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Freitag, 3. Mai 2019

Auf der Suche nach Wasserbüffeln

Alles begann am Ostermontag mit einem Familienausflug in den Tierpark Berlin-Friedrichsfelde. Zu den Tieren, die man dort bewundern konnte, gehörten nämlich auch asiatische Wasserbüffel. Und irgendwie - ich könnte selbst nicht sagen, warum - beeindruckten und faszinierten mich diese Tiere. 




"Werden nicht irgendwo in Brandenburg auch Wasserbüffel gezüchtet?", fragte ich meine Liebste. Keine Ahnung, wie ich darauf kam. In dem "Cowgirl"-Buch, das ich hier schon ein paarmal erwähnt habe, kommen Wasserbüffel vor, allerdings eher beiläufig, und da geht es um einen Hof in Bayern, auf dem die Protagonistin ein Praktikum im Rahmen ihres Ökolandbau-Studiums absolviert. Vor allem aber hatte ich das Buch zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht. Das konnte es also nicht gewesen sein. Waren bei der Buchvorstellung, die ich besucht hatte, Wasserbüffel erwähnt worden? Möglich, aber ich kann mich nicht daran erinnern.

Meine Liebste war jedenfalls auch der Meinung, irgendwie irgendwo schon mal was über Wasserbüffel in Brandenburg gehört oder gelesen zu haben, wusste aber ebenfalls nichts Genaueres. Ein paar Tage später fiel mir das Thema wieder ein, und ich befragte Onkel Google. Tatsächlich: Landwirtschaftliche Betriebe, die Wasserbüffel halten, gibt es in Brandenburg eine ganze Reihe -- zum Beispiel in Hirschfelde bei Werneuchen, Gröden (Elbe-Elster), Jüterbog und Werder (Havel). Der Geschmack von Büffelfleisch ist, wie man hört, nicht jedermanns Sache, aber die, die es mögen, betrachten es als Delikatesse; und die Milch der Büffel ist besonders fetthaltig. In Kremmen (Oberhavel) gibt es eine Käserei, die echten Büffelmozzarella herstellt. Aber noch interessanter als die Aufzucht von Büffeln zur Milch- und Fleischgewinnung fand ich den Einsatz von Büffeln in der Landschaftspflege. Entsprechende Beweidungsprojekte gibt es, wie ich erfuhr, beispielsweise im Nationalpark Unteres Odertal, wo "Cowgirl" Anja Hradetzky ihren Hof hat -- aber auch am Tegeler Fließ, und das ist ganz bei mir in der Nähe!

Wie ich feststellte, haben die Wasserbüffel am Tegeler Fließ eine hübsch gestaltete Website; ganz oben auf der Seite prangt der Schriftzug "Ein Biologieprojekt des GvB-Gymnasiums" -- was ich im ersten Moment so verstand, als sei die Ansiedlung der Büffel im Fließtal ein Projekt im Rahmen des schulischen Biologieunterrichts. Ich mein', hätt' ja sein können. Beispielsweise gehört zum Permakultur-Gartenprojekt "GleisBeet" auf dem Gelände des ehemaligen Wriezener Bahnhofs in Berlin-Friedrichshain auch eine im Rahmen eines Schulprojekts bebaute Fläche. Aber zugegeben, eine Büffelherde in einem Naturschutzgebiet weiden zu lassen ist da im direkten Vergleich wohl doch noch eine Nummer größer. Tatsächlich wird das Beweidungsprojekt vom Bezirksamt Reinickendorf in Zusammenarbeit mit der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt betrieben und durch EU-Mittel gefördert. Schüler des Bio-Leistungskurses am Gabriele-von-Bülow-Gymnasium betreuen lediglich die Website, die das Projekt dokumentiert. Na dann. 

Interessanter ist ja allemal die Frage: Was soll das Ganze? Die Antwort ist ausgesprochen faszinierend. Ich versuch's mal mit meinem Laienverstand zusammenzufassen: Feuchtwiesen sind schwierig zu bewirtschaften, da man sie nicht maschinell mähen kann und sie sich auch für die Beweidung mit handelsüblichen Hausrindern kaum eignen, zumal diese dort kaum für sie geeignetes Futter finden. Überlässt man die Feuchtwiesen jedoch sich selbst, verwandeln sie sich nach und nach in einen Wald. ("Das nennt man Sukzession", klärte meine Liebste, die ja studierte Biologin ist, mich auf.) Das Problem dabei ist, dass im Zuge dieses Landschaftswandels seltene und bedrohte Tier- und Pflanzenarten verdrängt werden -- die exakt deshalb selten und bedroht sind, weil es infolge massiver Eingriffe des Menschen in die Landschaftsentwicklung seit der Industrialisierung insgesamt zu wenig Feuchtwiesen gibt. Und hier kommen nun die Wasserbüffel ins Spiel: Diese Tiere sind ausgezeichnet an das Leben auf feuchten Böden angepasst, fressen problemlos auch Schilf und Sauergras -- und zugleich tragen sie durch ihr Wandern und Suhlen, durch ihr Scheuern an Gehölzen und durch ihr Fressverhalten wesentlich zur Strukturierung der Landschaft bei, nicht zuletzt auch, indem sie die Ausbreitung des Baumbestands eindämmen. "Diese Effekte sind gewollt und dienen der Entwicklung vielfältiger Strukturen und der Förderung konkurrenzschwacher Arten", heißt es auf einer Infotafel des Bezirksamts. 

Somit sind die angestrebten Auswirkungen der Beweidung des Fließtals mit Wasserbüffeln also durchaus den von mir schon mehrfach erwähnten Auswirkung der Wiederansiedlung von Wölfen im Yellowstone-Nationalpark vergleichbar, wenn auch vielleicht nicht ganz so spektakulär. Mein Interesse an den imposanten Wiederkäuern wuchs in ungeahnte Höhen. 

Übrigens liegt das Naturschutzgebiet Tegeler Fließtal in einer, wenn man so will, ausgesprochen katholischen Umgebung: An seinem einen Ende grenzt es an die St.-Josephs-Siedlung an, ein in den 1920er-Jahren eigens für katholische Arbeiterfamilien angelegtes Siedlungsprojekt mit eigener Kirche (deren Zukunft auf mittlere Sicht allerdings ungewiss ist); und am anderen Ende liegen die katholische Salvator-Schule und das Franz-Jordan-Stift, ein Seniorenheim der Caritas. Aber das mal nur nebenbei. 

Kurz und gut, als hier neulich mal besonders schönes Wetter war, brach ich mit meiner kleinen Tochter zu einen Ausflug ans Tegeler Fließ auf. 


Gut zwei Stunden lang durchstreiften wir das Naturschutzgebiet von der St.-Josephs-Siedlung bis nach Hermsdorf und zurück, aber obwohl es sogar einen praktischen Übersichtsplan über die Weideflächen der Wasserbüffel und spezielle Aussichtspunkte gab... 


...und obwohl ich mir zeitweilig einbildete, die Büffel bereits riechen zu können, bekamen wir die Herde nicht zu Gesicht. Sehr schön war's trotzdem im Fließtal: 






Aber zufrieden geben mag ich mich doch nicht damit, die Büffel nicht gesehen zu haben. Ich muss wohl bald mal einen zweiten Versuch unternehmen. Wahrscheinlich - und damit komme ich kurz vor Schluss zur geistlichen Nutzanwendung dieser ganzen Büffelgeschichte - rührt mein Interesse in letzter Instanz daher, dass ich mich diesen Tieren irgendwie verwandt fühle. Oder besser gesagt, dass ich mich mit ihrer Aufgabe gut identifizieren kann. So ähnlich sehe ich meine Aufgabe in meiner Pfarrgemeinde auch: allmählich, beharrlich und schlicht durch mein "So-Sein" die Umweltbedingungen verändern. Mich an überhand nehmenden, verholzten Strukturen scheuern, offene Räume schaffen, Artenvielfalt ermöglichen. 

Okay, ehrlich gesagt habe ich mir diese Analogie gerade eben erst ad hoc zurechtgelegt. Aber ich glaube, da ist durchaus was dran. 

Muh.



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