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Dienstag, 15. Januar 2019

Die Kinder und der nicht nur liebe Gott


Hatten wir das Thema nicht neulich erst? – In der Tat; allerdings hatte ich, als ich mir Johannes Schneiders in der "Antichrist &Unterwelt" erschienenen Artikel zum Thema "Hilfe, meine Kinder sind frömmer als ich" vorknöpfte, nicht den Hauch einer Vorahnung, dass ich kurze Zeit später auf einen thematisch verwandten Artikel stoßen würde, der diesen in puncto Doofheit noch weit in den Schatten stellen würde. Wobei, wenn's nur Doofheit wäre. In beiden Fällen kann man den Autoren persönlich, so gern man es möchte, nur schwer einen Vorwurf machen, denn beide geben sehr deutlich zu erkennen, dass sie selbst bereits Opfer einer von Grund auf verkorksten religiösen Sozialisation sind. Was übrigens genau der Grund ist, weshalb es sich dennoch lohnt, die Texte zu lesen, denn wenn man sie gründlich genug gegen den Strich bürstet, stößt man hier und da doch auf eine bemerkenswerte Erkenntnis.

Genug der Vorrede: "Es gibt keine kindgerechte Version von Gott" lautet der Titel eines von einer in Berlin lebenden zweifachen Mutter unter dem Pseudonym "Anna Wronska" verfassten Beitrags auf "Schlaflos", dem "Familienblog der F.A.Z.", über den ich in den Weiten der sozialen Netzwerke gestolpert bin. Unter dem Titel hätte man sich ja durchaus auch eine Kritik an der Tendenz vorstellen können, christliche Glaubensinhalte zu verflachen und zu verniedlichen, um sie auf diese Weise vermeintlich "kindgerecht" vermitteln zu können, und eine solche Kritik hätte bei mir offene Türen eingerannt; der erste Absatz könnte auch tatsächlich in diese Richtung verstanden werden, aber man merkt doch recht bald, dass die Verfasserin eigentlich ganz andere Sorgen hat.

"Unser Sohn Ben geht in eine evangelische Kita", heißt es da zunächst:
"Das steht zumindest vorne dran [...]. Ich weiß, dass die Kinder einmal im Monat gemeinsam in die Kirche gehen, dass sie in der Adventszeit Weihnachtslieder singen und im Eingangsbereich eine Krippe steht, aber viel mehr als das scheint es an frühkindlicher religiöser Prägung nicht zu geben. Das hat mich auch nie gestört, obwohl ich selbst christlich erzogen bin [...]."
So einen Fall hatten wir neulich schon mal: Erneut ist das entscheidende Wort im letzten hier zitierten Satz das Wörtchen "obwohl". Wie ist es gemeint? Der Wortlaut scheint zunächst nahe zu legen: Obwohl die Mutter "selbst christlich erzogen" wurde, hat es sie bis vor Kurzem "nie gestört", dass die religiöse Erziehung in der konfessionellen Kita, die ihr Sohn besucht, so oberflächlich ist. Der weitere Verlauf des Texts legt jedoch eine andere Deutung nahe: Obwohl sie selbst christlich erzogen wurde, hat es sie bisher nicht gestört, dass ihrem Sohn in der Kita überhaupt eine – wenn auch nur oberflächliche – religiöse Erziehung zuteil wird. Aber neuerdings stört es sie doch. Weil diese Spurenelemente von Religion beim Kind Fragen aufwerfen, die sie als Mutter teils nicht beantworten kann und teils nicht beantworten will.

Das ist jedenfalls das "framing", das die Autorin ihrem Artikel zu geben versucht; ich muss allerdings gestehen, dass mich das umso weniger überzeugt, je öfter ich den Text lese. Dass der kleine Ben im Alter von drei Jahren plötzlich doch anfängt, "Interesse an spirituellen Fragen" zu zeigen, hat nämlich zunächst einmal überhaupt nichts mit religiöser Erziehung zu tun – sondern vielmehr mit dem "Tod seiner polnischen Ur-Oma". Die Autorin berichtet:
"Der 'Klassiker', dass sie in den Himmel zu Gott gekommen war, kam von uns Eltern wie auch den anderen Verwandten automatisch, und er nahm das ohne weitere Nachfragen hin. Doch mit der Zeit wurde ihm die Sache unheimlich [...]." 

Bemerkenswert ist die Konsequenz, die sie daraus zieht: "Wir lernten also: Himmel weglassen. Himmel ist nicht gut." (Ich komme noch darauf zurück, warum ich diese Reaktion für problematisch halte.) "Und beim vermeintlich unverfänglichen Thema Dinosaurier/Fossilien bekamen wir vor ein paar Monaten zu hören: 'Müssen wir auch sterben, wie die Dinos?'"

Spätestens an diesem Punkt hätte die Mutter eigentlich selbst merken müssen, dass das Problem, das sie hier beschreibt, primär nichts mit Religion zu tun hat. Sondern schlichtweg damit, dass das Kind erstmals mit der Realität des Todes konfrontiert worden ist und dass diese Realität naturgemäß "unheimlich" ist. Diese Konfrontation mit dem Tod ist etwas, das allen Kindern (und ihren Eltern) früher oder später blüht, egal ob religiös erzogen oder nicht; ich habe vor Jahren schon mal was darüber geschrieben. Sicherlich macht es für die Art und Weise, wie man mit seinem Kind über den Tod spricht, einen erheblichen Unterschied, ob man an ein Leben nach dem Tod glaubt und diesen Glauben auch an seine Kinder weitergeben möchte oder eben nicht. Aber eines zeigt "Anna Wronskas" Erfahrungsbericht eben ganz deutlich: Die Erzählung vom Himmel lediglich als "Trostpflaster" einsetzen zu wollen, um den Schmerz und den Schrecken der Begegnung mit dem Tod zu beschwichtigen, das funktioniert eben nicht.

Dennoch legt die Mutter eine solche Beschwichtigungsstrategie auch in anderer Hinsicht an den Tag. Etwa, wenn sie ihrem Sohn aus einem "Erklärbuch für Kinder zum Thema Bibel" vorliest, das sie von der Oma geschenkt bekommen hat, nachdem sie sich "an die deutschen und polnischen Kinderbibeln im Regal […] bislang nicht herangetraut" hat:
"Bei Kain und Abel formulierte ich bereits etwas um ('Er ging mit Abel aufs Feld und… äh… schimpfte mit ihm')."

Echt jetzt? – Das erinnert mich daran, wie ich mal im Wartezimmer beim Kinderarzt mitbekam, wie eine Mutter ihrer Tochter eine Bilderbuchversion von "Schneewittchen" vorlas und dabei die Passage, in der der Jäger Schneewittchen im Wald umbringen soll, auf ganz ähnliche Weise "entschärfte". Mir ist klar, dass manch ein Vulgäratheist es mit triumphalem Leuchten in den Augen als Steilvorlage auffassen wird, wenn ich hier biblische Geschichten mit Märchen vergleiche, aber davon lasse ich mich einfach mal gar nicht stören und sage: Vergleichen heißt nicht gleichsetzen, und natürlich gibt es zwischen biblischen Erzählungen und Märchen ein gewisses Maß an Ähnlichkeit. Und dazu gehört zum Beispiel eben das "Archaische", von dem Johannes Schneider in seinem Christ & Welt-Beitrag meinte, dass es ein wesentlicher Grund für die Anziehungskraft sei, die die Sphäre von Bibel, Glaube und Kirche auf seine Kinder ausübe: Es handle sich um "eine Gegenwelt, die nicht nur grausamer, sondern auch größer, feierlicher und älter ist als alles, was sich die Kinder sonst vorstellen können". Wenn Eltern meinen, diese Grausamkeit sei Kindern nicht zuzumuten, dann kann man sich vielleicht darüber streiten, für welche Altersstufe das gilt, aber grundsätzlich halte ich diese Einstellung für falsch. Wie Chesterton sagte – ich zitiere sinngemäß aus dem Gedächtnis:
"Aus Märchen lernen Kinder nicht, dass es Drachen gibt. Dass es Drachen gibt, wissen sie bereits. Aus Märchen lernen sie, dass Drachen besiegt werden können." 
Hingegen gehört "Anna Wronska" offenkundig eher zu den Eltern, die ihren Kindern lieber einreden, es gäbe die Drachen nicht - oder zumindest würden sie verschwinden, wenn man vor ihnen die Augen verschließt. Diese Haltung ist, wie schon angedeutet, ihr persönlich nicht unbedingt zum Vorwurf zu machen; sie scheint bei Eltern aus der Millennial-Generation insgesamt nicht gerade selten zu sein, und dass das durchaus etwas mit den eigenen Kindheitserfahrungen dieser Generation zu tun haben könnte, deutet die Verfasserin an mehreren Stellen ihres Beitrags an. Aber darauf will ich hier eigentlich gar nicht hinaus. Schauen wir uns lieber an, was nach dem Tod der Uroma das nächste Ereignis in der Erlebniswelt des kleinen Ben war, das seine Eltern in metaphysische Erklärungsnöte brachte:

Weihnachten. Ja, echt:
"Ben, mittlerweile vier Jahre alt, wollte wissen, wie das ist mit dem Himmel und dem Weihnachtsmann, äh, dem Nikolaus, äh, dem Christkind. [...] Allesamt weniger tiefsinnige als vielmehr praktische Fragen und Überlegungen, aber schon die brachten uns in Erklärungsnöte: Ja, WIE soll das Christkind reinkommen, wenn es – wie man regelmäßig beteuern muss, damit der Sohn beruhigt einschlafen kann – ganz bestimmt kein Einbrecher in unsere Wohnung schafft? […] Und: Wenn das Christkind nur den lieben Kindern Geschenke bringt, dann sind die nicht so lieben ja traurig! GEMEIN!" 
In gewissem Sinne hat die Verfasserin hier mein Mitgefühl, denn die hier geschilderte Problematik weist mich darauf hin, dass meine Liebste und ich eher früher als später vor der Herausforderung stehen werden, unserer Tochter (und möglichen zukünftigen weiteren Kindern) zu erklären, dass es zwar den Weihnachtsmann nicht gibt, dass aber andere Kinder in ihrem Alter an ihn glauben und dass das okay ist. Eine Art frühes Aufklärungsgespräch. Ich freu mich schon. Nicht. Der zentrale Unterschied zwischen "Anna Wronska" und mir hinsichtlich der Frage, was das nun aber mit religiöser Erziehung zu tun habe, ist indes: Ich möchte mein(e) Kind(er) lehren, an Gott zu glauben und an den Weihnachtsmann nicht zu glauben, wozu auch gehört, begreiflich zu machen, dass das zwei völlig unterschiedliche Arten von Glaube sind. Dagegen spricht die F.A.Z.-Bloggerin über den Glauben an den Weihnachtsmann (bzw. das "Christkind") und den Glauben an Gott so, als sei beides strukturell gesehen so ziemlich dasselbe. Und in gewissem Sinne sieht sie das wohl tatsächlich so.
"Um Werte und Botschaften zu vermitteln, müssen mein Mann und ich uns darüber im Klaren (und dann auch noch einig) sein: Was hat uns als Kindern Halt gegeben, was war und ist uns wichtig? Was glauben wir, und was wollen wir, dass die Kinder für wahr halten – wenn auch nur für die ersten Jahre? Denn dass Ben im Moment und noch für eine ganze Weile zumindest ein paar Orientierungspunkte, ein paar Skizzen für ein erstes Weltbild braucht, bevor er sein eigenes zeichnet, davon bin ich überzeugt. Nur: Braucht er dafür auch ein paar geflügelte Wesen, die Geschenke bringen? Braucht er dafür einen lieben, beschützenden Gott, oder gar einen strengen, strafenden?" 
Es ist bemerkenswert, wie offen der Glaube an Gott hier als eine bloße Hilfskonstruktion aufgefasst wird, die dazu dienen soll, dem Kind "Werte" zu vermitteln -- bis es irgendwann reif genug ist, ohne ein solches Konstrukt auszukommen. Man erahnt hier eine – den vulgärdarwinistischen Theorien von Leuten wie Ernst Haeckel ("Die Ontogenese rekapituliert die Phylogenese") strukturell nicht ganz unähnliche – Vorstellung, derzufolge die Entwicklung des heranwachsenden Menschen mit der Entwicklung der Menschheit als Ganzer korrespondiere: Das Kleinkind ist gewissermaßen ein Steinzeitmensch, das Vorschulalter der Bronze- und Eisenzeit, im Grundschulalter werden Mittelalter und frühe Neuzeit durchlaufen, die Pubertät ist eine Art 30jähriger Krieg, und danach bricht das Zeitalter der Aufklärung an. Klingt albern? Sicherlich, aber in mehr oder weniger bewusstem Ausmaß scheinen solche Vorstellungen doch recht verbreitet zu sein. Folgerichtig fand "Anna Wronska" an dem bereits erwähnten "Erklärbuch für Kinder zum Thema Bibel" insbesondere "Einleitung [...] vielversprechend": 
"Vor tausenden von Jahren 'hatten die Menschen ein anderes Wissen als heute. Sie glaubten, dass nur eine große Kraft wie Gott diese schöne Schöpfung zustande bringen konnte'. Das klang etwas weniger absolut, das gefiel mir."
Der Haken an einem so pragmatischen Zugang zum Phänomen Religion - einem Zugang, der nicht fragt "Ist es wahr?", sondern "Ist es nützlich?" - wird unmittelbar einsichtig, wenn die Verfasserin fortfährt:  
"Wie viel Glauben/Religion will und soll ich meinen Kindern vermitteln, um ihnen Nächstenliebe, Empathie, Toleranz, Zuversicht beizubringen? Und: Taugt Religion überhaupt dafür? Man muss kein Historiker sein, um das anzuzweifeln. [...] Selbst die Pfarrerin in der Kirche sagte in ihrer Weihnachtspredigt sinngemäß: 'Der Heiland ist geboren! Hurra! Aber es stimmt: Vom versprochenen Frieden sind wir bis heute weit entfernt… also: Beten wir! Für den Frieden!' Wie soll ich meinem Kind überzeugend die frohe Botschaft erklären, wenn selbst die Profis es nicht vermögen?"
Okay: Wo sie Recht hat, hat sie einfach mal Recht. Den Eindruck, dass Pfarrer und andere "pastorale Mitarbeiter" in Kirchengemeinden es selbst nicht besonders gut hinkriegen, den Leuten zu vermitteln, worin die Frohe Botschaft des Christentums besteht und weshalb sie sich dafür interessieren sollten, habe ich auch oft. Und dann darf man sich tatsächlich nicht wundern, wenn die Glaubensweitergabe in den Familien nicht funktioniert: Woher sollten die Eltern (und Paten) das denn können, wenn sie selbst keine vernünftige Katechese erhalten? -- Andererseits sind die Leute aber schon auch selbst schuld: Sie wollen eine Religion, die ihnen Orientierung und Halt (gerade auch in schlechten Zeiten) gibt, aber gleichzeitig soll diese Religion keine Ansprüche an sie stellen, sie zu nichts verpflichten und sie in nichts einschränken. Woher dann der Halt und die Orientierung kommen sollen, könnten sie wahrscheinlich selbst nicht sagen. Ein klassischer Fall von "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass"

In der Bergpredigt erklärt Jesus Seinen Jüngern: "Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben" (Matthäus 6,33). Im Gegensatz dazu zeigt sich immer wieder, dass eine Religion, die man auf ihren ethischen und/oder therapeutischen Gebrauchswert zu reduzieren versucht, gerade diesen Zweck meist herzlich schlecht erfüllt. Und das ist ja auch kein Wunder, denn wie sollte man an eine bedarfsgerecht zusammengeschneiderte Religion ernsthaft glauben können? 


Wie dem auch sei: Vorläufig jedenfalls führen die Autorin und ihr Mann den kleinen Ben zwar "nicht aktiv an Glaube und Religion heran und hoffen, dass die ganz tiefgehenden Fragen noch eine Weile auf sich warten lassen", aber gleichzeitig verspürt die Mutter doch auch ein "Bedürfnis, Ben von Gott zu erzählen":
"Vermutlich, weil ich ein paar der Geschichten über ihn selbst nicht aufgeben will. Ich mag den Gedanken, meine Ur-Omas und Ur-Opas wiederzusehen. Oder den Gedanken, dass ich meine Kinder niemals für immer verlassen muss, Wissenschaft und Aufklärung hin oder her."
Kurz gesagt also: "die guten, tröstlichen Sachen". Das ist ein Glaube, wie ihn Vulgäratheisten gern den Gläubigen unterstellen: Gott als imaginärer Freund, den man herbeiphantasiert, wenn man ohne Ihn nicht mehr weiter weiß. 

Hand aufs Herz: Sieht so dein Gott aus? (Bildquelle: Flickr
Man könnte es auch so formulieren: "Anna Wronska" hat den Gott, an den sie als Kind geglaubt hat, zusammen mit anderen alten Spielsachen in einem Karton auf dem Dachboden aufbewahrt, und nun, da sie selbst ein Kind hat, holt sie den Karton wieder hervor und schaut nach, ob da etwas drin ist, was sie für ihren Sohn gebrauchen kann. Dabei findet sie auch ihren alten Gott wieder, stellt aber fest, dass sie den irgendwie schon immer ein bisschen unheimlich fand, und zögert daher, ihn ihrem Sohn zum Spielen zu geben.

Kurz vor Schluss bezeichnet die Autorin eine vage Kalenderspruch-Spiritualität auf etwas, worauf man sich "ganz gut einigen kann (sofern man nicht gerade Atheist ist)"; demnach betrachtet sie sich selbst offenbar nicht als Atheistin, und das empfinde ich als das womöglich verblüffendste Detail des Artikels. -- Im Ernst: Dass das Ganze mich überhaupt so interessiert, hat natürlich mit meinen eigenen Vorstellungen von religiöser Kindererziehung zu tun, und mit der Erkenntnis, dass man es als Eltern schwer haben wird, wenn man mit seinen Bemühungen, die eigenen Kinder im Glauben zu erziehen, allein auf weiter Flur steht. Wenn man von seiner Kirchengemeinde nicht unterstützt wird (und schon froh sein kann, wenn sie nicht gegen einen arbeitet) und auch keine anderen Eltern ungefähr gleichaltriger Kinder in seinem Umfeld hat, die mit einem am selben Strang ziehen. Dann werden nämlich auch die Kinder Schwierigkeiten haben, gleichgesinnte Freunde zu finden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie das ist. In der Pfarrgemeinde, in der ich aufgewachsen bin, gab es kaum andere Kinder in meinem Alter; mit den wenigen, die es gab, verstand ich mich nicht besonders gut; und umgekehrt teilte von meinen Schulfreunden niemand meinen Glauben. Dass das gesamtgesellschaftliche Klima seither noch erheblich ungünstiger für den christlichen Glauben geworden ist, kommt erschwerend hinzu. Welche Schwierigkeiten das für das Bemühen um eine christliche Kindererziehung mit sich bringt und wie man diesen Schwierigkeiten konstruktiv begegnen kann, dürfte ein Thema sein, das mich noch einige Jahre beschäftigen und daher auch hier im Blog immer mal wieder eine Rolle spielen wird. Vorerst möchte ich lediglich festhalten: Mit Eltern, die ihren Kindern zwar ein bisschen Religion mit auf den Weg geben wollen, aber so richtig dann doch nicht, weil ihnen das zu "extrem" wäre, habe ich ein Problem -- vorläufig noch in der Theorie, zukünftig wohl auch in der Praxis. Da sind mir sogar erklärte Atheisten lieber...




9 Kommentare:

  1. Ich teile Dein Entsetzen über diese Frau, die nicht mal weiß, daß sie Atheistin ist.
    Zu Deiner Beruhigung darf ich Dich erinnern: Dein Töchterlein hat auch eine Patentante. :)

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  2. Ihre Analyse der Mutter und ihrer Situation finde ich sehr gut - meine Tochter ist jetzt drei Jahre alt, und ich kenne viele Mamas, die genauso handeln und argumentieren würden wie die Mutter im Text, gerne mit dem Hinweis "Ich glaube schon an eine höhere Gewalt". So eine Art MTD light, wie Rod Dreher es vielleicht nennen würde.
    Nur: die Mutter hat steckt natürlich tatsächlich in einer üblen Zwickmühle. Dass sie eine Basis für die Werterziehung braucht, ohne Gott wirklich bemühen zu wollen (oder ihn authentisch bemühen zu KÖNNEN), das ist ein massives Problem. In meinem Umfeld ist wirklich kein einziges Elternpaar religiös, getauft wird aus Tradition, das war's dann schon. Wie sollen wir unseren Kindern eine feste Basis mitgeben und nicht in die anything goes-Beliebigkeit verfallen, die ja Teile der Gesellschaft schon infiziert hat. Womit sollen wir bitte arbeiten, wir können ja nicht einmal ein paar Geschichten von Gott erzählen, ohne in grobe Erklärungsnöte zu kommen. Wir sitzen, und ich sage das jetzt bewußt sehr grob, in der Sch*e, denn unsere Kinder würde dringend ein festes Wertefundament über "wouldn't it be nice if everyone were nice" brauchen, heute mehr denn je zuvor, nachdem der gesellschaftliche Wertekonsens früherer Jahrzehnte weitgehend brüchig geworden ist.

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  3. "Womit sollen wir bitte arbeiten, wir können ja nicht einmal ein paar Geschichten von Gott erzählen, ohne in grobe Erklärungsnöte zu kommen."

    Wenn der Elternglaube so ausgeprägt ist, wie Jesus es von den Erwachsenen fordert, nämlich so zu glauben wie ein Kind, dann erübrigt sich die Diskussion um eine Erklärung.



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    1. Das war jetzt ungefähr so hilfreich wie "wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen."

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    2. Dann brech ich das mal runter: Wenn mein Vater z.B. davon überzeugt war, dass Jesus übers Wasser laufen konnte weil er der Sohn Gottes ist, dann war das für uns Kinder auch klar. Ganz ohne Erklärungsnöte.

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    3. Ich habe schon verstanden, worauf Sie hinaus wollten, und es ist einfach nicht hilfreich. Leute, die nicht einmal skeptisch glauben, glauben nicht plötzlich "wie die Kinder". Die glauben gar nicht.
      Aber sei's drum, ich sehe schon, Sie müssen als Christen sicherlich Ihre eigenen Probleme beackern, bevor Sie sich mit denen des Rests der Welt beschäftigen, und angesichts kommender Stürme und Verwerfungen (ich bin da ganz auf der Seite Rod Drehers, die werden kommen) ist das ja auch sehr sinnvoll. Der Rest von uns muss sich halt etwas anderes überlegen und versuchen, irgendwie klarzukommen.

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    4. Das klingt jetzt, vielleicht ungewollt, schon sehr resignierend, sich selber als "Rest der Welt" zu bezeichnen, der irgendwie klar kommen muss. Dass mein Kommentar das irgendwie impliziert haben könnte, war nicht meine Absicht. Dass "wir Christen" unsere eigenen Probleme beackern müssen, ist seid 2000 Jahren Standart, beackern wir dann doch gleichzeitig die Probleme vom Rest der Welt. Das faszinierende an unserem Glauben ist doch, dass Jesus von uns keine Verkopfung verlangt, keine höhere Bildung und keinen Skeptizismus. Er verlangt den Glauben (im Idealfall den eines Kindes) und nichts anderes. Dass der Glaube auch ein aktives Mittung verlangt sollte dann auch klar sein. Mal ab und zu in der Glaubenskiste zu wühlen reicht da nicht aus und ist eher kontraproduktiv. Vielleicht mal was hilfreiches: Eine Stunde in der Kirche, vor dem Allerheiligsten um den Glauben beten. So unter vier Augen. Es stimmt ja immer noch die Aussage des Herrn: Kümmert euch erst um das Reich Gottes, alles(!) andere wird euch dazu gegeben. Dass Gott jedem verlorenen Schaf nachgeht, heißt ja nicht, dass wir nicht zu ihm kommen sollen.

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  4. Das ist eine wirklich gute Analyse des weit verbreiteten Verständnisses von christlichem bzw. katholischem Gläubigsein. Darin steckt auch der Grund, warum es nahezu unmöglich ist, den Glauben an Jesus und die Frohe Botschaft weitergeben zu können. Menschen, die sich bereits schon für gläubig halten und sich eingerichtet haben, kann man meist nicht mehr für den christlichen Glauben entzünden. Es ist wirklich etwas dran an nachfolgender Feststellung, die ich in einer Predigt gehört habe: "Die Vernunft allein führt meist in den Atheismus." Der Vollständigkeit halber ging der Satz folgendermaßen weiter: "Der Glaube allein hingegen, führt meist in den Fanatismus." Ich denke, der Fehler liegt daran, dass die Eltern die Kinder aus Tradition und nicht aus "Vernunft und Glauben" heraus taufen. Die Kinder werden zu etwas gemacht, was sie nicht vermittelt bekommen und deshalb nicht sein werden. Auf der anderen Seite ist die Taufe - so viel ich weiß - heilsnotwendig. Es ist echt schwierig!

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  5. "Darin steckt auch der Grund, warum es nahezu unmöglich ist, den Glauben an Jesus und die Frohe Botschaft weitergeben zu können."

    Das gilt dann aber nicht für die letzten 2000 Jahre.

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