffee zu unseren Backwaren und nahmen dann die nächste Regionalbahn, die in die gewünschte Richtung fuhr. Meinem inneren Waldschrat ging es derweil gut: Regionalbahn fahren mag er nämlich. Und Kaffee sowieso. 

Vom Zielbahnhof brachte uns ein Shuttle-Bus zum Tropeneiland, und in diesem Bus hingen Monitore, auf denen ein Werbevideo lief. Lauter hübsche, wohlproportionierte Menschen, fröhlich lachend, selbst dann, wenn sie von herumtollenden Kindern angerempelt werden. "Wenn das das Tolle an diesem Tropeneiland sein soll", murrte ich, "dann will ich lieber nicht wissen, was es da nicht so Tolles gibt." Als bemerkenswert muss ich allerdings hervorheben, dass sich das Tropeneiland in einer Halle befindet, die 1999/2000 von der wenige Jahre später spektakulär gescheiterten Cargolifter AG als Luftschiffhangar gebaut worden war; nach Angaben der Betreiber ist es die größte freitragende Halle der Welt, was eigentlich Scharen von Architekturnerds anziehen müsste. Ja, man sollte eigentlich annehmen, dass tagtäglich ganze Busladungen von Architekturnerds mit Reisebussen der Firma architekturnerd-reisen.com hier angekarrt würden. Aber danach sieht es nicht wirklich aus. Vermutlich verfluchen die Architekturnerds den Tag, an dem ausgerechnet ein Spaßbad in diese phantastische Halle gebaut wurde. 

Auch lustig fand ich es, dass unsere Online-Tickets zwar theoretisch ein ganzes Jahr lang gültig waren, eine Einlassgarantie jedoch nur für den ersten Gültigkeitstag bis 11 Uhr vormittags galt. Theoretisch könnte man also, wenn man es bis zu diesem Zeitpunkt nicht schaffte, an jedem weiteren Tag des Jahres am Einlass abgewiesen werden. Nun, wir erreichten die Klimaschleuse am Eingang der Halle wenige Minuten vor 11 Uhr und die Kasse, an der wir unsere Tickets vorlegen mussten und dafür Armbänder mit einem RFID-Chip bekamen, wenige Minuten nach 11 Uhr, aber ehrlich gesagt besteht wohl lediglich eine theoretische Möglichkeit, am Einlass abgewiesen zu werden. Die schiere Masse an Besuchern, die sich mit uns in die Halle, zu den Kassen und dann zu den Umkleidekabinen wälzte, gab mir unwillkürlich die Frage ein: Wie voll ist zu voll? Wenn das Tropeneiland jetzt noch nicht als überfüllt angesehen wurde, dann wollte ich mir nicht einmal vorstellen, wie es da drin aussehen müsste, damit der Einlass wegen Überfüllung geschlossen würde. 

Kurz und gut, immerhin in puncto von Kindern angerempelt werden hatte das Werbevideo nicht zuviel versprochen. Davon abgesehen waren in den diversen Szenen des Videos jedoch nur etwa 5% der Menge an Besuchern zu sehen gewesen, die man hier in Wirklichkeit in jedem Augenblick in seinem jeweiligen Sichtfeld hatte. Ich sag mal so: Wäre das Tropeneiland tatsächlich nur von so wenigen Menschen besucht gewesen wie im Video, dann hätte ich immer noch nicht gewusst, warum ich für dieses "Vergnügen" horrend viel Geld hätte ausgeben sollen, aber es wäre immerhin erträglich gewesen. 


Nachdem ich bereits im Unkleidekabinenbereich, veranlasst durch urplötzlich aufsteigende unschöne Erinnerungen an den schulischen Schwimmunterricht, beinahe einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte, verspürte ich - sagte ich bereits, dass ich in einem Badeort aufgewachsen bin? - einen massiven Unwillen, in ein Schwimmbecken zu steigen, das von derart vielen Menschen bevölkert war. Meine Liebste ließ sich nicht verdrießen und ging schwimmen, und ich setzte mich derweil auf einen Korbstuhl auf der (erstaunlich wenig bevölkerten) Terrasse des an den Badebereich angrenzenden Restaurants und ließ meinen Blick durch die Gegend schweifen. U.a. sah ich eine dickliche, als Ananas verkleidete Frau, die mit starkem polnischen Akzent auf einer kleinen Bühne das im weiteren Verlauf des Tages anstehende Showprogramm ankündigte. Und dann folgte auf ebendieser Bühne ein Aerobic-Kurs für das anwesende Adipösiat, untermalt von dröhnendem Billig-Techno. Da konnte man ja nur ins Wasser gehen. 

Ein bisschen Schwimmen verbesserte meine Laune erstaunlicherweise beträchtlich, und danach nahmen meine Liebste und ich gemeinsam auf der Restaurantterrasse Platz. "Wie wäre es mit einem überteuerten Mittagessen?", schlug ich vor. Wir studierten die Speisekarte. "Spare Ribs werde ich nie verstehen", merkte ich an. "Man zahlt teures Geld, nur um Knochen abnagen zu dürfen." Also bestellten wir Steak. Das heißt, wir versuchten zu bestellen. Man muss wissen: Das Restaurantpersonal des Tropeneilands wird in Berliner Craft-Beer-Kneipen in der hohen Kunst des Gäste-Ignorierens ausgebildet, bevor es hier anfangen darf. Optional wird auch noch ein Aufbaukurs in Adipositas angeschlossen. Nun ja, irgendwann gelang es uns schließlich doch, etwas zu essen zu bekommen. "Man kann mit seinen tollen Armbändern bezahlen", hatte ich inzwischen beobachtet. "Das rächt sich dann beim Rausgehen." 

Obwohl meine Liebste unerschütterlich gute Laune verbreitete, zeigte sie glücklicherweise Verständnis für meine erheblich weniger euphorische Einstellung. "Ein bisschen ist es hier ja wie in der Truman Show", merkte sie mit Blick auf die zwischen den Kulissen der Badewelt hervorlugenden Wände der Halle an. "Es fehlt nur das Segelboot, mit dem er gegen die Wand fährt." - Nach dem Essen beschlossen wir, uns erst einmal den Indoor-Regenwald anzusehen - der tragikomischerweise sogar mit Infotafeln ausgestattet war, als glaubten die Betreiber ernsthaft, sie hätten einen Bildungsauftrag. Ein buntes Huhn - wie spätere Recherchen ergaben, eigentlich ein Goldfasan - lief uns über den Weg und lockte uns tiefer in den Wald hinein. Dort wäre es beinahe idyllisch gewesen, nur dass man den Pöbel aus der Badeanstalt bis hier hinauf hören konnte. Die meisten exotischen Tiere, die man in diesem künstlich bewässerten Regenwald zu sehen bekam, waren nur Skulpturen - etwa ein Jaguar, ganz schnauzig und schnüffelig wie in der Geschichte Der Anfang der Gürteltiere von Rudyard Kipling, wo Bunter Jaguar, den seine Mami Doffels nennt, herausfinden will, wer Igel und wer Schildkröte ist, weil seine Mami gesagt hat, wenn er einen Igel finde, müsse er ihn ins Wasser werfen, damit er sich entrollt; wenn es aber eine Schildkröte sei, könne er sie mit der Pfote aus der Schale löffeln. Aber natürlich tricksen Igel und Schildkröte ihn aus, sodass Bunter Jaguar gar nichts zu essen bekommt und klagt: "Ich glaub, wir sollten uns lieber nach ner neuen Bleibe umsehen. Am trüben Amazonas sind alle zu schlau für mich armes Kerlchen!" Schildkröten gab es hier immerhin auch in echt, dazu verschiedene, zum Teil erstaunlich riesige Fische und ein Rudel Flamingos, die mit stoischer Gelassenheit vor sich hin staksten und dabei sehr elegant aussahen. 

Nach der Wanderung durch den Regenwald ging es in den Saunabereich, und zu guter Letzt fläzten wir uns auf zwei Liegestühle auf dem Balkon der Salasaca-Baumsauna, wo man noch immer den Pöbel aus der Badeanstalt hören konnte, gleichzeitig aber einen schönen Ausblick über die Anlage hatte. Wir sahen zu, wie andere Pärchen in einem Heißluftballon bis zur Decke der Halle aufstiegen, also bis in eine Höhe von mindestens, wenn nicht noch mehr Metern. An der Decke hing allen Ernstes eine Diskokugel. Das ließ für das abendliche Showprogramm nichts Gutes erwarten. -- Sobald draußen das Tageslicht zu schwinden begann, zauberte die Diskokugel tatsächlich unzählige kleine Lichtpunkte an die Hallendecke, die sich allerdings nicht bewegten. Vermutlich sollten sie einen Sternenhimmel simulieren. An der Decke einer Industriehalle, ganz toll. "So richtig Hogwarts ist das aber nicht", raunte ich meiner Liebsten zu. 

"Eigentlich ist es wirklich schade", sinnierte meine Liebste, "dass sie diesen künstlichen Regenwald unbedingt mit einem Spaßbad kombinieren mussten. Aber anders ließe sich das wohl nicht finanzieren. Sonst hätte man hier ein tolles Aufzuchtprojekt für Orang-Utans einrichten können, mit Auswilderungsprogramm." Mein innerer Waldschrat nickte bedächtig. Der Orang-Utan als solcher ist letztlich ja auch eine Art Waldschrat. -- Nicht lange darauf drang seichte Diskomusik an unser Ohr, die wohl das Abendprogramm ankündigen sollte. "Das sind die Paarungstänze der sächsisch sprechenden Eingeborenen", meinte meine Liebste, und ich erwiderte: "Da fassen sich die Orang-Utans doch an den Kopf!" Und nicht nur die. Wir beschlossen, dass es Zeit sei, den Rückzug anzutreten. Fünf Stunden hatten wir im Tropeneiland verbracht. Ich würde das als ausreichend bezeichnen. Auf jeden Fall habe ich dabei gelernt, wie solche Freizeit-Resorts funktionieren. Ihr Geschäftsprinzip basiert darauf, dass die Besucher alles mitnehmen, was man da so machen kann (und was natürlich alles extra kostet), nur um sich von dem Grauen um sie herum abzulenken. Wären wir länger geblieben, hätte das vermutlich unverantwortliche Mengen sehr, sehr starker Cocktails beinhaltet. Für den Besucher besteht der Reiz dieser Erfahrung nicht zuletzt darin, dass er sich hinterher wieder auf das normale, alltägliche Leben freut. Buchen also auch Sie noch heute Ihr Ticket auf www.ueberteuerte-poebelbespassung.de


P.S.: 
In Wirklichkeit war es gar nicht so übel im Tropeneiland. Das Essen war gut, und dank der unverwüstlichen "Frechheit siegt"-Einstellung meiner Liebsten konnten wir sogar in einem Teil des Restaurants essen, wo zu dieser Zeit eigentlich nicht bedient wurde (und es infolgedessen vergleichsweise ruhig war). Der Saunabereich war sogar richtig klasse. Meine Liebste und ich hatten viel Spaß, und ein lustiger Blogartikel ist bei alledem auch noch rausgekommen. Insofern kann ich abschließend mit voller Überzeugung einen Satz sagen, von dem es anfangs ganz und gar nicht absehbar war, dass ich ihn würde sagen und auch so meinen können: 

Danke für diesen schönen Tag. 


Wir schaffen Weihnachten!

Nein, man hat es nicht leicht an Weihnachten, so als Christ. Allzu Viele scheint es zu geben, die einem die Feier der Geburt des Herrn schlicht nicht gönnen wollen. Die das Fest entweder für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren möchten oder es lieber gleich ganz im Orkus der Geschichte verschwinden sähen, mitsamt dem ganzen Christentum. So tischt beispielsweise Deutschlands meistes Nachrichtenmagazin, der SPIEGEL, seinen Lesern alle Jahre wieder just zur Weihnachtszeit ein Titelthema auf, mit dem Gott, Christus, die christlichen Kirchen und/oder Religion ganz allgemein geschmäht werden. Es lohnt sich nicht, sich darüber aufzuregen. Die werden nicht damit aufhören. Solange, bis sie eines Tages der Blitz auf dem Lokus trifft. 

Hinter solcher Chuzpe will natürlich auch das Berliner Stadtmagazin zitty - einst stolze Lifestyle-Bibel für in der bürgerlichen Mitte angekommene Ex-Alternative, ein veritabler Papierberg in Hochglanzeinband, neuerdings aber geschrumpft zum schmalen Wochenblatt auf Recyclingpapier - in seiner Weihnachtsausgabe nicht zurückstehen. Den doppelseitigen Cartoon "Weihnachten ist am vierundzwanzigsten Dezember" von Hannes Richert, in dem es heißt, Weihnachten sei vor allem deshalb "das geilste christliche Fest", weil es da die besten "Spezialsüßigkeiten" gebe und man sich außerdem den Termin leichter merken könne als im Fall von Ostern und Pfingsten, kann man mit etwas gutem Willen zur Ironie noch schmunzelnd goutieren, womöglich gar als sarkastischen Kontrapunkt zur lifestyligen Titelstory des Hefts, "Hiergeblieben!" ("Absackerbars, reichlich Theater und in Ruhe tanzen: Warum Berlin in den Feiertagen am schönsten ist", S. 14-19) auffassen. Einen unerwarteten Tiefschlag versetzt die zitty der Christenheit jedoch in ihrem Artikel "Mythos Tegel" (S. 28f.): Zu den sechs Argumenten, die das Blatt dafür nennt, dass der Westberliner Flughafen einzigartig, unverzichtbar und erhaltenswert sei, zählt, man lese und staune, der Umstand, dass er keinen Gebetsraum hat. Warum ist das gut? Tja, weil: "Zu oft genießen Religionen noch immer allerlei Sonderrechte - in Deutschland darf die katholische Kirche millionenfach Steuern erheben" - seit wann eigentlich nur die katholische? Hab ich was verpasst? Egal:
"In Tegel dagegen gibt es keine Sonderbehandlung für die Konfessionen. Hier findet man nämlich nirgends eine Kapelle oder sonstige Sakralräume [...]. Das ist fortschrittlich und aufgeklärt. Religion bleibt eine Privatsache. Wer vor dem Bordgang ein Stoßgebet losschicken will, um die Flugangst zu vertreiben, muss dies in aller Stille im Wartesaal tun." 
So so, hm hm. Zwar spricht zugegebenermaßen Einiges dafür, dass der gesamte Tegel-Artikel ironisch zu verstehen ist. Leider traue ich es der zitty aber zu, dass just dieses Detail ernst gemeint ist: dass es tatsächlich als "fortschrittlich und aufgeklärt" angesehen wird, Gläubigen aller Bekenntnisse die Ausübung ihrer Religion zu erschweren. Seh'n se, det is Berlin

Angesichts eines solchen Verständnisses von Fortschritt und Aufklärung blickt die zitty-Redaktion vermutlich scheelen Auges nach Somalia, wo Weihnachten heuer kurzerhand verboten wurde. "Wir sind ein muslimisches Land", erklärte der Minister für religiöse Angelegenheiten, Sheik Mohamed Kheyroow. "Und es gibt null Toleranz für solche unislamischen Feiern in unserem Land." Ähnlich aufgeklärt und fortschrittlich geht es im kleinen, aber reichen Sultanat Brunei auf der Insel Borneo zu: Dort dürfen Christen nur in geschlossenen Räumen und nur mit behördlicher Genehmigung Weihnachten feiern, Muslimen ist die Teilnahme an diesen Feiern strikt untersagt. Öffentliches Aufstellen von Weihnachtsbäumen, das Tragen von Weihnachtsmannmützen oder das mündliche oder schriftliche Übermitteln von Weihnachtsgrüßen kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. 

Verglichen damit haben wir es hierzulande ja noch richtig gut. Andererseits: Wozu braucht das Christentum Feinde, wenn es die Evangelische Kirche hat? Die leistet sich zum Beispiel Geistliche wie Isabel Klaus, Pastorin an der Bremer Remberti-Kirche, die sich in einem Interview mit dem Weser-Kurier nicht entblödet zu erklären:
"Wir lesen im Gottesdienst die Weihnachtsgeschichte. Dabei weiß jedes Kind, dass Maria keine Jungfrau war und der Heilige Geist nicht für ihre Schwangerschaft verantwortlich ist. Die Weihnachtsgeschichte hat so nicht stattgefunden. Und trotzdem ist sie das große Glaubensmärchen, das seit Jahrhunderten einen hohen Stellenwert im Christentum hat. Aber die Leute wollen eben nicht veräppelt werden. Wir haben die Aufklärung hinter uns und wissen, was an dieser Geschichte wahr ist und was nicht." 
Noch etwas weiter nördlich, im Kirchenkreis Wesermarsch, gibt es den Kreisjugenddiakon Hauke Bruns, der jüngst mit der Nordwest-Zeitung über die "Magie [!] von Weihnachten" sprach. Was für eine Magie? Na ja: "Das große Staunen, das Hoffen und Bangen, ob man das Geschenk bekommt, was man sich wünscht, und das Sich-Überraschen-Lassen, das Nicht-Erwarten-Können". Ach so. Auf die anscheinend etwas irritierte Nachfrage des NWZ-Journalisten, "Verbinden Kinder und Jugendliche mit Weihnachten mehr als nur Geschenke?", räumt Hauke Bruns ein:
"Meine Kinder wissen aus Kindergarten, Schule und Gottesdiensten, dass an Weihnachten Jesus geboren worden ist. Ob sie damit auch den Erlöser der Welt und den Friedensbringer stets vor Augen haben, weiß ich nicht". 
Klar, woher soll er das auch wissen - er ist ja nur der Vater. Und Kreisjugenddiakon in der Evangelischen Kirche.

Aber okay. Wenn Kirchenvertreter schon selber nicht mehr wissen, worum es an Weihnachten geht, ist es nur umso besser, wenn sie von Außenstehenden daran erinnert werden. Beispielsweise von Kabarettisten, Comedians und Linke-Politikern (die Grenzen zwischen diesen Personengruppen mögen fließend sein). Schon mindestens seit Anfang November verbreitete sich ein Spruch in den Sozialen Netzwerken, der mit diversen Variationen ungefähr so ging:
"In den nächsten Wochen feiert das christliche Abendland einen ungarisch-römischen Soldaten (11.11., Heiliger Martin), einen türkischen Bischof (6.12., Heiliger Nikolaus), einen aramäischen Wanderprediger (24.12., Jesus), ein paar jüdische Hirten (25.12.) und drei persisch-arabische Sterndeuter (6.1., Heilige Drei Könige).
Man stelle sich vor, die würden als Gruppe im Advent versuchen, montags in Dresden über den Weihnachtsmarkt zu laufen." 

An der hier offenbar beabsichtigten Aussage, manch Einer, der für sich in Anspruch nimmt, das "christliche Abendland" zu verteidigen ("montags in Dresden" spielt selbstverständlich auf PEGIDA an), ist von Fall zu Fall sicher was Wahres dran. Dabei wirkt es dann allerdings etwas tragikomisch, dass an dieser Aufzählung so gut wie alles falsch ist - so pedantisch und humorlos es auch anmuten mag, darauf hinzuweisen und es im Einzelnen zu belegen. Spätestens als kirchliche Stellen, beispielsweise die Social-Media-Redaktionen mehrerer katholischer Bistümer, den Spruch übernahmen, konnte oder musste man jedoch anfangen sich zu fragen, ob da nicht vielleicht ein paar Leutchen sitzen, die in Jesus Christus mehr sehen als irgendeinen "aramäischen Wanderprediger". Und wenn nein, warum nicht. Richtig peinlich wurde es, als der "unkonventionelle" katholische Pfarrer Rainer Maria Schießler aus München den Spruch Ende November beim "Sonntags-Stammtisch" im Bayerischen Fernsehen zitierte und dafür u.a. von katholisch.de abgefeiert wurde, als sei er der Urheber dieser fragwürdigen Weisheit. Eine adäquate Antwort auf den Hype fand Catholicism Wow
"Am 25. Dezember feiern wir die Geburt eines radikalen jüdischen Wanderpredigers, der mit einer Geißel gegen religiös verbrämte Geldmacherei vorgegangen ist. Man stelle sich vor, der käme heute nach Bonn." 
Aber ach, im Großen und Ganzen glich der Versuch, der nun nicht gerade neuen Tendenz zur Politisierung der christlichen Weihnachtsbotschaft zu widersprechen, in diesem Jahr dem Versuch, mit einer Muschel den Ozean auszuschöpfen. Allüberall wurde man belehrt, das Weihnachtsevangelium erzähle von einer "Flüchtlingsfamilie aus dem Nahen Osten"; und die Kirchen machten da kräftig mit. Nun finde ich es zwar grundsätzlich völlig richtig, darauf hinzuweisen, dass das christliche Gebot der Nächstenliebe verlange, Notleidenden zu helfen, was selbstverständlich auch und nicht zuletzt für Flüchtlinge gilt. Aber sollte es nicht möglich sein, diese Aussage 'rüberzubringen, ohne dafür die Weihnachtsgeschichte zu verballhornen und die heilsgeschichtliche Dimension der Geburt Jesu Christi auszublenden? 

Vor diesem Hintergrund war ich beinahe angespannt, als in der Christmette in der Dominikanerkirche St. Paulus in Berlin-Moabit der Zelebrant, Pater Michael, in seiner Predigt die Worte "in der Herberge war kein Platz für sie" aus dem Weihnachtsevangelium nach Lukas (2,7) als "elementar" hervorhob. Pater Michael wollte aber auf etwas Anderes hinaus als das scheinbar Offensichtliche: Er zog eine Parallele zu einem Vers aus dem Prolog des Johannesevangeliums - "Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf" (Joh 1,11) - und stellte die Frage in den Raum: "Haben wir in unserem Leben Platz für Gott?" Meine Liebste, die mit mir in dieser Christmette war, hat bereits gestern Abend über die Predigt gebloggt, und ich bin mal so frei, den Kernabschnitt ihres Artikels zu zitieren: 
"Bevor wir anfangen, Josef und Maria als Obdachlose oder als Flüchtlinge zu imaginieren, sollten wir lernen, das Gleichnis zu lesen, das Gott uns mitteilt, indem er Maria seinen Sohn nach erfolgloser Herbergssuche in einem Stall zur Welt bringen und in eine Krippe legen lässt.
Gott will zu uns kommen, zu jedem einzelnen. Und auch, wenn wir uns ihm nicht öffnen, hört er nicht auf, nach uns zu fragen.
Die Herberge aber, die er in der Welt haben will, die einzige, die er wirklich sucht, ist unser Herz.
Dies ist auch heute aktuell und hat nichts von seiner Wichtigkeit verloren." 
Besser könnt' ich's nicht sagen! - Tags darauf gingen wir in Herz Jesu in Prenzlauer Berg zur Messe, und auch da war's schön und feierlich; Abzüge in der B-Note gibt's jedoch für die Fürbitten. Zur Erläuterung für Nicht-Kenner der katholischen Liturgie: Die Fürbitten, auch Allgemeines Gebet genannt, bilden nach der Predigt und (an Sonntagen und Hochfesten) dem Credo den Abschluss des Wortgottesdienstes, bevor dann mit der Gabenbereitung die Eucharistiefeier eingeleitet wird. Dieses Allgemeine Gebet gehört zu den Teilen der Liturgie, die relativ frei gestaltet werden können, allerdings gibt es durchaus so etwas wie ein gängiges und bewährtes Schema. Üblich sind ungefähr fünf Fürbitten pro Gottesdienst, wobei die letzte in der Regel den Verstorbenen gewidmet ist; ansonsten wird gewöhnlich für die Kirche, für die Gläubigen, für die Welt sowie für Kranke und Leidende gebetet. Da all dies allerdings auch im Eucharistischen Hochgebet angesprochen wird, spräche im Prinzip auch nicht zwingend etwas dagegen, das Allgemeine Gebet einfach wegzulassen, aber das wird kaum gemacht, zumal es eine gute Gelegenheit bietet, die Laien aktiv in die Liturgie einzubeziehen. Nicht unüblich ist es, eine Fürbitte einem aktuellen Anlass des Weltgeschehens zu widmen; auch Fürbitten für die Regierenden und "alle, die Verantwortung tragen" sind nicht selten. In dieser Weihnachtsmesse in Herz Jesu jedoch waren alle Fürbitten politisch und bezogen sich mehr oder weniger explizit auf die Flüchtlingskrise. Das war ein bisschen viel des Guten. Zudem waren die Fürbitten so gestaltet, dass jeweils ein Detail der Krippenerzählung nach Lukas 2 allegorisch auf die politische Lage bezogen wurde. Besonders die zweite Fürbitte ist bei mir hängen geblieben: 
"Das Jesuskind wurde in eine Krippe gelegt. Herr, gib auch uns immer wieder die Kraft und Kreativität, um die Flüchtlinge mit allem zu versorgen, was sie brauchen." 
Krippe, Kraft, Kreativität - unser alltäglich Alliteration gib uns heute, o Herr. 

Noch einmal: Dass die Kirche sich für Flüchtlinge einsetzt und die Gläubigen dazu anhält, das ebenfalls zu tun, ist richtig und gut. Rückt dieses Thema jedoch so sehr in den Vordergrund, dass alles Andere - außer vielleicht noch der Klimawandel - dahinter zu verschwinden droht, dann ist etwas faul in der Kirche. Schließlich hat sie in allererster Linie einen geistlichen Auftrag, und auch das Gebot der Nächstenliebe droht seine wahre Bedeutung zu verfehlen, wenn es nicht im Zusammenhang mit der christlichen Heilslehre gesehen wird. Bei so manchen Bekundungen kirchlicher Stellen zur Flüchtlingspolitik kann man den Eindruck haben, dass sie im Grunde nicht den Flüchtlingen helfen, sondern den Kurs der Merkel-Regierung stützen sollen. Ein, wie ich finde, besonders widerwärtiges Beispiel hierfür ist eine Reihe von Spruchbildern, die die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) Bayern auf Facebook verbreitet hat: 
"'Wir schaffen das', sagte eine junge Frau aus Galiläa, als sie erfuhr, dass sich ihr Leben radikal verändern würde."
"'Wir schaffen das', sagte der junge Zimmermann, als er mit Frau und Kind nach Ägypten fliehen musste."
"'Wir schaffen das', sagten die Hirten, als sie 'Fürchtet euch nicht' hörten und sich auf den Weg machten."
"'Wir schaffen das', sagte der Herbergsvater, der der jungen Familie seinen Stall anbieten konnte, weil kein Platz in der Herberge frei war." 
Ist Frau Merkel eigentlich schon zur Heiligsprechung angemeldet worden? - Ich mag diesen Unfug gar nicht weiter kommentieren, denn ich vermute, den Einen muss ich nicht groß erklären, warum ich dabei Schreikrämpfe bekomme, und den Anderen werde ich es kaum erklären können. Zumindest aber möchte ich an dieser Stelle mal die Frage aufwerfen: Was ist eigentlich aus der Trennung von Staat und Kirche geworden? Seit dem Investiturstreit des 11. und 12. Jahrhunderts hat das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im heutigen Deutschland so einige Wandlungen durchgemacht, aber die Versuchung, sich in die Belange des jeweils Anderen einzumischen, hat seither immer mal wieder ihr hässliches Haupt erhoben. Der Investiturstreit war, dem Wortsinne nach, ein Streit darum, wer wem das Gewand anzieht - wobei das Gewand natürlich symbolisch zu verstehen war für das Amt und die damit verbundenen Würden, oder anders ausgedrückt: die Autorität. Dass dieser Streit damals mehr oder weniger unentschieden bzw. in einer Pattsituation endete, bildete gewissermaßen die Grundlage für die Trennung von Staat und Kirche, wie wir sie heute kennen: Der Staat verdankt seine Autorität nicht der Kirche, umgekehrt aber die Kirche die ihre auch nicht dem Staat. Und das ist auch gut so, sagt doch schon Jesus Christus in aller Deutlichkeit: "Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört" (Lukas 20,25). Schon deshalb täte die Kirche gut daran, allzu große Nähe zum Staat zu meiden. Aber das ist ein anderes Problem und soll ein andermal erörtert werden.

Oder vielleicht auch lieber nicht.


Montag, 28. Dezember 2015

Keine Lieder über frierende Enten

Hans Fiene, Pastor der River of Life Lutheran Church in Channahon/Illinois und Schöpfer des YouTube-Trickfilmkanals Lutheran Satire, hat wieder einmal zugeschlagen: Wenige Tage vor Weihnachten erschien ein neues YouTube-Video von ihm, ein flotter Fünfminüter mit dem schönen Titel Martin Luther Yells About Inferior Anglican Christmas Hymns. Der Trickfilm zeigt den leicht pummeligen Reformator, Bibelübersetzer und Kirchenlieddichter in klassischer Pose - mit Talar und aufgeschlagenem Buch -, flankiert von zwei Figuren, die schon in mehreren früheren Lutheran Satire-Videos zu sehen waren: The Vicar and Mr. Thompson, ein anglikanischer Geistlicher der Viktorianischen Ära und ein "engagiertes Mitglied" seiner Gemeinde, die sich beide durch einen dick aufgetragenen britischen Akzent und ein skurriles, altertümelndes Vokabular auszeichnen und stets allerlei "innovative" Ideen in petto haben, wie man die Kirche attraktiver machen kann, indem man ihre Lehre und liturgische Praxis banalisiert (winke winke, Bistum Münster!). 


In diesem neuesten Lutheran Satire-Clip offenbaren sich einige Meinungsverschiedenheiten zwischen Dr. Luther und den beiden Anglikanern darüber, was für Elemente in den Text eines gutes Weihnachtsliedes hineingehören und welche nicht. So kritisiert der deutsche Reformator, englische Weihnachtslieder würden sich allzu sehr in stimmungsvoller Genremalerei ergehen, statt die heilsgeschichtliche Bedeutung von Weihnachten hervorzuheben: Statt um die heilbringende Menschwerdung Gottes drehe sich alles um Schnee, Stille und Aufzählungen der Tiere im Stall von Betlehem. Um zu demonstrieren, wie man es besser machen könne, singt er einige Verse des Liedes "O Jesu Christ, Dein Kripplein ist" von Paul Gerhardt ("an even better hymnist than I am") in englischer Übersetzung; der Vicar und Mr. Thompson jedoch sind unzufrieden, da in diesem Lied keine frierenden Enten vorkommen. 

Mich veranlasste diese zweifellos nicht unpolemische Gegenüberstellung anglikanischer und lutherischer Weihnachtslieder dazu, einmal der Frage nachzugehen, wie im Vergleich dazu eigentlich das katholische Weihnachtsliedgut abschneidet. Mit empirischem Material für diese Untersuchung versorgten mich die Christmette in der Dominikanerkirche St. Paulus in Berlin-Moabit und die Messe am 1. Feiertag in Herz Jesu Prenzlauer Berg. (Dazu, was es über die musikalische Gestaltung hinaus noch zu diesen Gottesdiensten zu sagen gibt, folgt, so Gott will, in Kürze ein eigener Artikel.) Für die Christmette bei den Dominikanern gab es ein Faltblatt mit allen Gesängen, sodass man sich das Blättern im Gotteslob sparen konnte, und bereits vor Beginn des Gottesdienstes gab es zur Einstimmung mindestens eine halbe Stunde lang Chor- und Orgelmusik. Zum Einzug wurde dann "Heiligste Nacht" gesungen; der Text, erstmals gedruckt 1783 in Salzburg ohne Verfasserangabe, lässt an Klarheit bezüglich der heilsgeschichtlichen Bedeutung von Weihnachten wenig zu wünschen übrig, besonders in der zweiten Strophe: 

"Du, der gottseligen Väter Verlangen,
Zweig, der der Wurzel des Jesse entsprießt.
[...] 
Was uns der Sündenfall Adams geraubt,
Schenket uns deine Huld,
Sie tilgt die Sündenschuld 
Jedem, der glaubt." 

Viel besser geht's ja wohl nicht, das müsste auch Dr. Luther anerkennen. Es folgten Kyrie und Gloria, Antwortpsalm nach der ersten Lesung, Halleluja-Ruf vor dem Evangelium, und nach dem Evangelium "Zu Betlehem geboren" (GL 239) vom großartigen Friedrich Spee (1591-1635). Der Text stellt die liebende Hingabe an das Jesuskind ins Zentrum, es geht also eher um eine "verinnerlichte", emotional besetzte Frömmigkeit als um theologische bzw. dogmatische Aussagen, aber ebendiese Hingabe setzt ja den Glauben daran, dass dieses Kind der Erlöser der Menschheit ist, bereits voraus. Nach der Predigt ging es weiter mit "Ich steh an Deiner Krippen hier" (GL 256), und das ist natürlich von Paul Gerhardt! Ein Punkt für Sie, Dr. Luther! In seiner kontemplativen Grundhaltung hat dieser Liedtext durchaus gewisse Gemeinsamkeiten mit dem zuvor genannten Werk von Gerhardts katholischem Zeitgenossen Spee. 

Zur Gabenbereitung folgte "Hört, der Engel helle Lieder", eine Übersetzung des wohl aus dem 18. Jh. stammenden französischen Weihnachtsliedes "Les Anges dans nos campagnes". Die deutsche Textfassung von Otto Abel ist dem Evangelischen Gesangbuch (EG 54) entnommen; es gibt auch eine katholische Übersetzung von Marie Luise Thurmair ("Engel auf den Feldern singen", GL 250); die gab es tags darauf in Herz Jesu zum Gloria, was ich nicht ganz so passend fand, obwohl die Worte "Gloria in excelsis deo" den Refrain des Liedes bilden. Wie dem auch sei: Was den theologischen Gehalt des Liedes angeht, kann ich zwischen der evangelischen und der katholischen Textfassung keine entscheidenden Qualitätsunterschiede feststellen. 

Nach dem Agnus Dei folgten zwei Strophen des auf die Melodie von "Lobet den Herren" (GL 392) zu singenden Liedes "Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel, in Chören" (GL 251) - und zwar diese zwei Strophen: 

"Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget;
sehet die Liebe, die endlich als Liebe sich zeiget!
Gott wird ein Kind, träget und hebet die Sünd; alles anbetet und schweiget.

Gott ist im Fleische: wer kann dies Geheimnis verstehen?
Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen.
Gehet hinein, eins mit dem Kinde zu sein, die ihr zum Vater wollt gehen." 

Das ist ja nun in Hinblick auf die Thematisierung des Festgeheimnisses von Weihnachten quasi nicht zu toppen - allerdings kann die Una Sancta diesen Matchpunkt nicht wirklich für sich verbuchen, denn der Text stammt von Gerhard Tersteegen (1697-1769), einem Vertreter des reformierten Pietismus. Aber immerhin steht das Lied im Gotteslob. Gut so. Als Danklied nach der Kommunion folgte dann wieder ein katholisches Original: "Nun freut euch, ihr Christen" (GL 241), die deutschsprachige Fassung von "Adeste Fideles" (GL 242), komponiert um 1734 von dem wegen seines katholischen Glaubens nach Frankreich emigrierten Engländer John Francis Wade. Theologisch gehaltvoll ist hier vor allem die dritte Strophe: 

"Der Abglanz des Vaters, Herr der Herren alle,
Ist heute erschienen in unserm Fleisch; 
Gott ist geboren als ein Kind im Stalle." 

Und zum Auszug gab es - natürlich - "Stille Nacht, heilige Nacht" (GL 249). Ein Lied, von dem man finden könnte, dass die in obbesagtem Lutheran Satire-Video geäußerte Kritik in weiten Teilen darauf zutrifft. So von wegen stimmungsvolle Genremalerei. Holder Knabe im lockigen Haar und so. Nicht umsonst focht während meiner Kindheit und Jugend der damalige Pfarrer von Herz Mariae in Burhave einen jahrelangen Streit mit den alten Schlesierinnen in der Gemeinde aus, weil er sich weigerte, "Stille Nacht" in der Christmette singen zu lassen: Für sein Empfinden war das einfach eine unerträgliche Kitschgranate. Auf längere Sicht setzten sich die alten Schlesierinnen aber doch durch. Und im Grunde, warum nicht? Wenn ein Lied nur zu einem einzigen Zeitpunkt im gesamten Kirchenjahr, nämlich eben in der Christmette, thematisch passt, dann kann man es zu genau diesem Anlass ruhig mal bringen. Zumal der Text gar so substanzlos nun auch wieder nicht ist: Immerhin finden sich Passagen wie "da uns schlägt die rettende Stund / Christ, in deiner Geburt" und abschließend "Christ, der Retter ist da". Das ist allemal besser als frierende Enten. 

Die Messe zum 1. Weihnachtstag in Herz Jesu wurde eröffnet mit "Lobt Gott, ihr Christen alle gleich" (GL 247) - wiederum ein Weihnachtslied evangelischer Provenienz. Sein Verfasser Nikolaus Herman (ca. 1480-1561) war Kantor und Lehrer an einer Lateinschule, korrespondierte mit Martin Luther und stand auch sonst der Reformation nahe. Folgerichtig stehen heute viele seiner Lieder im Evangelischen Gesangbuch, ins katholische Gotteslob hat es hingegen nur dieses eine geschafft. Als Zwischengesang zwischen erster und zweiter Lesung gab's dann Es ist ein Ros' entsprungen (GL 243) - so richtig erzkatholisch, sollte man meinen. Ist schließlich ein Marienlied. Und evangelische Marienlieder gibt es doch gar nicht. Oder? - Nun ja, tatsächlich findet sich das Lied erstmals im katholischen Speyerer Liederbuch von 1599 - allerdings nur die ersten zwei Strophen. Schon zehn Jahre später erschien eine protestantische Fassung von Michael Praetorius; dieser dichtete die zweite Strophe so um, dass das Lied in seiner Fassung kein Marienlied mehr war. Während im Original "das Ros", also der Rosenstock, für Maria und das "Blümlein" für Jesus steht, bezieht Praetorius beides auf Jesus, und Maria kommt nur noch am Rande vor. Im Gotteslob steht natürlich die ursprüngliche katholische Fassung (im alten Gotteslob gab es unter Nr. 133 noch eine alternative ökumenische Fassung der 2. Strophe, in der der Hinweis auf die Jungfräulichkeit Marias getilgt war, aber diese Version wurde in die Neuausgabe nicht übernommen); allerdings folgt noch eine dritte Strophe, die das "Blümelein", also Jesus, in den Mittelpunkt stellt - und diese stammt von dem lutherischen Pfarrer Friedrich Layriz (1808-1859). Also abermals ein Punkt für Dr. L., denn die von Layriz hinzugedichtete Strophe ist wirklich gut

"Das Blümelein so kleine,
das duftet uns so süß,
mit seinem hellen Scheine
vertreibt's die Finsternis:
Wahr' Mensch und wahrer Gott,
hilft uns aus allem Leide,
rettet von Sünd und Tod." 

Zur Gabenbereitung stand GL 253, "In dulci jubilo", auf der Liedertafel - und das liebe ich einfach, auch wenn es in der Herz-Jesu-Kirche nicht annähernd so flott gespielt wurde wie in der Instrumentalversion von Mike Oldfield. Die klingt für mich immer nach einer mittelalterlichen Tanzweise, was die Melodie womöglich auch ursprünglich mal war. Vielleicht auch eine mittelerdische, sprich auenländische. Ich sehe da jedenfalls tanzende Hobbits vor meinem geistigen Auge. 


Der Text des aus dem 14. Jh. stammenden Liedes wird zuweilen dem Sel. Heinrich Seuse zugeschrieben. Besungen wird hier die Freude über die Geburt Christi, und man kann wohl sagen, dass die Gründe für diese Freude eher als selbstverständlich vorausgesetzt als explizit benannt werden. Die lateinischen Schlussverse der ersten beiden Strophen allerdings - Alpha es et O ("Du bist das Alpha und das Omega, d.h. der Anfang und das Ende") bzw. Trahe me post te ("Ziehe mich Dir nach") - haben es durchaus in sich. Obendrein enthält das neue Gotteslob eine Strophe, die im alten noch nicht enthalten war und die aus einer Liedersammlung des Peter von Dresden aus dem Jahr 1440 stammt: 

"O Patris caritas!
O Nati lenitas!
Wir wären all verloren,
Per nostra crimina,
So hat er uns erworben
Coelorum gaudia.
Quanta gratia!" 

Peter von Dresden war übrigens Anhänger der Hussiten und wurde 1426 in Regensburg als Ketzer verbrannt. Hmpf.

Als Danklied nach der Kommunion wurde "Kommet, ihr Hirten" gesungen, das nur im Regionalteil des Gotteslobs steht - in der Berliner Ausgabe unter Nr. 736. Es wird dort als "altböhmisches Weihnachtslied" deklariert, ohne Quellenangabe für die deutschsprachige Textfassung. Diese stammt laut Tante Wiki aus dem Jahr 1868 und wurde in enger Anlehnung an den tschechischen Originaltext von dem (evangelischen) Leipziger Kapellmeister Carl Riedel verfasst. Also wieder kein Pluspunkt für die katholische Weihnachtslieddichtung! Bei dem Text des populären Liedes handelt es sich übrigens im Wesentlichen um eine ausgeschmückte Paraphrase zu Lukas 2,8-17; das macht ihn zweifellos konfessionsübergreifend untadelig, andererseits aber auch nicht unbedingt zu einem großen Wurf.

Letzteres gilt auch für das Auszugslied dieses 1. Weihnachtstages, "O du fröhliche" (GL 238). Die christliche Weihnachtsbotschaft kommt in diesem Lied in schlichten Worten daher, aber immerhin ist sie da: Die Weihnachtszeit ist nicht nur fröhlich, sondern auch selig und vor allen gnadenbringend, und zwar weil "Christ [...] geboren" ist, ja: "Christ ist erschienen, uns zu versühnen". Und wer soll sich darüber freuen? Die Christenheit natürlich! Die Entstehungsgeschichte des Liedes ist recht interessant: Seine Melodie stammt von einem italienischen Marienlied ("O sanctissima, o purissima, dulcis virgo Maria"), das 1807 im 3. Band der posthum erschienenen Ausgabe von Johann Gottfried Herders Volksliedsammlung "Stimmen der Völker in Liedern" unter dem Titel "An die Jungfrau Maria - Ein sizilianisches Schifferlied" erschien. 1815 dichtete der evangelische Laientheologe und Waisenhausgründer Johannes Daniel Falk auf diese Melodie ein Lied mit drei Strophen, von denen eine zu Weihnachten, eine zu Ostern und eine zu Pfingsten gesungen werden sollte. Die Oster- und die Pfingsstrophe setzten sich allerdings nicht durch; hingegen wurde die Weihnachtsstrophe 1826 von Heinrich Holzschuher um zwei weitere Strophen erweitert. Bemerkenswerterweise finden sich in einer 1830 bei Reclam in Leipzig erschienenen Liedersammlung noch weitere, auf verschiedene Anlässe abgestimmte Strophen von "O du fröhliche", darunter ganze vier zu Ehren von Martin Luther.

Insgesamt kommt man wohl nicht um die Erkenntnis herum, dass wir den Reformatoren in Hinblick auf die Qualität deutschsprachiger Weihnachts- und allgemein Kirchenlieddichtung so einiges zu verdanken haben - und dabei habe ich das von Dr. Luther höchstselbst verfasste "Vom Himmel hoch, da komm' ich her" noch nicht einmal erwähnt! Davon mal ganz abgesehen finde ich es aber höchst bemerkenswert, dass viele der oben genannten Lieder auch jenseits ihrer Verwendung in evangelischen und katholischen Gottesdiensten im deutschsprachigen Raum weit verbreitet und ungebrochen populär sind. Meine Mutter besitzt, wenn ich mich nicht irre, noch heute eine Musikkassette aus dem Jahr 1983 mit dem Titel "Die schönsten Lieder der Weihnachtszeit", auf der diverse Schlager-, Volksmusik- und Operettenstars traditionelles Weihnachtsliedgut interpretieren: Da singt z.B. Michael Schanze "Kommet, ihr Hirten", René Kollo "O du fröhliche", Anneliese Rothenberger "Stille Nacht, heilige Nacht" und Julia Migenes sogar "Es ist ein Ros entsprungen"; die Regensburger Domspatzen steuern "Vom Himmel hoch, da komm ich her" bei und die Westfälischen Nachtigallen "Ihr Kinderlein kommet", endlich mal wieder ein katholisches Original aus der Feder von Christoph von Schmid (1768-1854). Ich möchte behaupten, dass man viele dieser Lieder auch heute noch in Fernsehshows und auf ganz unkirchlichen, kommerziellen Weihnachtsmärkten hören kann. Man vergleiche dies einmal mit den Texten der populärsten Weihnachtslieder des angloamerikanischen Raums - Liedern wie "Jingle Bells", "White Christmas", "Let it Snow", "Winter Wonderland", "Rudolf the Red-nosed Reindeer", "Santa Claus is Coming to Town", "Deck the Halls with Boughs of Holly" oder "The Christmas Song (Chestnuts Roasting on an Open Fire)". Da findet man so gar nichts von christlicher Weihnachtsbotschaft - es sind entweder einfach Winterlieder, die Schnee und Kälte besingen, oder sie drehen sich um den Weihnachtsmann und seine Helferlein oder allgemein um weihnachtliches Brauchtum, das aber seinerseits keinerlei christlichen Gehalt zu erkennen gibt. Hier zeigt sich eine fortgeschrittene Säkularisierung, Entchristlichung des Weihnachtsfests, die, wie Molly Hemingway unlängst im Federalist ausführte, bemerkenswerterweise ausgerechnet in God's Own Country schon sehr früh und nachdrücklich einsetzte. Verglichen damit ist im deutschen Sprachraum die christliche Bedeutung des Weihnachtsfests schon allein durch populäres Liedgut wie das oben aufgeführte noch immer ausgesprochen präsent.

Zweifellos gibt es auch bei uns Weihnachtslieder, deren Texte lediglich winterliche Stimmungsbilder malen. Zum Teil handelt es sich dabei allerdings um Umdichtungen ursprünglich christlich geprägter Liedtexte, wobei diese Umdichtungen nicht selten aus der NS-Zeit stammen (so z.B. im Falle von "Es ist für uns eine Zeit angekommen" - ursprünglich ein schweizerisches Sternsingerlied). Und natürlich gibt es auch hierzulande rein "brauchtümliche" Weihnachtslieder - ein besonders bekanntes Beispiel dürfte "O Tannenbaum" sein. Und auch solche Weihnachtslieder, bei denen das Beschenktwerden im Mittelpunkt steht, brauchten die Deutschen nicht erst von den Amerikanern zu lernen: "Morgen, Kinder, wird's was geben" etwa entstand schon im 18. Jahrhundert,  Hoffmann von Fallerslebens "Morgen kommt der Weihnachtsmann" stammt von 1835, "Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä" von Wilhelm Lindemann wurde erstmals 1912 veröffentlicht. Trotzdem haben sich Weihnachtslieder mit explizit christlichem Inhalt hierzulande bis heute ausgesprochen gut gehalten. Und dann gibt es auch noch, so zu sagen, Zwischenformen. Also solche Weihnachtslieder, in denen zwar die Ankunft des "Christkinds" besungen wird, aus deren Text aber nicht recht deutlich wird, ob damit Jesus Christus, der Sohn Gottes, gemeint ist oder nur eine niedliche Geschenkebringerfigur. Hier wären etwa "Alle Jahre wieder", "Süßer die Glocken nie klingen" oder auch "Leise rieselt der Schnee" zu nennen. Zu erahnen ist ein Zusammenhang mit der christlichen Heilsbotschaft in diesen Liedern sehr wohl noch - da singen "Engelein [...] Lieder von Friede und Freud", das Christuskind bringt "Segen [...] in jedes Haus", und es heißt von ihm, "dass es treu mich leite an der Liebe Hand". Man kann aber wohl behaupten, dass diese Hinweise so marginal sind, dass man ihren christlichen Gehalt nur erkennt, wenn man um ihn weiß. Das vielleicht interessanteste dieser "Christuskindelein"-Lieder scheint mir "Kling, Glöckchen, klingelingeling" (ursprünglich "Christkindchens Einlass" betitelt) zu sein. Bei den Versen "Lasst mich ein, ihr Kinder / Ist so kalt der Winter" mag man vor dem Hintergrund des oben verlinkten Lutheran Satire-Videos an ein niedliches frierendes Entchen denken, aber die dritte Strophe wird deutlicher:

"Hell erglühn die Kerzen,
öffnet mir die Herzen!
Will drin wohnen fröhlich,
frommes Kind, wie selig." 

Bei aller - natürlicherweise beabsichtigten - Kindlichkeit der Formulierungen: Die Aufforderung, Christus die Herzen zu öffnen, ist nun wirklich christliche Weihnachtsbotschaft at its best

Abschließend, und auch um einen Bogen zurück zum Anfang dieses Artikels zu schlagen, kann ich es mir nun aber nicht verkneifen, noch darauf hinzuweisen, wer die in diesen Liedern, noch mehr aber in Gedichten wie dem jeglichen Bezugs zur christlichen Heilsbotschaft entkleideten "Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen" zu beobachtende Verniedlichung des "Christkinds" zum märchenhaften Geschenkebringer in der Weihnachtsnacht ursprünglich angestoßen hat: "Mit hoher Wahrscheinlichkeit" - so Tante Wiki - war dies nämlich kein Geringerer als Martin Luther... 


Mittwoch, 23. Dezember 2015

Das Dienstagsgrauen IV: Judith hat einen Eisprung und Caroline platzt die Kniearterie

Siedend heiß fiel mir kürzlich ein bzw. auf, dass ich meinen Lesern immer noch den vierten und letzten Teil meiner Rezension von Monika Peetz' postfeministischem Pilgerroman Die Dienstagsfrauen schuldig bin. Und dass seit dem dritten Teil der Buchbesprechung schon über drei Monate ins Land gegangen sind. So geht das aber nicht! Bis Weihnachten muss ich damit durch sein! Also, frisch ans Werk. 

Theoretisch wären, wie schon bei den bisher verbloggten Leseetappen, nochmals etwa 80 Seiten des Peetz-Romans zu bewältigen. Tatsächlich handelt es sich bei den letzten 20 Seiten aber im Wesentlichen um einen ausgedehnten Epilog, der zwar die Voraussetzungen dafür schafft, dass die fünf Dienstagsfrauen nach Bewältigung ihres Lourdes-Abenteuers mehr oder weniger frohgemut zu neuen Ufern aufbrechen können (d.h. zur Verfilmung, zur Fortsetzung, zur Verfilmung der Fortsetzung etc. ad nauseam), aber für mein analyseleitendes Interesse sind diese letzten 20 Seiten weitestgehend überflüssig. Der logische Zielpunkt der Handlung ist Lourdes - und wie Caroline, "die Kluge" unter den Protagonistinnen, auf S. 279 so richtig reflektiert: "Es würde ein 'Vor Lourdes' und ein 'Nach Lourdes' geben". Das "Nach Lourdes" beginnt auf S. 299 und interessiert mich, von einzelnen Details abgesehen, nicht die Bohne. 

Auffallend an der vierten Leseetappe ist es, dass sich im Vergleich zu den drei vorangegangenen die Anzahl der parallelen Handlungsstränge erheblich reduziert - was zumindest teilweise erfreulich ist. Eva hat ihren persönlichen Handlungsstrang schon kurz nach Beginn von Leseetappe 3 vorläufig zum Abschluss gebracht, wieder aufgegriffen wird dieser erst "nach Lourdes"; bis dahin darf sie sich auf die Rolle der treuen Freundin von allen konzentrieren. Kiki hat ihre Abwehrhaltung gegen Max' Avancen kurz vor Ende von Etappe 3 endlich aufgegeben, folglich haben die beiden Hübschen fortan nicht mehr viel zu tun - außer natürlich, als frisch verliebtes Pärchen allen auf die Nerven zu gehen, am meisten aber dem Leser. Und Estelle schrumpft im letzten Viertel des Romans geradezu zur Randfigur - was schade ist, da über weite Strecken sie es war, die den Roman für den Leser erträglich gemacht hat. Nur noch ein paar wenige gelungene Gags bleiben ihr. Somit konzentriert sich die Handlung nunmehr weitestgehend auf Caroline und Judith. Und endlich, endlich wird nun das Geheimnis von Arne gelüftet, wobei sich - Achtung, Spoiler-Alarm! - herausstellt, dass dieses in Wirklichkeit das Geheimnis von Judith ist. 

Wir erinnern uns: Bei der Marienprozession im Dorf Les Angles hat Caroline einen Sanitäter getroffen, von dem sie erfahren hat, dass Arne seine letzten Urlaube bei jemandem namens Dominique verbracht hat. Obwohl es unklar ist, ob Dominique ein Männer- oder ein Frauenname ist, steht nun der Verdacht im Raum, Arne habe eine Affäre gehabt. Judith reagiert auf diese Mitteilung ihrer Freundinnen hysterisch und wirft Caroline an den Kopf, sie solle sich lieber Gedanken über ihre eigene Ehe machen.

Durch diese Andeutung verunsichert, ruft Caroline ihren Anwaltskollegen Paul Gassner an, da dieser bei seinem bislang einzigen Auftritt im 5. Kapitel (inzwischen sind wir bei Kapitel 59) ebenfalls undeutliche Anspielungen auf Carolines Eheleben hatte fallen lassen. Was Caroline bei diesem Telefonat erfährt, wird dem Leser aber vorerst nicht verraten.

Stattdessen taucht Judith mitten in der Nacht bei Eva auf, die vor Sorge wegen des Streits zwischen ihren Freundinnen sowieso nicht schlafen konnte, und überredet sie, zusammen mit ihr Dominique aufzusuchen (die Adresse hat Caroline von dem Sanitäter bekommen). "Es sind vier Kilometer. Wenn wir jetzt aufbrechen, sind wir zum Frühstück dort" (S. 245). Eva ist zunächst skeptisch, willigt aber ein. "Wenn Arne mich betrogen hat...", sinniert Judith unterwegs. "Ich will die Wahrheit wissen, Eva" (S. 249). Eva wiegelt ab: "Arne ist tot. Was ändert das?" - "Alles. Alles. Alles", erklärt Judith und klingt dabei "fast heiter" (ebd.).

In der Tat ändert sich kurz darauf "Alles!", allerdings nicht so, wie Judith sich das gedacht hat. Dominiques Adresse entpuppt sich als eine Herberge für schwer kranke Lourdes-Pilger, und Dominique selbst ist nicht, wie Judith zunächst annimmt, die adrette Krankenschwester, die ihnen die Tür öffnet ("Die Frau brach in donnerndes Gelächter aus. Sie konnte sich kaum beruhigen, so absurd fand sie Judiths Idee"; S. 250) und die fortan "Nichtdominique" genannt wird (S. 252), sondern vielmehr "ein groß gewachsener Mann um die siebzig. Ein Kerl wie ein Baum mit kurz geschorenen grauen Stoppelhaaren, scharfen Linien im Gesicht und kraftvollen Bewegungen" (S. 253). Nicht gerade das, was Judith sich unter einer Nebenbuhlerin vorgestellt hat. Warum aber behandelt Dominique Judith, als diese sich als Arnes Witwe (bzw. als die Witwe von Arne, wie es in Peetz-Deutsch wohl heißen müsste) zu erkennen gibt, so betont schroff und abweisend - wenn es doch gar keine Affäre gab?

Nun ja, es gab eine.

Nur war nicht Arne derjenige, der sie hatte.

"Alles hat er seiner Frau verziehen", poltert Dominique. "Sogar den Liebhaber." Dieser sei obendrein "sein eigener Hausarzt" gewesen - was Eva schier nicht glauben kann, denn: "Arne war bei Philipp in Behandlung, dem Mann einer Freundin" - genau: Carolines Mann. "Philipp. Genau. So hieß der Mann", bestätigt Dominique ungerührt. Angesichts dieser Enthüllungen ergreift Judith die Flucht: "Sie knallte gegen eine Helferin mit einem Tablett. Tassen zerschellten auf dem Boden, Eier platzten" - stellen wir uns das einmal bildlich vor. Oder vielleicht doch lieber nicht. (Alle Zitate S. 255.)

Halten wir fest: Judith, die "Spirituelle" und "Suchende" der fünf Dienstagsfrauen, die trauernde Witwe, die verletztliche, zerbrechliche, reh- bzw. kuhäugige Judith, hat ihren todkranken Mann betrogen, und dies auch noch mit dem Mann ihrer besten Freundin, der zu allem Überfluss der behandelnde Arzt ihres Mannes war. Was für eine Sympathieträgerin! Treffend reflektiert Eva: "Das hier war nicht die Lösung ihrer Probleme. Das war der Supergau" (S. 255).

Übrigens auch für das Handlungsgerüst des Romans. Man fragt sich, in welchem Stadium des Schreibprozesses die Autorin auf diese abgefahrene "Lösung" verfallen ist. Denn der ursprüngliche Handlungsaufbau - Judith, in tiefer Trauer um ihren verstorbenen Mann, erhofft sich Trost, Seelenfrieden und Erleuchtung von einer spirituellen Reise auf den Spuren des Tagebuchs von Arne, will stellvertretend für ihn den Weg zu Ende gehen, den er selbst aufgrund seiner Krankheit nicht mehr vollenden konnte, und bringt ihre Freundinnen, allen voran Caroline, dazu, sie auf diese Reise zu begleiten - ergibt in der Rückschau plötzlich absolut keinen Sinn mehr. Und Arne? Der ist zumindest vor dem Ausbruch seiner tödlichen Krankheit tatsächlich gepilgert und hat dabei Dominique kennengelernt, einen "belgische[n] Exbanker" (S. 257), der sich das Pilgern zur neuen Lebensaufgabe gewählt hatte: "Zwei Deppen, die zwischen Rhein und Mosel Jakobsmuscheln suchten", erinnert Dominique sich grimmig. "Wir haben kein Wort miteinander geredet. Bis wir nach ein paar Tagen feststellten, dass wir im selben Tempo laufen" (S. 256). Dominique wollte, dass Arne mit ihm bis Santiago de Compostela geht; "Aber nein, er musste zu dieser Frau zurück" (S. 254). Und das Pilgertagebuch? "Arne wollte Judith zeigen, dass er noch immer der starke Mann ist, in den sie sich verliebt hatte", erklärt Dominique. "Am Anfang pilgerte er wirklich. Später tat er nur noch so, als setze er seine Pilgerreise unermüdlich fort" (S. 256). Nachdem Dominique nach der Rückkehr aus Santiago die Krankenherberge kurz vor Lourdes eröffnet oder übernommen hatte, in der sich diese Enthüllungen abspielen, verbrachte Arne seine Urlaube dort. Das fingierte Tagebuch hat er demnach nur für Judith geschrieben - und es trotzdem sorgsam vor ihr verborgen und sich noch auf dem Sterbebett den Kopf darüber zerbrochen, wie er verhindern könnte, dass es ihr in die Hände fällt?!?

Zugegeben: Menschen verhalten sich manchmal widersprüchlich und tun sinnlose Dinge. Im wirklichen Leben. Aber nicht alles, was im wirklichen Leben vorkommen kann, kann man in einer Romanhandlung als glaubwürdig durchgehen lassen. Okay, Judith hat Arne betrogen, Caroline hintergangen und auch ihre übrigen Freundinnen nach Strich und Faden angelogen. Aber Frau Peetz hat ihre Leser belogen, und das ist noch weit verwerflicher.

(Immerhin hat sie aber eine Erklärung dafür parat, warum Judith die Konfrontation mit Dominique gesucht und so die Enthüllung des Geheimnisses forciert hat - und legt diese Erklärung Eva in den Mund: "Es hätte dir gefallen, wenn Arne eine Geliebte gehabt hätte. Es hätte deine Schuld kleiner gemacht" [S. 259].)

Doch zurück zum Handlungsverlauf. Nach der Begegnung mit Dominique fordert Eva kategorisch, Judith müsse Caroline die Wahrheit sagen. Ihre kläglichen Rechtfertigungsversuche unterbindet sie barsch: "Ich habe genug von deinem Selbstmitleid" (S. 260) - und spricht damit dem Leser aus der Seele. Caroline hat inzwischen durch ihr Telefonat mit dem Kollegen Gassner erfahren, dass ihr Mann eine Affäre hat - ahnt jedoch nicht, dass es sich dabei um Judith handelt. Und tatsächlich ist Judith offenbar nicht Philipps einzige Geliebte - denn wie Caroline in Erfahrung gebracht hat, verbringt er unter dem Vorwand eines Hausärzteseminars "ein paar romantische Tage mit seiner Tussi" (S. 266), während die Dienstagsfrauen pilgern. Da hat Judith ja nun ein Alibi. Diese doppelte Untreue Philipps führt dazu, dass Judiths erster zaghafter Versuch, sich mit Caroline auszusprechen, in slapstickhaftes Aneinandervorbeireden mündet - und gibt Judith obendrein Gelegenheit, wieder einmal das zu tun, was sie am besten kann: sich als Opfer zu fühlen. Sie ist "entsetzt", als ihr aus Carolines Worten klar wird, dass Philipp noch eine Andere hat: "Die Empörung, die sich in ihrem Bauch zu einer Riesenwut zusammenballte, war ehrlich und aufrichtig" (S. 266). "Dieses treulose Schwein", schimpft Judith (ebd.) und droht: "Ich bringe ihn um" (S. 267). Caroline missversteht diese eifersüchtige Wut als freundinnenhafte Solidarität und ist gerührt: "Ich danke dir, Judith. Ich bin froh, dass du meine Freundin bist". Und Judith hat doch tatsächlich die Stirn, darauf doppeldeutig zu erwidern: "Wir haben beide den Mann verloren. Das verbindet". - "Sie meinte jedes Wort, das sie sagte", betont die Autorin (ebd.).

In ihrem selbstgerechten Zorn geht Judith sogar so weit, Philipp am Telefon eine Szene zu machen:
"Du bist ein Arsch, Philipp [...]. Caroline verdient etwas Besseres als dich. Jede Frau verdient etwas Besseres als dich. Ich Idiot habe Arne beinahe verlassen. Um mit dir zu leben. Philipp, du kannst mich mal." (S. 271) 
Allerdings wird sie, als Fluch der bösen Tat, bei diesem Telefonat von Caroline belauscht. Und damit ist der Ofen dann natürlich aus. Im Folgenden wird der Leser, sofern er bis hierher noch nicht entnervt das Handtuch geworfen hat, staunend Zeuge, wie eheliche Untreue auf postfeministische Art verarbeitet wird. Und zwar von zwei Seiten, nämlich von Seiten der Betrogenen und der Betrügerin. Und, welche Überraschung: Eine verhält sich bescheuerter als die Andere.

Judith setzt zunächst einmal ganz darauf, von den Anderen Verständnis für ihre Situation einzufordern.  "Was hätte ich machen sollen?", erwidert sie auf Evas Vorwürfe. "Es ist passiert. Ich konnte niemandem die Wahrheit sagen. Arne war todkrank" (S. 259). Dann schiebt sie die Schuld auf Philipp:
"Wäre es nicht Philipps Aufgabe, Caroline die Wahrheit zu sagen? Er war mit Caroline verheiratet. Nicht sie. [...] Man weiß doch, dass Frauen in schwierigen Lebenssituationen empfänglich sind für jede kleine Aufmerksamkeit. Alle Frauen verlieben sich in ihren Arzt, Psychiater oder Friseur. [...] Philipp hatte ihre schwache Position ausgenutzt." (S. 262) 
Und schließlich schreibt sie sogar Caroline eine Mitschuld zu:
"Das mit Philipp tut mir aufrichtig leid. Aber ich bin nicht die Einzige, die gelogen hat. [...] Willst du mir erzählen, dass du nie gemerkt hast, dass deine Ehe in der Krise steckt? [...] Du hast dir was vorgemacht, Caroline. [...] Ich habe einen Fehler gemacht. Aber man kann nur in ein Haus eintreten, wenn die Tür offen ist." (S. 283) 
Unter solchen Umständen kann man es Caroline kaum verübeln, dass sie schlicht keine Lust hat, sich mit Judith auseinanderzusetzen:
"Sie konnte sich ausrechnen, wie so etwas ausging. Judith würde in Tränen ausbrechen und das verletzte hilfsbedürftige Reh geben. Und am Ende war sie es, die Judith trösten musste. [...] Judith war eine Serienlügnerin. Immer gewesen. Sie hatte Kai hintergangen, Arne betrogen und die Freundschaft der Dienstagsfrauen mit Füßen getreten. Und schaffte es gleichzeitig, sich als hilfloses Opfer zu verkaufen. [...] Nein, Caroline wollte nicht vernünftig sein. Sie hatte genug vom Terror der Schwachen, den Judith bis zur Perfektion beherrschte." (S. 277f.) 
So richtig das alles ist, macht es Caroline dennoch nicht sonderlich sympathisch, dass sie auf die Erkenntnis, von Judith betrogen worden zu sein, zunächst mit pubertärer Zickigkeit ("'Wusstet ihr eigentlich, dass Judith eine Affäre mit meinem Mann hat?', fragte Caroline im Plauderton und biss genussvoll in ihr Brötchen. [...] 'Noch jemand, der mit meinem Mann geschlafen hat?', erkundigte sie sich interessiert" - S. 274) und dann mit infantiler Regression reagiert: "Und jetzt wollte sie kindisch sein" (S. 277). Als Judith mit ihr zu reden versucht, hält sie sich "die Ohren zu" (S. 276) - sodass selbst Judith anmerkt: "Das ist kindisch, Caroline. Können wir nicht wie zwei Erwachsene miteinander reden?" (ebd.). Gleichzeitig ist Judith aber selbst kindisch genug, "[b]eleidigt" zu sein, dass sie kein "versöhnliches Zeichen" von Caroline empfängt (S. 279). "Gibt es eigentlich Seminare, in denen man aufarbeiten kann, dass man sich schlecht fühlt, weil man die Ehe der Freundin ruiniert hat?", spottet Caroline. "Ein Ehebrecherinnenseminar" (S. 282). Das klingt nach einer der vernünftigsten Ideen des ganzen Buches.

Bei alledem ist übrigens zu betonen, dass Trauer um den Verlust ihres Mannes in Carolines Reaktionen nicht die geringste Rolle spielt; es dreht sich alles nur um ihr gekränktes Ego. Was Reflexionen über ein eventuelles eigenes Versagen freilich nicht ausschließt: "Was habe ich falsch gemacht?" (S. 269). Als sie noch nicht weiß, dass ausgerechnet Judith die heimliche Geliebte ihres Mannes ist, versucht Caroline
"sich vorzustellen, wie die Frau war, mit der Philipp sich eingelassen hatte. Der Anwalt hatte sie als klein und zierlich beschrieben. Mädchenhaft fast. War es das, was Philipp angezogen hatte? Das Gefühl, als Beschützer gebraucht zu werden?" (S. 270) 
Auch nachdem sie Judiths Telefonat mit Philipp belauscht hat, macht sie sich insgeheim weiterhin ähnliche Gedanken:
"Warum waren sie noch zusammen? Was verband sie außer fünfundzwanzig Jahren Vergangenheit, einem Familienstammbuch, einer gemeinsamen Hypothek und einem Kühlschrank, der abwechselnd befüllt und gemeinschaftlich geleert wurde?" (S. 273) 
Man könnte meinen, das wäre ja schon Einiges, aber nach postfeministischer Auffassung fehlt da wohl die knisternde Spannung, das Abenteuer. Obwohl Caroline Wert auf die Feststellung legt, dass sie und Philipp "[a]nders als viele Ehepaare, die auf die Silberhochzeit zusteuerten", immer noch Sex miteinander haben (S. 272). Aber wie dem auch sei: Das Eheversprechen als solches ist offenkundig nicht viel wert. Von wegen "in guten wie in schlechten Tagen". Man muss dem Partner jederzeit etwas bieten können, muss für ihn attraktiv bleiben, sonst verliert man ihn. So stellt Caroline schließlich fest: "Judith hatte recht: Es hatte eine Tür gegeben, die offen stand" (S. 309).

Hat Caroline an diesem Punkt also ihren Frieden mit Judith gemacht, ist sie umso empörter, als ihr Mann beteuert, "[d]as mit Judith" habe ihm "nichts bedeutet" und er sei "wohl in der Midlife-Crisis" (ebd.):
"Judith hatte die Verantwortung übernommen. [Hat sie? Muss ich wohl verpasst haben.] Caroline war dabei, den eigenen Anteil am privaten Desaster einzugestehen. Und ihr Ehemann berief sich auf Hormone, denen ein Mann nach den besten Jahren hilflos ausgeliefert sei. Wenn es wenigstens Liebe gewesen wäre. Etwas Großes. Eine Naturgewalt. Aber Philipp kam mit der Midlife-Crisis." (ebd.) 
Merke: Wenn schon betrogen werden, dann aus einem großen, tragischen Motiv heraus. Liebe als Naturgewalt, als Springflut, die alle Dämme fortreißt, das ist eine Vorstellung, mit der die postfeministischen Superweiber etwas anfangen können, dafür würden sie selbst ohne mit der Wimper zu zucken Mann, Kinder, Freundinnen und Bausparvertrag im Stich lassen. Aber doch nicht für so etwas Banales wie die Midlife-Crisis! (Die im Übrigen mit Hormonen überhaupt nichts zu tun hat. Andererseits: Wenn Hormone keine Naturgewalt sind, was denn dann? Aber lassen wir das.) Im Übrigen triggert Philipps armseliges Verhalten Carolines weibliche Solidarität mit Judith an: "Es gefiel ihr nicht, wie er über ihre Freundin redete. Als ob Judith nicht zählte" (ebd.). Es bleiben letztlich die postfeministischen Kernsätze: Männer sind Schweine, man kann nicht mit ihnen und nicht ohne sie leben, beim nächsten Mann wird (hoffentlich) alles anders, wahre Freundschaft gibt es nur unter Frauen... Äh, war da was...? Egal. 

Gesonderte Erwähnung verdient es, dass Caroline sich auf dem Höhepunkt der Infantilitätsphase ihrer Auseinandersetzung mit Judith - in Kapitel 68 - eine dramatische Verletzung zuzieht. Judith, der in Sachen Selbstinfantilisierung so leicht niemand etwas vormacht, will zum Zwecke der Wiedergutmachung Carolines Rucksack tragen [*], doch die verweigert das: "Judith war nicht nett, sie wollte nett gefunden werden" (S. 278). Beim nun folgenden Gerangel um den Rucksack stolpert und fällt Caroline und schürft sich das Knie auf. "Das Blut quoll unaufhörlich hervor, färbte die Hose vom Knie bis zum Unterschenkel" (ebd.). Nun könnte man sagen, der Unterschenkel fängt ja direkt unter dem Knie an, also ist "vom Knie bis zum Unterschenkel" keine allzu weite Strecke, ja im Grunde sogar gar keine; aber die Formulierung klingt doch eher nach einem total blutdurchtränkten Hosenbein. Womit Frau Peetz gewissermaßen anatomisches Neuland betritt, denn bei einer so stark blutenden Wunde müsste schon eine Hauptarterie verletzt sein. Mir wäre aber nicht bekannt, dass eine solche am Knie verläuft. Nur gut, dass eine kundige Ärztin zur Stelle ist - nämlich Eva.

Überhaupt ist es immer wieder Eva, die in dieser Phase der Romanhandlung sowohl Caroline als auch Judith zur Seite steht - mal beratend, mal ermahnend und zurechtweisend, mal tröstend. Als vierfache Mutter hat sie zweifellos Erfahrung in solchen Dingen. Aber genau da liegt auch schon wieder eine heimliche Tücke des Romans. Eva entpuppt sich immer deutlicher als die einzige der fünf Protagonistinnen, die gleichermaßen über gesunden Menschenverstand verfügt als auch das Herz am rechten Fleck hat - aber die Autorin kann es nicht lassen, sie aufgrund ebendieser Eigenschaften immer und immer wieder als "langweiliges Hausmütterchen" (S. 284) zu karikieren. Eine gute Ehefrau, gute Mutter und gute Freundin zu sein, mag ja gut und schön sein, aber als alleiniger oder hauptsächlicher Lebensinhalt ist das, der Weltanschauung des Postfeminismus zufolge, uncool. Das finden auch und sogar besonders diejenigen, die von diesen Eigenschaften Evas profitieren - also ihre in emotionale Katastrophen verstrickten Freundinnen. Und, ja, auch die Autorin. Die braucht einen Charakter wie Eva zwar dringend, um ihre verkorkste Geschichte zu einem halbwegs befriedigenden Abschluss zu bringen, aber wirklich leiden kann sie sie nicht. War Evas durch den Flirt mit Igor bzw. Jacques angestoßene Bekehrung zum postfeministischen "Selbstverwirklichungs"-Credo von vornherein nur halbherzig gewesen, so gewinnt, je näher man Lourdes kommt, die "Biederkeit" in ihr wieder die Oberhand - eben weil genau diese Züge Evas erzähltechnische Funktion ausmachen. Es ist nur allzu bezeichnend, dass die Autorin ihr nach Lourdes, als es nicht mehr darauf ankommt, eine postfeministische Radikalkur verpasst: Evas ganze Familie tanzt an, um sie aus Lourdes abzuholen, und zunächst freut sie sich und verlebt "einen großartigen Tag mit ihrer Familie" (S. 303). Aber dann merkt sie: Das ist eine Falle. Ihr Mann und ihre Kinder wollen sie nur wieder für sich vereinnahmen, wieder ins Joch des Hausfrauendaseins sperren.
"Sie fühlte sich wie eine Alkoholikerin, die soeben aus der Reha entlassen worden war und nun ängstlich jede Versuchung aus dem Weg räumte. Es war alles zu frisch. Zu neu. Die veränderte Eva viel zu zerbrechlich. Wenn sie jetzt mit nach Hause kam, würde in drei Tagen alles beim Alten sein." (S. 305) 
Und das kann ja niemand wollen! Also entschließt sich Eva spontan, nicht mit ihrer Familie nach Hause zurückzukehren, sondern weiterzupilgern - allein, und diesmal sogar auf dem richtigen Jakobsweg, nach Santiago de Compostela und, wie man am Schluss erfährt, noch darüber hinaus bis zum Kap Finisterre. Von dort kommt im letzten Kapitel "eine adrette, frisch aussehende Eva" (S. 314) zurück: "Mit dem modischen Mantel und ohne nachlässigen Pferdeschwanz wirkte sie zehn Jahre jünger. [...] Sie hatte kein Gramm abgenommen, aber sie versteckte ihre Rundungen nicht mehr" (S. 315). Und siehe da, die "neue Eva" plant sogar einen Wiedereinstieg ins Berufsleben! Zwar hat sie seit 15 Jahren keine Berufspraxis, keine Fortbildungen mitgemacht etc., aber was macht das schon, wenn man Beziehungen hat: "Die Ärztin, du weißt schon, mit der ich die letzten hundertzwanzig Kilometer gepilgert bin" (ebd.). Merke: Für Manche, wie Dominique, besiegelt das Pilgern den Ausstieg aus Karriere und bürgerlicher Existenz, aber das heißt nicht, dass man es nicht auch als Einstieg benutzen könnte. So geht Postfeminismus, Baby: Tout est possible, nur langweilig darf man nicht sein.

Doch noch einmal zurück zu Judith. Wir sind es aus den vorangegangenen Leseetappen bereits gewöhnt, dass die Fährnisse der Esoterik-Expertin unter den fünf Dienstagsfrauen stets deutlich religiös oder zumindest "spirituell" grundiert sind. Und dies gilt natürlich auch und erst recht, wenn es um Judiths Schuld geht. So wird ihr spiritueller Selbsterfahrungstrip nach Lourdes nachträglich zum Bußgang uminterpretiert: "Das ist die Schuld, Eva. Die Schuld, die ich hier ablaufe" (S. 259). Auch an die Begegnung mit dem "dämonische[n] Pilger" (S. 293) aus Kapitel 41 wird erneut erinnert: "Inzwischen hatte sie begriffen, dass sie keine Angst vor dem Pilger hatte, sondern vor ihren eigenen Geheimnissen" (S. 294). Nur steckt auch hier schon wieder ein Widerspruch. Wenn Judith sich - aus Angst "vor ihren eigenen Geheimnissen" - ihrer Schuld nicht gestellt hat, dann konnte die Pilgerreise nach Lourdes auch kein Bußgang sein. Tatsächlich haben wir es hier mit einem ganz zentralen Problem zu tun. "Ohne Beichte keine Erlösung", hatte der unheimliche Pilger Judith eingeschärft (S. 178); nun resümiert sie: "Sie hatte gebeichtet. Doch die Erlösung war nicht gekommen" (S. 294). Interessant. Hat sie gebeichtet? Nun gut, es ist nicht auszuschließen, dass sie zwischen der Ankunft in Lourdes und dem Besuch der Grotte einen Priester konsultiert hat, aber aller Wahrscheinlichkeit nach ist das so nicht gemeint. Sondern vielmehr, dass sie Caroline gegenüber "reinen Tisch gemacht" hat (S. 293). Aber das ist nicht nur formal keine Beichte, sondern auch von der geistigen Haltung her nicht. Denn wie wir oben gesehen haben, hat Judith Caroline gegenüber hauptsächlich darauf gesetzt, sich zu rechtfertigen - sich also zu ent-schuldigen in dem Sinne, dass sie ihre Schuld relativiert, anstatt sie vorbehaltlos anzuerkennen. So wird ihr natürlich keine "Absolution" (S. 286) zuteil. Ganz am Ende, nach Lourdes, findet Judith dann doch noch einen adäquaten Weg der Buße für ihre Verfehlungen - sie arbeitet mehrere Monate lang ehrenamtlich in Dominiques Krankenherberge -, und so wird dann schließlich auch alles gut, und Judith wird wieder in den Kreis der Dienstagsfrauen aufgenommen. Dennoch bleibt der Eindruck bestehen, dass nicht allein Judith, sondern auch die Autorin den Unterschied zwischen Selbstrechtfertigung und Bitte um Vergebung nicht verstanden hat (und viele Leser ihn ebenfalls nicht verstehen werden). Es scheint heutzutage ein verbreitetes, kaum hinterfragtes Verständnis von "Entschuldigung" zu sein, dass man Schuld, und damit auch die Verantwortung für sein eigenes Tun, tendenziell leugnet: Ich habe das eigentlich gar nicht gewollt, ich konnte nicht anders, ich bin da so reingerutscht ("hineingeschlittert, S. 264), ich hatte eine schwere Kindheit. Die Schlange hat mich verführt und so habe ich gegessen (Genesis 3,13). Man vergleiche dies mit der Haltung des Verlorenen Sohnes: "Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein" (Lukas 15,18f.). Diese Haltung besagt: Ich erkenne meine Schuld an, ich weiß, dass ich keine Vergebung verdiene, ich kann nur um sie bitten. Wie ich schon an anderer Stelle schrieb: Das Bedürfnis, die eigene Schuld zu relativieren oder zu leugnen, ist eine natürliche, vielleicht unvermeidliche Konsequenz, wenn man an die Möglichkeit unverdienter Vergebung, also Gnade, nicht glaubt. "Solche Zweifel", sagte Pater Jacek Mleczko einmal bei einer Predigt in der Herz-Jesu-Kirche in Prenzlauer Berg, "kommen vom Teufel."

Nun, gegen die Macht des Teufels haben wir Katholiken ja eine mächtige Fürsprecherin in Gestalt der Allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, auf deren "Territorium", wenn man so will, sich die Romanhandlung mehr und mehr zubewegt. Nur sind die Dienstagsfrauen eben nicht katholisch - bis auf Eva, die, als sie in Kapitel 60 vor Sorge nicht schlafen kann, im Lourdes-Magazin liest:
"Die Zeitschrift für Wallfahrende des dritten Jahrtausends hatte nur ein Thema. Das historische Lourdes zu Zeiten der Erscheinungen, die Visionen der Bernadette, Wunderheilungen und Pilgerströme. [...] Eva zweifelte keine Sekunde daran, dass die Geschichte sich so zugetragen haben musste. Warum sollte das Mädchen die Unwahrheit sagen? Wer sollte ihr den komplizierten Satz der sechzehnten Erscheinung eingeflüstert haben: 'Que soy era Immaculada Councepciou'. So was dachte sich kein ungebildetes Arbeiterkind aus. Das Wasser von Lourdes hatte Menschen geheilt. An Leib und Seele. Die Magie [!] des Ortes würde ihre Herzen erreichen. Hoffte sie." (S. 244) 
Es ist der Autorin leider zuzutrauen, dass sie mit dieser Passage lediglich die Naivität der biederen Eva illustrieren will. Jedenfalls gibt es schon auf der nächsten Seite einen nahezu blasphemischen Kontrapunkt zu diesen Betrachtungen:
"Im Türrahmen stand eine mysteriöse Dame. Sie trug ein weißes Kleid und einen weißen Schleier. Das flatternde Gewand war in der Taille mit einem Gürtel festgezurrt.
'Ich bin's', flüsterte die Mariengestalt. Das klang eher nach Judith als nach der unbefleckten Empfängnis. Sie war in ein weißes Bettlaken gehüllt. [...]
'Ich dachte, ich hätte eine Erscheinung', empörte sich Eva. 'Tu das nie wieder.'" (S. 245) 
Einen besonders bemerkenswerten "Draht" zur heiligen Jungfrau entwickelt jedoch ausgerechnet die kühle, nüchterne, religiös unmusikalische Caroline. Das hatte sich gegen Ende der dritten Leseetappe, bei der Marienprozession in Les Angles, bereits angekündigt und setzt sich nun fort. "Nur eine verwitterte Mariengestalt aus Stein war Zeuge ihrer Verwirrung", heißt es auf S. 240, und diese Marienstatue ist es auch, die Caroline dazu veranlasst, ihren Anwaltskollegen anzurufen: "Die Mariengestalt nickte ihr beinahe unmerklich zu. Caroline beschloss, dass es egal war, ob es eine banale Lichtreflexion oder reine Einbildung war. Die Frau aus Stein hatte recht" (S. 241). Als Caroline, nachdem sie die Nummer bereits gewählt hat, doch wieder Zweifel bekommt, heißt es fast trotzig: "Caroline bemühte sich, nicht in Richtung Maria zu sehen. Sie brauchte kein göttliches Zeichen, um zu wissen, dass es richtig war, sich und anderen Fragen zu stellen" (S. 242). Weitere übernatürliche Erscheinungen bleiben zunächst aus; aber das ist im Grunde nicht schlimm, da es bereits feststeht, dass die Dienstagsfrauen zum Abschluss ihrer Reise ein Date mit der Allerseligsten Gottesmutter haben:
"Sie würden bei der allabendlichen Lichterprozession im Wallfahrtsbezirk ihrem Pilgerweg ein feierliches Ende setzen. 'Ihr sollt in Prozessionen kommen', hatte Maria durch Bernadette wissen lassen. Und die Dienstagsfrauen würden kommen." (S. 289) 
Der Eindruck, den der Wallfahrtsort auf Carolines Freundinnen macht, ist allerdings ausgesprochen gemischt. Für Lästerzunge Estelle ist Lourdes schlicht das "Disneyland der Katholiken" (S. 290) - eine Einschätzung, die durch allerlei erwartbare Schilderungen von Devotionalienkitsch und Kommerz untermauert wird. Zudem fühlt Estelle sich durch den Anblick der zahlreichen schwer kranken bzw. behinderten Pilger unangenehm berührt: "Man fühlt sich fast schon schuldig, wenn man nicht wenigstens am Stock geht" (S. 292). Küken Kiki fragt ihren Stecher Max unschlüssig: "Sollen wir das heilige Wasser holen?", und der erwidert flapsig: "Du fragst einen Atheisten. Im Flugzeug glaube ich an Gott. Nach der Landung erheblich weniger." Worauf Kiki salomonisch beschließt: "Wenn es nicht hilft, schaden kann es auch nicht" (S. 291). Eine populäre Einstellung, zweifellos, aber sogar Judith bemerkt, dass das Quatsch ist. Die weiß nämlich, dass Wunder nur dem begegnen, der an sie glaubt. In der Grotte von Lourdes trifft sie ein schwerbehindertes Mädchen und dessen Eltern wieder, denen sie schon in Dominiques Pilgerherberge begegnet war - und stellt fest:
"Das Ehepaar wirkte ganz anders als vor ein paar Tagen [...]. Das Graue war aus ihren Gesichtern verschwunden. Sie sahen entspannt aus, beinahe fröhlich. Der Gesundheitszustand des Kindes hatte sich kein bisschen verändert. Und trotzdem wirkten ihre Mienen heller." (S. 295) 
Ein 'Wunder light' also, keine spektakuläre Krankenheilung, aber irgendwie besser geht's den Eltern eben doch, wenn schon nicht dem kranken Kind. - Unmittelbar zuvor hatte Judith sich noch gefragt,
"warum Maria sie nach Lourdes geholt hatte. Maria, die aus ihrer Nische in der Felswand auf Wallfahrer und schaulustige Touristen herabsah, blieb stumm, so wie sie den ganzen Weg stumm geblieben war. Die spirituelle Erhebung des Pilgers blieb ihr auch in der Grotte von Lourdes versagt." (S. 294) 
Nicht so Caroline:
"Caroline war ergriffen von dem zarten Marienlied, das aus den Lautsprechern klang. [...] Das verhaltene Marienlied schwoll an zu einem mächtigen Chor [...]. Beim Refrain reckten sich die abertausend Kerzen [...] in den sternenlosen Abendhimmel.
Caroline verschmolz im Lichtermeer der Kerzen und in dem Lied, das sie warm umfing. Sie konnte es nicht verleugnen: Sie, die nie hatte pilgern wollen und die mit dem Katholizismus nichts am Hut hatte, war ergriffen von der Stimmung des Abends und der Magie [!] des Platzes um die große Basilika. [...]
Und da war wieder die Mariengestalt, die durch die Menge getragen wurde. Und diesmal schien sie Caroline offen zuzulächeln. Tränen liefen über Carolines Gesicht. [...] Sie weinte und lachte gleichzeitig.
Es war egal, was an der Geschichte von den Visionen der Bernadette stimmt. Es war egal, was die Souvenirgeschäfte um den heiligen Bezirk aus Bernadette und Maria machten. Das, was sie an diesem Abend auf dem Platz erlebte, hatte seine eigene Wahrhaftigkeit. Hier ging es nicht um unverständliche Dogmen und spektakuläre Heilungen. Hier ging es um die kleinen Gesten der Menschlichkeit. [...] Vielleicht waren das die wirklichen Wunder, die man mit nach Hause trug." (S. 297f.) 
Tja - alte Fußballerweisheit: Was zählt, is' auf'm Platz. Dogmen, Wunder, was soll's: Das Erlebnis ist entscheidend. Deswegen nimmt Caroline aus Lourdes als "wichtigste[s] Mitbringsel" "eine hölzerne Marienstatue" mit nach Hause,
"wie sie in Lourdes tausendfach und billig zu kaufen war. Massenware made in Fernost. Und doch ging ein magischer [!] Glanz von ihr aus, der das dunkle Zimmer erhellte. Beweisbar war das nicht. Aber das war Caroline denkbar egal. Maria hatte sich in ihre Biografie eingeschrieben. Und dafür musste sie weder glauben noch katholisch sein." (S. 310) 
Nun ja: Mit "weder...noch..." bezeichnet man eigentlich Gegensätze, aber ich will Frau Peetz hier nicht unterstellen, dass sie "glauben" und "katholisch sein" tatsächlich als Gegensätze sieht. Ich unterstelle vielmehr, dass sie eigentlich meinte "dafür musste sie nicht glauben, geschweige denn katholisch sein". Aber dass ihr für solche sprachlichen Feinheiten das Gespür fehlt, hat sie ja schon vielfach bewiesen. Weiterhin unterstelle ich, dass die Ironie, die darin liegt, dass Caroline ihre persönliche, auf den individuellen Bedarf zugeschnittene Do-It-Yourself-Alltagsspiritualität mit Hilfe von "Massenware made in Fernost" verwirklicht, der Autorin komplett entgangen ist. In der Welt der Dienstagsfrauen kommt es schließlich nicht darauf an, woran man glaubt; Hauptsache, es bringt ein bisschen "Magie" in ein ansonsten dunkles Zimmer. Oder Leben.

-- Was soll man nun abschließend zu diesem Buch sagen? Es ist grottenschlecht geschrieben, sprachlich wie auch erzähltechnisch; es offenbart eine abscheuliche Gesinnung, eine tief verwurzelte Feindschaft gegenüber dem gesunden Menschenverstand sowie einen völligen Mangel an Verständnis für den katholischen Glauben oder für Religion im Allgemeinen. Es ist ein Fall für die Altpapiertonne. Und ich werde ganz gewiss kein weiteres dieser Autorin lesen.



[* Immerhin scheint sich Judith hier an ihren katholischen Religionsunterricht zu erinnern, den sie, obwohl konfessionslos, zwangsweise mitmachen musste (wie man auf S. 174 erfahren hat). Für jemand anderen den Rucksack zu tragen wird nämlich in einer Geschichte des für die Erstkommunionkatechese konzipierten Kinderbuchs "Fromme Geschichten für kleine Leute" von Josef Quadflieg, Düsseldorf 1956, als Bußübung erwähnt.]